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Full text of "Archäologische Zeitung"

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ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG 


HERAUSGEGEBEN 


ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUT  DES  DEUTSCHEN  REICHS. 


JAHRGANG  XLII. 

1884. 


REDACTEUR:  Dr.  MAX  FRANKEL. 


BERLIN, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG  REIMER. 
1885. 


INHALT. 

Spalte 

H.  Blümner  Die  Speisetisclie  der  Griechen  (Textabbildungen) 179  (285) 

A.  CoNZE  Goldschniuc'k  kieinasiatisclier  Fundorte  (Tafel  7  und  zwei  Textabbildungen) 89 

Siegelring-  aus  Cypern  (Textabliildung) 165 

R.  Engei.mann   Drei   Bronzen  (Tafel  2) 21 

A.  Fi'RT\vÄN(iLEK  Arcliaisclier  Goldschmuck  (Tafel  8.  9.  10  und  zwei  TextabbiidungenJ 99 

P.  Hartwig  Neue  Unterweltsdarstellungen  auf  griechischen  Vasen  (Tafel  18.  19  und  Textabbildungen)  253 

F.  HuLTscH  Ein  antiker  Massstab  (Textabbildungen) 191 

F.  Kopp  Herakles  und  Alkyoiiens  (Tafel  8.  4) 31 

G.  KöKTE  P^truskischer  Krater  aus  Caere  (Tafel  5.  G) 81 

K.  Lange  Zur  Fartlienos 129 

G.    I^ösciicKE   Tgäns'Cai  (2  Textabbildungen) 93 

M.  Mayer  Ein  Theseus-Sarkopiiag  (Textabbildung) 271 

P.  J.  Meiek  Beiträge   zu    den    grieclüsebeu   Vasen  mit  Meistersignaturen   (Tafel  15.  16.  17  und  Text- 
abbildungen)         237 

K.  K.  MiJLLKR   Relieffragment    mit    Darstellungen    aus   dem   IlivaS   des   Kebcs   (Textabbildung).      Mit 

einem  Zusatz  von   C.  Robert 115 

C.  Robert  Die  Ostnietopen  des  Parthenon 47 

0.  Rossbach  Die  dreizehnte  Siidnietope  des  Parthenon 57 

Sculpturen   von  llion  (Tafel  14  und  zwei  Textabbildungen) 223 

0.  Schröder  Zu  den  Webstühlen  der  Alten  (Textabbildung) 169 

F.  Studniczka  Zur  Eule  der  Parthenos 161 

K.  Wernicke  Orestes  in  Delphi  (Tafel  13) 199 

F.  Wolters  Eros  und  Psyche  (Tafel  1  und  zwei  Textabbildungen) 1 

—  Beiträge  zur  griechischen  Ikonographie.  I.  Anakreon.  II.  llermarchos.  III.  Antiochos  Soter. 
(Tafel  11.  12  und  Textabbildung) 149 

MISCELLEN. 

H.  Bi.ümnek  Noch  einmal  die  „Monoknemos"  des  Apelles 133 

R.  Engelmann  Noch  einmal  zu  Tafel  2,2 209 

M.  Fränkel  Der  Halm  auf  Grabsteinen 139 

W.  Helbu;  Zur  Parisaniphora  Archäol.  Zeitung  1883  Tafel  15 141 

0.  Puchstein  Die  ,Schlangentopfwerferin'  im  pergamenischen  Altarfries  (Textabbildungen)     .     .     213(293) 

C.  Robert  Zu  Tafel  2,2 137 

A.  VON  Sallet  Zur  Athena  Parthenos 61 

F.  Studniczka  Zum  Ostgiebel  des  Zeustempels   in  Olj'uipia 281 

P.  Wolters  Inschrift  einer  Vase  aus  der  Krim  (Textabbildung) 209 

BERICHTE. 

Erwerbungen  der  königlichen  Museen  im  Jahre  1883 

I.  Sammlung  der  Sculpturen    und  Abgüsse  (A.  Conze) 63 

II.   Autiquarium  (A.  FrKTwÄN(iLEK) 65 

Erwerbungen  des  Britischen  Museums  im  Jahre   1883 143 

Sitzungen  der  archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  im  Jahre  1884 69.  145.  219 

Festsitzung  des   deutschen  archäologisclien  Instituts  in  Rom 67 

Chronik  der  Winckelmaunsfeste  (.\then.  Rom.  l'erlin.  Bonn.  Kiel) 287 

Berichtigung  zu  1883  S.  321 77 

Nachtrag  zu  Seite  17i)fi' .          285 

zu  S.  213 293 

Bericht  über  die  Thätigkeit  des  kaiserlich  deutschen  archäologischen  Instituts  vom   1.  Ajiril   ^HHH  bis 

I.April   1884  (A.  Conze) 79 


IV  Inhalt. 

ABBILDUNGEN. 

Tafel     1.  Eros   und  Psyche,  Bionzerelief  im  Herliuci-  Museum. 

2.  Bronzen:  1.  2.  im  British  Museum,   3.  in  Edinburgh. 

3.  Heralvles  und  Alkyoneus,  Schale  in  Corneto. 

4.  Herakies  und  Alkyoneus,  Amphora  in  Paris. 

5.  6.  Marsyas-Krater  aus  Cervetri. 

7.  Goldschmuck,  gefunden  am  Golf  von  Elaia. 

8.  9.  10.  Archaischer  Goldschmuck. 

-  11.  Anakreon. 

-  12.  Antiochos  Soter. 

-  13.  Orestes  in  Delphi,  Hydria  in  Berlin. 

-  14.  Metopen  von  liion. 

-  15.  Amphora  des  Amasis. 

-  16.  Schalen  des  Pamphaios  und  Euphronios. 

-  17.  1.  Vase  des  Epilykos.     2.   Fragmente  aus  Vulci.     3.  Schale  des  Hieron. 

-  18.  Unterweltsvase  Santangelo. 

-  19.  Fragmente  einer  Unterweltsvase  in  Karlsruhe. 

Spalte     18.  Eros  und  Psyche,  Gemme. 

20.  Ecos  und  Psyche,  Marmorgruppe  aus  Aphrodisias  im  Berliner  Museum. 

92.  Ornament  eines  goldenen  Diadems  aus  Kleinasien. 

93.  Goldenes  Diadem  aus  Abydos  (nach  Teirich's  Blättern  für  Kunstgewerbe). 

97.  Reitende  Selene  von  einer  Oinochoe  in  Florenz  (nach  Heydemann,  Mittheilungen  aus  Italien). 

98.  Keitende  Selene  von  der  Basis   der  Lonormant'schen  Copie   der  Parthenos. 
107.     Tödtung  des  Minotauros,  Thonrelief  in  Corneto. 

113.     Form  einer  Goldplatte   im  Museo  Gregoriano. 

115.     Relieffragmeut  mit  Darstellungen  aus  dem  JJiva^  des  Kebes. 

153.     Büste   des  Hermaich  in  Athen. 

165.  Siegelring  aus  Cypern  mit  Athena  Parthenos. 

166.  Aegyptischer  Webstuhl  (nach  Lepsius'   Denkmälern). 
181  ff.     19  Abbildungen  antiker  Tische. 

193.  Antiker  Massstab  in  Dresden. 

209.  Inschrift  einer  Vase  aus  der  Krim  (nach  Stephan!  Conipte  rendu  1877   S.  275). 

213.  Der  Schlangentopf  im  pergamenischen  Altarfries. 

235.  Gusscanal  an  einer  Platte  des  pergamenischen  Altarfrieses. 

249.  Inschriften  der  Iliupersis-Vase  des  Brygos. 

272.  Orpheus,   schwarzf.  Vasenbild. 

273.  Theseus-Sarkophag  in  Rom. 


EROS  UND  PSYCHE. 


(Tafel  1.) 


Das  Rejief  aus  getriebener  Bronee,  welches  auf 
Tafel  1  nach  einer  Zeichnung  von  Max  Lübke  ab- 
gebildet ist,  befindet  sich  seit  dem  Jahre  1882  im 
Berliner  Antiquarium.  Als  Fundort  wird  Epirus 
genannt').  Die  Erhaltung  ist  eine  sehr  gliiekliehe; 
die  wenigen  fehlenden  Theile  ergeben  sich  aus  der 
Abbildung,  sonst  hat  das  Relief  nur  durch  einen 
Bruch  Schaden  gelitten,  welcher  durch  das  linke 
Handgelenk  und  die  linke  Hüfte  des  Eros  geht, 
sich  längs  der  inneren  Seite  des  linken  Beines  bis 
zur  Wade  fortsetzt,  und  den  unteren  Theil  des  Un- 
terschenkels ziemlicli  stark  entstellt.  Auch  der 
rechte  Unterschenkel  ist  gebrochen,  doch  ohne  dass 
seine  Formen  dadurch  beeinträchtigt  würden,  wie 
auch  ein  Bruch  hinter  dem  Kopf  des  Mädchens 
ohne  grösseren  Einfluss  auf  die  gesammte  Erhal- 
tung geblieben  ist.  Die  untere  Spitze  des  Flügels 
rechts  ist  etwas  verbogen. 

Diese  Entstellungen  sind  in  der  Abbildung  nicht 
berücksichtigt.  Hiretwegen  ist  anstatt  der  sonst 
vielleicht  wünschenswerthen  Photographie  nach  dem 
Original  die  Wiedergabe  nach  einer  Zeichnung  ge- 
wälilt  worden^);  leider  war  es  nicht  möglich,  im 
Drucke  die  Weichheit  zu  erreichen,  welche  das 
Original  auszeichnet,  besonders  die  Köpfe  erschei- 
nen dort  voller,  runder  und  jugendlicher  in  den 
Formen.     Die  Oberfläche    der  Bronee   ist  von  auf- 


')  Jahrbuch  der  k.  preussisehen  Kunstsammlungen  IV  S.  VII. 
Arch.  Ztg.   1883  S.  271. 

•)  Ein  schlecht  gelungener  Lichtdruck  nach  dem  Original 
ist  von  Lucy  JI.  Mitchell  in  den  ■^elections  from  ancient  scu/p- 
Iure  Taf  12,2  veröfl'entlicht:  vgl.  auch  ihre  History  oj  ancienl 
sculpture  S.  529. 

Arcbiiolog   Ztg.  Jahrgang  XL.U. 


fällig  guter  Erhaltung,  noch  ganz  glatt,  gleich- 
massig  mit  dunkelbrauner  Patina  überzogen  und 
kaum  an  einer  Stelle  von  Host  angegriffen.  So 
lässt  sieh  die  sorgfältige  Gravirung  noch  genau 
verfolgen ,  mit  welcher  besonders  die  Fittige  und 
Haare  bis  ins  Einzelne  ausgearbeitet  sind. 

Ueber  die  ehemalige  Bestimmung  ist  es  schwer 
etwas  sicheres  zu  sagen,  da  die  Rückseite  keine 
Spuren  der  Befestigung  mehr  aufweist;  aber  ob- 
schon  manche  andere  Verwendung  denkbar  ist, 
erscheint  die  zum  Schmuck  einer  Spiegelkapsel  der 
ganzen  Form  wie  des  Gegenstandes  wegen  am 
Wahrscheinlichsten. 

Dargestellt  sind  zwei  prächtig  geflügelte  Gestal- 
ten, ein  Jüngling  und  ein  Mädchen.  Der  Jüngling, 
den  wir  unbedenklich  Eros  nennen  dürfen,  steht 
mit  dem  linken  Arm  auf  einen  Fels  gestützt  in  jener 
sanft  bewegten  Stellung,  die  wir  zuerst  bei  den  Ge- 
stalten des  Praxiteles  finden.  Aufli'allend  ähnlich 
ist  die  Haltung  des  sogenannten  Narkissos  {Monu- 
menti  1856  Taf.  21),  man  ist  versucht  an  eine  Ent- 
lehnung zu  denken.  Auf  welcher  Seite  dann  die 
Abhängigkeit  wäre,  ist  klar;  in  unserer  Gruppe 
wirkt  der  Fels,  der  steif  aufgestützte  Arm  störend, 
er  trennt  gewissermassen  die  Gruppe,  die  doch  eine 
enge  Einheit  bilden  soll.  Aber  mag  nun  der  Künst- 
ler unseres  Reliefs  durcli  ein  anderes  Werk  angeregt 
worden  sein,  mag  er  ganz  frei  gestaltet  haben,  die 
eben  berührte  Härte  der  Composition,  durch  welche  er 
die  gefällige  Stellung  seines  Eros  erkaufte,  zeigt, 
wie  viel  Werth  er  eben  hierauf  legte.  Und  in  der 
That  gehört  der  weiche,  fliessende  Urariss,  den  er 
dem  Körper  des  Eros  gegeben  hat,  zu  dem  Gelun- 
gensten der  ganzen  Darstellung. 

1 


P.  Wolters,  Eros  und  Psyche. 


An  Eros'  Seite,  die  .Reclite  vertraulicli  auf  seine 
Schulter  gelegt,  stellt  ein  gleich  ihm  geflügeltes 
Mädchen,  hekleidet  mit  dem  ziemlich  hoch  gegür- 
teten Chiton  und  einem  Mantel,  der  um  den  linken 
in  die  Seite  gestemmten  Unterarm  sowie  den  Un- 
terkörper geschlungen  ist.  Das  rechte  Bein  ist  über 
das  andere  geschlagen.  Sie  wendet  deu  Kopf  etwas 
von  Eros  weg,  während  dieser  schmeichelnd  mit 
der  Rechten  nach  ihrem  Kinn  zu  greifen  scheint. 

Dass  die  Gruppe  so  wie  sie  uns  vorliegt  durch- 
aus als  Relief,  und  zwar  als  Relief  in  abgegrenztem, 
fast  kreisförmigem  Räume  gedacht  ist  und  nicht 
anderswoher  entlehnt  sein  kann,  beweisen  die  Flü- 
gel. Durch  diese  den  Raum  auszufüllen  und  von 
diesem  Hintergrunde  die  Gestalten  sich  abheben  zu 
lassen,  war  der  Gedanke,  den  der  Künstler  ver- 
folgte und  erreichte. 

In  dem  Jüngling  haben  wir  Eros  erkannt, 
das  Mädchen  demnach  Psyche  zu  benennen  liegt 
zu  nahe,  als  dass  darüber  Worte  zu  verlieren 
wären.  Auch  ich  habe  diese  Bezeichnung  in  der 
Ueherschrift  gewählt,  wie  ich  auch  jetzt  keine 
bessere  vorzuschlagen  habe,  aber  ich  bin  mir  dabei 
bewusst,  den  Namen  mehr  für  unser  modernes  Ge- 
fühl zu  geben,  als  dass  ich  dafür  stehen  möchte, 
der  antike  Künstler  habe  ihn  gegenwärtig  gehabt. 
Eros  und  Psyche  sind  für  uns  sehr  geläufige  He- 
griffe, und  unbesehen  taufen  wir  jedes  Mädchen, 
das  in  Eros'  Gesellschaft  erscheint,  auf  den  Namen 
Psyche;  vorsichtiger  Weise  müssen  wir  die  vielen 
ungeflügelten,  die  sterblichen  Mädchen  bei  Seite 
lassen,  mit  denen  der  Liebesgott  so  oft  tän- 
delnd dargestellt  ist.  Dass  mit  der  geflügelten 
Genossin  des  Eros  ein  bestimmtes  Wesen  gemeint 
sei,  dürfen  wir  behaupten.  Aber  wie  ist  es  zu 
nennen?  Das  Mädchen  Psyche,  die  Geliebte  des 
Eros,  kommt  in  der  Litteratur  überhaupt  nirgends 
vor  bis  auf  Apuleius  —  denn  den  Aristophonles  Alhe- 
naeus  und  seine  Dijsareslia  die  uns  Fulgentius') 
als  zweite  Behandlung  des  Märchens  aufbinden 
will,  wird  man  besser  nicht  geltend  machen  — ,  und 
da  auch  Lukios  von  Patrai  für  das  Märchen  sicher 

ä)  Mylholoijicon  III  ß;  vgl.  U.  Jahn,  Archäologische  Beiträge 
.S.  123,3.  440,  L.  Frieilländer,  Sittengeschichte*  I  S.  481,  1. 


nicht  als  seine  Quelle  gelten  darf*),  so  sind  wir 
auf  jenen  späten  Schriftsteller  als  einzige  Quelle 
angewiesen,  was  um  so  bedenklicher  scheint,  als 
seine  Psyche,  die  offenbar  ohne  Flügel  gedacht  wird, 
wenig  mit  der  beflügelten  Genossin  des  Eros  zu  thun 
hat.  Allerdings  glaubte  0.  Jahn  (Leipziger  Berichte 
1851  S.  156)  in  einigen  Epigrammen  dieselbe  Vorstel- 
lung zu  finden,  aber  trotz  des  Beifalls,  welchen  diese 
Ansicht  fast  allgemein  gefunden  hat,  vermag  ich 
sie  nicht  für  richtig  zu  halten.  In  der  ganzen 
griechischen  Anthologie  ist  kein  einziges  Ge- 
dicht zu  finden,  welches  die  Vorstellung  der  Seele 
sei  es  als  Schmetterling,  sei  es  als  Mädchen,  klar 
ausspräche.  Stephani,  der  im  Conipte-rendu  1877 
S.  68  für  die  übrigen  von  Jahn  benutzten  Epi- 
gramme jene  Beziehung  mit  Recht  abweist,  glaubt 
nur  in  dem  des  Meleagros  Anth.  Pal.  XII  l?yJ 
Psyche  unter  dem  Bilde  des  Schmetterlings  zu  fin- 
den, weil  das  ähoaei,  l^w  nvxva  ngoamTaiitevi] 
nur  auf  dies  Thier,  nicht  etwa  auf  die  Seelen,  wie 
sie  die  ältere  Kunst  gebildet  habe,  passe.  Diese 
alten  eYöcola  werden  wir  besser  aus  dem  Spiel  lassen; 
es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  dass  sie  der  Phantasie 
des  Dichters  irgendwie  vorgeschwebt  haben,  zumal 
sie  sich  als  Bild  der  liebenden  Seele  nirgends 
nachweisen  lassen,  und  so  höchstens  für  das  an 
sich  nahe  liegende  Motiv  der  Beflügelung  wirksam 
gewesen  sein  könnten.  Dass  die  angeführte  Stelle 
aber  durchaus  nicht  zwingt,  au  einen  Schmetterling 
zu  denken,  ist  ohne  weiteres  klar,  wenn  wir  uns 
vergegenwärtigen,  wie  oft  die  Epigrammatiker  von 
dem  l^og  reden,  der  den  Verliebten  an  den  Gegen- 
stand   seiner    Neigung    fessele^);    dass    es    sogar 

■*)  Diiss  Luliios  sowohl  dem  ^/<ivxiog  ij  ovo;  als  den  Metamor- 
phosen des  Apuleius  zu  Grunde  liege,  ersterem  verkürzt,  letztereiu 
erweitert,  und  dass  zu  den  Einschiebseln  gerade  das  Märchen 
gehört,  glaube  ich  mit  Goldbacher  (Zeitschrift  für  die  österrei- 
chischen Gymnasien  XXIII  1872  S  323.  403)  annehmen  zu 
müssen.  Den  alten  Sagenstotl'  des  Märchens  hat  L.  Friedländer 
(Sittengeschichte '  I  S  4(JS)  nachgewiesen;  dass  die  Namen  Eros 
und  Psyche  willkürlich  gewählt  sind,  ist  danach  erst  recht 
orten  liar. 

^)  Vgl  Anth.  l'al.  V  96  liöi-  i/tig  jo  tf{).)]fiu.  100  //r,- 
od'iili'  tliifitiaiv  /|6i'  ^/a)i'.  XII  92  fv  t^iii  Kvn()iäfi(;  6ifOcii/Joi 
ßijttudjtx  ynii/.itvoi.  93  (üf  ?i'(;5  roOro  (ro  ofiftit)  nntiaa^Tif- 
ytrai.  Ein  ähnlicher  Gedanke  V  56  ykfjiui  anl.äyxVMV  ri,iit- 
ifowv  (UxTvic   z«)    nuylütc:.      \b.>   HrnyiiU  Ti'Hrjni   ).lvu. 


P.  Wolters,  Eros  iiiul  I'sydie. 


ü 


uuniüg'licli  ist,  sich  den  Schmetterling  vorzustellen, 
zeigen  die  Worte  tö  ttieqÜ  aov  didexsv,  denn  die 
Flügel  eines  Falters  zu  binden,  möchte  zu  den 
schwierigeren  Aufgaben  gehören  °).  Aber  auch  an 
das  Mädchen  Psyche  dürfen  wir  nicht  denken: 
schon  das  ivl  dea^ioig  anatQeig  gäbe  dann  ein  liäss- 
liches,  das  xal  a  eni  nvg  iozijas  ein  ganz  uner- 
trägliches Bild.  Die  Vorstellung  des  Dichters  von 
der  Seele  ist  niclit  so  konkret;  sie  ist  ihm  ein  ge- 
flügeltes Wesen,  das  Eros  einfängt  und  quält,  — 
lieiss  und  kalt  wird  es  ihr,  auch  Thräueu  kostet 
es,  denn  Liebe  bringt  Leid  —  aber  weiter  denkt 
er  nicht'). 

Wenn  ich  trotzdem  glaube,  dass  wir  fortfahren 
dürfen,  die  Genossin  des  Eros  Psj^che  zu  nennen, 
so  baue  icli  weniger  auf  die  Autorität  des  Apu- 
leius  —  obwohl  er  wenigstens  zeigt,  dass  zu  seiner 
Zeit  das  Paar  Eros  und  Psj^che  bekannt  war  — 
als  auf  den  Umstand,  dass  die  Schmetterlingsflügel, 
welclie  Psyclie  meistens  zeigt,  doch  nur  dem  Spiel 
mit  dem  Worte  xpi'xrj,  das  sowohl  Seele  als  Schmet- 
terling bedeutet,  ihre  Entstehung  verdanken  können, 
und  das.s  dies  Mädchen  mit  Schmetterlingsflügeln 
auf  späteren  Werken")  offenbar  zur  Darstellung 
der  Seele,  ganz  ohne  Beziehung  auf  Eros,  verwen- 
det worden  ist.  Aber  seit  wann  diese  Bezeichnung 
gebräuchlich  war,  wage  ich  ebensowenig  zu  be- 
stimmen, als  etwa  einen  Namen,  den  wir  in  der 
älteren  Zeit  dieser  Gefährtin  des  Eros  beilegen 
dürften.  Dass  Psyche  nicht  der  ursprüngliche  sei, 
glaube  icii  annehmen  zu  müssen,  denn  der  Ge- 
danke, die  Seele  als  Geliebte  des  Eros  hinzu- 
stellen, ergiebt  sich  durchaus  nicht  von  selbst.  Er 
hat  unzweifelhaft  etwas  Künstliches,  und  ich  kann 
mir  kaum  denken,  dass  er  ohne  Einfluss  der  Pla- 

^)  Stephani  S.  71  erklärt  die  Worte  allerdings:  Eros  'halte 
die  ipu/i]  über  brennendes  Feuer,  indem  er  sie  an  den  Flü- 
geln erfasst  habe';  wie  das  in  denselben  liegen  könne,  ist 
mir  nicht  ersichtlich. 

'')  Aus  dieser  allgemeinen  V'orstellung  heraus  miiss  auch 
das  Pompejanische  Bild  (Heibig,  WandgemüMe  854;  vgl.  O.  Jahn, 
Archäologische  Beiträge  S.  181,  Leipziger  Berichte  1851  S.  161. 
Compte-rendu  1ST7  S.  74)  verstanden  werden,  wo  Psyche  zugleich 
mit  Feuer  und  Wasser  gequält  wird. 

')  Es  genügt,  hierfür  auf  den  berühmten  Sarkophag  im  Ca- 
pitol  mit  Prometheus  und  der  Erschaffung  des  Menschen  zu  ver- 
weisen. 


tonischen  Dialoge,  besonders  des  Gastmahls,  ent- 
standen sei.  Er  ist  dort  nicht  so  ausgesprochen, 
er  findet  .so  überhaupt  keine  Stelle  in  dem  System 
Platonischer  PhilosopLie;  er  gehört  zu  den  Gedan- 
ken, welche  aus  der  Lektüre  des  nicht  als  Denker, 
sondern  als  Dichter  geleseneu  Plato  in  das  Publi- 
kum gedrungen  sind,,  ohne  mit  ihm  eigentlich  mehr 
zuthuu  zu  haben  als  etwa  die  Platonische  Liebe,  die 
wir  im  Munde  füliren.  Es  ist  schwer  zu  denken, 
dass  ein  Künstler  diesen  etwas  gesuchten  Ge- 
danken gefasst  und  verkörpert  hätte;  viel  eher 
möchte  man  hier  eine  Benennung  erkennen,  die  einer 
von  der  Kunst  geschaffenen  Gestalt  in  litterarisch 
gebildeten  Kreisen  beigelegt  wurde  und  endlich 
so  populär  ward,  dass  sie  die  Kunst  selbst  beein- 
flusste.  Die  ältesten  sicheren  Beispiele  der  Schmet- 
terlingsflügel bei  dem  Mädchen,  und  damit  des 
Namens  Psyche  bieten  die  pompejanischen  Bilder, 
bei  denen  aber  die  VogelflUgel  auch  noch  ganz 
gewöhnlich  sind.  Doch  muss  der  Name  Psyche 
schon  früher  erfunden  sein:  eben  diese  Bilder  zei- 
gen uns  Eros  mit  den  Flügeln  des  Schmetterlings, 
offenbar  doch  schon  eine  weitere  spielende  Ver- 
wendung der  auf  den  Namen  Psyche  hin  üblich 
gewordenen  Beflügelung.  Wir  müssen  also  schon 
deshalb  etwa  bis  in  die  vorchristliche  Periode 
zurückgreifen,  und  noch  iiöher  hinauf  zu  gehen 
zwingt  uns  das  Bild  einer  praenestinischen  Cista 
(MoniimentiX  Taf.  4b),  welches  Furtwängler  Ati- 
iiali  1877  S.  189  richtig  in  diesem  Sinne  ver- 
wendet hat.  Da  Eros  hier  bereits  mit  den  Flügeln 
eines  Falters  ausgestattet  erscheint,  so  müssen  wir 
wohl  annehmen,  dass  schon  im  dritten  Jahrhundert 
Psyche  ihren  Namen  und  ihre  Schmetterlingsflügel 
trug. 

Ueber  die  Davstellungen  der  Psyche  ist  sehr 
viel  geschrieben;  die  ältere  Litteratur  findet  sich 
in  den  bekannten  Aufsätzen  Otto  Jahns')  angeführt, 
in  neuerer  Zeit  sind  besonders  zwei  umfangreiche 
Behandlungen  des  Gegenstandes  erschienen,  Col- 
lignon's  Essai  siir  les  monuments  grecs  et  ro- 
mains  relalifs  au  mythe   de  Psyche  und   Stephani's 

')  Archäologische  Beiträge  S.  121  und  Leipziger  Berichte 
1851  S.  153. 

1* 


P.  Wolters,  Eros  und  Psyche. 


8 


schon  angeführter  Aufsatz  im  Coiiipte-rendu  1877 
S.  53—219.  Collignou's  Arbeit  hat  die  Untersuchung- 
nicht  wesentlich  gefördert,  und  sich  meist  begnügt 
eine  Darstellung  der  landläufigen  Ansichten  in  etwas 
weitschweifiger  Form  zu  geben.  Das  beigefügte 
Yerzeichniss  der  Kunstwerke  ist  leider  wenig  voll- 
ständig und  schlecht  angeordnet,  auch  ist  vieles 
Unsichere  aufgenommen  '").  Etwas  mehr  werde 
ich  mich  mit  der  zweiten  Arbeit  zu  befassen  haben, 
da  ich  ihre  mit  vieler  Sicherheit  vorgetragenen  Er- 
gebnisse fast  durchgängig  für  verfehlt  halten  muss, 
und  bei  einer  Darlegung  meiner  Ansichten  die  Be- 
streitung der  entgegenstehenden  nicht  ganz  ver- 
meiden kann  "). 

Stephani  ist  auf  die  ganze  Frage  von  einer  Seite 
her  gekommen,  die  ihm  keinen  freien  Ueberblick 
gestattete.  Er  unternahm  den  Beweis,  dass  die 
Darstellung  eines  Schmetterlings  vor  der  Mitte  des 
dritten  Jahrhunderts  v.  Chr.  eine  Unmöglichkeit  sei, 
um  so  den  mykenischen  Funden  ihr  hohes  Alter 
abzustreiten.  Indem  er  so  eigentlich  nur  die  Dar- 
stellungen des  Insekts  verfolgte,  verrückte  er  den 
Stand  der  ganzen  Untersuchung '"').     Er  geht  von 

'")  Als  Beweis  für  diese  Behauptung  mag  der  Umstiind  die- 
nen, dass  von  allen  pompejanischen  Bildern  nur  sechs  (3  — S)  an- 
geführt werden,  dass  die  erste  Abtheilung,  die  monuments  ila- 
hlissants  ies  dates  extremes  des  reprisenlations  de  Psycho  ausser 
diesen  nur  vier  Monumente  enthält:  die  Spiegelkapsel  Gerhard 
I  Taf.  20,  10,  die  ganz  ohne  Grund  ins  zweite  Jahrhundert  v.Chr. 
gesetzt  und  als  ältestes  Stück  behandelt  ■«■ird,  den  Spiegel  Ger- 
hard IV  Taf.  331,  2,  dessen  Deutung  auf  Psyche  den  grössten 
Bedenken  unterliegt,  die  Wandgemälde,  welche  im  Bulküino 
1853  S.  149  erwähnt  und  in  die  Zeit  der  Antonine  gesetzt  wer- 
den, und  eine  Münze  von  Nikomedia.  Welcher  Gesichtspunkt 
bei  dieser  Auswahl  angewandt  sei,  vermag  ich  nicht  zu  sehen. 
Weshalb  -z.B.  die  als  llö  aufgeführte  schwarztigurige  Vase 
(Arch.  Ztg.  1869  Taf.  15)  lieber  unter  die  geschnittenen  Steine 
als  hierher  gesetzt  worden  ist,  sehe  ich  nicht  ein.  Oder  sollte 
eine  solche  niclit  ein  etwas  sichereres  Mittel  zur  Datirung  sein, 
als  jene  Spiegelkapsel?  (;ollignon  hält  die  Vase  für  echt,  sonst 
hätte  er  sie  nicht  anführen  dürfen,  ohne  wenigstens  das  Gegen- 
theil  zu  bemerken;  wie  er  aNo  darauf  kommt  sie  nicht  zur  Da- 
tirung zu  benutzen,  begreife  ich  nicht.  Dass  sie  allerdings  eine 
Fälschung  ist,  hätte  er  aus  Kekulä's  Bemerkungen  Arch.  Ztg. 
1869  S.  HC  erfahren  können. 

")  Dass  ich  auf  die  zahllosen  Gehässigkeiten,  mit  welchen 
Stephan!  auch  diesen  Aufsatz  verunziert  hat,  in  keiner  Weise 
Rücksicht  nehme,  wird  niemand  missbilligen. 

'■')  Ich  bemerke  nebenbei,  dass  sich  zu  der  Darstellung  einer 
Clikadenlarvc,  von  der  Stephani  S.  28  ausgeht,  um  diese  ganze 
Untersuchung  über  Schmetterlinge   und  Psyche   zu  führen,   eine 


der  Behauptung  aus  (S.  57),  dass  die  Alten  von 
den  frühesten  bis  in  die  spätesten  Zeiten  Menschen, 
Thieren  und  Pflanzen  eine  besondere  Lebenskraft, 
ii!v%ri^  zugeschrieben  hätten;  diese  Lebenskraft  habe 
sich  für  die  Alten  besonders  im  Schmetterling  mit 
seiner  dreifachen  Verwandlung  gezeigt,  und  ihn  habe 
man  deshalb  gewissermasseu  als  beste  Verkörpe- 
rung der  Lebenskraft  betrachtet,  ihn  kurzweg  \pvxi] 
genannt,  und  dann  natürlich  später  auch  als  Bild 
der  menschlichen  Seele  benutzt.  Er  behauptet  wei- 
ter, dass  keine  Erwähnung  des  Schmetterlings  in 
der  Litteratur  über  die  zweite  Hälfte  des  vierten, 
keine  Darstellung  in  der  Kunst  über  die  zweite 
Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  zurückreiche,  und 
dass  die  Gewohnheit,  die  Seele  als  Falter  zu  den- 
ken, erst  dem  letzten  Jahrhundert  v.  Clir.  angehöre, 
auch  überhaupt  nicht  vor  der  allgemeinen  Erschüt- 
terung des  alten  Glaubens  möglich  gewesen  sei. 
Als  jene  Auffassung  geläufig  gewesen  sei,  habe 
man  endlich  die  Seele  sogar  als  Mädchen  mit 
Schmetterlingsflügeln  gedacht  und  dargestellt  (S.  79); 
dies  könne  nicht  vor  dem  ersten  vorchristlichen 
Jahrhundert  geschehen  sein,  und  in  der  That  seien 
die  Bilder  aus  Pompeji  die  ältesten  Denkmäler 
dieser  Auffassung.  Dass  demnach  die  berühmte 
Gruppe  Eros  und  Psyche  frühestens  um  den  An- 
fang unserer  Zeilrechnung  entstanden  sein  könne, 
liege  auf  der  Hand  (S.  176),  und  dieser  Ansatz 
bleibe  sogar  dann  richtig,  wenn  ursprünglich  in 
iiir  nur  gewöhnliche  Kinder  gemeint  gewesen  seien, 
da  erst  vom  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  an  'der 
Ideenkreis  einer  Kinderwelt'  in  der  Kunst  ausge- 
bildet worden  sei. 

Ich  vermag  diesen  Aufstellungen  in  keinem 
Punkte  zu  folgen.  Wäre  wirklich  der  Name  \pv%rj 
für  den  Schmetterling  so  zu  erklären,  wie  Stephani 
will,  so  ständen  wir  sofort  vor  dem  Räthsel,  wie 
es  möglich  gewesen,  dass  die  Griechen  zwar  die 
Lebenskraft,  d.  ii.  die  Seele,  in  dem  Schmetterling 
geradezu  verkörpert  gesehen,  trotzdem  aber  nun 
diese  von  ihnen  sogar  im  Namen  ausgesprochene 
Verkörjicrung  erst  Jahrhunderte  später  angewendet 

Wiederholung  ebenfalls  aus  Gold  in  einem  sardinisehen  Grabe 
gefunden  hat;  vgl.   Bulleltino  Sardo  III  S.  21. 


9 


P.  Wolters,  Eros  und  Psvche. 


10 


liättcu.  Aber  diese  Anualimc  einer  iptr/jj  in  allen 
organischen  Wesen  ist  durchaus  nicht  allgemeine  hel- 
lenische Anschauung''),  us  ist  philosophische,  spe- 
ciell  peripatetische,  Lehre,  und  es  fällt  schon  mit 
dieser  Erkeuntniss  die  ganze  Aufstellung  in  sich 
zusnmmen.  Auch  die  Behauptung,  die  Griechen 
hätten  den  Schmetterling  nicht  vor  350  gekannt, 
ist  irrig,  der  Vers  des  Aischylos  (Nauck,  Fragm.  trag. 
280)  öfönixcc  /.luiQov  xagra  Tiiwavatnv  /iiogov  zwingt 
uns  sofort  ein  Jahrhundert  und  mehr  zuriickzugehn, 
denn  der  Dichter  verwendet  hier  den  Schmetterling 
schon  durchaus  sprichwörtlich.  In  der  rein  grie- 
chischen Kunst  dagegen  scheint  sich  bis  jetzt  aller- 
dings keine  über  das  dritte  Jahrhundert  zurück- 
gehende Darstellung  des  Schmetterlings  gefunden 
zu  haben").  Schliesslich  —  denn  alles  Uebrige 
wird  sich  unten  von  selbst  erledigen  —  möchte  ich 
bemerken,  dass  die  Berufung  auf  die  'Kinderwelt' 
keine  l'-eweiskraft  hat.  Es  handelt  sich  gar  nicht 
um  Kinder  iu  dem  Alter,  wie  sie  in  jener  spielen- 
den Kiuderwelt  auftreten,  und  auch  wenn  dies  der 
Fall  wäre,  würde  nichts  daraus  folgen.  Oder  weshalb 
hätte  die  Kunst  nicht  eine  Scene  aus  dem  Kinder- 
leben bilden  können,  ehe  sie  sich  gewöhnt  hatte, 
alle  möglichen  llaudlungeu  und  Ereignisse  durch 
Kinder  parodistisch  ausgeführt  darzustellen'*)? 

'3)  Die  von  Stephani  S.  57,  1.  "2  zusammengebrachten  Stellen 
können  lUis  durchaus  nicht  beweisen:  Hesiod  lAnn'i^V.  172  und 
Xenophon  Jirrrjyfnxnt;  13,  14  helfen  gar  nichts,  da  hier  i^c/i? 
'Leben'  hcisst,  auch  ja  nur  von  Thieren  die  Rede  ist;  die  in 
dem  Scholion  üu  Aristophanes'  Wolken  712  vorgetragene  Lehre 
ist  die  peripatetische,  zu  der  Zeller,  Philosophie  der  Grie- 
chen^ II.  2  S.  479.  4ns.  500  zu  vergleichen  ist;  bei  Seneca  Brief 
58  zeigt  schon  das  place!  das  philosophische  ^j/aci'dim  an,  und 
in  den  gespreizten  Betrachtungen  des  Plinius  NH.  17,153.  31,3 
dürfen  wir  den  Einfluss  desselben  ebenfalls  voraussetzen;  die 
Etymologie  endlich,  die  der  Scholiast  zu  Oppian  11  1(54  vorbringt, 
enthält  gar  nichts  hierher  Gehöriges  und  ist  überdies  nach  Pla- 
ton's  Knitylos  S.  399  D  und  den  Bemerkungen  von  E.  Dummlur 
S.  57  der  Exercilationis  i/riimmalicae  specimina  des  Bonner  Se- 
minars unbedenklich  für  Antisthenisch,  d.  h.  für  stoisch  zu 
halten. 

'■')  Stephani  hält  den  Sardonyx  Compte-rendu  1S80  Tat".  3, 9 
für  die  älteste  Darstellung  eines  Schmetterlings  (vgl.  1877  S.  62. 
1880  S.  20.  78),  Eurtwängler,  Sammlung  Sabourotfll  zu  Taf.  135 
das  Ohrgehänge  Antiquitis  du  Bosphore  Chiimirien  Taf.  7 ,  8 
S.  LXV,  51;  der  Unterschied  ist  unbedeutend,  und  für  uns,  wie 
sich  zeigen  wird,  gleichgültig. 

'^)  Ich  wüsste  keinen  besseren  Ausdruck  für  diese  Ait  der 
Darstellung    al.-    den    von   Jahn,   .Vrch.  Beitrage  S.  194    glück- 


Otto  Jahn  ist  bei  seiner  Besprechung  der  Psyche 
(Arch.  Beiträge  S.  128)  von  den  ältesten  Darstellun- 
gen der  menschlichen  Seele,  den  kleinen,  geflügel- 
ten oder  ungeflügelten  sYdiola  ausgegangen,  die 
wir  auf  Vasenbildern  finden,  und  darin  sind  ihm 
die  meisten  gefolgt.  Aber  icli  meine,  es  liegt  auf 
der  Hand,  dass  diese  Schatten  verstorbener  Men- 
schen, die  nach  homerischer  Vorstellung  umherflat- 
tern, wesenlos  und  luftig,  nichts  zu  thun  haben  mit 
jener  Darstellung  der  von  Eros  geliebten  Seele. 
Hier  ist  weder  eine  begriffliche  Entwicklung  der 
einen  Gestalt  aus  der  andern  möglich,  noch  eine 
formale.  Jene  Schatten  und  die  Geliebte  des  Eros 
haben  nichts  gemein  als  etwa  den  Namen ;  erst  in 
viel  späterer  Zeit  hat  die  Gespielin  des  Eros  auch 
zur  Bezeichnung  der  vom  Körper  geschiedenen 
menschlichen  Seele  dienen  müssen.  Aus  jenen  flat- 
ternden sYdiola  entwickeln  sich  die  würdigeren 
Bilder  der  Schatten  wie  das  eXdioXnv  AlijTnv  (Alil- 
lin,  Tombeaux  de  Canosa  Taf.  7),  welche  die  ehe- 
malige Gestalt  des  Menschen  wiedergeben,  und  nur 
irgendwie  die  Schattenhaftigkeit  seines  Wesens  an- 
zudeuten versuchen;  für  unsere  Psyche  ist  ein  eige- 
ner  Ursprung  anzunehmen").     Es    lag   nahe,  den 

lieh  gewählten  der  'Parodie',  trotz  des  heftigen  Widerspruches 
von  Stephani  S.  193.  Er  ereifert  sich  sehr  darüber,  dass  man 
durch  diesen  Ausdruck  das  Princip  jeuer  Darstellungsart  'in  den 
lächerlichen  und  komischen  Charakter'  verlege.  Als  ob  jede 
Parodie  komisch  sein  müsse!  Wir  bezeichnen  allerdings  mit- 
unter auch  die  Travestie  ungenau  mit  jenem  Wort;  in  genauem 
Ausdruck  können  und  sollen  wir  beide  Begriffe  sondern.  Sie 
beziehen  sich  natürlich  ursprünglich  nur  auf  die  Dichtung.  Die 
Parodie  behält  die  äussere  Form  eines  Werkes  bei,  ändert  aber 
den  Inhalt,  die  Travestie  giebt  denselben  Inhalt  in  komischer 
Form.  Die  Travestie  ist  immer  komisch ,  die  Parodie  kann 
es  sein.  Wollen  wir  die  beiden  Begriffe  auf  die  Kunst  anwen- 
den, so  ist  dies  nicht  ohne  eine  kleine  Umdeutung  möglich,  aber 
offenbar  werden  wir  mit  Fug  und  Recht  eine  Darstellung,  welche 
in  der  äusseren  Form  Apollo  und  Marsyas,  in  Wahrheit  Eroten 
zeigt  (Gerhard,  Antike  BiMwerke  Taf.  91,  1),  eine  Parodie  nen- 
nen so  gut  wie  den  von  Affen  dargestellten  Auszug  des  Aeneas 
(Heibig,  Wandgemälde  1380).  Wollte  man  das  Wort  Travestie 
auf  die  Kunst  anwenden,  so  könnte  man  damit  nur  die  burleske 
Darstellung  ernsterer  Begebenheiten  bezeichnen.  Panofka's  Auf- 
satz Parodieen  und  Karikaturen  (Abhandlungen  der  Berliner 
Akademie   1851   S.  1)  nützt  in  dieser  Frage  nichts. 

"■)  Dass  man  die  Seele  auch  als  Vogel  mit  Menschenkopf 
oder  einfach  als  Vogel  dargestellt  habe,  wie  noch  Collignon 
(Ket'ue  archiologifjue  N.  S.  XXX  1875  S.  203.  Mijlhe  de  Psi/ch(f 
S.  298)  meint,  ist  eine  höchst  problematische  Annahme;  vgl. 
0.  .Jahn,     Arch.  Beiträge    S.  137,  GG.      Das     Epigramm    Anth. 


11 


P.  Wolters,  Eros  und  Psvdie. 


12 


Gott  der  Liebe  selbst  iu  Liebesverhältnissen  dar- 
zustellen und  ihm  eine  Genossin  zu  geben,  damit 
doch  nicht  einzig  er  allein  sei.  Die  Entstehung 
dieses  weiblichen  Gegenstückes  zu  Eros  wird  sich 
kaum  in  der  Litteratur  vollzogen  haben;  es  scheint 
fast  ein  Bedürfniss  der  künstlerischen  Ausdrucks- 
weise, dem  dadurch  genügt  wurde.  Es  war  die 
Kunst,  welche  den  weiblichen  Kentauren  schuf, 
welche  zum  Pan  die  Paniske  gesellte"),  die  Kunst 
hat  auch  zu  Eros  dieses  gleich  ihm  geflügelte 
Mädchen  gefügt,  von  dem  die  Litteratur  schweigt. 
Kach  Vorbildern  brauchte  sie  nicht  lange  zu  suchen : 
die  geflügelte  Iris  und  Nike  boten  sich  von  selbst 
dar,  nur  nuisste  ihr  Alter  dem  des  Knaben  Eros 
angenähert  werden.  So  schuf  die  Kunst  das  ge- 
flügelte Mädchen,  das  wir  jetzt  Psyche  nennen. 
Wann  dies  geschehen,  vermögen  wir  nicht  mit 
Sicherheit  zu  sagen,  doch  führen  die  Analogien 
aufs  vierte  Jahrhundert.  Auch  den  Namen,  wel- 
chen man  dem  Mädchen  zuerst  beigelegt,  wissen 
wir  nicht.  Wie  es  gestaltet  war,  zeigt  uns  unsere 
Bronce'''),  die  wir  als  seine  älteste  erhaltene  Dar- 
stellung ansehen  müssen.  Eine  genaue  Datirung 
derselben  ist  freilich  nicht  möglich,  doch  wird  man 
sie  kaum  für  jünger  halten  können  als  den  Anfang 
des  dritten  Jahrhunderts. 

Wir  besitzen  eine  unverhältnissmässig  grosse 
Reihe  von  Denkmälern,  die  Eros  und  Psyche  in 
traulichem  Zusammensein  zeigen,  Stephani  hat  S.  160 
deren  fünfundneunzig  aufgeführt,  und  auch  wenn 
wir  die  unsicheren   Beii^piele")  ausscheiden,   wird 

Pal.  Vn  62  zeigt,  dass  die  Deutunt;  des  Adlers  1111!'  die  Seele 
l'latons  etwas  ganz  alleinstehendes  ist;  vgl.  VII  161. 

"}  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Heydemann,  Terrakotten 
aus  dem  Museo  nazionale  zu  Neapel  S.  15. 

'8)  Dieselbe  ältere  Gestalt  der  Psyche  mit  Vogelflügeln 
bieten  uns  ausser  den  pompejanischen  Bildern  besonders  die  un- 
ten genauer  zu  besprechende  Terrakotte  Sabouroff,  die  im  Be- 
sitze von  Lambrus  befindliche  (Frohner,  Terms  cuites  d'Asie  mi- 
neure  Taf.  21),  und  eine  dritte,  die  im  Comple-rendu  1877  S.  5  (vgl. 
S.  166,67)  abgebildet  ist.  Es  ist  also  keine  Spielerei,  welche 
Psyche  diese  Flügel  gab,  wie  Stephani  S.  147  meint.  Nachdem 
man  sich  gewohnt  hatte,  bei  Psyche  beide  Arten  von  Flügeln 
ohne  Unterschied  zu  verwenden,  war  es  allerdings  fast  .selbst- 
verständlich, auch  Eros  an  dieser  Mannigfaltigkeit  Tlieil  nehmen 
zu  lassen. 

")  Besonders  73.  74,  aber  auch  üU  und  IJS.  Das 'Fragment' 
aus  Durand's  Sammlung  (70)   ist  vollständig  und   zum  Anheften 


die  Zahl  sich  doch  mindestens  auf  dieser  Höhe 
halten ,  da  weitere  Exemplare  neu  hinzugekommen 
sind  (z.  B.  durch  Matz-Duhn),  und  wir  auch  die  hin- 
zufügen müssen,  welche  die  beiden  Gestalten  neben 
einander  stehend,  nicht  gerade  sich  umarmend  zei- 
gen, und  die  Stephani  (S.  182)  vergeblich  auszu- 
sondern versucht  hat,  denn  beide  Darstellungen  ge- 
hen zu  oft  in  einander  über.  Leider  steht  der 
Werth  der  Denkmäler  in  keinem  Verhältniss  zu 
ihrer  Zahl;  die  meisten  entstammen  römischen  Sar- 
kophagen uud  Grabuiälern  und  ilire  Zusammen- 
stellung hat  eigentlicii  nur  statistisches  Interesse. 
Sie  erscheinen  durchgehends  als  etwas  leere  uud 
ungeschickte  Nachklänge  jener  berühmten  Gruppe 
vom  Capitol.  Man  darf  kühn  behaupten,  dass  diese 
mit  ihren  Repliken  uns  die  vollendetste  Darstellung 
von  Eros  uud  Psyche  —  die  Richtigkeit  dieser  Be- 
nennung vorausgesetzt  —  bietet,  und  es  läge  nahe, 
in  ihrem  Original  jene  erste  Schöpfung  der  Kunst 
zu  suchen,  aus  welcher  die  ganze  Vorstellung  von 
Psyche  herzuleiten  ist. 

Brizio  hat  Bidlettino  1874  S.  7  den  Versuch  ge- 
macht, die  Gruppe  auf  den  jüngeren  Kephisodot 
zurückzuführen,  ohne  zwingende  Gründe.  Gern  wird 
man,  zumal  in  dem  Eros,  jene  Freude  an  weich 
geführten,  sanft  bewegten  Umrissen  wiedererken- 
nen, die  in  Praxiteles  gelebt  haben  muss,  aber  auch 
spätere  Künstler  konnten  dies  Ideal  verfolgen.  Der 
sichere  Termin,  welchen  uns  eine  unter  Caracalla  in 
Öerdike  geprägte  Münze  (Stephani  86;  abgebildet 
in  Sallet's  Zeitschrift  für  Numismatik  VIII  Taf  1,26 
vgl.  dazu  Riggauer  S.  94)  giebt,  lehrt  uns  nichts 
neues.  WerthvoUer  wäre  schon  die  Bestätigung 
einer  von  Cavedoni  Annali  1860  S.  289  gebrachten 
Notiz,  nacli  welcher  Denare  der  gens  Vibia  die  etwa 
86  v.Chr.  geprägt  sind,  unsere  Gruppe  als  Bei- 
zeichen hätten.  Leider  vermag  ich  so  wenig  wie 
Riggauer  (S.  95)  einen  solchen  nachzuweisen,  und 
bin  gegen  die  Nachricht  etwas  skeptisch  geworden, 

an  eine  Unterlage  bestimmt;  e»  zeigt  den  Oberkörper  eines  Mäd- 
chens, das  sich  zurückbeugt,  um  sich  von  einem  hinter  ihm  er- 
scheinenden Jüngling  küssen  zu  lassen.  Es  schliesst  sich  also 
den  anderen  Monumenten  nur  sehr  lose  an,  zumal  jede  Spur 
von  Beflügeinng  fehlt;  vgl.  Kekule,  Die  antiken  Terrakotten  II 
Taf.  49,2. 


13 


P.  Wolters.  Eros  inul  Psvchc. 


14 


da  ich  an  mir  selbst  erfahreu  habe,  wie  leicht  auf 
geringeren  Exemplaren  der  ganz  gewöhnliche  Kranz 
eine  täuschende  Aehnlichkeit  mit  der  fraglichen 
Gruppe  bieten  kann.  Bessere  Dienste  leistet  uns 
eine  Terrakottagruppe  aus  Ephesos,  etwa  dem  zwei- 
ten Jalnhundert  angehürig,  die  Furtwäugler,  Samm- 
lung Sabouroffll  Taf.  135  verüffentlicht  hat=°).  Sie 
ist  unmöglich  ohne  Beziehung  mit  der  capitolini- 
schen  Gruppe  zu  denken,  dazu  ist  die  Ueberein- 
stimmung  in  den  Einzelheiten  der  Gewandung, 
Stellung  und  Armhaltung  viel  zu  gross.  Aber  ob- 
wohl Eros  und  Psyche  sich  hier  eng  umschlungen 
halten,  küssen  sie  sich  doch  nicht,  sondern  blicken 
beide  geradeaus.  Furtwängler  glaubt  hierin  eine 
besondere  Feinheit  erblicken  zu  dürfen:  noch  trenne 
ein  ungewiss  zögerndes  Gefühl  die  Beiden  von  der 
höchsten  Seligkeit  des  Kusses,  und  wäinend  Eros 
mit  schmeichelnder  Hand  ihr  Gesicht  dem  seinen 
zu  näiiern  suche,  wende  sie  sich  sträubend  ab.  Die 
Darstellung  des  Kusses  selbst  dagegen  scheint  ihm 
eine  Steigerung  in's  Atfektvolie,  die  den  Reiz  na- 
türlicher Einfalt  und  zurückhaltender  Unschuld  auf- 
gegeben habe.  Ich  vermag  nicht,  mich  diesem  Ur- 
theil  anzuschliessen.  Etwas  Zögerndes  und  Zurück- 
haltendes liegt  deutlich  und  schön  in  der  eapitoli- 
nischen  Gruppe  ausgesprochen,  besonders  in  der 
Stellung  des  Eros;  man  spürt  in  jeder  Bewegung 
den  Zwang  der  Leidenschaft,  welche  alle  Scheu 
und  alles  Zögern  überwältigt.  Wenn  aber  Psyche 
den  Geliebten  so  innig  umschlingt,  was  soll  da  ein 
scheues  Abwenden  des  Kopfes?  Das  wäre  keine 
zurückhaltende  Unschuld,  das  wäre  berechnete  Sprö- 
digkeit.  Auch  würde  Eros  natürlicher  Weise  doch 
sein  Gesicht  zu  Psyche  wenden  müssen,  wenn  er 
sie  küssen  will.  Ich  kann  demnach  in  der  Haltung 
der  Köpfe  nur  ein  Ungeschick  des  Formers  sehen, 
dem  eine  genaue  Nachahmung  der  capitolinischen 
Gruppe  allerdings  schwer  geworden  sein  w'ürde. 
Auch  die  veränderte  Haltung  der  rechten  Hand  der 
Psyche  wie  der  linken  des  Eros,  mit  denen  im 
Original  jeder  den  Kopf  des  andern  an  sich  drückte, 

-")  Abgesehen  von  dieser  ist  das  älteste  sicher  datirbare 
Momiiiieiit  i]ie  kleine  Gruppe  aus  Pompeji  bei  Kekule,  Die  an- 
tiken Terrakotten  I  Tal'.  43,  3  wozu  die  Uemerkunycn  Rohden's 
S.  .i4  zu  vergleichen  jind. 


stammt  daher.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass 
die  charakteristischen  Bewegungen  der  Gruppe  vom 
Capitol  schon  vorhanden  gewesen  seien,  ehe  diese 
selbst  ihnen  den  wahren  Sinn  verlieh,  ich  muss 
darum  annehmen,  dass  ihr  Original  schon  im 
zweiten  Jahrhundert  nicht  nur  existirte  sondern 
sogar  nachgeahmt  wurde,  und  eine  dieser  Nach- 
ahmungen ist  die  Terrakotte  aus  Ephesos. 

Aber  wie  haben  wir  uns  jenes  Original  zu  den- 
ken':* Ich  kenne  in  Zeichnungen'")  oder  Original 
acht  Wiederholungen  jener  Gruppe,  zwei  in  Be- 
schreibungen, eine  elfte  ist  verschollen").  Von  die- 
sen sind  die  Gruppe  vom  Capitol,  die  in  der  Samm- 
lung Hope  CMichaelis,  Ancient  marhies  S.  287,22) 
und  die  beiden  in  Dresden  (Hettner,  Die  Bildwerke 
der  Antikensammlung  zu  Dresden*  S.  103,  185. 
75,  7(i)  ziemlich  genaue  Copien  desselben  Origi- 
nales, und  sämmtlich  ohne  Beflügelung-').  Am 
nächsten  steht  diesen  das  Exemplar  in  Florenz 
(Dütschke,  Bildwerke  in  Oberitalien  III  .508),  das 
sich  besonders  durch  die  Umkehrung  der  Com- 
position  und  die  hier  zuerst  angebrachten  Flügel 
unterscheidet.  Allen  diesen  Wiederholungen  ge- 
meinsam ist  die  kunstvolle  und  ausdrucksvolle  Grup- 
pirung,  die  wir  natürlich  ebenso  bei  ihrem  Original 
voraussetzen  müssen.  Die  anderen  Repliken  haben 
diese  durchdachte  Anordnung  und  damit  einen 
grossen  Theil  der  Schönheit  aufgegeben.  Hierher 
gehören  zunächst  zwei  Exemplare,  die  beide  nicht 
veröffentlicht  sind,  eines  in  Berlin,  das  andere  im 
Museum  Torlonia  (P.  E.  Visconti,  3ruseo  Torlouia 
S.  92,  174),  ersteres  ist  mir  im  Original,  letzteres 
durch  eine  Skizze  F.  Dümmler's  bekannt").    Eros 

-')  Zur  Uebersicht  bequem  ist  die  Zusammenstellung  in 
Clarac's  Musee  de  scu/pture  IV  Tal'.  652.  653. 

'-'-)  Bracci,  Memorie  degli  incisori  II  S.  251.  Siephani  7. 
Es  wäre  dagegen  ein  wunderbarer  Zufall,  wenn  die  beiden  von 
Bracci  als  nach  England  verkauft  genannten  Gruppen  nicht  mit 
denen  in  Sammlung  Hope  und  Lansdowne  identisch  wären.  — 
Der  von  Slilchhiifer,  Athenische  Mittheilungen  IV  S.  126,4  be- 
schriebene Rest  unserer  Gruppe  ist  zu  unbedeutend,  um  beson- 
dere Aufmerksamkeit  zu  verdienen. 

"')  Der  zweiten  Dresdener  Grujipe  hatte  man  Flügel  ange- 
setzt, die  jetzt  wieder  entfernt  sind;  auch  die  etwas  abweichende 
Stellung  der  Psyche  ist  Folge  der  Ergänzung. 

'-'*)  Als  ergänzt  bezeichnet  er  beide  Köpfe  mit  den  daran 
liegenden   Händen,  auch  don   rechten   Unterarm  der  Psyche,  den 


15 


P.  Wolters,  Eros  und  Psyche. 


16 


und  Psyche  stehen  sich  etwas  steif  gegenüber,  so 
dass  der  Beschauer  sie  im  Profil  siebt;  Eros  links 
stehend,  ruht  auf  dem  rechten  Beiue,  seine  Eechte 
liegt  auf  Psyches  Schulter,  ihre  Linke  an  seiner 
rechten  Seite;  mit  den  beiden  vom  Beschauer  ab- 
gewaudten  Händen  fasst  jeder  den  Hinterkopf  des 
anderen,  doch  küssen  sie  sich  nicht,  vielmehr  sind 
die  Gesichter  noch  ziemlich  weit  von  einander  ge- 
trennt: ein  recht  ungeschicktes  Motiv.  Der  einzige 
grössere  Unterschied  zwischen  beiden  Gruppen,  die 
sonst  sogar  bis  auf  die  Stütze  an  Eros'  rechtem 
Bein  übereinstimmen,  scheint  die  Stellung  von  des- 
sen linkem  Bein  zu  sein,  das  in  der  Berliner  Gruppe 
über  das  andere  geschlagen,  in  der  römischen  ein- 
fach vorgesetzt  ist;  da  aber  im  ersteren  Fall  die 
Unterschenkel  ergänzt  sind ,  so  wird  hierin  wohl 
die  Gruppe  Torlonia  für  uns  massgebend  sein  kön- 
nen ^^).  Die  Beflügelung  ist  in  beiden  Fällen  sicher. 
Offenbar  sind  diese  decorativen  Arbeiten  nicht  mehr 
als  freie  Gruppen  gedacht,  ihre  ganze  Anlage 
zwingt,  sie  vor  einer  Wand  aufzustellen  und  sie 
mehr  als  Relief  wirken  zu  lassen.  Jede  andere 
als  die  reine  Vorderansicht  ist  ungeschickt.  Noch 
geringer  an  Kunst  und  noch  etwas  ärmlicher  in 
der  gesammten  Anlage  ist  das  Exemplar  aus  Argos 
(Revue  archeologique  N.  S.  XXX  1875  Taf.  22),  doch 
scheinen  die  Abweichungen  mehr  Ungeschick  als 
Ueberlegung  zu  verrathen;  im  Ganzen  würde  dies 
Exemplar  sich  den  eben  besprocheneu  anschliessen, 
wie  auch  das  Bi-uchstück  in  Venedig  (Dütschke, 
Bildwerke  in  Oberitalien  V  198)  liierher  gehören 
möchte.  Ueber  die  Gruppe  in  Hannover  (Stephani 
S.  160,  6)  lässt  sich  niclits  Sicheres  sagen,  als  dass 
sie  die  gewülinliche  Beflügelung  zeigt  und  von 
geringem  Werthe  ist. 

Von  den  acht  Wiederholungen  der  Gruppe  also, 
die  wir  in  Betracht  ziehen  können,  ist  nur  eine,  die 
florenfinische,  bei  genauerem  Festhalten  der  Compo- 

lechten  aus  zwei  Stücken  bestehenden  Arm  des  Eros,  sowie  sei- 
nen linken  Flügel.  Unter  den  Knieen  ist  die  Gruppe  gebrochen, 
doch  scheint  hier  nur  Altes  wieder  zusammengesetzt,  ebenso  wie 
am  rechten  Flügel  des  Eros. 

-^)  Dieselbe  Form  der  Gruppe  bietet  die  Münze  von  Ser- 
dike,  und  auch  die  mannigfach  wechselnden  Gruppen  der  Sar- 
kophage scheinen  von  dieser  Gestaltung  ausgejrangen  zu  sein. 


sition  mit  Flügeln  versehen"),  die  drei  letztgenann- 
ten weichen  zu  sehr  vom  Original  ab,  um  eine  Ent- 
seheidun?  zu  brinaen.  Für  das  Original  dürfen  wir 
danach  kaum  die  Flügel  voraussetzen,  um  so  weni- 
ger als  diese  offenbar  einen  grossen  Theil  des  Reizes, 
den  die  Composition  durcii  den  vornehmen,  geschlos- 
senen Umriss  ausübt,  zerstören  und  zerstören  müssen. 
Daraus  ergiebt  sich  zunächst,  dass  wir  in  dem  Ori- 
ginal dieser  Gruppe  nicht  die  erste  Schöpfung  der 
Psyche  annehmen  dürfen,  denn  diese  konnte  der 
Flügel  nicht  entbehren;  und  da  doch  auch  unsere 
ßronce  nicht  für  dies  einflussreiche  Kunstwerk  gel- 
ten darf,  sie  auch  nicht  von  der  Gruppe  abhängen 
kann,  da  ja  ihre  ganze  Anlage  die  Flügel  vor- 
aussetzt, so  werden  wir  auf  eine  allen  diesen  voi-- 
ausliegende  Schöpfung  geführt,  von  der  die  Kunst 
diesen  fruchtbaren  Gedanken  empfing.  Man  könnte 
allerhand  Gründe  dafür  anführen,  dass  es  ein  Ge- 
mälde gewesen  sei;  wir  werden  besser  thun,  uns 
mit  unserer  Unkenntniss  zu  begnügen. 

Steht  nun  aber  —  und  dies  ist  der  zweite 
Punkt  —  für  das  Original  der  Gruppe  der  Mangel 
von  Flügeln  fest,  so  scheint  auch  die  Deutung  auf 
Eros  und  Psyche  hinfällig  zu  werden.  Ich  gestehe, 
dass  ein  zwingender  Grund  für  dieselbe  fehlt,  aber 
meine  doch,  dass  sie  einen  hohen  Grad  von  Wahr- 
scheinlichkeit beanspruchen  darf.  Denn  welchen 
Knaben  und  welches  Mädchen  sollen  wir  sonst  in 
der  Gruppe  erkennen?  Beliebige,  namenlose?  Da- 
gegen spricht  doch  die  Traciit  der  Psyche.  Und 
das  Alterthum  hat  siclier  in  jener  Gruppe  recht 
früh  schon  jenes  vorbildliclie  Liebespaar  erkannt, 
das  zeigt  die  Terrakotte  Sabouroff,  das  zeigen  die 
Repliken  mit  Flügeln,  besonders  die  in  Florenz,  das 
scheint  auch  die  Gruppe  Lansdowne  zu  zeigen,  deren 
Deutung  nicht  zu  bezweifeln  ist  (Michaelis,  Ari- 
cienl  marhles  S.  456,  70)  und  deren  Eros  wenigstens 
unserer  Gruppe  entlehnt  ist.  Dass  die  zahlreichen 
Sarkophage  mit  ihrer  ständig  wiederkehrenden 
Gruppe  diese  Deutung  unterstützen,  braucht  kaum 
bemerkt  zu  werden. 

Ich    glaube    also    diese  Entwicklung  annehmen 

^'')  Audi  die  oben  Anni.  20  genannte  Terrakotte  :ius  Pom- 
peji  cntlic'brt  der  Flügel. 


17 


P.  Wolters,  Eros  und  Psrche. 


18 


zu  müssen:  zu  Eros  gesellte  die  Kunst  ein  gleich 
ilini  mit  Vogelflügeln  begabtes  Mädchen,  sein 
weibliches  Gegenbild;  ob  ihr  gleich  anfangs  der 
Name  Psyche  beigelegt  wurde  ist  ungewiss,  ja  un- 
wahrscheinlich, aber  im  dritten  Jahrliundert  bereits 
scheint  ihr  dieser  Name  und  in  Folge  davon  mit 
spielender  Anlehnung  an  die  Bezeichnung  des  Fal- 
ters, yjvxrj,  auch  die  Befiügelung  des  Schmetterlings 
gegeben  zu  sein,  die  dann  immer  allgemeiner  be- 
liebt wurde.  Ob  die  Darstellung  der  .Seele  als 
Schmetterling  diesem  selben  etymologischen  Wort- 
spiel seine  Entstehung  verdankt  oder  aus  der  fer- 
tigen Vorstellung  der  Psyche  sich  entwickelt  hat, 
ist  kaum  zu  entscheiden,  doch  macht  die  Ver- 
bindung, in  welcher  der  Schmetterling  zu  Eros  steht, 
das  letztere  wahrschcinlicli.  Auch  dies  Bild  hat 
dann  später  die  Kunst  ergriffen ,  um  die  mensch- 
liche Seele  ganz  ohne  Beziehung  auf  Eros  auszu- 
drücken. 

II. 
Unter  den  vielen  Wiederholungen  des  sich  um- 
armenden und  küssenden  Paares  Eros  und  Psyche 
findet  sich  auch  eine  ziemliche  Anzahl  geschnittener 
Steine.  Leider  ist  hier  die  der  modernen  Fäl- 
schungen wegen  bei  Geramen  überhaupt  herr- 
schende Unsicherheit  besonders  gross,  da  bei  den 
modernen  Künstlern  die  Gruppe  sehr  beliebt  ge- 
wesen sein  muss;  als  Beispiel  statt  aller  anderen 
mag  die  Gemme  mit  der  Inschrift  <I>HAIH  dienen, 
in  der  man  schon  lange  ein  Werk  des  Felix 
Barnabö  erkannt  hat"'),  die  aber  doch  noch 
von  CoUignon  Mythe  de  Psyche  S.  391,  83  unbedenk- 
lich benutzt  ist.  Stephani  hat  in  sein  Verzeichniss 
deshalb  nur  zehn  Steine  aufgenommen;  vgl.  Comple- 
reiidii  1877  S.  1G8,  76—85.  Unter  diesen  Umstän- 
den wird  die  folgende  Vermehrung  unserer  Denk- 
mäler besonders  angenehm  sein.  Die  hier  in  dop- 
pelter Grösse  des  Originales  abgebildete  Gemme 
hat  Ludwig  Otto  im  September  1875  in  Bari  gezeich- 
net, als  sie  dem  dortigen  Muscu  miinicipale  zum 
Kauf  angeboten  wurde;  ich  verdanke  die  Zeichnung 

'-')   Vgl.  Köhler,  Gesammelte  Schiifien  III  S.  289.     Raspe, 
A   descriptive    vatalogue    of  ancient    and    modern    engraved    gems 
.S.  417,  7181   Taf.  43.     Stephani,   Comple-rendu    1877  S.  168,2. 
Archiiolog.  Zt?.   Jahrgang  XLU. 


der  Freundlichkeit  Reinhard  Kekule's.  Der  Stein, 
ein  Karneol,  hat  unten  rechts  eine  Beschädigung 
erlitten,  wie  die  Abbildung  zeigt.  An  seiner  Echt- 
heit ist  Zweifel  nicht  möglich:  er  befand  sieh  an 
dem  Thcil  einer  mittelalterlichen  Armatur,  deren 
Schmuck  er  mit  anderen  Gemmen  gebildet  hatte, 
doch  war  eine  Anzahl  derselben  bereits  ausgebrochen. 
Wo  sich  der  Stein  jetzt  befindet,  weiss  ich  nicht. 
Die  Gemme  bedarf  keiner  Erklärung;  die  Anmuth 
ihrer  Composition  ist  ebensp  offenbar,  wie  dass 
sie  nicht  in  nahe  Beziehung  zu  der  gewöhnlichen 
Gruppe  gesetzt  werden  darf,  deren  Grundgedanken 
sie  frei  und  eigenartig  gestaltet  darbietet. 

IIL 
Ein  Gegenstück  zu  der  von  Eros  gefesselten 
und  hart  gepeinigten  Psyche  bildet  der  gebundene 
Eros.  Die  Darstellung  ist  sehr  beliebt  gewesen: 
wir  finden  sie  in  Statuen ,  geschnittenen  Steinen 
und  Epigrammen;  über  die  genauere  Deutung  kann 
Zweifel  herrschen.  0.  Jahn  hat  in  den  Leipziger  Be- 
richten 1851  S.  153,  besonders  gestützt  auf  einen 
nur  in  der  Zeichnung  des  Pighius  erhaltenen,  von 
ihm  dort  Taf.  5  bekannt  gemachten  Sarkophag, 
die  Auffassung  durchgeführt,  dass  die  gequälte 
Psyche  sich  hier  ihres  Peinigers  zu  bemei.steru 
gewusst  und  ihn  so  unschädlich  gemacht  habe. 
Dagegen  hat  Stephaui  Compte-rendu  1877  S.  125. 185 
darzulegen  gesucht,  diese  Deutung  Verstösse  gegen 
alle  Logik,  da  wohl  die  Seele  von  der  Liebe,  aber 
nie  die  Liebe  von  der  Seele  Schoierzen  erfahren 
könne,    und  wir    demgemäss    anzunehmen    hätten. 


19 


P.  Wolters,  Eros  uud  Psyche. 


20 


Eros  sei  von  Aphrodite  oder  Nemesis  gefesselt,  und 
Psyche,  wenn  sie  überhaupt  dargestellt  sei,  wünsche 
ihn  zu  befreien.  Auf  diese  verstandesmässige  Er- 
örterung würde  ich  nicht  viel  geben:  die  Vorstel- 
lung, dass  Eros  von  Psyche  gefesselt  wird,  ist  um 
niclits  unlogischer  als  die,  dass  ihm  dasselbe  von 
einem  Menschen  widerfährt,  und  doch  hat  Melea- 
gros  (Anth.  Pal.  V  179)  gedichtet 

rj  yäg  aev  za  noörjya  nö&Cüv  wxvmSQa  xnipag. 
XaXxndsTov  acpiy^io  aolg  negl  nooal  neörjv. 
Uebrigens  ist  Stephani's  Deutung  nicht  neu;  schon 
Winckelmann  erkannte  auf  den  Gemmen  852 — 54 
der  Sammlung  Stosch  Eros  gefesselt  von  Aphrodite; 
seine  Meinung  allerdings,  dass  dies  die  Strafe  für 
Eros'  Liebe  zu  Psyche  sei,  stammt  noch  aus  Apu- 
leius.  Kichtiger  hat  deshalb  Böttiger  (Ideen  zur 
Kunst-Mythologie  II  S.  474)  diese  letztere  Beziehung 
aufgegeben,  spricht  es  aber  deutlich  aus,  dass 
Psyche  den  Eros  zu  befreien  wünsche.  Die  bis 
jetzt  bekannten  Denkmäler  gestatten  keine  sichere 
Entscheidung;  wir  können  es  dem  gefesselten  Eros 
nicht  ansehen,  wer  ihn  gefesselt,  ebenso  wenig  wie 
der  bei  ihm  stehenden  Psyche,  ob  sie  die  Bande 
lösen  oder  schürzen  will,  und  was  ein  an  der  Säule, 
an  die  Eros  gebunden  ist,  hinaufkriechender  Schmet- 
terling bedeuten  soll,  ist  erst  recht  nicht  zu  sagen; 
vielleicht  ist  er  mehr  als  Symbol  denn  als  Darstel- 
lung der  Psyche  geraeint.  Die  einzige  grössere 
Darstellung  ist  der  Sarkophag,  auf  dem  Jahn  die 
Fesselung  des  Eros  und  die  Vernichtung  seiner  Waifen 
durch  zwei  Psychen  erkannte,  während  Stephani 
S.  185  das  genaue  Gegeutheil  behauptet.  Ob  Eros 
gefesselt  oder  gelöst  werde,  ist  schwer  zu  entschei- 
den, die  Zeichnung  würde  für  das  letztere  sprechen; 
aber  dass  die  zweite  Psyche  nicht  im  Begrifi'  stehe, 
Eros  seine  Waffen  zurückzugeben,  dass  hier  ein 
dem  Eros  feindlicher  Akt  vorgenommen  werde,  ist 
aus  der  deutlich  dargestellten  Angst  und  Entrüstung 
seiner  Genossen  klar.  Können  wir  also  überhaupt 
diese  Zeichnung  benutzen,  so  müssen  wir  sie  nach 
Jahn  als  Rache  der  Psyche  an  Eros  erklären;  dass 
ich  diese  Auffassung  durchaus  für  möglich  halten 
inuss,  ist  bereits  gesagt. 

Aber  auch  die  entgegengesetzte  Auffassung  ist 


in  Kunstwerken  zum  Ausdruck  gekommen,  das  lehrt 
uns    die    hier    nach   einer  Zeichnung  Max  Lübke's 


zum  ersten  Mal  abgebildete  Marmorgruppe,  die  sich 
seit  1873  im  Berliner  Museum  befindet.  Sie  ist  in 
Aphrodisias  gefunden,  ergänzt  ist  nur  ein  Theil 
der  Unterschenkel  des  Knaben,  doch  ist  die  Stel- 
lung vollkommen  sicher.  Eros  steht  mit  gefessel- 
ten Händen  greinend  da,  der  Ausdruck  seines  Ge- 
sichtes ist  bis  zur  Karikatur  drastisch.  Mitleidig 
ist  Psyche  liinter  ihn  getreten,  mit  der  Linken  fasst 
sie  seinen  linken  Oberarm;  die  Rechte,  mit  welcher 
sie  das  Ende  der  Fessel  hält,  legt  sie  auf  seine 
rechte  Schulter.  Das  Mitgefühl  des  Mädchens  ist 
deutlich  genug  ausgedrückt;  den  kleinen  Gefange- 
nen zu  befreien  scheint  ihr  nicht  möglich,  da  ver- 
sucht sie  wenigstens  ihn  zu  trösten.  Die  Arbeit 
der  Gruppe  ist  flüchtig  und  gering,  die  Erfindung 
weist  auf  ein  besseres  Vorbild  hin.  Der  Gegensatz 
zwischen  dem  heulenden  Buben  und  dem  mit- 
leidig dreinschauenden  Mädchen  ist  offenbar  be- 
absichtigt und  mit  sichtlichem  Humor,  wenn  auch 
mit  einiger  Uebcrtreibung  ausgefUiirt. 

Dass  wir  trotz  des  Mangels  von  Flügeln  das 
Paar  Eros  und  Psyche  nennen  müssen,  ist  über 
allen  Zweifel  erhaben.     Der  Eros  entspricht  ganz 


21 


R.  Engelmann.  Droi  Hron/.cn. 


22 


genau  den  anderen  Darstellungen  des  gefesselten 
Liebesgottes  (Leipziger  Berichte  1851  S.  163),  und 
wenn  auch  diese  formale  Uebereinstinmiung  die 
Deutung  nicht  sicliern  könnte,  so  ist  sie  ihr  doch 
immerhin  günstig.  Sicher  ist  die  Deutung  schon 
deshalb,  weil  die  Annahme  gewöhnlicher  Kinder 
—  und  etwas  Anderes  bliebe  uns  doch  in  keinem 
Falle  übrig  —  eine  ganz  unverständliche  Gruppe 
ergäbe.  Was  ein  gefesselter  Knabe  und  ein  mit- 
leidig daneben  stehendes  Mädchen  sollen,  wenn  es 
nicht  eben  Eros  und  Psyche  sind,  ist  nicht  abzu- 
sehen. 

Und  so  hätten  wir  also  in  dieser  kleinen  Gruppe 


zum  ersten  Male  deutlicii  den  Gedanken  ausge- 
sprochen, dass  Eros  von  einer  fremden  Macht  ge- 
fesselt ist,  und  dass  Psyche  trotz  ihres  Mitgefühls 
ihn  nicht  zu  befreien  vermag.  Aber  ob  dieser  Ge- 
danke darum  nun  in  allen  Kunstwerken  liegt,  die 
den  gebundenen  Eros  zeigen,  ist  zweifelliaft;  der 
Sarkophag  des  Pighius  enthält  einen  ganz  anderen, 
und  zwischen  diesen  beiden  Autfassungen  bei  den 
einzelnen,  undeutliclien  Werken  zu  entscheiden,  wird 
kaum  möglich  sein.  Wir  werden  uns  begnügen 
müssen,  die  Möglichkeit  beider  einzugestehen. 
Berlin,  im  Januar  1884.  Paul  Wolters. 


DREI  BRONZEN. 


(Tafel 

Bei  meiner  Anwesenheit  in  London  im  Jahre 
1877  Hess  ich  durch  Mr.  Webb  uuter  Anderem  zwei 
Bronzen  des  britischen  Museums  zeichnen,  die  mir 
in  hervorragendem  Maasse  die  Aufmerksamkeit 
zu  verdienen  schienen.  Gründe,  die  ausser  mir 
liegen,  haben  bis  jetzt  die  Publication  der  Zeich- 
nungen verhindert,  und  so  hat  es  sich  gefügt,  dass 
wenigstens  für  eine  der  beiden,  No.  1,  die  Priorität 
uns  genommen  ist;  sie  findet  sich,  wenn  man  von 
der  schon  früheren  Veröffentlichung  in  der  9.  Ausg. 
der  Eucyclop.  Brilan.  s.  v.  Archaeolngy  absieht,  die 
wegen  iiirer  Kleinheit  kaum  mitzählen  darf,  bei 
Murray  liislonj  of  greek  sculpture  II  S.  345  und  bei 
L.  M.  Mitchell  history  of  ancient  sculpture  S.  529 
(Selcclions  pl.  12)  publicirt  und  besprochen.  Indess 
wird  unsre  mit  drei  litliographischeu  Platten  vor- 
treiflich  hergestellte  Abbildung,  wenn  sie  gleich 
spät  kommt,  doch  nicht  ohne  Nutzen  sein;  denn 
sie  verdient  vor  den  beiden  oben  citirten  offenbar 
den  Vorzug.  Die  Bronze  soll  in  Tareut  gefunden 
sein,  doch  wird  an  der  Genauigkeit  dieser  Angabe 
gezweifelt.  Man  sieht  einen  halb  sitzenden  Jüngling, 
dessen  Schenkel  von  Gewand  umkleidet  sind;  er 
hat  den  Oberkörper  etwas  nach  vorn  und  zugleich 
nach  dem  linken  Arm  hin  gebeugt;  das  noch  etwas 


2-) 

stärker  nach  vorn  geneigte  Haupt  folgt  im  All- 
gemeinen in  seiner  Richtung  derjenigen  des  Ober- 
körpers; die  Augen  scheinen  über  die  rechte 
Hand  fort  nach  einem  etwas  ferneren  Punkte  zu 
blicken.  Das  Haar  ist  kurz  und  kraus,  wie  bei 
einem  im  Gymnasien  heimischen  Jüngling  üblich; 
auch  die  Bildung  des  Körpers,  die  schwellenden 
Muskeln  der  Arme  verrathen  tüchtige  gymnastische 
Bildung.  Der  rechte  Arm  ist  nach  unten  mit  leich- 
ter Biegung  ausgestreckt;  die  Hand  ist  leider  ab- 
gebrochen, doch  ergiebt  sich  mit  Sicherheit  aus  der 
Gestaltung  der  Muskeln,  dass  der  Daumen  zur 
Hüfte  gewandt  war.  Eine  noch  schwerere  Beschä- 
digung hat  der  linke  Arm  erlitten,  er  ist  bis  auf 
den  Schulteransatz  verloren  gegangen;  doch  lässt 
die  Haltung  der  Figur  die  ursprüngliche  Richtung  mit 
Wahrscheinlichkeit  verniuthen:  der  Arm  war  zu- 
nächst senkrecht  nach  unten  gerichtet,  um  dann 
vom  Ellenbogen  an  sich  über  den  Leib  zu  strecken. 
Der  rechte  Fuss  tritt  mit  der  ganzen  Sohle  auf 
einen  nach  vorn  sich  etwas  senkenden  Terraiu- 
ausschnitt,  während  der  linke  nur  auf  den  Zehen 
ruht;  dadurch  wird  das  linke  Bein  etwas  stärker 
gekrümmt,  so  dass  der  Schenkel  mit  dem  unteren 
Theil  einen  Winkel  von  wenig  über  90  Grad  bildet. 


23 


R.  Entjelmann,  Drei  Bronzen. 


24 


Zu  beiden  Seiten  der  Beine  ist  das  Gewand  mit 
je  einem  kleinen  Loch  verseben,  ein  deutlicher 
Beweis  dafür,  dass  die  Figur  einst  an  irgend  einem 
Gegenstande  befestigt  war;  dasselbe  lässt  auch 
die  Hinterseite  erkennen,  denn  während  der  obere 
Theil  frei  ausgearbeitet  (gegossen)  ist,  zeigt  die 
untere  Partie,  soweit  der  Körper  vom  Gewand  be- 
deckt ist,  eine  deutliche  Ansatzfläche.  Die  Klein- 
heit und  die  Zahl  der  Löcher  zwingt  uns  anzuneh- 
men ,  dass  die  Figur  an  einem  bronzenen  Hinter- 
grund ausass,  so  dass  die  Lötliung  zur  Erreichung 
einer  sicheren  Verbindung  mithelfen  konnte;  auch 
niusste  die  Fläche  leicht  gekrümmt  sein,  wie  die 
ganze  Anordnung  der  Figur  beweist,  und  für 
die  Füsse  musste  ein  schräg  nach  unten  verlau- 
fender Vorsprung  vorhanden  sein.  Es  leuchtet 
ein,  dass  danach  die  Annahme  von  L.  Mitchell, 
es  handele  sich  um  die  Verzierung  eines  Spie- 
geldeckels, hinfällig  ist;  die  verhältnissmässig 
schwere  Figur  wäre  auch  als  Verzierung  einer  so 
kleinen  und  dünnen  Fläche  wenig  geeignet.  Eine 
bestimmte  Entscheidung,  wenn  sie  überhaupt  mög- 
lich ist,  lässt  sich  nur  angesichts  des  Originals 
treffen ;  nur  um  den  Kreis  zu  bezeichnen,  innerhalb 
dessen  man  meiner  Ansicht  nach  suchen  muss,  be- 
merke ich,  dass  man  an  eine  seitliche  Anordnung 
neben  dem  Henkel  eines  Gefässes  denken  könnte. 
Katürlich  müsste  unserer  Figur  dann  eine  einiger- 
massen  symmetrisch  angeordnete  zweite  auf  der  an- 
deren Seite  entsprochen  haben;  beider  Füsse  würden 
ungefähr  an  der  Verbindungsstelle  des  Henkels  mit 
dem  Körper  des  Gefässes  aufgesessen  haben,  wo  es 
an  einem  entsprechenden  Vorsprung  nicht  fehlt. 

Dass  unsere  Bronze  mit  einer  zweiten  Figur  zu- 
sammen gruppirt  war,  dafür  lassen  sich  allerdings 
auch  andere,  aus  dem  Monument  selbst  genommene 
Gründe  anführen.  Die  nach  rechts  (vom  ßescliauer 
aus)  gedrängte  Körperhaltung,  die  fast  ein  Ueber- 
fallen  nach  dieser  Seite  hin  befürchten  lässt,  die 
Abgeschlossenheit  die.ser  selben  Seite,  die  in  zwei 
Biegungen,  des  linken  Armes  und  Schenkels,  endet, 
im  Gegensatz  zur  andern,  wo  alles  offen  verläuft, 
ferner  die  Richtung  des  Kopfes,  des  Oberkörpers 
und   der   beiden   Arme,   ja  selbst   die   nicht   ganz 


klare  Gewaudpartie  an  der  rechten  Hüfte,  alles 
weist  darauf  hin,  dass  unsere  Figur  links  eine 
Ergänzung  fand.  Ein  gleiches  Resultat  wie  bei 
der  Betrachtung  der  Linienführung  erhält  man 
auch,  wenn  mau  die  Bedeutung  der  Figur  ins 
Auge  fasst. 

Der  Juugling  ist  halb  stehend,  halbsitzend,  oder 
vielmehr  sich  anlehnend  gebildet,  eine  Stellung, 
welche  besondere  körperliche  Anstrengung  (man 
könnte  leicht  au  einen  Diskuswerfer  denken)  aus- 
schliesst.  Auch  die  Haltung  der  Füsse  spricht 
gegen  gewaltsame  Bewegung;  der  fest  aufgesetzte 
rechte  Fuss  genügt,  um  deu  Körper  iu  der  etwas 
unsicheren  Stellung  zu  erhalten;  der  lose  aufgesetzte 
linke  dient  nur  dazu  das  Gleichgewicht  herzustellen. 
Und  doch  zeigt  die  ganze  Haltung  des  Jünglings 
höchste  Erregung  und  Spannung,  die  weder  in  der 
Figur  selbst  noch  auch  in  einem  unbestimmten  Et- 
wat-  ausser  ihr  die  Lösung  findet,  die  aber  sofort 
klar  wird,  wenn  wir  sie  mit  einer  andern  symme- 
trisch componirten  zusammengestellt  deuken.  Dass 
unmittelbare  Berührung  jedoch  ausgeschlossen  ist, 
brauche  ich  nicht  noch  besonders  hervorzuheben. 

Eine  bestimmte  Antwort  auf  die  Frage,  was  die 
Bronze  dargestellt  habe,  vermag  ich  nicht  zu  ge- 
ben, doch  will  ich  eine  Verniuthung,  die  wenig- 
stens die  Sachlage  erläutert,  uicht  zurücklialten.  Es 
scheint  mir,  dass  man  bei  unserer  Figur  und  ihrem 
vorausgesetzten  Gegenstück  am  besten  an  zwei 
Morraspieler  denken  könnte,  die  mit  der  einen 
Hand  (hier  der  linken)  nach  der  antiken  Weise 
einen  Stab  gefasst  halten,  während  sie  die  andere 
blitzschnell  vorstrecken  und  zugleicii  die  Zahl  der 
ausgestreckten  Finger  zu  errathen  suchen.  Die 
Haltung  des  ganzen  Körpers,  auch  der  Hände  und 
Füsse,  wäre  damit  völlig  und  zur  Genüge  erklärt, 
doch  verhehle  ich  nicht,  dass  mir  der  Ausdruck 
des  Gesichts  etwas  zu  ruhig  für  ein  derartiges 
iille  Leidenschaften  des  Südländers  erregendes 
Spiel  scheint.  Ich  hebe  deshalb  nochmals  hervor, 
dass  meine  Vermutiiung  mehr  bezweckt,  die 
Körperhaltung  verständlich  zu  machen  als  das 
Räthscl  endgültig  zu  lösen.  Eine  einigermassen 
mit    unserer    übereinstimmende    antike    Figur,    die 


R.  Engclmann,  Drei  Bronzen. 


26 


iiian  zur  \'crgleicliuiig-  lieranzielicu  könnte,   ist  mir 
nicht  bekannt. 

Die  Bronze  ist  nicht  uur  gegenständlich,  sondern 
auch  stilistisch  von  iiohcm  Interesse,  und  hat  nach 
dieser  Seite  iiin  bei  Murra}'  sowohl  wie  bei  L.  Mitchell 
die  verdiente  l'eaclitung-  gefunden.  Indessen  ist  das 
Urtiieil  beider  nicht  das  gleiche;  während  die  letz- 
tere Aehnlichkeit  mit  dem  Hermes  des  Praxiteles 
findet'),  zögert  der  erstere  nicht,  sie  auf  die  Schule 
des  Lysippos  zurückzuführen').  Ich  kann  nicht  um- 
hin mich  der  letzteren  Meinung  anzuschliessen;  auch 
mir  scheint  der  Charakter  peloponnesischer  Kunst- 
übung, speciell  des  Lysippos,  in  den  Formen  des 
Körpers  deutlieh  ausgeprägt  zu  sein.  Unzweifelhaft 
wohl  gehört  die  Bronze  erst  der  zweiten  Hälfte  des 
4.  Jahrhunderts  an;  ihre  Entstehung  dürfte  vor  dem 
.\po.\yomenos  kaum  wahrscheinlich  sein.  Das  ist 
auch  die  Ansicht  von  A.  Flasch,  dem  ich  die  Ab- 
bildung vorgelegt  habe;  ob  jedoch  die  Arbeit  aus 
einer  pclnponnesischen  oder  einer  attischen  Werkstatt 
stamme,  das,  meint  er,  lasse  sich  nicht  feststellen.  — 

Unter  No.  2  ist  eine  kreisförmige  Platte  abge- 
bildet, die  im  British  Museum  als  Neretis  willi  fe- 
male  deilies  bezeichnet  ist;  sie  stammt  angeblich 
aus  Macedonien.  Wie  der  Band  erkennen  lässt, 
war  sie  einst  eingesetzt,  so  dass  der  äussere  Rand 
unter  der  Einfassung  verborgen  war;  die  Grösse 
der  drei  Löcher,  die  zur  Befestigung  der  Platte  auf 
ihrer  Unterlage  dienten,  lässt  vermuthen,  dass 
die  letztere  nicht  aus  Bronze,  sondern  aus  einem 
andern  Material,  z.  B.  Holz  oder  Elfenbein,  bestand. 
Es  liegt  am  nächsten,  an  den  Deckel  einer  runden 
Büchse  zu  denken  (der  weit  vorgestreckte  linke 
Ellenbogen  des  Gottes  würde  beim  Oeffnen  gleich- 
sam als  Handhabe  haben  dienen  können),  doch 
sind    natürlich    auch    andere    Verwendungen    niclit 

')  Tliere  is  a  ntar  kinship  lo  ihe  /ealures  of  Praxiteles' 
Hermes,  hut  «  greater  slenderness  of  bodi/ ,  and  a  less  massive 
build  of  face. 

-)  The  leiiffth  of  the  limbs  and  expression  of  the  face  are 
heyonä  all  iiiislake.  white  the  shape  of  the  head  is  no  less  evidenlly 
that  of  the  school  of  Poli/kleitos ,  with  a  lendency  Iowards  the 
rounder  craniitm  of  Ihe  Attic  sculptors  which  Li/sippns  cuuld  hardly 
have  esiaped.  But  il  is  in  the  largeness  of  style,  in  the  bodily 
forms  and  in  the  treatment  of  the  drapery ,  that  we  are  inclined 
lo  discoier  a  chararterintic  nf  Lysippos. 


ausgeschlossen.  Das  Relief,  mit  welchem  die  Platte 
verziert  ist,  gehört  mit  zu  dem  Reizendsten,  was 
uns  aus  dem  Alterthum  erhalfen  ist.  Man  erblickt 
den  Kopf  und  die  Brust  eines  Seegottes,  dessen 
Hinterkopf,  wohl  in  Nachahmung  des  Gei)rauchs 
der  Seeleute,  die  auch  heute  noch  durch  wasser- 
dichte Kapuzen  sich  gegen  die  Uberspritzende 
Fluth  sichern,  mit  einer  dicht  anliegenden  und 
bis  zum  Nacken  hinabreichenden  Kappe  bedeckt 
ist.  Das  Gesicht  ist  von  zahlreichen,  nach  der  Art, 
wie  sie  sich  selbst  auf  die  Kappe  auflegen,  wohl 
als  wasserschvver  zu  denkenden  Locken  umrahmt; 
der  Schnurrbart  und  der  Haaransatz  unter  der  Un- 
terlippe zeigen  den  Uebergang  zur  vegetabilischen 
Bildung,  wie  bei  dem  bekannten  Kopfe  des  Museo 
Pio-Clementino;  darunter  fällt  der  Bart  noch  in 
langen  Locken  bis  zur  Mitte  der  Brust  herab.  Der 
Gott  schaut  mit  weit  geöffneten  Augen  in  die 
Ferne;  gleichsam  sifch  selbst  und  seine  nähere  Um- 
gebung vergessend,  legt  er  die  linke  Hand  an  den 
Hals  unter  die  Kapuze,  so  dass  der  Ellenbogen 
stark  aus  dem  Grunde  vorspringt;  der  rechte  Arm 
ist  nicht  sichtbar.  Die  Gestalt  ist  vou  zwei  Delphi- 
nen eingerahmt,  die  unten  spielend  mit  dem  Rachen 
einander  fassen,  während  sie  lustig  ihre  Schwänze 
über  die  Schultern  des  Gottes  herüber  hinter  seinem 
Haupte  emporschlagen  lassen;  auf  den  Delphinen 
haben  weibliche  Seegottheiteu  sich  niedergelassen. 
Links  sitzen  zwei ;  die  eine  (e.  f.)  streckt  das  linke 
Bein  vor  und  zieht  das  rechte  etwas  zurück,  so 
dass  das  Gewand  zwischen  den  Füssen  sich  etwas 
spannt,  ihre  Brust  ist  unverhüllt,  indem  das  Gewand 
vom  linken  Arme  aus  sich  hinter  dem  Rücken  entlang 
zieht;  auf  ihrem  Schoosse,  bequem  nach  rechts  ge- 
lagert, sitzt  die  zweite  Nereide,  von  hinten  sicht- 
bar, bis  auf  das  von  der  linken  Schulter  über  den 
Rücken  hin  hängende  Gewand  ganz  unbekleidet. 
Auf  dem  andern  Delphin  ruht,  lässig  nach  links 
hingestreckt,  eine  dritte  Nereide;  sie  hat  das  Ge- 
wand um  ihren  linken,  auf  den  Delphin  aufgestütz- 
ten Arm  geschlagen.  Alle  drei  zeigen  das  Haar 
hinten  in  einen  Knoten  zusammengebunden;  alle 
drei  richten  ihre  Blicke  auf  das  Gesicht  des  in  das 
Weite  schauenden  Gottes;  da  dieser  gar  nicht  wie- 


27 


R.  Engelmann,  Drei  Bronzen. 


28 


der  gewillt  scheint,  aus  den  Fernen,  wohin  sein 
Blick  schweift,  zu  seiner  Umgebung  zurückzu- 
kehren, zupft  ihn  die  rechts  gelagerte  Nereide  mit 
der  rechten  Hand  an  einer  seiner  Bartlocken ,  um 
seine  Aufmerksamkeit  zu  erregen.  Ein  Bild  voll 
gemüthlichen  Humors,  dem  ich  nichts  Aehnliches  an 
die  Seite  zu  setzen  wUsste.  — 

No.  3  ist  die  auf  die  Hälfte  verkleinerte  Abbil- 
dung einer  Bronze  des  Edinburgher  Museums  nach 
einer  Photographie,  welche  ich  der  Freundlichkeit 
des  Herrn  A.  S.  Murray  verdauke.  Ein,  so  viel 
ich  mich  erinnere,  genau  damit  übereinstimmendes 
Exemplar  findet  sich  im  British  Museum  (Bronze 
Boom,  case  D);  es  stammt  aus  der  Sammlung  Castel- 
lani;  ein  drittes  Exemplar  fand  ich  in  Verona  (Mu- 
seo  Civico),  woher  es  stammt,  war  mir  nicht  mög- 
lich zu  erfahren.  Es  ist  eine  gorgonenähnliche 
Maske  mit  Flügeln  im  Haar;  neben  den  Flügeln 
kommen  an  Stelle  der  sonst  üblichen  Schlangen- 
köpfe zwei  andere  Köpfe  zum  Vorschein,  in  denen 
man  im  British  Museum  offenbar  Hundeköpfe  er- 
kennt (daher  die  Deutung  auf  Scylla),  die  aber  in 
dem  Edinburgher  Exemplar,  nach  der  Photographie 
zu  urtheilen,  durch  den  Hörneransatz  und  die  ganze 
Gestaltung  der  Formen  deutlich  als  Kalbsköpfe 
charakterisirt  sind;  inwieweit  das  Londoner  Exem- 
plar in  Wirklichkeit  davon  abweicht,  vermag  ich 
nicht  anzugeben.  Unter  dem  Hals  sind  an  Stelle 
der  Schlangen  Fischleiber  mit  Delphinschwänzen 
zusammeugeknotet;  da  jedenfalls  die  oben  hervor- 
ragenden Köpfe  als  an  diesen  Fischleibern  ansitzend 
gedacht  werden  sollen,  so  sind  demnach  an  Stelle 
der  bei  Gorgonen  üblichen  Schlangen  hier  Seekäiber 
zur  Einfassung  des  Gesichtes  verwendet.  Auf  das 
Meer  und  seine  Wellen  deutet  auch  die  Form  der 
das  Gesicht  umkränzenden  Locken,  sie  sind  förm- 
lich als  Wellcnornament  stilisirt.  Die  Augen  zeigen 
oflene  Augensterne,  auch  der  Mund  ist  geöffnet; 
er  erhält  durch  die  herausgestreckte,  in  unserem 
Exemplar  jedoch  ausgebrochenc  Zunge  ein  schreck- 
licheres Aussehen.  Besonders  neben  dem  Munde 
zeigt  die  Epidermis  den  Uebergang  zu  vegetabi- 
lischer Gestaltung;  bei  der  Darstellung  von  See- 
wesen   scheinen    derartige  Umbildungen    von    den 


alten  Künstlern  fast  regelmässig  vorgenommen  wor- 
den zu  sein. 

Es  würde  höchst  interessant  sein,  die  Um-  und 
Weiterbildungen  des  Gorgonenhauptes,  zu  denen  man 
besonders  durch  ornamentale  Bedürfnisse  genöthigt 
wurde,  eingehend  zu  verfolgen;  da  eine  derartige 
Untersuchung  jedoch  eine  grosse  Zahl  von  Abbil- 
dungen erforderlich  machte,  so  begnüge  ich  mich 
hier  nur  kurz  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Zahl 
derselben  sehr  gross  ist  uud  dass  sie  für  die  man- 
nigfachsten Götterweseu  beliebt  worden  sind.  Auch 
für  Seewesen  sind  derartige  Bildungen  schon  mehr- 
fach bekannt;  am  meisten  ähnelt  wohl  unserer  Fi- 
gur die  von  Brunn  in  den  Moii.  deW  Inst.  VHI 
T.  12, 3  veröffentlichte  und  Amiali  1864  S.  378  be- 
sprochene Bronze.  Hier  ist  der  Hinweis  auf  das 
Meer  noch  strenger  durchgeführt,  insofern  als  die 
Flügel  flossenartig  gestaltet  sind  und  den  Ohren 
die  von  Tritonen  her  bekannte  Auszackung  gege- 
ben ist;  hinter  den  Flügeln  kommen  die  Schwänze 
zweier  Delphine  zum  Vorschein,  welche  unter  dem 
Kinn  sich  mit  ihren  Köpfen  berühren;  die  Epider- 
mis des  Gesichtes  ist  in  vegetabilische  Bildungen 
aufgelöst;  dazu  hat  der  Künstler  unter  dem  Kinn 
noch  eine  Jluschel  gefügt,  und  Muschel  und  Del- 
phine durch  einen  seine  Arme  nach  oben  und  seit- 
wärts ausstreckenden  Polypen  vereinigt.  Auch 
No.  10  derselben  Tafel  kann  zur  Vergleichung  her- 
angezogen werden  (eiu  Delphin  hält  im  Rachen 
einen  mit  Blättern  rings  umsäumten  Kopf);  wie  hier 
wird  ein  derartiger  Kopf  gerade  oft  verwendet,  um 
einen  Henkel  am  Bauche  des  Gefässes  zu  befesti- 
gen, vgl.  auch  Mus.  Borh.  XIII  T.  27,  V  T.  43. 
Overbeck  Pompeji  4.  Aufl.  G19,  Fig.  316,  c.  (Dieser 
Kopf  ist  noch  dadurch  besonders  interessant,  dass 
liier  der  Gorgonentypus,  der  durch  die  Schlangen 
bezeichnet  wird,  mit  dem  des  Seewesens,  der  in 
den  Delphinen  zum  Ausdruck  kommt,  vereinigt  ist.) 
Für  unsern  Kopf  ist  natürlich  eine  derartige  technische 
Verwendung  ausgeschlossen;  dagegen  spricht  einmal 
die  Grösse  der  Bronze,  vor  allen  Dingen  aber  die  Aus- 
höhlung der  Augensterne  und  die  Oefi'nung  des  Mun- 
des; denn  dass  derartige  Eigenthümlichkeiten  nicht 
zwecklos  angebracht  sind,  bedarf  keines  Nachweises. 


29 


R.  Engelmann,  Drei  Bronzen. 


30 


Sucht  mau  für  unsere  Bronze  nach  Analogien, 
so  wird  man  7Ainächst  an  eine  Klasse  von  Mouu- 
nienten  erinnert,  deren  Hauptvertreter  die  soge- 
nannte bocca  della  verilä  in  S.  Jlaria  in  Cosmedin 
ist.  Sie  sind  mit  Recht  zuletzt  von  Heibig  {Bullett. 
1871  S.  22)  als  Abflusstiguren  bezeichnet  worden, 
aber  eine  solche  Verwendung  bei  unserer  Bronze 
vorauszusetzen  hindert  nicht  sowohl  ihr  kleiner 
Maassstab,  denn  man  könnte  sie  ja  am  Grunde 
eines  entsprechenden  Gelasses  angebracht  den- 
ken, als  die  ganze  Gestaltung  der  Oberfläche:  die 
Flüssigkeit  würde,  da  die  Lücher  ziemlich  hoch 
stehen,  nicht  völlig  ablaufen  können.  Viel  weniger 
noch  kann  man  eine  Ausflussfigur  erkennen  wollen, 
das  verbietet  die  Zahl  der  Oeffnungen.  Dagegen  em- 
pfieidt  es  sich,  das  Kelief  als  Schmuck  einer  Lampe 
aufzufassen,  wo  die  grössere  Oeffnung  des  Mundes 
zum  Eingiesseu  des  Oels,  die  beiden  kleineren  zum 
Vorwärtsschieben  des  Dochtes  benutzt  werden  konn- 
ten, besonders  spricht  dafür  eine  von  Beger  nach 
Ik'llori  lucernae  ceterum  III  Taf.  35  veröffentlichte 
Lampe;  sie  ist  mit  einem  bärtigen,  entschieden  in 
die  Reibe  der  Seedämouen  gehörigen  Kopfe  ver- 
ziert, der  zwei  Hörner  trägt  und  zu  dessen  beiden 
Seiten  je  ein  nicht  genau  zu  bestimmender,  einiger- 
massen  pferdeähnlicher  Kopf  vorspringt;  vom  Barte 


aus  nach  den  beiden  Lampeuöffnungen  ziehen  sich 
zwei  Delphine  mit  sichelähnlichem  Schwänze.  Auch 
hier  sind  die  Augen  und  der  Mund,  ausserdem  aber 
auch  die  beiden  thierisch  gebildeten  Ohren  zum 
Eingiesseu  des  Oels  durchlöchert.  Ob  für  die  hier 
publicirte  Bronze  und  für  ihr  Londoner  und  Vero- 
neser  Seitenstück  dieselbe  Verwendung  Statt  ge- 
habt hat,  muss  eine  Untersuchung  der  betreffen- 
den Stücke  leicht  ergeben. 

Einen  bestimmten  Namen  für  das  dargestellte 
Seewesen  (Scylla  heisst  es  in  London;  Brunn 
schlägt  Medusa  del  mare  vor)  wage  ich  nicht  an- 
zugeben; je  grösser  die  Freiheit  und  Willkür  ist, 
mit  welcher  die  Alten  gerade  bei  solchen  ornamen- 
tal zu  verwendenden  Figuren  verfahren  sind,  um 
so  bedenklicher  ist  es  für  uns,  durch  bestimmte 
Namengebung  den  Kreis,  innerhalb  dessen  sie  lie- 
gen, zu  verengen. 

Vor  den  ähnlichen  Figuren,  die  ich  anführen 
konnte,  scheint  mir  übrigens  der  hier  veröffentlichte 
Typus  vermöge  der  Einfachheit  der  Anlage  und 
der  Grossartigkeit  seiner  Linien  entschieden  den 
Vorrang  zu  verdienen;  seine  Erfindung  geht  ohne 
Zweifel  in  eine  recht  gute  Zeit  zurück. 

R.  Enuelmann. 


31 


32 


HERAKLES  UND  ALKYONEÜS. 


(Tafel  3.  -1.) 


Wir  besitzen  eiue  Anzahl  Vasenbilder,  sowohl 
der  schwarzfigurigen  als  der  rotbfigurigen  Technik, 
auf  denen  Herakles  dargestellt  ist,  wie  er,  meist  im 
Beisein  der  Atbena  oder  des  Hermes,  mit  gezückter 
Waffe  auf  einen  am  Boden  liegenden  Kiesen  los- 
geht, über  welchem  sich  öfters,  sei  es  kauernd  sei 
es  schwebend,  eine  kleine  Flügelfigur  befindet'). 

Vergebens  würden  wir  bei  Dichtern  und  Mytho- 
graphen  nach  dem  Abenteuer  suchen,  das  hier  dar- 
gestellt sein  könnte:  manchen  Kiesen  hat  Herakles 
bewältigt,  von  keinem  aber  wird  berichtet,  dass  er 
im  Schlaf  überrascht  worden  sei,  wie  das  die  Vasen- 

')  Otto  Jahn  (Berichte  der  sächsischen  Gesellschaft  fl.  W. 
1853  S.  135  ff.)  zählte  acht  Vasen  auf:  A.  .-ichwarzfigurige:  1) 
München  1180,  abgebildet  bei  Jahn  Taf.  V  2.  2)  Tischbein  III 
20,  wiederholt  bei  Jahn  Taf.  VII  2.  3)  Lekj'thos  aus  Nola,  un- 
publicirt.  vgl  Annali  V  p.  311f.  4)  British  Museum  462.  iin- 
publicirt.  B.  rothfigurige:  1)  München  401,  abgebildet  bei  Jahn 
Taf.  V  1.     2)  München    605,    abgebildet    bei    Jahn    Taf.  VII  1. 

3)  Museo  Gregoriano  II  16,   wiederholt   bei    Jahn    Taf.  VIII  2. 

4)  Schale,  einst  beim  Herzog  von  Luynes,  unpublicirt,  vgl.  Re- 
vue archdologique  1844  II  p.  655,  1.  Stephani  {Panrga  arcliaeo- 
logica  XV  =  Mglanyes  grgco-rumains  I  S.  586  ft'.)  fügte  zwei  Jahre 
t-päter  noch  zwei  schw^r/.tigurige  hinzu:  5)  Petersburg  221 1,  ab- 
gebildet Äntif/uiMs  du  Bosphore  Cimm^rien  pl.  63a  1.  6)  Peters- 
burg 234,  abgebildet  in  Stephani's  Aufsati  S.  588.  Seitdem 
sind,  wenn  mir  nichts  entgangen  ist,  noch  folgende  bekannt  ge- 
worden: A.  schwarzfigurige:  7)  Amphora  einst  bei  Campana 
{Calaloghi  Gl.  I  Ser.  IV ff.  Sala  A  n.  17)  jetzt  in  Paris,  erwähnt 
im  Bullettino  d.  I.  18o9  p  30,  in  '/s  der  Originalgrösse  abge- 
bildet nach  einer  im  Apparat  des  archäologischen  Instituts  be- 
findlichen Zeichnung  auf  unserer  Tafel  4.  8)  Schale  im  Museum 
zu  Corncto,  beschrieben  im  Bullettino  d.  I.  1877  p.  61,  3,  in  '•'/^ 
der  Uriginalgrösse  abgebildet  nach  einer  Zeichnung  de  Santis', 
die  ich  der  gütigen  Vermittlung  Körte's  verdanke,  auf  unserer 
Tafel  3.  9)  Nicht  ganz  sicher  ist,  ob  hierher  gehört  eine  Amphora 
der  Sammlung  Lunghini  in  Sarteano,  die  im  Bullettino  d.  I.  1859 
p  30  mit  folgenden  Worten  boschrieben  wird:  '  Motta  analogia 
von  ijuesta  (nämlich  der  gleich  zu  nennenden  rotbfigurigen  Vase 
derselben    Sammlung)    oß're    la    rappresentnn:a    di  un     anfora    n 

fig.  n.  Ercote  munito  di  gonnella  e  parnzonio,  avendo  deposto  la 
ciawa(!)  e  la  Jaretra  per  terra,  tien  afferato  pei  oapelli  un  uomo 
barbato,  che  cade  supino,  minacciato  dalla  ctava  (!)  vibrata  daW 
eroe  nella  d.  Una  donna  fugge  rarvolgendosi  coli'  espressione  di 
lamento'.  B.  rothfigurige:  5)  V<iso  a  colonnette  der  Sanmiluiig 
Lunghini   in  Sarteano,   beschrieben   im  Bullettino  d.  I.  1859  p.30. 


bilder  alle  mehr  oder  weniger  deutlich  darstellen. 
Die  Inschriften  zweier  Vasen  scheinen  das  Räthsel 
zu  lösen,  indem  sie  uns  den  Namen  des  Riesen 
nennen,  aber  sie  geben  uns  mit  diesem  Namen  nur  ein 
neues  Räthsel  auf:  der  Riese  soll  Alkyoneus  sein"). 

Alkyoneus  war  ein  Gigant;  die  pseudo- apollo- 
dorische Bibliothek  nennt  ihn  neben  Porphyrion  als 
den  furchtbarsten  Gegner  der  Götter  in  der  Giganto- 
machie.  Auch  der  Scholiast  zur  Hesiodischen  Theo- 
gonie  zählt  ihn  neben  Enkelados,  Porphyrion  u.  A. 
unter  den  Giganten  auf,  und  derselben  Ueberliefe- 
rung  folgte  Nonnos,  da  er  in  seiner  Giganlomachie 
des  Dionysos,  die  ganz  nach  dem  Vorbild  der  alt- 
berühmten vielbesungenen  Gigantomachie  des  Zeus 
gedichtet  ist,  dem  Alkyoneus  die  erste  Rolle  gab '). 
Wie  man  betreffs  des  Schauplatzes  der  Giganten- 
schlacht, in  späterer  Zeit  wenigstens,  schwankte 
zwischen  den  phlegraiischen  Feldern  von  Pallene 
und  denen  Campaniens,  so  war  auch  Alkyctaeus 
sowohl  hier  wie  dort  zu  Hause  ^). 

Aber  nicht  zu  jeder  Zeit  war  die  Sage  vom  Siege 
des  Herakles  über  Alkyoneus  mit  dem  Mythos  von 
der  Gigantomachie  verflochten  gewesen.  Wie  man 
von  einem  Kampfe  des  Zeus  gegen  Typiioeus,  einem 
Kampfe  gegen  Aigaion-Briareus  erzählte,  ehe  diese 
beiden  Riesen  als  Theilnehmer  an  der  Giganto- 
machie galten,  so  erzählte  man  auch  von  dem  Siege 
des  Herakles  über  Alkyoneus,  che  man  diesen  zum 

'■')  Otto  Jahn  konnte  sich  nur  auf  die  Schale  des  l'hiltias 
und  Deiniades  (B  1)  berufen;  aber  auch  auf  der  Amphora  A  7 
sind  die  Namen  beigeschrieben:    Eyctxleo.  .■Dxvnvto. 

•'')  Im  Gigantenverzeichniss  des  Hygin  (p.  10  ed.  Schmidt)  hat 
SchefTer  den  Namen  des  Alkyoneus  aus  dem  überlieferten  alemone 
herstellen  wollen,  Muncker  schrieb 'Alemon',  Schmidt  vermutheto 
'Palaemon'  oder 'Almops'.  Jetzt  könnte  man  :nich  anl-llJ.ijxjuxi 
denken,  wenn  so  der  verstümmelte  Gigantenname  des  pergame- 
nischen  Altars  von  Keydemann  (Sechstes  Uallischcs  Winckel- 
manns-Programm  S.  1 1   n.  46)  richtig  ergänzt  ist. 

')  Vgl.  Claudian,  de  raplu  Proserpinae  IH  184  f.  Philostra- 
tos,   Jhroikos  p.671    (II  p.  140  ed.   Kays.   Lips.). 


33 


F.  Koepp.  Herakles  und  Alkyoncus. 


34 


Genossen  des  Mimas  und  Eiikolados  und  des  Por- 
pbyrion  niaclite.  Wenn  iiiclit  alle,  so  doch  die  mei- 
sten Giganten  geboren  ursprUuglicU  localen  Sagen 
an  und  sind  erst  mit  der  Zeit,  als  die  Dicliter  die 
Sage  von  der  Gigantensehlaclit  immer  mehr  aus- 
bauten ,  in  diese  übernommen  worden.  Bei  den 
meislen  ging  dann  die  Kunde  von  ilirer  ursprüng- 
lichen Bedeutung,  die  locale  Sage,  verloren:  nur 
die  Namen  erinnern  noch  zuweilen  an  die  Heimat 
dieses  oder  jenes  Giganten^).  Bei  Alkyoneus  ist 
uns  die  Localsage  erhalten.  Diese,  sollte  man  mei- 
nen, würde  mit  der  Tradition  der  Vasenbilder  über- 
einstimmen. Aber  das  scheint  keineswegs  der  Fall 
zu  sein. 

Pindar  erzälilt  an  zwei  Stellen  von  dem  Kampfe, 
den  Herakles,  mit  seinem  Waifengefäbrteu  Telamon 
von  Troia  zurückkehrend,  gegen  den  berghoben 
Rinderhirten  Alkyoneus  bestand'^).  Die  eine  Stelle 
zwar  könnte  mau  mit  der  Darstellung  der  Vasen- 
bilder vereinigen;  denn  da  beisst  es  nur  (Isthm.  VI 
(V)  32 ff.): 

xai  znv  ßovßöiav  ovqe'i  i'aov 

OXfyQaiaif  eIqiov  ^i.xvnvij  atpSTsgag  nv  (peiaaTO 

y_£Qaii'  ßaQV'fünyynin   reiigäg. 
So  könnte  der  Dicliter  sehr  wohl  vou  der  Bewälti- 
gung eines  Schlafenden  sprechen.    Aber  an  der  an- 

*)  Ich  denke  hier  an  Pallaneus  (Chvudian,  Gig.  lal.  108 ff.) 
und  Mimas.  Vielleicht  gehört  :iuch  Akrathos  hierher.  Auf 
einem  etruskischen  Spiegel  nämlich  (Gerhard  LXVIII)  ist  dem 
Gegner  der  Athena  der  Name  f\KPf\06  beigeschrieben.  Man 
hat  den  Giganten  Akralos  genannt ,  wie  nach  Pausanias  I  2,  5 
ein  äalfiioi'  itäv  äfj(i'i  ^tiovvauv  hiess;  ich  glaube  eher,  dass 
er  Hxiiiu'toi;  hiess  als  Localgigant  des  Vorgebirges  am  Strymo- 
nischen  Meerbusen  (.Strabon  VII  fr.  o2  p.  330).  Auch  der  Athos 
liatte  ja  seinen  Giganten,  wie  Stephanos  von  Byzanz  {u.'^Hois) 
berichtet  Ueberhaupt  dachte  man  sich  diese  Riesen  besonders 
gern  an  stürmischen  Vorgebirgen :  deshalb  wurden  auch  am  Si- 
geischcn  Vorgebirge  Gigantengebeine  gefunden  (Plülostratosfler. 
p.  G69;  II  p.  138  ed.  Kays.  Lips.). 

')  Auch  in  den  Hymnen  wird  Pindar  an  der  Stelle,  wo  er 
nach  Quintilian  VIII  G.  71  und  Strabon  VII  fr.  58  (Bergk  fr.  50 f.) 
den  Zug  gegen  Troia  und  die  Meroper  erwähnte,  des  Alkyoneus 
gedacht  haben  Eine  dieser  Stellen  hat  der  Scholiast  zu  Apol- 
lonios'  Argonautika  I  1289  im  Auge.  Schon  Pindar  nannte, 
wenn  ihm  wirklich  das  fragmentum  adespoton  84  gehört,  den  Al- 
kyoneus r'iyut'TMt'  Tiofnßiimor.  Auf  das  von  Pindar  berührte 
Abenteuer  beziehen  sich  vermuthlich  auch  die  Stellen  des  Sido- 
nius  Apollinaris,  an  denen  derselbe  unter  den  Gegnern  des  He- 
rakles auch  den  „gigas^  aufzählt:  1X92,  XIII  11.  XV  141. 
Archäolog.  Ztg.   Jahrgang  XLU. 


deren  Stelle  (Nem.  IV  25  ff.)  sagt  er  ausdrücklich, 
Herakles  habe  den  Alkyoneus  überwunden 
ov  zETQanQiag  ye  nglv  dvwdexa  nsTqit) 
ijgojng  t  eTT£i.ißeßaöJtag  Innndä^invg  flev 
ölg  xnanvg. 
Wie  soll  man  das  mit  dem  heimlichen  Ueberfall 
vereinigen?  Auch  abgesehen  von  der  ausführlichen 
Erzählung  des  Kampfes,  welche  der  Scholiast  giebt, 
lässt  sich  von  dem  Felsen  schleudernden  zu  dem 
schlafenden  Alkyoneus  schlechterdings  keiil  Ueber- 
gang  ersinnen;  ebensowenig  aber  ist  es  denkbar, 
dass  nach  der  den  Vasenmalern  vorliegenden  Sage 
der  Riese  beim  Naben  des  Herakles  erwaclite  und, 
sieb  aufraffend  vom  Schlafe,  den  Gegner  angriff, 
der  sclion  im  Begriff  war,  den  Pfeil  von  der  Sehne 
zu  schnellen.  Es  ist  weder  wahrscheinlich,  dass 
es  eine  Sage  gegeben  habe,  die  so  die  beiden  ein- 
ander ausschliessendeu  Motive  des  heimlichen  Ueber- 
falls  und  des  Kampfes  verbunden  hätte,  noch  ist 
es  glaublich,  dass  die  Kunst,  wenn  es  eine  solche 
Sage  gegeben  hätte,  gerade  das  vorübergehende 
und  ganz  bedeutungslose  Motiv  zur  Darstellung  ge- 
bracht haben  würde'). 

Otto  Jahn  hat,  als  er  vor  nunmehr  dreissig  Jah- 
ren die  Alkyoneus-Vasenbilder  besprach,  sich  be- 
gnügt zu  constatiren,  dass  die  bildende  Kunst  hier 
Traditionen  gefolgt  sei,  die  uns  nur  zufällig  ander- 
weit nicht  überliefert  seien  (a.  a.  0.  S.  137).    Natür- 

')  Wenn  auf  einigen  Vasenbildern  (A  1,  5  und  6)  der  Riese 
inj  Erwachen  dargestellt  zu  sein  scheint,  so  könnte  das  lediglich 
auf  Rechnung  der  Ungeschicklichkeit  oder  Flüchtigkeit  des  Ma- 
lers zu  setzen  sein;  aber  es  ist  zu  bemerken,  dass  gerade  auf 
diesen  Vasenbildern  die  Flügelfigur  nicht  fehlt,  während  umge- 
kehrt da  wo  dieselbe  fehlt,  wie  auf  A  7,  B  1  und  2,  das  Schla- 
fen (trotz  der  offenen  Augen  bei  B  2)  sehr  deutlich  zum  Aus- 
druck gebracht  ist.  Nur  A  3  zeigt  den  Alkyoneus  wach  und  in 
lebhafter  Bewegung,  ohiie  dass  die  Flügelfigur  anwesend  ist; 
aber  dieses  Gefäss,  das  in  jeder  Hinsicht  aus  der  Reihe  der 
übrigen  herausfällt,  ist  sicherlich  etruskisches  Machwerk,  das 
nur  von  ferne  in  einigen  Zügen  —  man  vergleiche  z.  B.  den 
Kopf  des  Alkyoneus  mit  den  Kentaurenköpfen  Annati  d.  1.  1863 
luv.  E  —  an  chalkidische  Vasen  erinnert.  —  Dass  Jahn  irrte, 
als  er  (a.  a.  0.  S.  143  f.)  die  Darstellung  auf  der  Rückseite  der 
einen  Münchener  Schale  (B  2)  und  die  auf  einer  s.  f.  Amphora 
des  Museo  Borbonico  (abgebildet  bei  Jahn  Tafel  IX)  auf  den 
Alkyoneus-Mythos  bezog  und  so  auf  die  von  den  übrigen  Vasen- 
bildern dargestellte  Scene  noch  einen  Ringkampf  folgen  liess, 
hat  bereits  Stephani  (a.  a.  O.  S.  592  ft.)  und  neuerdings  wieder 
Klein  (Euphronios  S.  53f)  bemerkt. 

3 


35 


F.  Koepp,  Herakles  und  Alkyoneus. 


36 


lieh  verstand  Jahn  unter  diesen  Traditionen  solche 
die  „ausserhalb  des  Kreises  der  Künstler  entstan- 
den" waren,  d.  h.  eine  andere  Version  des  Mythos. 
Denn  der  Künstler,  welcher  diese  Sage  zuerst  dar- 
stellte, konnte  durchaus  nicht,  wie  Stepliani  (a.  a.O. 
S.  590)   raeint,  'einen  solchen  Zug'  —  nämlich  das 

Motiv  des   heimlichen  Ueberfalls  —  Mn  seine  Auf- 

• 

fassung  aufnehmen,  ohne  dass  er  ihn  ausdrücklich 
überliefert  fand'.  Wo  wäre  je  ein  griechischer 
Künstler,  sei  es  der  grösste  sei  es  der  geringste,  so 
willkürlich  mit  den  überlieferten  Mythen  umgegan- 
gen dass  er  aus  einem  gewaltigen  Kampfe  einen 
heimlichen  Ueberfall  hätte  machen  können?  Ein 
Dichter  konnte  wohl  eine  alte  Sage  umbilden,  wie 
Pindar  den  Pelops-Mythos,  Stesichoros  die  Helena- 
Sage,  niemals  ein  Künstler,  der  vielmehr  höchstens 
kleinere  Züge  ändern  durfte,  wenn  er  nicht  darauf 
verzichten  wollte,  verstanden  zu  werden. 

Aber  die  Sache  liegt  nicht  so  einfach.  Pindar 
selbst  scheint  an  den  beiden  in  Rede  stehenden 
Stellen  nicht  eine  und  dieselbe  Tradition  vor  Augen 
gehabt  zu  haben.  Denn  so  gut  sich  die  erste  der- 
selben mit  der  Darstellung  der  Vasenbilder  ver- 
einigen lässt,  so  wenig  gestattet  sie  uns  meiner 
Ansicht  nach,  an  einen  gewaltigen  Kampf  zu  den- 
ken, wie  ihn  die  zweite  Stelle  schildert.  Auch  der 
Scholiast  weiss  nichts  von  einem  solchen  Kampfe. 

Pindar  selbst  giebt  uns,  meine  ich,  des  Räthsels 
Lösung.  'Den  furchtbaren  Alkyoneus',  sagt  er  an 
jener  Nemeen-Stelle,  'überwanden  Telamon  und  He- 
rakles vereint,  nicht  bevor  er  ihnen  zwölf  Vier- 
gespanne zerschmettert  mit  einem  Felsblock  und 
doppelt  so  viel  reisige  Helden; 

insiQo/itüxcxc  hov  xs  (favslrj 

Xnynv  n  (.ir^   ^vvtsig'  snei 

QfCoi'Ta  XI  xal  nnttüv  snixev. 
Was  soll  dieser  Zusatz?  'Ettci  ^rjziüg  ovx  E^ijyysilsv 
6  nlrdagog,  erklären  die  Scliolien,  ort  h'ixÖTo  n 
'H(>axlr^S,  all'  a/.iffißnl(i)g  avtn  TfMQSÖr'jlwasv  o  /Uj} 
avruig  %nv%n  o  )Jyo),  cfr^alv,  ort  o' Hgcxl/jg  iXslcfd-i], 
aneiQng  fxäyrjg  av  el'/j  oviog.  In  der  That,  nicht 
nur  'kampfcsunkundig'  wäre  derjenige,  welcher  des 
Dichters  Worte  nicht  so  verstehen  würde,  auch  ohne 
besonders  aufmerksam  gemacht  zu  werden.     Man 


hat  deshalb  den  Worten  noch  einen  tieferen  Sinn 
geben  wollen:  sie  sollen  andeuten,  dass  auch  Ti- 
masarchos,  der  Held  dieses  Siegesliedes,  erst  nach 
einer  Niederlage  den  Sieg  errang.  Das  ist  nicht 
wahrscheinlich,  und  warum  sollte  der  Dichter,  wenn 
es  der  Fall  gewesen  wäre,  auf  diese  Niederlage 
anspielen?  Ich  glaube  vielmehr,  dass  Pindar  von 
der  geläufigen  Sage  abwich,  weil  er  den  ruhmlosen 
Sieg  über  einen  Schlafenden  seines  Helden  unwür- 
dig erachtete:  sntl  QeLovzä  ri  xal  7xa!)elv  l'nixev. 
Der  allbekannte  Mythos,  welcher  dem  Pindar  vor- 
lag, und  dem  er  auch  an  jener  anderen  Stelle  folgt, 
war  kein  anderer  als  der,  welcher  auch  der  Dar- 
stellung der  Vasenbilder  zu  Gi'unde  liegt;  zur  Ehre 
seines  Helden  hat  der  Dichter  aus  dem  unrühm- 
lichen Ueberfall  eines  Schlafenden  einen  gewaltigen 
Kampf  gemacht.  Wohl  musste  er  da  den  Hörer 
aufmerksam  machen :  anaiQnfxäxag  f^v  xe  q>avsit] 
knynv  o  urj  ^vrieig. 

Es  bleibt  die  Frage:  hat  Pindar  diesen  Kampf 
ganz  erfunden,  oder  hat  er  damit  nur  eine  weniger 
bekannte  Sage  ans  Licht  gezogen?  Für  letzteres 
könnte  zu  sprechen  scheinen,  dass  der  Scholiast 
von  dem  Kampfe  ausführlicher  zu  erzählen  weiss. 
Nur  sieht  diese  Erzählung  müssiger,  aus  den  Wor- 
ten des  Dichters  herausgesponuener  Scholiasten- 
erfindung  zu  ähnlich,  soweit  sie  nicht  einfache  Um- 
schreibung der  Pindarischen  Worte  ist").  Einzig 
die  Worte  xal  q>rjai  ((paai'?)  xeia&ai  tov  liitnv  iv 
Tiö  'lodfiiii  könnten  Vertrauen  erwecken  zu  der 
W^eisheit  des  Scholiasten.  Wenn  sie  nur  nicht 
eigens  zu  diesem  Zweck  hinzugefügt  sind!  Jeden- 
falls weiss  Pindar  von  jenem  Kunststück  des  He- 
rakles   nichts,    so  wenig   als    die  Schollen    zu  der 

*)  Ovjoq  6  l4kxvorevs  (i?  rüir  Fiyarjoiv  Kytitu  nfQ\  i6)' 
'laft/JÖv  itjc  KonlvO^ov  (soll  heissen:  iijq  ]lttkki')vriq)  avußiß)]- 
xivai  'jlgaxXu,  ov  in?  ßnv;  'H()ay.i.i]g  t'i  'Eovlntitg  ncint'iletvrf 
xitl  lijg  ,uß/i)C  ciuTti  ttUCu  iy^vtjo  rij  ßovXy  tov  Jiog'  noXi- 
fxioq  yäo  ijj'  70h  rCyaaiv.  Ol)  TtoöttQOV  o<3i',  tfrjad',  tiviTXt  rov 
l/tXy.vovia  '/iQctxXijs,  JtQiv  ic  Houttia  ttvioii  V7i6  Toü  HXxvo- 
v(os  ßXi]!)fivai  ■  ,uf rr<  yctQ  i6  awinnpitt  nvTOv  ätoilxit  KQfjaia 
xui  tXxooi  Tfaanijag  ävägm  Xi'Hiit  ufyinjoi  t6  TlXtvTctioi'  xaj' 
ttvjov  7ÖV  XCUov  iQnnj/iv,  ov  TW  ()07iiiX.o>  uTioanaiifiH'og  outaig 
unixrtivi  lov 'AXxvovftt.  xaC  (frjai  (ifaatl)  xiJaliai  761'  XlSoy 
Iv  KJi  'lait/Aiü.  Xfytiui  öi  TOTt  avftnaQtXvai  iiö  'lloaxXfl  xa'i 
TÖV    TlXtc/jiii'a. 


37 


F.  Koe])p,  Herakles  und  Alkyonens. 


38 


Istbmicu- Stelle:  nv  fftlnatn  y.EQGi  liaQiKiitnyyoio 
vevQÖg  sagt  dort  der  Dichter;  mehr  wissen  auch 
die  Schollen  nicht  zu  erzählen. 

Einen  Rinderhirteu  nennt  Pindar  den  Alkyonens, 
schwcrlicli  desliall),  weil  Herakles  die  Rinder  des 
Geryoneus  bei  ihm  vorübertrieb,  wie  die  Schollen 
an  der  einen  Stelle  erzählen"),  sondern  deslialb, 
weil  er  selbst  Rinder  hütete,  die  ii:in  Herakles  ab- 
naliin:  hoq'  nü  zag^Hluw  ßnvg  dni'jXaae  sagen  die 
Scholicn  an  der  anderen  Stelle,  und  in  der  pseudo- 
apollodorischen  Hibliothek  lesen  wir:  oving  Ss  xat 
rag  'Hki'nv  ßi'iag  ii.  'Eovtfei'ag  IjXaae'").  Jene  erste 
Erzählung,  nach  der  Alkyonens  den  mit  der  Rindcr- 
heerde  des  Geryoneus  vorüberziehenden  Alkiden 
überfiel,  ist  lediglicli  ein  Comproiniss  zwischen  der 
Alkyoneus-Sage  und  dem  bekannteren  Geryoneus- 
Mylhos.  Aber  ein  solciier  Compromiss  verdunkelt 
das  wirkliche  Verhältniss.  Beide  Sagen  gehen  ne- 
ben einander  her.  Alkyoneus  ist  ein  alter  Doppel- 
gänger des  Geryoneus.  Beide  haben  die  Rinder 
des  Sonnengottes  geraubt,  und  Herakles,  der  Held 
des  Lichts,  nimmt  sie  ihnen  wieder  ab").  Es  ist 
bedeutungsvoll,  dass  Herakles  den  Alkyoneus  schla- 
fend trifi't;  Pindar  freilich  wusste  nicht,  wie  unrecht 
er  dem  Jlythos  tliat,  da  er  ihn  dieses  ciiarakteristi- 
schen  Zuges  entkleidete"). 

')  Dieselbe  Erzälilung  hatte  auch  der  Scholiast  im  Sinne,  der 
zur  aeliten  Pythischen  Ode  (V.  ]7),  indem  er  Porphyrion  und 
Alkyoneus  verwechselt,  die  weise  Bemerkung  macht :  to  dt  /ktÜ 
ßlag  ityöfmni'   ■/■.(ni.'iiiq  «ii  om/tüI'   fnii,   minü   il't   finff  uii  Itoij- 

tci'i'iv. 

">)  Hercher  hat  diesen  Satz  als  Interpolation  aus  dem  Text 
entfernt.  Der  Alkyoneus,  der  mit  den  Giganten  gegen  die  Göt- 
ter kämpt'tu,  war  freilich  nicht  mehr  der  Kinderhirt.  Aber  es 
triö"t  sich  liier,  dass  die  Interpolation  —  wenn  wir  überhaupt 
in  diesem  Buch,  zu  dem  die  verschiedensten  Zeiten  beigetragen 
haben,  von  Interpolation  reden  dürfen  —  älter  ist  als  ihre  Um- 
gebung: sie  stammt  aus  der  alten  Alkyoneus-Sage  Was  sonst 
der  Mythograpb  von  Alkyoneus  zu  berichten  weiss^,^  scheint  von 
Antaios  auf  jenen  übertragen  zu  sein. 

")  Plew  (zu  Preller's  Mythologie  II  S.  204, -J)  hat  mit  Un- 
recht bestritten,  dass  auch  die  Kinder  des  Geryoneus  als  ur- 
sprüngliches Eigenlhum  des  Helios  zu  denken  und  eine  Entfüh- 
rung derselben  durch  den  Riesen  anzunehmen  sei.  Der  Sinn 
des  Mythos  fordert  es,  und  die  Analogie  iler  Alkyoneus-Sage 
erhebt  es  über  allen  Zweifel. 

'')  Preller,  Griech.  Mythologie  11'  S.  207  Dilthey  niacht 
mich  auf  die  Analogie  der  Gorgonen-Sage  aufmerksam:  auch 
die  .Medusa    wird   ja   von  Pcrseus   schlafend    angetroft'en. 


Ein  Rinderhirt  war  Alkyoneus  auch  nacli  der 
Tradition,  welcher  die  Vasenmaler  folgten.  Das 
konnte  Otto  Jahn  noch  nicht  wissen;  denn  die  Va- 
senbilder, welclie  ihm  bekannt  waren,  zeigen  ausser 
Herakles  und  dem  Riesen  nur  zuweilen  Athena 
(A  2  und  4;  B  4)  oder  Hermes  (B  1  und  3)  und  zur 
Hälfte  die  kleine  FlUgeltigur,  von  der  alsbald  die 
Rede  sein  soll  (A  1 — 3;  B  4).  Jetzt  aber  besitzen 
wir  die  ausführlichere  Darstellung  der  Schale  aus 
Corneto  (A  8),  die  auf  unserer  Tafel  3  zum  ersten 
Male  publicirt  wird'^). 

Wie  die  Geryoneus- Schale  des  Euphronios, 
gleichfalls  einzig  in  iiirer  Art,  uns  auf  der  einen 
Seite   den   Kampf  des   Herakles,    auf  der  anderen 

")  Durchmesser  der  Schale  0,28;  HShe  0,11.  Die  Zeich- 
nung ist  üusserst  flüchtig.  Weisse  Farbe  ist  ziemlich  reichlich 
angewandt;  gelb  sind  die  Gürtel  der  Wagenlenker. 

A.  Unter  einem  Rebstock,  der  seine  traubenschweren  Zweige 
weithin  ausbreitet,  ist  Alkyoneus  in  der  gewohnten  Weise  auf 
einem  Felsen  gelagert.  Der  Kopf  des  Schlafenden  ist  auf  die 
linke  Schulter  herabgesunken,  wie  auf  der  einen  Miinchener 
Schale  (B  2)  und  der  Pariser  Amphora  (A  7).  Die  Rechte  hält 
die  Keule  auch  noch  im  Schlafe  fest;  auf  dem  linken  Arme 
scheint  die  Last  des  Körpers  zu  ruhen,  die  linke  Hand  ist  unter 
den  Rücken  gCM-hoben.  Ueber  der  r.  Schulter  des  Kiesen  kauert 
die  kleine  FlügelHgur,  die  so  flüchtig  gemalt  ist,  dass  man 
kaum  mehr  als  Flügel  und  Kopf  deutlich  erkennen  kann.  Von 
links  tritt  Herakles  weit  ausschreitend  heran,  bekleidet  mit  dem 
Löwenfell,  dessen  Rachen  über  den  Kopf  gezogen  ist,  in  der 
vorgestreckten  Linken  den  Bogen,  in  der  gesenkten  Rechten, 
die  gleich  zum  todtlichen  Streiche  ausholen  wird,  die  Keule. 
Ihm  folgt  ein  bärtiger  Mann,  bekleidet,  wie  es  scheint,  mit  Chi- 
ton und  Panzer,  den  Helm  auf  dem  Haupte,  über  dem  linken 
Arm  die  Chlamys  statt  eines  Schilden,  in  der  Rechten  das 
Schwert,  das  in  der  Scheide  steckt:  so  tritt  er  dem  Herakles 
zur  Seite,  nicht  zum  Angriff,  sondern  zur  Vertheidigung  ge- 
rüstet, bereit,  wenn  der  Riese  erwachen  sollte,  den  wuchtigen 
Hieb  seiner  Keule  zu  pariren.  Zu  Häupten  des  Alkyoneus  tritt 
Athena  von  rechts  heran,  bekleidet  mit  Chiton  und  Himation, 
am  Helm  kenntlich;  sie  streckt  die  Rechte  vor,  die  Linke  soll 
wohl  die  Lanze  halten,  die  nur  aus  Nachlässigkeit  des  Malers 
weggelassen  zu  sein  scheint.  Rechts  von  Pallas  schreitet  ein, 
wie  es  scheint,  jugendlicher  Mann  von  der  Scene  hinweg,  indem 
er  sich  umblickt  und  beide  Arme  erhebt;  um  den  Kopf  trägt 
er  eine  Binde,  über  dem  einen  Arm  (man  kann  nicht  sehen,  ob 
es  der  rechte  oder  der  linke  sein  soll)  hängt  die  Chlamys. 

B.  Unter  Rebzweigen  fahren  zwei  Viergespanne  von  rechts 
nach  links.  Auf  den  Wagen  befindet  sich  je  ein  Lenker  in 
langem  gegürteten  Chiton,  eine  Binde  im  Haar,  in  der  Hand 
das  Kentron;  der  vordere  Wagenlenker  ist  bärtig.  Neben  jedem 
Gespann  galoppirt  ein  Stier,  ein  dritter  folgt  dem  zweiten  Wagen. 

I.  Bärtiger  Dionysos,  ganz  in  seinen  Mantel  gehüllt  und 
bekränzt,  auf  einem  Klappstuhl  nach  rechtshin  sitzend,  in  der 
vorgestreckten  Hand  ein  Trinkgefäss  haltend.    Im  Grunde  Zweige. 

3* 


39 


F.  Koepp,  Herakles  und  Alkyoneus. 


40 


die  Wegtreibung  der  Rinder  vorführt,  so  sehen  wir 
auf  der  Cornetaner  Schale  einerseits  die  gewohnte 
Darstellung  des  Alkyoneus-Abenteuers,  andererseits 
die  Entführung  der  Heerde  durch  die  Gefährten 
des  Herakles.  Durch  die  beiden  Schalen  wird  so 
die  Parallele  der  beiden  Mythen  gewissermassen 
illustrirt.  Zugleich  aber  wird  die  Uebereinstimmung 
der  Vasen-Tradition  mit  der  Pindarischen  in  einem 
wichtigen  Punkte  erwiesen,  was  für  die  Beurthei- 
lung  der  vorgetragenen  Vermuthung  über  die  Be- 
handlung unserer  Sage  seitens  Pindars  nicht  gleich- 
giltig  ist. 

Mit  der  Schale  aus  Corneto  kann  sich  die  Pa- 
riser Amphora,  deren  Bild  auf  Tafel  4  veröffent- 
licht wird  (A  7),  an  Bedeutung  nicht  messen.  In- 
dessen bat  sie  vor  jener  eine  sorgfältige  Zeichnung 
und  die  beigeschriebenen  Namen  voraus'*).  Sie 
führt  uns  nur  die  beiden  Hauptpersonen  vor:  unter 
einem  Baum,  der  seine  Zweige  weit  ausbreitet,  die 
Riesengestalt  des  Alkyoneus,  auf  einem  Felsen  ge- 
lagert, und  dem  Riesen  gegenüber  Herakles  im 
Chiton  und  Löwenfell,  Köcher  und  Schwert  an  der 
Seite,  eben  im  Begriff  aus  nächster  Nähe  den  Pfeil 
abzuschiessen. 

Die  Alkyoneus -Vasen  gehören,  soweit  sich  ur- 
theilen  lässt,  alle  der  späteren  schvvarzfigurigen 
oder  der  früheren  rothfigurigen  Technik  an;  keine 
brauclit  meiner  Ansicht  nach  älter,  keine  jünger 
als  das  fünfte  Jahrhundert  zu  sein.  Von  dem  etrus- 
kiscben  Gefäss  (B  3)  müssen  wir  natürlich  absehen. 
Die  Reiiie  der  sebwarzfigurigen  Vasen  chronologisch 
zu  ordnen,  ist  bei  der  grossen  Verschiedenheit  in 
der  Sorgfalt  der  Ausführung  nicht  wohl  möglich. 
Die  Pariser  Amphora  und  die  Münchener  Oinochoe 
(A  7  und  1)  sind  von  einer  ganz  anderen  Mache 
als  die  roh  und  flüchtig  gemalten  beiden  Peters- 
burger Gefässe  (5  und  6)  oder  die  Schale  aus  Cor- 
neto (8).  Von  dem  Stil  des  Vasenbildes  A  2  kön- 
nen wir  uns  nach  der  Tischbcin'sclieu  Zeichnung 
überhaupt  keine  Vorstellung  machen;  die   übrigen 

'■')  Das  Schlafen  ist  besonders  deutlich  zum  Ausdruck  ge- 
bracht, nicht  nur  durch  den  seitwärts  geneigten  Kopl'  mit  dem 
geschlossenen  Auge,  sondern  auch  durch  die  schlali'  herabhän- 
genden Arme;  die  Keule  steht  neben  dem  Kiesen  angelehnt.  Ueber 
die  Namen  vergleiche  man  Anmerkung  2. 


sind  nicht  publicirt.  Die  rothfigurige  Technik  wird 
stattlich  repräsentirt  durch  die  beiden  Mflnchener 
vSchalen,  die  eine  von  Pliiltias  gemalt,  dessen  Zeit 
und  Standpunkt  durch  die  drei  erhaltenen  Gefässe 
hinreichend  fixiit  ist,  die  andere  einer  um  einige 
Jahrzehnte  jüngeien  Zeit  angehörig. 

Allen  Vasenbildern  gemeinsam  ist  die  Gruppe 
des  Herakles  und  Alk3'oneus,  deren  Darstellung  in 
den  Hauptzügen  unter  dem  Banne  einer  festen  Tra- 
dition steht.  Immer  tritt  Herakles  von  links  auf 
den  Riesen  zu,  der  stets  in  der  Richtung  von  rechts 
nach  links  (d.  h.  mit  dem  Kopf  nach  rechts)  ge- 
lagert ist,  fast  immer  auf  einem  Felsen,  der  nur 
auf  der  Schale  des  Philtias  nicht  sehr  passend 
durch  ein  Kissen  ersetzt  ist,  während  er  auf  dem 
Tischbein'schen  Vasenbild  (A  2)  weggelassen  ist, 
so  dass  der  schlafende  Riese  sich  in  sehr  unwahr- 
scheinlicher Weise  nur  auf  seine  Hand  stützt.  Im- 
mer, ausser  auf  demselben  Tischbein'schen  Vasen- 
bild, hat  Alkyoneus  das  rechte  Bein  angezogen, 
das  linke  ausgestreckt'*).  lu  der  Kleidung  und 
Bewaffnung  des  Herakles  variiren  die  Vasenbilder. 
A  1,  und  vielleicht  A  5,  weicht  in  der  Kleidung 
von  der  Gewohnheit  der  Vasen  schwarzfiguriger 
Technik  ab,  indem  hier  Herakles  nackt  erscheint, 
das  Löwenfell  nur  zum  Schutze  des  vorgestreckten 
linken  Armes  benutzend;  so  zeigt  ihn  auch  von  den 
rothfigurigen  Vasen  2  und  4,  während  er  auf  der 
Schale  des  Philtias  (B  1)  und  der  Vase  in  Sarteano 
(B  5)  noch  nach  der  alten  Weise  bekleidet  ist'"). 

Das  sind   mehr  oder  weniger  geringfügige  Va- 


'^)  Eine  Keule  hält  er  in  der  Hand  auf  A  2;  4;  8,  vielleicht 
auf  A  5,  im  Arm  auf  B  2;  sie  ist  neben  ihm  angelehnt  auf  A  7 
und  vielleicht  auf  A5;  sie  fehlt  ganz  auf  A  1  und  G,  wie  auf 
B  1,  4  und  5. 

'6)  Auf  B  2  und  A  1  hält  er  in  der  Rechten  das  Schwert, 
aber  B4  (und  A  5)  beweist,  dass  auch  bei  dieser  Art  der  Be- 
kleidung die  Keule  vorkommt.  Das  Schwert  führt  er  auch  auf 
A4,  die  Keule  dagegen  auf  A5;  6;  8,  wie  auf  Bl;  4  und  ü. 
Mehrmals  (auf  A  5  und  8,  B  2  und  5)  hält  er  in  der  vorgestreck- 
ten Linken  den  Bogen,  auf  A  4  hat  er  Bogen  und  Köcher  über 
den  linken  Arm  gehängt,  während  die  Keule  zu  seinen  Füssen 
liegt.  Den  Bogen  gebraucht  er  auf  A2  und  7;  dabei  trägt  er 
das  Schwert,  im  letzteren  Falle  auch  den  Kocher,  an  der  Seite. 
Auf  A  9  (wenn  hier  wirklich  das  Alkyonens-Abentener  darge- 
stellt ist)  Süll  Herakles  den  Kiesen  mit  der  Linken  bei  den  Haa- 
ren gefasst  haben,  während  er  in  der  Rechten  die  Keule  schwingt. 


41 


F.  Koppp,  Herakles  und  Alkyonciis. 


42 


rianteii.  Wichtiger  könnte  scheinen,  dass  Alkyo- 
neus,  wie  ich  bereits  erwähnt  iiabe  (s.  Anmer- 
kung; 7),  auf  einigen  Vasenbildeni  im  Erwachen 
dargestellt  zu  sein  scheint.  In  der  Tliat  Hess  sich 
Otto  Jahn  durch  diesen  Umstand  zu  der  Annahme 
verleiten,  es  sei  auf  den  Ueberfall  noch  ein  Kampf 
gefolgt,  und  auch  Stephaui  liat  demselben  noch  zu 
grosse  Bedeutung  beigemessen,  da  er  ihn  zum  Prin- 
cip  der  Gruppirung  machte").  Es  ist  zu  bemerken, 
nicht  nur  dass  auf  den  am  sorgfältigsten  gemalten 
Bildern,  unter  den  schwarzfigurigen  der  Pariser 
Amphora  (A  7),  unter  den  rotlifigurigen  denen  der 
beiden  Müncheuer  Schalen  (B  1  und  2),  das  Schlafen 
unzweifelhaft  deutlicli  zum  Ausdruck  gebracht  ist, 
sondern  auch  dass  auf  denjenigen  Bildern,  auf 
welchen  Alkyoneus  erwacht  und  in  Bewegung  zu 
sein  scheint,  besonders  auf  A  1  und  A  6,  die  Flü- 
geitigur  anwesend  ist,  die  ohne  Zweifel  das  Vor- 
haben des  Herakles  begünstigt '"). 

Diese  Flügelfigur  finden  wir  auf  allen  schwarz- 
figurigen  Gefässen  ausser  der  Londoner  H3'dria 
(A  4),  der  Pariser  Amphora  (A  7)  und  der  Amphora 
Lunghini  (A  9),  wenn  anders  diese  letztere  über- 
haupt hierher  gehört.  Dagegen  finden  wir  sie  auf 
keiner  der  rothfigurigen  Vasen  ausser  der  einzigen 
Pariser  Schale  (B  4),  die  deshalb  in  hohem  Grade 
interessant  ist '').     Man  hat  in  der  Figur  bald  das 

")  Stephani  unterscheidet  nach  zwei  Gesichtspunkten  vier 
Gruppen:  1.  'Alkyoneus  schläft,  die  kleine  FlügelHgur  ist  nicht 
beigegeben'  (A4;  Bl  u.  2);  U.  'Alkyoneus  richtet  sich  eben 
vom  Schlafe  auf;  die  Flügelfigur  ist  nicht  beigegeben'  (nur  B3, 
das  für  mich  nicht  in  Betracht  kommt);  III.  'Alkyoneus  richtet 
sich  eben  vom  Schlafe  auf,  während  eine  kleine  FlügelHgur  über 
seinem  Knie  oder  Haupt  schwebt'  (AI;  5  und  6);  IV.  'Al- 
kyoneus hat  sich  aufrichten  wollen,  wird  aber  von  einer  kleinen 
Flügelfigur  niedergedrückt'  (A  2,  s.  hierüber  die  folgende  An- 
merkung). 

'*)  Deutlich  ist  das  Schlafen  auch  auf  der  Coruetaner  Schale 
(A  8)  und,  der  Beschreibung  nach,  auf  der  Londoner  Hydria 
(A  4)  und  der  Vase  Lunghini  (B  5).  Bei  A  5  kann  man  zwei- 
feln (obgleich  Stephani  die  Vase  zur  dritten  Gruppe  gerechnet 
hat),  bei  B4  lässt  uns  die  Beschreibung  im  Unklaren;  bei  beiden 
fehlt  die  Flügelfigur  nicht.  Auf  A  2  hat  Alkyoneus  die  Kopf- 
haltung eines  Schlafenden ;  es  ist  nur  die  Flüchtigkeit  des  Ma- 
lers, der  den  Felsen  vergessen  hat,  welche  zu  dem  Irrthum  füh- 
ren konnte,  der  Riese  richte  sich  eben  auf.  Von  B  3  war  schon 
die  Kede. 

")  Hätten  wir  diese  letzte,  leider  noch  unpnblicirte  Vase 
nicht,  so  würden  wir  annehmen,  dass  die  Flügelfigur  nur  den 
Vasen  der  älteren  Technik  eigen  sei,  sicherlich  ist  es  aber  kein 


Schattenbild  {sl'öiülnv)  des  Alkyoneus,  bald  die  Ker 
oder  Tlianatos,  bald  Hypnos  erkennen  wollen.  Die 
richtige  Deutung  kanu  nur  eine  einheitliche  für  alle 
Vasenbilder  giltige  .sein;  eine  solche  hat  Stephani 
mit  Kecht  gefordert  (a.  a.  0.  S.  590f.).  Das  Tisch- 
bein'sche  Vasenbild  (A  2)  ist  von  den  übrigen  nicht 
zu  trennen,  wenn  auch  die  Flügelfigur  hier  in  leb- 
hafterer Bewegung  erscheint;  wie  auf  den  anderen 
Vasenbildern  ist  sie  auch  hier  sicherlich  männlich  °°), 
das  beweist  hier  wie  sonst  die  schwarze  Farbe  der 
nackten  Körpertheile,  während  die  Anordnung  der 
Haare  bei  einer  Tischbcin'schen  Zeichnung  nichts 
dagegen  beweisen  kann.  An  die  Ker  ist  deshalb 
in  keinem  Falle  zu    denken"').     Die  Deutung  auf 

Zufall,  dass  sie  auf  diesen  sich  so  viel  häufiger  findet  als  auf 
den  rothfigurigen  Ich  werde  hierauf  zurückkommen.  Auf  A  1 
hat  Benndorf  den  bekannten  unheilvoll  hemmenden  Gestus'  des 
'Binders'  durch  die  über  dem  Knie  gefalteten  Hände  erkannt 
(Griech.  und  Sicil.  Vasenbildcr  S.  89);  der  Verfertiger  des  vor- 
liegenden Vasenbildes  scheint  freilich  den  Gestus  nicht  verstan- 
den und  deshalb  undeutlich  zum  Ausdruck  gebracht  zu  haben. 
Auf  A  2  sehen  wir  allerdings  die  Flügelfigur  in  ungewöhnlich 
lebhafter  Bewegung,  bemüht,  wie  es  scheint,  den  Kopf  des  schla- 
fenden Riesen  niederzudrücken.  Von  A3  wissen  wir  nur,  dass 
die  Flügelfigur  sich  dort  über  dem  Schenkel  des  Alkyoneus  be- 
findet. A  5  dagegen  zeigt  sie  auf  dem  Kopf  des  Riesen  sitzend, 
wodurch  am  deutlichsten  ausgesprochen  wird,  dass  Alkyoneus 
sich  in  der  Gewalt  dieses  Genius  befindet  —  man  wird  erinnert 
an  die  Worte  des  Properz  (11,4):  et  caput  impositis  pressil 
Amor  pedibus.  Auf  A  6  wiederum  scheint  die  kleine  Figur, 
diesmal  in  einen  Mantel  gehüllt,  auf  dem  Knie  des  Riesen  zu 
sitzen,  während  sie  auf  der  Cornetaner  Schale  (A  8)  auf  seiner 
Schulter  kauert.  Auf  der  rothfigurigen  Schale  endlich  soll  sie 
über  seiner  Brust  schweben. 

2°)  Dies  hat  Heydemann  hervorgehoben  (Drittes  Hallisches 
Winckelraannsprogramm  1879  S.  80,  n.  206)  und  Robert  mit 
Unrecht  bezweifelt  (Thanatos  S.  17  n.  8).  Auch  Brunn  hat  die 
Figur  jetzt  für  männlich  erklärt  (Troische  Miscellen  III  S.  188), 
während  sich  Benndorf  a.  a.  0.  für  die  Ker  entschieden  hat. 

'")  Es  ist  mir  sehr  zweifelhaft,  ob  wir  überhaupt  eine  Dar- 
stellung der  Ker  besitzen :  sie  müsste  doch  einigermassen  der 
Beschreibung  entsprechen,  die  Pausanias  beim  Kypseloskasten 
giebt,  und  einer  Gorgo  ähnlicher  sehen  als  unserer  Flügelfigur; 
über  das  von  Klein  (Euphrouios  S,  53,  4)  angeführte  Schalen- 
fragnient  in  Palermo,  das  angeblich  'eine  gesicherte  Darstellung 
der  Ker'  bietet,  lässt  sich  freilich  nach  Klein's  Beschreibung 
nicht  urtheilen.  Sicherlich  ist  die  Flügelfigur  auf  der  schwarz- 
figurigen  Lekythos  bei  Benndorf,  Griech.  und  Sicil.  Vasenbilder 
Tafel  XLII  2  keine  Ker,  wie  Benndorf  S.  89  und  Robert,  Tha- 
natos  S.  17  meinen.  Sie  ist  mänulich  und  darf  methodischer 
Weise  nicht  anders  gedeutet  werden  als  dieselbe  Figur  auf  den 
gleichartigen  Darstellungen  der  Amphora  Piot  (Robert,  Thanatos 
S.  8,  1)  und  der  Neapeler  Vase  (ebenda  S.  16);  auf  diesen  beiden 
Gefässen  ist  sie  aber  deutlich  als  Eidolon  charakterisirt. 


43 


F.  Koepp,  Herakles  und  Alkyoneus. 


44 


das  Eidoloii  des  Alkyoneus  hat  Otto  Jahn  selbst 
a.  a.  0.  S.  140{'.  zurückgewiesen,  nachdem  er  sie 
früher  (Arch.  Beiträge  S.  131),  in  Uebereinstimraung 
mit  de  Witte  (^«wa/i  V  S.  oliff.)'  gebilligt  hatte. 
Es  bleibt  also  nur  die  Wahl  zwischen  Thanatos 
und  Hypnos. 

Stephani  Hess  die  Frage  offen,  ob  die  Ker  oder 
Thanatos  dargestellt  sei;  dass  es  eine  Todesgottheit 
sei,  hielt  er  für  sicher.  Für  die  Ker  entschied  sich 
ausser  Benndorf  und  Robert  auch  Julius  Lessing 
{de  Mortis  ajutd  veleres  fignra  p.  51),  für  Thanatos 
Heydeniann  (a.a.O.  und,  wenngleich  hier  bereits 
zweifelnd,  Ainiali  dcll'  Iiislilnto  1880  S.  97).  In 
Wahrheit  ist  an  Thanatos  so  wenig  zu  denken  wie 
an  Ker.  Julius  Lessing  und  Robert  haben  gelehrt, 
wie  selten  und  in  welcher  Gestalt  die  griechische 
Kunst  und  die  Vasenmalerei  insbesondere  den  Tha- 
natos darstellte:  wer  heute  noch  die  kleine  Flügel- 
figur der  Alkyoneusbilder  für  Thanatos  hält,  hat 
die  Resultate  ihrer  Arbeiten  nicht  beherzigt  wie  sie 
es  verdienen''').  Sichere  Darstellungen  des  Thana- 
tos haben  wir  nur  auf  den  Sarpedon -Vasenbildern 
und  den  von  diesen  abhängigen  attischen  Lekythen. 
Als  Jüngling  erscheint  Thanatos  allerdings  sowohl 
auf  der  Amphora  Piot  als  auf  der  Pamphaios-Schale 
—  von  dem  Krater  Cauipana  können  wir  nicht 
reden,  da  hier  die  entscheidenden  Theile  ergänzt 
sind  — ,  aber  der  Beruf,  welcbfer  dem  Thanatos 
nicht  nur  hier,  sondern  wo  immer  er  auftrat,  in  der 
Alkestis-,  in  der  Sisyphos-Sage,  obliegt,  würde  es 
dem  Künstler  verboten  haben,  ihn  als  einen  kleinen 
Flügelknaben  darzustellen,  wie  wir  ihn  auf  den 
Alkyoneusbildern  sehen.  Ja  noch  mehr!  Ich  halte 
es  nicht  für  zufällig,  dass  auf  der  einzigen  Vase, 
auf  der  in  der  That  Memnon,  wie  sonst  Sarpedon, 
von  Hypnos  und  Tlianatos  getragen  wird,  auf  der 
schwarzfigurigen  Schale  in  Athen  (Robert,  Thana- 
tos S.  17),  wie  dann  auf  den  Lekythen,   Thanatos 

■■")  Heydeniann  hätte  auch  bei  den  beiden  geflügelten  Knaben 
der  Cornetaner  Pani|)haios-Schale  Mon.  d.  I.  XI  t  XXIV  (1880) 
nicht  an  Hypnos  und  Thanatos  denken  sollen  (^Annali  S.  97). 
Es  sind  vielinclir  Eroten,  deren  Dar.<tellung  gerade  um  diese 
Zeit  in  der  Vasenmalerei  recht  in  Schwung  kam,  und  die  des- 
halb öfter  in  der  Mehr/uhl,  und  auch  da  wo  sie  mit  der  Dar- 
stellung nicht  in  Beziehung  stehen,  auftreten. 


bärtig  erscheint,  während  er  auf  den  Sarpedon- 
bildern  gleich  Hypnos  als  Jüngling  dargestellt  ist. 
Weil  Homer  an  jener  Stelle  der  Ilias  Hypnos  und 
Thanatos  Zwilliugsbrüder  nennt,  stellte  auch  der 
Künstler  sie  als  solche  und  natürlich  jugendlich 
dar;  als  dann  aber  die  Kunst  diese  Darstellung, 
in  welcher  sie  weit  mehr  als  gewöhnlich  von  der 
Diclitung  abhängig  war,  von  Sarpedon  auf  Memnon 
und  gar  auf  sterbliche  Menschen  übertrug,  da  eman- 
cipirte  sie  sich  von  der  Homerischen  Vorstellung 
und  bildete  den  Thanatos  so  wie  er  in  der  Phan- 
tasie des  Volkes  lebte  und  ohne  Zweifel  nicht  nur 
im  Alkestis-  und  Sisyphos-Mythos  sondern  in  zahl- 
reichen Mährchen  erschien.  Wir  wissen  freilich  nur 
von  diesen  beiden,  aber  wir  kennen  ja  auch  fast 
nur  diejenigen  Sagen,  welche  die  Dichter  behandelt 
haben:  für  uns  haben  in  Wahrheit  'Homer  und  He- 
siod'  die  Götter  der  Griechen  geschaffen;  als  He- 
rodot  das  von  den  Griechen  selbst  sagte,  da  waren 
die  Homerischen  Vorstellungen,  so  weit  sie  auch 
verbreitet  waren  und  so  tief  sie  wurzelten,  doch 
nur  ein  Theil  dessen,  was  in  der  Phantasie  des 
Volkes  lebte  und  webte. 

Ich  kehre  somit  zu  der  Deutung  Otto  Jalm's 
zurück,  die  auch  u.  A.  Furtwängler  (Eros  S.  13)  und 
Klein  (Euphronios  S.  53)  angenommen  haben:  nur 
darin  weiche  ich  von  Jahn's  Ansicht  ab,  dass  ich 
die  Deutung  auf  das  Tischbein'sehe  Vasenbild  (A  2) 
auszudehnen  wage.  Jahn  hat  bereits  einige  Monu- 
mente beigebracht,  welche  die  Darstellung  des  Hyp- 
nos als  eines  geflügelten  Jünglings  oder  Knaben 
sicher  stellen.  Heute  kann  man  auf  die  näher  lie- 
gende Analogie  der  Sarpedonbilder  und  besonders 
der  Lekythen  verweisen.  Und  wenn  auch  Hypnos 
da,  wo  er  einen  Todten  zu  Grabe  trägt,  in  ent- 
sprechender Grösse  gebildet  werden  musste,  so 
steht  doch  nichts  der  Annahme  im  Wege,  dass  er 
sonst  auch  als  kleiner  Genius  dargestellt  wurde, 
was  von  Thanatos  durchaus  unglaublich  ist. 

Im  Schlaf  wird  Alkyoneus  von  Herakles  über- 
rascht, der  Schlafgott  selbst  ist  anwesend  und  lie- 
fert den  Riesen  in  die  Gewalt  des  Alkiden,  ja  er 
hilft  thätig  mit,  ihn  zu  verderben.  Wenn  die  Sage 
berichtet   hätte,    dass  Alkyoneus    beim  Nahen  des 


45 


F.  Koepp,  Herakles  und  Alkyoncus. 


46 


Herakles  erwaclit  sei,  so  könnte  auf  den  Vasen- 
bildern, wo  dieses  Erwachen  vorgefiilnt  ist,  Hypnos 
nur  im  Eiitwciciien  dargestellt  sein.  Aber  er  er- 
wachte nicht:  Hypnos  hindert  ihn  daran,  sei  es  durch 
seine  blosse  Anwesenheit,  sei  es  durcli  den  hemmen- 
den Gestus,  wie  auf  A  1,  sei  es  durch  thätiges  Ein- 
greifen, wie  auf  A  2,  wo  er  den  Kopf  des  Kiesen, 
wie  zu  tiefcrem  Schlafe,  niederzudrücken  scheint. 
Deshalb  fehlt,  wie  ich  mehrfach  hervorgehoben  habe, 
gerade  auf  denjenigen  Vascnbildern,  auf  welchen 
Alkyoncus  erwacht  zu  sein  scheint,  die  Flügelfigur 
nicht.  Es  ist  doch  hier  in  gewissem  Sinne  richtig, 
was  Jahn  (S.  142)  sagt,  dass  'die  ältere  Kunst 
durch  eine  symbolische  Figur  das  auszudrücken 
sucht,  was  die  freier  entwickelte  durcii  die  leben- 
dige Darstellung  der  Situation  selbst  erreicht'.  Man 
darf  freilich  die  Analogien  zu  diesem  Hypnos  nicht 
in  den  Tersonificationen  psychologischer  Affecte' 
finden,  die  in  der  späteren  Kunst  uns  so  häutig 
begegnen ,  sondern  vielmehr  in  Figuren  wie  dem 
Eros,  der  den  Zeus  bei  der  Verfolgung  des  Gany- 
medes  mit  dem  Kcntron  stachelt,  auf  der  scliwarz- 
figurigen  Lekythos  Aiinali  delC  Inst.  187()  laß.  cTagg. 
A  (vgl.  Koerte  S.  49  ff.),  oder  der  Eris,  die  öfters 
auf  Kampfdarstellungen  älterer  Vasen  zwischen  den 
kämpfenden  Parteien  dahineilt. 

Doch  es  ist  nicht  allein  die  Anwesenheit  des 
Hj'pnos,  die  dem  Herakles  den  Sieg  verbürgt.  Auf 
mehreren  Vasenbildern  begleitet  den  Helden  seine 
Schutzgüttin  Pallas,  so  auf  A  2;  4;  G;  8  und  auf 
B  4.     Auf  B  1  eilt  von    rechts,    den    rechten    Arm 


vorstreckend,  in  der  Linken  das  Kerykeion,  Her- 
mes herbei:  offenbar  nur  der  Symmetrie  zu  Liebe 
auf  dieser  Seite  und  in  dieser  Haltung,  die  uns 
fast  zu  dem  Irrtliiim  verleiten  könnte,  der  Gott 
wolle  den  Herakles  in  seinem  Vorhaben  hindern. 
Nur  auf  der  Cornetaner  Sciiale  sind    noch  andere 

Personen  anwesend:    hinter  Herakles  der  Genosse 

• 

in  voller  Rüstung,  den  wir  trotz  Pindar  eher  lolaos 
als  Telamon  nennen  können,  wenn  wir  ihm  über- 
haupt einen  Namen  geben  wollen;  hinter  Athena 
ein  .Jüngling,  von  dem  nicht  einmal  klar  ist,  ob  er 
zu  den  Heglcitern  des  Herakles  gehört;  endlich  auf 
der  Gegenseite  die  Gefährten  zu  Wagen.  Auf  der 
Londoner  Hydria  (A  4^  erinnert  noch  eiu  Vier- 
gespann an  diesen  Wagenzug. 

Nachdem  wir  in  der  Flugelfigur  der  Alkyoneus- 
bilder  den  Schlafgott  selbst  erkannt  haben,  nach- 
dem wir  gesehen  haben,  dass  auf  mehreren  der- 
selben Athena  iliren  Scliützling  begleitet,  so  dass 
über  das  Gelingen  seines  Anschlags  kein  Zweifel 
sein  kann,  darf  ich  zum  Schiuss  noch  einmal 
hervorheben,  was  diesen  Vasenbildern  ihr  hervor- 
ragendes Interesse  verleiht:  dass  nach  der  Tralition, 
welche  ihrer  Darstellung  zu  Grunde  liegt,  Herakles 
den  Alkyoncus  im  Sciilaf  erschlagen  haben  niuss, 
weil  auf  den  von  den  Vasenbildern  dargestellten 
Moment  unmöglich  ein  Erwachen  und  ein  Kampf 
gefolgt  sein  kann. 

Biebrich  am  Rhein. 

Fkiedkich  Koepp. 


47 


48 


DIE  OSTMETOPEN  DES  PARTHENON. 


In  der  Darstellung  der  Gigantomachie  bezeichnet, 
wie  in  der  Geschichte  der  bildlichen  Typen  über- 
haupt, die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  einen  be- 
deutungsvollen Wendepunkt.     Wer  sich    ernsthaft 
mit  der  Entwicklungsgeschichte  dieser  Darstellung 
beschäftigt,  über  die  wir  bis  jetzt  eine  Eeihe  brauch- 
barer Vorarbeiten,   aber  noch  keineswegs  eine  ab- 
schliessende Untersuchung  besitzen,   wird  hier  un- 
mittelbar   vor    die    Frage  gestellt,    inwieweit    die 
monumentalen  Schöpfungen  dieser  höchsten  Blüthe- 
zeit  ihren  Reflex  auf  die  Arbeiten  des  Kunsthand- 
werks werfen.     Bei   attischen  Werken,   namentlich 
den  Vasen,  wird  man  unwillkürlich  an  die  Einwir- 
kung jener  Darstellung  der  Gigantomachie  glauben, 
mit  der  Pheidias  die  Innenseite  des  Schildes  seiner 
Parthenos  geschmückt   hatte,    und  eine   so    gross- 
artige Schöpfung,  wie  die  der  aus  dem  Boden  auf- 
steigenden,  für  das  Leben    ihrer  Söhne   flehenden 
Erdgöttin,    die  uns  zuerst  auf  der  Schale  des  Ari- 
stophaues    und    Erginos    entgegentritt    und    dann, 
von    späteren   Vasendarstellungen    abgesehen,    auf 
dem    so   vielfach    attischen    Einfluss    verratbenden 
Altar    von    Pergamon    wiederkehrt,    müclite    man 
gern  keinem    Geringeren  zutrauen.     Doch  die  hier 
angedeutete  Frage    lässt    sich    nur    im  Zusammen- 
hang der  ganzen  Entwicklung  des  Typus  behandeln, 
und   selbst  dann  werden   die  für    die  Composition 
des  Schildes  sich   ergebenden  Resultate   sehr  pro- 
blematische sein.     Um   so  grössere  Beachtung  ver- 
dient aber  darum  eine  ungefähr  gleichzeitige  Dar- 
stellung, an  der  Pheidias,   wenn  er  auch  nicht  ihr 
eigentlicher  Schöpfer  sein  sollte,  doch  sicherlich  durch 
seinen  Rath  einen  wesentliclien  Antheil  gehabt  haben 
wird;  ich  meine  die  Ostmetopen  des  Parthenon,  die 
einzige  vollständig  erhaltene  monumentale  Darstel- 
lung der  Gigantomachie  aus  dem  fünften  Jahrhun- 
dert.    Wenn  diesem  Werke  bisher  nicht  die  Wich- 
tigkeit beigemessen   worden  ist,   die   ihm   gebührt, 
so  ist  der  Grund   dafür  wohl  vorzugsweise  darin 
zu  suchen,  dass  wir  uns  für  die  Erklärung  und  Be- 
urtheilung  desselben  auf  eine  höchst  unzuverlässige 
Grundlage,  nämlich  auf  zwei  von  unten  ohne  Leitern 
und  Gerüst  angefertigte  Zeichnungen  und  auf  eine 
Anzahl  von  Beschreibungen,   die  unter  ebenso  un- 
günstigen Umständen  gemacht  worden  sind,   ange- 
wiesen sehen.      Nur   von   einer,    der   VII.  Metope, 


existirt  ein  Gipsabguss.  Die  übrigen  Platten  schienen 
bei  ihrer  sehr  weit  vorgeschrittenen  Zerstörung  die 
Mühe  und  Kosten  des  Abformens  nicht  zu  lohnen.  Bei 
dieser  Sachlage  werden  die  folgenden  Darlegungen 
nothwendiger  Weise  sehr  problematisch  sein;  möchte 
es  mir  nur  gelingen  die  Ueberzeugung  zu  erwecken, 
dass  die  hier  vorliegenden  Fragen  wichtig  genug 
sind,  um  nicht  ewig  Problem  zu  bleiben,  sondern 
durch  genaue  Feststellung  des  Thatbestandes  der 
endgültigen  Lösung  entgegengeführt  zu  werden 
verdienen,  ehe  es  zu  spät  ist,  sei  es  auch  mit  grossem 
Aufwand  von  Mühe  und  Kosten.  Ein  Gleiches  gilt 
natürlich  von  den  Westmetopen  und  ganz  besonders 
auch  von  den  noch  am  Gebäude  befindlichen  Me- 
topen  der  Nordseite.  Compositionen,  die  unter  Phei- 
dias' Augen  entstanden  sind,  mögen  sie  auch  noch 
so  trümmerhaft  sein,  durch  Abgüsse  oder  wenig- 
stens durch  Zeichnungen,  die  aus  unmittelbarer 
Nähe  mit  Hilfe  von  Gerüsten  herzustellen  wären, 
uns  in  gewissem  Sinne  wieder  zu  erwerben  und 
den  künftigen  Geschlechtern  zu  erhalten,  lohnt  sich 
wahrlich  der  Mühe. 

Solange  wir  aber  solcher  sicheren  Grundlage 
entbehren,  sind  wir  auf  folgende  Hilfsmittel  ange- 
wiesen: 

1)  Die  Zeichnungen  bei  Stuart. 

2)  Die  in  Laborde's  Auftrag  angefertigten  und 
von  ihm  veröffentlichten  Zeichnungen  (L.). 

3)  Die  von  dem  Zeichner  Robert  für  Michaelis 
gefertigten  Zeichnungen,  bei  denen  Laborde's 
Publikation  benutzt  worden  ist  (M.). 

4)  Die  Beschreibungen  und  Notizen  von  Leake, 
Stephani,  Cockerell  u.  A. 

Auf  dieser  Basis  sind  bisher  nur  zwei  Erklä- 
rungsversuche der  ganzen  Composition  unternommen 
worden,  von  Michaelis  und  Petersen.  Die  Resultate 
derselben  zeigt  die  folgende  vergleichende  Tabelle: 


Michaelis. 


I. 


II.  Dionysos. 

III.  Ares. 

IV.  Hera  (oder  Demeter  oder  Artemis). 
V.  Wagen  des  Poseidon? 

VI.  Poseidon? 

VII.  Athena  auf  dem  Wageu  des  Zeus? 

VIII.  Zeus? 


49 


C.  Kobt'i-t,  Ostnietopen  des  Parthenon. 


50 


IX.  Apollon? 

X.  Aitemi.s  auf  dem  Wageu  des  Apollon? 
XI.  — 
XII.  Demeter  (oder  Artemis). 

XIII.  — 

XIV.  — 

Petersen. 
I.  Hermes  (oder  Ares). 
II.  Dionysos. 

III.  Poseidon? 

IV.  Athena. 

V.  Nike  auf  dem  Wagen  der  Athena. 
VI.  Herakles. 

VII.  Iris  auf  dem  Wagen  des  Zeus. 
VIII.  Zeus. 
IX.  Hera. 

X.  Leto  auf  dem  Wagen  des  Apollon. 
XI.  .\pollou. 
XII.  Artemis. 

XIII.  Ares. 

XIV.  Nyx? 

beide  Erklärer  kommen  also  nur  bei  II  (Dio- 
nysos) und  VIII  (Zeus),  sowie,  abgeselicn  von  der 
Benennung  der  Wageuleuker,  bei  VII  und  X  zu 
demselben  Resultat. 

Zweifellos  ist  zunächst  die  Deutung  von  II  auf 
Dionysos,  der  durch  Pautiier  und  Schlange  bestimmt 
ist.  Mit  nicht  geringerer  Sicherheit  aber  scheint 
mir  Michaelis  auf  III  Ares  erkannt  zu  haben.  Die 
beiden  Schilde  sind  sowohl  bei  L.  wie  bei  M.  ganz 
deutiicli,  und  dadurcli  die  Deutung  auf  Ares  völlig 
gesichert,  weil  Athena  so  entfernt  von  der  Mitte 
unmöglich  ihren  Platz  gehabt  liaben  kann,  die 
andern  Götter  aber  den  Schild  nicht  führen.  Ebenso 
gewiss  scheint  mir  die  zuerst  von  Petersen  vorge- 
schlagene Deutung  von  I  auf  Hermes.  Die  Chlamys, 
der  ^'ergleicil  mit  der  Berliner  Schale  (Gerhard 
Griech.  u.  etr.  Trinkschalen  X,  Overbeck  Kunstmyth. 
Atlas  IV  12)  sowie  der  Vase  von  Melos,  endlich  der 
für  Hermes  besonders  passende  Platz  am  Ende  der 
Darstellung  unterstützen  diese  Ansicht  in  hohem 
Grade. 

So  fänden  wir  an  der  linken  Seite  drei  Söhne  des 
Zeus  die  Composition  abschliessend.  Allein  der 
eigentliche  Kernpunkt  der  Frage  liegt  in  der  Auf- 
fassung und  Erklärung  der  Metopen  VI,  VIII,  IX, 
wo  wir  erwarten  dürfen,  die  Ilauptkämpfer  zu  finden. 
Fast  alle  Zeugen  stimmen  darin  überein,  dass  auf  VI 
drei  Figuren  zu  erkennen  sind,  also  ein  Gott  und 
zwei  Giganten,  von  denen  der  eine  rückwärts  nieder- 
gesunken den  linken  Arm  wie  Gnade  flehend  empor- 

Arcliiiolojr.  Ztg.  Jahrgang  XLU. 


streckt,  während  sein  neben  ihm  stehender  Genosse 
noch  Widerstand  zu  leisten  seheint.  Auf  keiner 
andern  Metope  kämpft  ein  Gott  mit  zwei  Gegnern. 
Gewiss  also  haben  wir  hier  eine  bestimmte  Absicht 
des  Künstlers  zu  erkennen;  er  will  den  Gott  be- 
sonders hervorheben  und  vielleicht  gewissermassen 
dafür  entscliädigen ,  dass  er  ihm  nicht  den  vor- 
nehmsten Platz  auf  VIII  gegeben  hat.  Den  Gott 
besclireibt  Michaelis folgendermassen:  „Eine  nackte 
Gestalt  mit  fliegendem  Mantel  und  ausgestrecktem 
Arm  befindet  sich  links  halb  knieend  auf  einem 
ziemlich  hohen  Fclsblock";  er  benennt  ihn  zweifelnd 
Poseidon.  Petersen  schreibt:  „Von  links  ....  stürmt 
eine  nackte  männliciie  Figur  über  am  Boden  lie- 
gende Gegenstände  weg,  auf  die  er  mit  stark  ge- 
bogenem Knie  seinen  linken  Fuss  setzt,  mit  dem 
linken  Arm  älinlich  wie  Zeus  vorgreifend  nach 
Kopf  oder  Nacken  seines  Gegners,  gegen  den  die 
Rechte  den  Streich  führen  musste";  er  denkt  an 
Heiakles,  bei  dem  aber  doch  sicher  das  Löwenfell 
nicht  fehlen  wurde.  Aus  einer  vergleichenden 
Prüfung  beider  Zeichnungen  und  Erwägung  der  Be- 
schreibungen scheint  sich  mir  vielmehr  für  den  Gott 
folgende  Stellung  zu  ergebeu:  das  liuke  Knie  setzt 
er  auf  den  gefallenen  Gegner,  während  er  gleich- 
zeitig die  linke  Hand  dem  noch  wider.strebenden 
Gegner  entgegenhält');  das  rechte  Bein  muss  nach 
links  ausgestreckt,  der  rechte  Arm  erhoben  gewesen 
sein:  im  Rücken  flattert  der  Mantel.  Es  ist  eine 
ungemein  stolze,  siegesbewus:ste  Bewegung,  und 
ich  brauche  es  wohl  kaum  auszusprechen,  dass  ich 
hier  Zeus  erkenne;  die  Rechte  hielt  natürlich  den 
Blitz,  die  Linke  führte  entweder  wie  auf  den  Vasen 
das  Scepter  oder  war  wie  auf  dem  pergamenischen 
Altar  in  die  Aegis  gewickelt. 

Abweichend  von  der  hier  vorgeschlagenen  Deu- 
tung erkennen  Michaelis  und  Petersen  vielmehr  auf 
VIII  Zeus,  aus  keinem  anderen  Grunde,  als  weil  die 
Figur  männlich  sei  und  an  diesem  vornehm>teu 
Platze  nur  der  höchste  Gott  dargestellt  sein  könne. 
Allein,  so  weit  ich  sehe,  spricht  für  die  Männlich- 
keit der  Figur  nur  der  scharf  hervortretende  Con- 
tur  des  rechten  zurückgesetzten  Beines,  und  die- 
ser könnte  sich  bei  dem  mächtigen  Ausschreiten 
auch  durch  den  Chiton  hindurch  ebenso  scharf 
abzeichnen;  man  vergleiche  nur  die  Göttin  auf 
XII.  Ueberdies  zeigt  die  Zeichnung  zwischen 
den  lieineu  sehr  charakteristische  Reste,  die  straff" 

')  Möglich,  ila.<s  dieser  ein  Felsstück  schwaiij,',  woran  auch 
Petersen  denkt.  Die  Aehnlichkeit  und  somit  Abliängigkeit  der 
pergamenischen  Zeu.-gruiijie  ergiebt  sich   von  selbst. 


51 


C.  Robert,  Ostmetopen  des  Partlienon. 


52 


gespannten  Steilfalten  täuschend  ähnlich  sehen, 
und  ebenso  glaubt  man  am  unteren  Eande  Spuren 
des  Gewandsaumes  zu  erkennen.  Der  deutlich  sicht- 
bare Schild  wird  bei  L.  von  dem  Giganten  gehalten, 
während  ihn  bei  M.  der  Gott  oder  die  Göttin  am 
linken  Arm  trägt.  Die  Zeichnung  des  letzteren 
mit  dem  nyamv  wirkt  unmittelbar  überzeugend; 
sie  trägt  die  Gewähr  der  Richtigkeit  in  sich  selbst. 
Auch  ist  es  kaum  denkbar,  dass  ein  Gott  in  so 
derber  Weise  den  Schildraud  des  Gegners  anpackt, 
wie  wir  es  bei  L.  sehen.  Das  ist  barbarische 
Kampfweise,  wie  sie  allenfalls  für  einen  Giganten 
sich  schickt.  Michaelis,  der  wie  billig  sich  dafür 
entschieden  hat,  dass  der  Schild  dem  Gotte  gehört, 
und  doch  an  der  Benennung  Zeus  festhält,  verweist 
auf  den  behelmten  und  beschildeten  Zeus  der 
ionischen  Vase  M.  d.  I.  VII  78.  Jetzt  lässt  sich 
auch  der  Zeus  aus  dem  Giebelfeld  des  Megarer- 
schatzhauses  zum  Vergleich  heranziehen.  Allein 
diese  Beispiele  aus  dem  6.  Jahrhundert  sind  für 
die  Zeit  des  Pheidias  schwerlich  beweiskräftig: 
Chiton  und  Schild  scheinen  mir  hinlänglich  charak- 
teristisch, um  in  der  Gestalt  Athena  und  zwar  in 
der  Stellung  der  Promachos  erkennen  zu  lassen, 
die  so  an  den  ihr  gebührenden  Platz  in  der  Mitte 
kommt.  Wie  der  Künstler  es  verstanden  hat,  den 
nun  nothwendig  an  die  zweite  Stelle  kommenden 
Zeus  durch  Verdoppelung  des  Giganten  hervorzu- 
heben, haben  wir  oben  gesehen. 

Weit  grössere  Schwierigkeiten  macht  die  Deutung 
von  IX.  Der  langen  flatternden  Haare  wegen  be- 
nennt Michaelis  die  Figur  Apollon,  Petersen  Hera, 
wobei  „das  starke  Hervortreten  der  Beine"  und 
„das  unweibliche  Heben  des  linken  Beines"  durch 
die  Hypothese  motivirt  wird,  dass  „die  Bewegung 
der  Figur  keine  freiwillige"  und  „die  Hebung  des 
linken  Beines  durch  Anpacken  und  Zerren  des 
Gegners  (Porphyrion)  bewirkt  sei".  Abgeselien 
davon,  dass  eine  Hera  mit  solchem  frei  herabhän- 
genden Haar  sich  schwerlich  nachweisen  lässt, 
darf  man  wohl  die  Frage  aufwerfen,  ob  eine  solche 
Scene,  Porpliyrion  die  Götterkönigin  am  Schenkel 
fassend,  überhaupt  möglich  sei.  Es  müssten  starke 
Gründe  sein,  jedenfalls  stärkere  als  die  bisher  vor- 
gebrachten, die  uns  zu  der  Annahme  einer  solchen 
die  aldiog  und  die  evaeßeia  ebenso  sehr,  wie  den 
künstlerisciien  Geschmack  verletzenden  Situation, 
und  noch  dazu  an  heiligster  Stätte,  bewegen  könnten. 
Man  vergleiche  die  Darstellungen  von  Leto  und 
Tityos,  ja  selbst  die  lascive  Satyrvasc  des  Brygos, 
ob  dort  auch  nur  etwas  annähernd  Aehnliches  sich 


findet.  Gegen  die  Deutung  auf  Apollon  liegen  so 
schwere  Bedenken  nicht  vor;  doch  hiergegen  er- 
innert Petersen  (S.  216  Aum.  1)  mit  Recht,  dass 
Locken  in  solcher  Länge  für  einen  Apollon  un- 
erhört wären.  Aber  sind  es  überhaupt  mensch- 
liche Haare,  setzen  sie  dafür  nicht  viel  zu  tief  im 
Rücken  an?  Ich  kann  in  diesem  Reste  Nichts 
anders  sehen ,  als  die  flatternde  Mäiine  eines 
Lövvenfells,  dessen  Protome  der  Gott  über  den 
Kopf  gezogen  hat,  und  kann  also  diesen  nur  für 
Herakles  halten;  auch  über  der  rechten  Schulter 
und  zwischen  den  Beinen  scheint  das  Löwenfell 
sichtbar  zu  sein.  Sonst  lässt  sich  nur  noch  er- 
kennen, dass  der  linke  Arm  gesenkt  war.  Freilich 
verhehle  ich  mir  nicht,  dass  auch  bei  dieser  Be- 
nennung noch  gar  Vieles  räthselhaft  bleibt;  vor 
Allem  ist  das  hohe  Auftreten  des  vorgestellten  Fusses 
und  weiter  die  darunter  sichtbare  Gewandmasse 
(nach  Michaelis  der  zum  Boden  geglittene  Mantel 
des  Apollon)  mir  völlig  unverständlich. 

Sollte  es  mir  gelungen  sein,  meine  Ansicht  über 
diese  drei  Haupt-Scenen  zu  einem  gewissen  Grad 
von  Wahrscheinlichkeit  gebracht  zu  haben,  so  er- 
giebt  sich  die  richtige  Benennung  der  übrigen 
Götter  fast  von  selbst  und  ist  auch  in  den  meisten 
Fällen  schon  ausgesprochen  worden.  In  der  Göttin 
auf  IV  werden  wir  jetzt  unbedenklich  mit  Michaelis 
Hera  erkennen.  Sie  nimmt  den  ihr  gebührenden 
Platz  zwischen  ihrem  Gatten  Zeus  (VI)  und  ihrem 
Sohne  Ares  (V)  ein.  Den  Gott  auf  XI  findet  Michae- 
lis einem  bogenschiessenden  nicht  unähnlich,  Peter- 
sen benennt  ihn  direkt  Apollon.  zweifellos  richtig. 
Daraus  ergiebt  sich  ohne  Weiteres,  dass  die  Göttin 
der  Nachbarmetope  XII,  die  über  den  1.  vorgestreck- 
ten Arm  die  Chlamys  geworfen,  mit  erhobener  Rech- 
ten zum  Stoss  ausholend  vordringt,  Artemis  ist,  ein 
Schluss,  der  sciion  von  Petersen  gezogen  ist. 

Es  bleibt  nun  noch  die  sehr  zerstörte  Gestalt 
auf  XIII  übrig,  von  der  sich  nur  soviel  erkennen 
lässt,  dass  sie  die  gesenkte  Linke  in  ein  Gewand  ge- 
wickelt und  die  Rechte  erhoben  hatte.  Michaelis 
lässt  die  Figur  unbeuannt,  Petersen  räth  zweifelnd 
auf  Ares.  Wir  dürfen  nun  schon  die  Frage  so 
stellen:  welcher  Gott  kann  in  einer  Darstellung 
der  Gigantomachie  am  Parthenon  unter  keinen 
Umständen  gefehlt  haben?  Die  Antwort  kann  nicht 
zweifelhaft  sein:  Poseidon.  Dafür  spricht  ebenso 
die  grosse  Rolle,  die  Poseidon  von  Alters  her  in 
dem  Gigantenkampf  spielt,  wie  die  hohe  Bedeutung, 
die  sein  Cuit  gerade  für  die  Akropolis  hat.  Dem 
gegenüber   können   die  Ansprüche  des   Uepiiaistos, 


53 


C.  Robert,  Ostiiictopen  des  Parthenon. 


54 


des  einzigen  noch  übrigen  liervoriagenden  Gigan- 
tenkämpfers ,  nicht  in  Betracht  kommen.  Dazu 
stimmt  vortrelflicii,  dass  auf  der  folgenden  Metope 
XIV  ein  Gespann  ersclieint,  unter  dem  duicii  Fische 
Wasser  angedeutet  ist.  Petersen  meint,  der  siegreiche 
Gott  von  XIII  könne  nicht  vvoiil  sclion  auf  dem  eben 
auftauciienden  Wagen  gekommen  sein.  Aber  taucht 
der  Wagen  wirklich  erst  auf?  Ist  es  niciit  denk- 
bar, dass  das  Gespann  des  Poseidon  im  Wasser 
stehend  dargestellt  war  und  die  Pferde  sich,  auf- 
geregt durch  das  Geräusch  des  Kampfes  empor- 
häumeu,  gerade  wie  das  Gespann  des  Poseidon 
im  Westgiei)el,  das  auch  sonst  manche  Verglei- 
chungspunkte liietet?  Auf  dem  Wagen  stand  uatüi- 
lich  Aniphitrite. 

Dies  fuhrt  uns  weiter  zu  der  bisher  noch  nicht 
berührten  Frage,  welchen  Göttern  die  Wagen  in 
der  Mitte  auf  V,  VIT,  X  gehören.  Die  griechische 
Kunst  pflegt  zwar  im  Allgemeinen  die  Streitwagen 
den  Kämpfenden  zugewendet  zu  stellen,  wie  im 
Westgiebel  des  Parthenon,  doch  fehlt  es  auch  nicht 
an  Beispielen  für  das  umgekehrte  Verfahren,  wonach 
der  Wagen  den  Kämpfern  zunächst,  und  die  Pferde 
abgewaudt  stehen;  so  auf  der  Kyknosvase  des  Pam- 
phaios  (M.  d.  I.  XI  24).  Ein  festes  Princip  lässt 
sich  also  nicht  bestimmen.  Michaelis  sucht  in 
allen  Fällen  die  Besitzer  vor  den  Pferden;  so 
gehört  nach  ihm  V  als  Gespann  des  Poseidon  zu 
VI,  das  Flügelgespann  auf  VII  mit  Athene  als 
Wagenlenkeriu  dem  „Zeus"  aufVIII;  das  Gespann 
auf  X  zu  „Apollon"  auf  IX.  Petersen  hingegen 
stimmt  zwar  hinsichtlich  VII,  abgesehen  von  der 
Benennung  der  Wagenlenkeriu,  mit  Michaelis  über- 
ein, nimmt  aber  tür  V  und  X  das  umgekehrte 
Princip  an,  in  dem  er  ersteren  der  „Athena'"  auf  IV, 
letzteren  dem  „Apollon"  auf  XI  zutheilt. 

Prüfen  wir  zunächst  X.  Nach  der  übereinstim- 
menden Ansicht  von  Michaelis  und  Petersen  hätten 
wir  hier  das  Gespann  des  Apollon  vor  uns,  nur  dass 
beide  Interpreten  den  letzteren  auf  verschiedenen 
Metopen  suchen.  Die  Wagenlenkeriu  hält  Michaelis 
flir  Artemis,  diese  haben  wir  aber  nach  Petersen's 
Vorgang  auf  XII  constatirt.  Mit  dieser  Deutung 
fällt  aber  überhaupt  die  Möglichkeit  fort,  die  Figur 
unter  der  erwähnten  Voraussetzung  zu  benennen; 
denn  ein  anderer  Wagenlenker  für  Apollon  als  Arte- 
mis ist  nicht  denkbar.  Petersen's  Deutung  auf  Leto 
ist  nichts  als  ein  Nothbehelf.  Da  auch  nach  unsrer 
Ansicht  auf  XI  A))ollo  dargestellt  ist,  so  können 
auch  wir  unter  der  Voraussetzung,  dass  X  zu  XI 
gehört,    mit    dem    Wagenlenker    nichts    anfangen. 


Ziehen  wir  aber  X  zu  IX,  so  hätten  wir  den 
Wagen  des  Herakles  vor  uns,  vielleicht  mit  loiaos, 
der  den  langen  Chiton  der  Wagenlenker  trägt. 

Wenn  wir  nun  V  der  Hera  auf  IV  zutheilen 
würden,  so  müsste  entweder  Zeus  oder  Athene  ohne 
Wagen  sein,  was  beides  gleich  unmöglich  ist.  Ich 
erkenne  daher  auf  V  den  Wagen  des  Zeus,  etwa 
mit  Iris  oder  Nike  als  Lenkerin;  auf  VII  in  dem 
Flügelgespann  den  Wagen  der  Athena;  war  doch 
auch  der  Helm  der  Partiienos,  wie  wir  jetzt 
wissen,  mit  Flügelrossen  geschmückt.  In  der  Wagen- 
lenkerin  würde  man  am  Liebsten  Nike  erkennen, 
aber  von  Flügeln  zeigt  dir  Abguss  keine  Spur. 
Ungeflügelt  erscheint  auch  Athenas  Wagenlenkeriu 
in  dem  Westgiebel  bei  Carrey;  doch  ist  hier  freilich 
die  Möglichkeit  eines  Versehens  nicht  ausgeschlossen 
(vgl.  Michaelis  S.  184).  Endlich  finden  wir  auch 
auf  der  FranQoisvase  auf  demsell)en  Gespann  mit 
Athena  eine  ungeflügelte  Göttin,  deren  Namens- 
beisehrift  aber  leider  verloren  ist.  Die  für  diese 
letzte  Figur  vorgeschlagene  Deutung  als  ungeflügelte 
Nike,  also  als  Athena  selber,  ist  eine  mythologische 
Ungeheuerliclikeit,  die  einer  Widerlegung  nicht 
bedarf.  Mir  sciieint  unzweifelhaft,  dass  die  Göttin 
Themis  ist,  die  als  eigentliche  Urheberin  der  Hoch- 
zeit von  Peleus  und  Thetis  im  Götterzuge  schwerlich 
fehlen  und  keinen  passenderen  Platz  erhalten  konnte 
als  neben  Athena.  Aber  diese  Deutung  darf  schwer- 
lich auf  die  Wagenlenkeriu  der  Metope  übertragen 
werden.  Möglich  wäre  hingegen,  dass  Aglauros 
gemeint  ist,  diejenige  von  den  drei  Kekropstöchtern, 
in  der  die  kriegerische  Seite  der  Burggöttin,  deren 
Hypostase  sie  ist,  am  stärksten  hervortritt,  wenn 
ich  auch  kein  Zeuguiss  dafür  gefunden  habe,  das 
sie  mit  der  Kossezucht  in  Verbindung  bringt. 

Wir  sind  also  der  Hauptsache  nach  zu  dem- 
selben Resultate  gekommen,  wie  Michaelis,  dass 
nämlich  die  Gespanne  nach  einem  einheitlichen 
Princip  stets  dem  kämpfenden  göttlichen  Besitzer 
zugewandt  dargestellt  sind.  Dieses  Ergebniss  wird, 
wie  ich  hofl'e,  eine  sehr  gewichtige  Bestätigung 
erhalten,  wenn  wir  jetzt  die  Composition  als  Ganzes 
in's  Auge  fassen.  Icli  stelle  zunächst  die  vorge- 
schlagenen Deutungen  übersichtlich  zusammen: 

I.  Hermes.  II.  Dionysos.  III.  Ares.  IV.  Hera. 
V.  Wagen  des  Zeus  mit  Nike  oder  Iris.  VI.  Zeus. 
VII.  Wagen  der  Athena  mit  Aglauros.  VIII.  Athena. 
IX.  Herakles.  X.  Wagen  des  Herakles  mit  lolaos. 
XI.  Apollon.  XII.  Artemis.  XIII.  Poseidon.  XIV. 
Wagen  des  Poseidon  mit  Amphitrite. 

Aus  dieser  Uebersicht  ergiebt  sich  sofort,  dass 

4* 


55 


C.  Robert.  Ostmetopen  des  Parthenon. 


56 


die  Metopen  paarweise  zusammengeliören.  Es  folgen 
sich  von  links  nach  rechts  1)  Hermes  und  Dionysos 
2)  Hera  und  ihr  Sohn  Ares  3)  Zeus  und  sein 
Wagen  4)  Atliena  und  ihr  Wagen  5)  Herakles 
und  sein  Wagen  6)  die  Letoiden  7)  Poseidon  und 
sein  Wagen,  und  zwar  sind  es  stets  die  über 
demselben  Intereoluninium  befindlichen  Metopen- 
paare,  die  in  dieser  Weise  zusammengefasst  wer- 
den; die  Säule  markirt  den  Abschnitt,  und  hierin 
liegt  zugleich  die  RechtCertigung  für  dies  so  oft 
getadelte  Verfahren,  welche  freilich  den  The- 
seionmetopen  nicht  zu  Statten  kommt,  wo  die 
beiden  Geryoneus- Metopen  sich  aurdas  IV.  und 
V.  Intercolumnium  vertheilen.  Dieses  Compositions- 
princip  wird  aber  zerrissen  wenn  mau  mit  Petersen 
IV  mit  V  und  X  mit  XI  verbindet.  Auch  bei 
den  Metopen  der  drei  andren  Seiten  finde  ich  das- 
selbe Princip  mehr  oder  minder  streng  festgehalten. 
Sehen  wir  uns  zunächst  nach  weiteren  Darstellungen 
von  Streitwagen  um,  so  finden  wir  auf  der  Süd- 
seite XV  den  Wagen  des  auf  XVI  befindlichen 
Kriegers;  auch  hier  stehen  beide  Metopen  über 
demselben  lutercolumuium;  dass  auf  der  Nord- 
seite der  Wagen  von  I  zu  einer  Figur  auf  II 
gehört,  versteht  sich  von  selbst.  Es  ist  ferner  doch 
schwerlich  zufällig,  dass  auf  der  Westseite,  soweit 
sich  die  Darstellungen  erkennen  lassen,  immer  zu 
Pferd  und  zu  Fuss  kämpfende  Amazonen  abwechseln, 
so  dass  sich  auch  hier  I  und  II,  III  und  IV, 
IX  und  X,  XI  und  XH,  XIII  und  XIV,  also 
jedesmal  die  über  einem  Intercolumnium  ste- 
henden Metopen  gruppenweise  zusammenordnen. 
Auf  V  war  sicher,  auf  VIII  vielleicht  eine  Reiterin 
dargestellt,  aber  da  VI  und  VII  fehlen,  lässt 
sich  nicht  entscheiden,  ob  das  Princip  auch  in  der 
Mitte  festgehalten  war.  Bei  den  Kentaurenkämpfen 
der  Nordseite  war  nach  der  Natur  des  Gegenstandes 
eine  strikte  Durchführung  des  Princips  ausge- 
schlossen. Wenn  Michaelis  (S.  127),  wie  ich  nicht 
zweifle,  mit  Recht  XXI  zu  den  Kentaurenkämpfen 
zieht,  so  schliessen  beiderseits  je  12  Bletopen  mit 
Kentaurenscenen  8  Metopen  mit  andern  Darstellun- 
gen ein;  der  Abschnitt  fällt  also  auf  beiden  Seiten 
wieder  über  eine  Säule.  Von  den  acht  Metopen 
der  Jüttc  aber  gehören  wenigstens  6  wieder  paar- 
weise zusammen,  nämlich  XV  und  XVI,  XVII 
und  XVIII,  XIX  und  XX,  und  für  das  noch 
übrige  Paar  XIII  und  XIV  ist  dasselbe  minde- 
stens wahrscheinlich. 

Kehren  wir  nochmals  zur  Ostseite  zurück,  so  ist 
klar,  dass  die  drei  mittleren  Metopenpaare  eng  zu- 


sammengehören; hier  finden  wir  Zeus,  Athena  und 
Herakles,  jenen  göttlichen  Dreiverein,  der,  seit  der 
Nationalstolz  der  Derer  ihrem  Stammheros  einen 
hervorragenden  Platz  in  der  Gigantomachie  ange- 
wiesen hat,  zunächst  in  der  peloponnesischen  und 
dann  unter  deren  Einfluss  bald  aucli  in  der  attischen 
Kunst  fast  typisch  den  Mittelpunkt  des  Giganten- 
kampfes bildet.  Von  älteren  Darstellungen  sei  hier 
an  den  Giebel  des  Megarerschatzhauses  in  Olympia, 
die  schwarzfigurigeu  Vasen  bei  Gerhard  A.  V.  I  25, 
und  Overbeck  Kunstmyth.  Atlas  IV  3.  6.  9,  endlich 
an  die  Berliner  Schale  strengen  rothfigurigen  Stils 
(Gerhard  Trinkschalen  X  —  Overbeck  Kunstmyth. 
Atlas  IV  12)  erinnert.  Von  Monumenten,  die  jünger 
sind  als  der  Parthenon,  genügt  es  die  Pariser  Gi- 
gantenvase zu  nennen  •). 

Auch  darf  es  bei  dieser  Gelegenheit  einmal  mit 
Entschiedenheit  ausgesprochen  werden,  dass  der- 
selbe Dreiverein  auch  für  die  Mitte  der  Ostseite  des 
pergamenischen  Altars  postulirt  werden  muss,  und 
dass  dort  Herakles  wahrscheinlich  links  neben  Zeus 
gekämpft  hat.  Die  untergeordnete  Stelle,  die  man 
bis  vor  kurzem  dem  Herakles  neben  niederen  Göttern 
(den  Kureten  oder  Deimos  und  Phobos)  angewiesen 
hat,  steht  weder  mit  dem  festen  Typus  des  Gigan- 
tenkampfes im  Einklang,  noch  entspricht  sie  dem 
Range,  den  Herakles  gerade  in  Pergamon  als 
Vater  des  Stadtgründers  Telephos  einnimmt.  Jetzt 
ist  zum  Glück  durch  eine  neue  Zusammensetzung 
von  Freres  endgültig  festgestellt  worden,  dass  der 
vermeintliche  Herakles  ein  Gigant  ist  (Beschreibung 
der  pergamenischen  Bildwerke  6.  Aufl.  S.  14).  Der 
alte  Typus  zeigt  Zeus,  Athena  und  Herakles,  alle 
drei  von  demselben  Wagen  herab  kämpfend.  Der 
Künstler  der  Metopen  konnte  dies  Motiv  natürlich 
nicht  brauchen  und  gab  daher  jedem  der  Kämpfer 
seinen  eigenen  Wagen.  Athena  stellte  er,  wie  es 
ihr  an  ihrem  eigenen  Tempel  zukam,  in  die  Mitte 
und  gruppirte  zu  beiden  Seiten  streng  symmetrisch 
Zeus  und  Herakles.  An  dieses  Centrum  von  drei 
Metopenpaaren  schliessen  sich  dann  zu  beiden  Sei- 
ten je  zwei  Metopenpaare  mit  den  übrigen  Gigan- 
tenkämpfern an. 

Die  hier  vorliegende  Composition  ergiebt  sich 
so  natürlich  aus  der  gestellten  Aufgabe,  dass  ich 
ein,  allerdings  seltsames,  ZusammentrefiVn  für  zu- 
fällig halten  muss.  Wir  finden  nämlich  auf  dem 
Ostfries  diejenigen  Götter,  welche  der  Fries  mit 
den  Metopen  gemein  hat,  liis  auf  Poseidon  in  der- 

-    Vgl.  Overbeck   Kunstniylholoyie  Illj.531'. 


0/ 


0.  Rossbach,  13.  Südmetope  des  Parthenon. 


58 


selben  Reihenfolge  dargestellt,  wie  auf  den  Me- 
topen. 

Auf  dem  Fries  folgen : 

Hermes,  Dionysos,  Demeter,  Ares,  Hera, 
Zeus,  Athena,  Hepliaistos,  Poseidon,  Apollon, 
Artemis,  Aplirodite. 


Auf  den  Metopen : 

Hermes,  Dionysos,  Ares,  Hera,  Zeus, 
Athena,  Herakles,  Apollon,  Artemis,  Po- 
seidon. 

Berlin.  Juli  1883. 

C.  Robert. 


DIE  DREIZEHNTE  SÜDMETOPE  DES  PARTHENON. 


Von  den  32  Metopen  der  südliclien  Längsseite 
des  Parthenon  sind  die  mittleren  14  in  Zeich- 
nungen von  .1.  Carrey  überliefert ').  Nacli  dem  Ge- 
genstande ist  es  sofort  klar,  dass  von  der  west- 
liehen Ecke  an  12  Metopen,  von  der  östlichen  an 
11  Scenen  eines  Kampfes  zwischen  Lapitlien  und 
Kentauren  sind ,  während  in  den  9  mittleren  kein 
Kentaur  vorkommt.  Leider  gehöien  aber  die  letz- 
teren gerade  zu  denen,  welche  nicht  im  Original 
erhalten  sind,  und  bieten  auch  saciilich  so  viele 
Schwierigkeiten,  dass  man  weder  weiss,  ob  sie 
alle  zu  einem  Mythos  gehören-),  noch  was  sie 
darstellen.  Nur  einen  Schritt  ist  man  in  der 
Erklärung  derselben  weitergekommen.  Michaelis 
hat  nämlich  (Parthenon  S.  135)  vermuthet,  dass 
noch  Jletope  21  zu  dem  Keutaurenkampf  zu  ziehen 
sei  und  Petersen  (Kunst  des  Pheidias  S.  219tf.)  hat 
diese  Vermuthung,  auf  welche  er  unabhängig  von 
Michaelis  gekommen  war,  zur  Gewisslieit  erhoben. 
Beide  haben  besonders  auf  die  grosse  Aehnlichkeit 
mit  der  Schlussgruppe  des  Frieses  von  Bassai  hin- 
gewiesen, wo  zwei  Frauen,  die  ein  Kentaur  an- 
greift, gleichfalls  bei  einem  alterthiimlichen  Cijytter- 
bilde  Schutz  suchen.  Ausserdem  konnte  noch  ein 
rothfiguriges ,  nach  Stil  und  Buchstabenform  einer 
Beischrift  der  Uebergangszeit  aus  der  strengeren 
in  die  freiere  Manier  angehöriges  Vasengemälde 
(Archäol.  Ztg.  1883  T.  18  =  Laborde  rases  de 
Lamberij  I  25.  26  =  Passeri  pict.  Elr.  I  11.  12  = 
Inghirami  pill.  di  vasi  Etr.  I  91ff.  ^)  angeführt  wer- 

')  Xiir  die   1-'.  Metope  ist   1833  wiederjjel'umien  worden. 

-)  Nainenilich  stöiend  wirkt  unter  den  anderen  friedlichen 
Gruppen  die  Küinpfscene  von  16,  mit  welcher  sich  höchstens 
das  Zweigespann  mit  Wagenlenker  von   15  verbinden  lässt. 

^)  Das  bei  Inghirami  tav.  93  abgebildete,  auftauend  ähn- 
liche, aber  etwas  kleinere  Vasenbild  wage  ich  nicht  heranzu- 
ziehen, da  es  wegen  einiger  Details,  welche  last  den  Eindruck 
machen,  als  ob  sie  denen  der  grösseren  Darstellung  missver- 
ständlich nachgebildet  wären,  mindestens  einer  starken  Restau- 
ration verdächtig  erscheint.  .So  sitzt  z.  B.  ein  Lapith  statt  auf 
einem  gestreiften  Kissen  auf  einem  Schild  mit  drei  Griften,  und 


den,  wo  dieselbe  Scene  sich  bei  einem  Altar  und 
der  ThUr  eines  Thalamos  abspielt.  Die  in  die- 
sen Darstellungen  hinzukommenden  Personen  des 
Angreifers  und  Vertbeidigers  hatten  in  der  Me- 
tope  natürlich  keinen  Platz  und  werden  durch  die 
beiden  vorhergehenden  Reliefs  genügend  repräsen- 
tirt,  in  welchen  ein  Kentaur  eine  Frau  in  der  Rich- 
tung von  der  Gruppe  fortschleppt  (12)  und  einem 
anderen,  der  aul'  sie  zusprengt,  ein  Lapith  entge- 
gentritt (23). 

In  ähnlicher  Weise  kann  mau  nun,  wie  ich 
glaube,  auch  Südmetope  13  erklären,,  welche  auf 
die  letzte  einen  Kentauren  mit  einer  geraubten 
Frau  darstellende  Metope  des  westlichen  Theiles 
der  Südseite  folgt  und  zu  den  fremden  Darstellun- 
gen gerechnet  wird,  trotzdem  kein  Grund  vorliegt 
sie  auch  nur  mit  14  in  Zusammenhang  zu  brin- 
gen'). Wir  sehen  (Laborde  Parth.  T.  11  Fig.  13 
=  Bröndsted  Reisen  und  Untersuchungen  Gr.  II  T.47 
Fig.  13  =  Michaelis  T.  3  Fig.  13)  neben  einander 

ein  geöffnet  daliegender  Kranz  der  grösseren  Vase  ist  auf  der 
kleineren  als  eine  Art  Henkel  mit  einem  Sitz  verbunden.  — 
Gleichfalls  nach  einem  Altar  flüchtet  eine  Frau  in  dem  Kentan- 
renkampf eines  glockenförmigen  Kraters  freien  Stils  (Benndorf 
Gr.  u.  sie.  Vasenb.  T.  35);  nach  einem  im  Hintergrund  befind- 
lichen Tempel  streckt  auf  der  ähnlichen  D.ir.-tellung  einer  Bronze- 
münze des  Antoninus  Pius  eine  von  einem  Kentauren  geraubte 
Frau  den  Arm  aus  (Decamps  setect.  nwnm.  t.  25  ^-  Miliin  ffal. 
mytk.  pl.  CV  437).  Nebenbei  will  ich  noch  bemerken,  dass  die  Be- 
nennung des  Angreifers  in  der  Gruppe  von  Bassai  als  Theseus 
auf  sehr  schwachen  Füssen  steht,  da  das  an  dem  Baum  hängende 
Fell  ebensogut  dem  mit  ihm  kämpfenden  Kentaureu  gehören  kann. 
Denn  Stackeibergs  Einwand  (Apollotempel  zu  Bassae  S.  75),  dass 
hier  alle  Lapithen  ein  'Schutzgewand'  hätten,  erweist  sich  als 
nichtig,  s.  T.  21.  Auch  wird  das  betrcflende  Fell  ein  Panther- 
und  kein  Löwenfell  sein,  da  es  keine  Spur  von  einer  Mähne  hat; 
Faniherfelle  tragen  aber  die  Kentauren  auf  Vasen,  s.  Conze 
VorUgebl.  IV  4,  Inghirami  nm^.  Chius.  tav.  80.  Die  Deutung 
des  Protagonisten  im  Amazonenfries  als  Theseus  hat  wegen  der 
Löwenhaut,  Keule  und  Bogen  Klügmann  Amazonen  S.  61 
Anni.  9S  mit  Recht  angezweifelt  und  ihn  Herakles  genannt. 
*)  Die  Wendung  des  Kopfes  der  1.  Gestalt  gilt  der  r. 


59 


0.  Rossbach.  13.  Siidmetope  des  Partlienon. 


60 


stehend  zwei  lauggewandete  Gestalten.  Die  linke  ist 
entschieden  eine  Frau,  welche  ihren  Chiton  in  Busen- 
höhe aufnimmt.  Sie  ist  in  einer  Bewegung  begrifi'en, 
welche  Michaelis  (S.  133)  als  Fortgehen  deutet,  erhebt 
den  linken  Arm  und  wendet  den  Kopf  einer  rechts 
neben  ilir  stehenden,  schon  zu  Carreys  Zeit  kopf- 
losen Figur  zu.  Dieselbe  hat  den  Rücken  ge- 
krümmt, wodurch  sie  nur  scheinbar  kleiner  wird 
als  die  andere,  und  hält  ihr  Gewand,  welches  den 
Oberkörper  frei  lässt,  mit  beiden  Händen  fest.  Bis 
jetzt  liegt,  soviel  ich  weiss,  nur  eine  Erklärung 
vor,  die  von  Bröndsted  (S.  209).  Er  legt  das 
Hauptgewicht  darauf,  dass  die  Gewänder  beider 
Gestalten  in  einen  Bausch  zusammengenommen 
sind,  und  dass  die  rechte  nach  den  Formen  der 
Brust  auf  der  Carreyschen  Zeichnung  ein  Mann  zu 
sein  scheint.  Deshalb  sieht  er  in  der  Darstellung 
'Demeter,  welche  ihren  Zögling  Triptolemos  im  Säen 
der  milden  Frucht  unterriciitet'.  Doch  ist  ihm  schon 
selbst  (S.  211)  aufgefallen"),  dass  man  statt  dieser 
Scene  der  Triptolemossage  die  andere,  namentlich 
auf  Vasen  derselben  Zeit  so  unendlich  oft  darge- 
stellte erwarten  sollte,  wie  er  auf  dem  geflügelten 
Schlangenwagen  sitzt  und  entweder  in  Gegenwart 
der  Göttinnen  kurz  vor  der  Abfahrt  ein  Trankopfer 
bringt")  oder  schon  durch  die  Lüfte  fahrend  die 
göttliche  Gabe  verbreitet').  Hierüber  setzt  er  sich 
jedoch  hinweg,  indem  er  auf  einige,  wie  er  meint, 
der  von  ihm  angenommenen  Deutung  entsprechende 
Monumente  verweist*).  Aber  die  Aehnlichkeit  des 
Pariser  Onyx  ist  nur  gering,  dann  sind  auch 
die  anderen  von  ihm  herangezogenen  Denkmäler 
aus  viel  späterer  Zeit,  und  selbst  wenn  man  bessere 
Beispiele  fände,  so  wäre  unsere  Metope  doch  niclit 
so  zu  erklären.  Denn  zunächst  würde  die  linke 
Gestalt  bei  der  für  einen  derartigen  Zweck  höchst 
ungeschickten  Lage  des  xnlring.  die  Saatkörner  ver- 
schütten. Misst  man  aber  die  Schuld  hiervon  dem 
Zeichner  bei,  so  ist  nocii  immer  die  Haltung  des 
rechten  Armes  derselben  Frau  beim  Säen  unmög- 
lich, und  noch  mehr  das  Gewandmotiv  der  kopf- 
losen Gestalt.  Wird  nämlich  wie  hier  der  obere 
Theil  des  Gewandes  völlig  abgenommen,  um  darin 
die  Körner   zu  tragen ,   so  gleitet   es  vom   Rücken 

')  Vgl.  Petersen  S.  228. 

«)  Conze  Vorlegebl.  IV  7. 

')  Gerhard  A.  V.  143  ff.,  Lenormant  et  de  Witte  äite  ci- 
rumnijr.   III  65,  67. 

")  Monge/,  iconogr.  rom.  pl.  XXIV  3  ^=  Miliin  r/al.  myth. 
pl.  48,  220,  Montfaiicon  aut.  expl.  I.  XLV,  Zocga  bassiril.  ant.  II 
94  =  Miliin  gal.  myth.  pl.  26,  92. 


herab  und  hindert  nicht  nur  die  vorschreitende 
Bewegung,  sondern  die  ganze  Function.  Die  rich- 
tigere und  viel  einfachere  Haltung  beim  Säen  ist 
vielmehr  die,  dass  das  auf  dem  Körper  befindliche 
Gewand  in  einen  weiten  Bausch  zusammengenom- 
men wird,  wie  z.  B.  auf  der  von  Bröndsted  selbst 
angezogenen  Gemme  Triptolemos  seine  Chlamj^s 
verwendet').  Ist  es  jedoch  wirklich  so  sicher,  dass 
die  rechte  Figur  der  Metope  weiblich  ist?  Michaelis 
drückt  sich  mit  Recht  darüber  sehr  vorsichtig  aus'°). 
Hätte  man  nämlich  z.  B.  in  Metope  22  nicht  noch 
andere  Kriterien,  so  würde  man  nach  Carreys 
Zeichnung  aus  den  Formen  der  Brust,  die  denen 
der  Figur  in  der  13.  Metope  ganz  ähnlich  sind, 
kaum  auf  ein  Weib  schliessen  können.  Und  wie 
leicht  ähnliche  L'rthümer  bei  schleclit  erhaltenen 
Darstellungen  vorkommen  können,  zeigt  Stuarts 
Verzeichnung  bei  der  Demeter  im  Fries  und  die 
des  Anonymus  im  Westgiebel  bei  der  Aphrodite''). 
Aber  noch  ein  zweiter  Umstand  spricht  dafür,  dass 
die  Figur  weiblich  war.  Unter  den  von  Newton 
bei  Michaelis  (S.  141)  beschriebenen  Metopenfrag- 
menten  ist  das  unter  305  aufgeführte  'ein  rechter 
weiblicher  Unterarm  vom  Ellenbogen  bis  fast  an 
den  Knöchel,  quer  an  einem  theilweise  bekleideten 
Stück  von  der  rechten  Seite  des  Körpers  liegend'. 
Das  ist  ein  Gewandmotiv,  wie  es  unter  der  ganzen 
Reihe  verlorener  Südmetopen  bei  keiner  anderen 
vorkommt  als  der  unsrigen,  und  deshalb  sagt  Newton 
mit  Recht,  es  scheine  zu  der  Figur  rechts  auf  Südmetope 
13  zu  gehören.  Auchmüsste  man,  um  das  Stück  einer 
verlorenen  Metope  einer  anderen  Seite  zuschreiben 
zu  können,  bei  seiner  genauen  Uebereinstimmung 
mit  der  Zeichnung  eine  völlig  ähnliche  Situation 
voraussetzen. 

Zu  einer  richtigeren  Deutung  kann  man  nun, 
wie  ich  glaube,  gelangen,  wenn  man  die  Haltung 
des  Gewandes  der  beiden  Gestalten  schärfer  fasst. 
Mir  scheint  sie  bei  beiden  Figuren  der  in  Metope  21 
sehr  ähnlich  zu  sein,  namentlich  ist  die  Lage  des 
linken   Armes  der   beiden   links  stellenden  Frauen 

^)  Bekanntlich  wird  entweder  auf  diese  Weise  gesUt  oder 
aus  einem  zweihenkligen,  an  dem  einen  Arme  hängenden  Korb, 
wie  es  die  Nikosthenesschale  des  Berliner  Aiitiiiuariums  dar- 
stellt    Panofka  Bilder  ant.  Lebens  T.  14,  G. 

'")  Er  sagt  S.  133:  'Eine  grosse  vollständig  bekleidete  Figur 
mit  (drohend  ?  verwundert?)  erhobener  K.  wendet  im  Fortgehn 
ihr  Gesicht  nach  einer  kleineren,  etwas  gebückten  Figur  mit 
nacktem  Oberkörper,  die  nach  den  Formen  der  Brust  —  der 
Kopf  fehlt  —  männlich  zu  sein  scheint.' 

")  Ueber  eine  andere  Verzeichnung  Carrej's  s.  Robert 
Archäol.  Ztg.  1875  S.  101  Anm.  3. 


61 


A.  V.  Sallc't,  Zur  Athciia  Tarthenos. 


62 


fast  die  gleiche.  Ich  selie  deshalb  hier  wie  dort 
ein  Aul'uehuieii  der  auf  der  Flucht  in  Uuorduung 
gerathenen  Gewänder").  Dann  ist  auch  der  erhobene 
Arm  der  linken  Frau  viel  eher  die  Geberde  des 
Htilt'efleliens  oder  der  Furcht  als  der  Verwunderung 
oder  des  Droiieiis.  Ferner  drückt  die  Bewegung 
der  Flüsse  kein  Fortgehen  oder  Vorschreiten  aus, 
sondern  nur  die  Unruhe  nach  der  Flucht.  In  der 
Nachbildung  des  Labordeschen  Facsimile  bei  Mi- 
chaelis ist  dieselbe  nieiit  treu  genug  wiedergegeben. 
Auch  die  Beugung  des  Körpers  der  rechten  Gestalt 
ist  für  das  Uebernehmen  eines  Gewandes  charak- 
teristisch. Ferner  erhalten  wir  durch  diese  Erklä- 
rung eine  gute  Respousion  mit  Metope  21,  indem 
so  beide  Seiten  der  Kentauromacliie  gegen  die  frem- 
den Mitfelscenen  iiin  durch  je  zwei  geflüchtete 
Frauen  begrenzt  werden.  Ganz  identisch  konnten 
freilich  beide  Darstellungen  nicht  sein  und  deshalb 
fehlt  hier  das  Götterbild,  aber  der  Künstler  konnte 
namentlich  für  eine  Zeit,  welche  ein  unmotivirtes 
Entblössen  des  weiblichen  Körpers  in  bildlichen 
Darstellungen  noch  nicht  kannte,  die  Situation  nicht 
besser  charakteiisiren  als  durch  die  in  Unordnung 
gerathenen  Gewänder,  welche  auch  für  die  anderen 
Meto|)en    mit    frauenraubenden    Kentauren    typisch 

'-)  .Vuch  Michaelis  a.  a.  O.  sagt  von  der  v.  Figur,  sie 
'fasst  (las  GewanJ  an,  als  ob  sie  es  über  die  .Schulter  werfen 
wollte'. 


sind.  Daher  war  auch  keine  Gefahr  vorhanden 
dass  ein  antiker  Beschauer,  dem  noch  dazu  der 
Gegenstand  der  Mittelscenen  bekannt  war,  sie  zu 
diesen  zielien  konnte. 

Die  32  Äletopen  vertheilen  sich  also  jetzt  in 
der  Weise,  dass  links  13,  rechts  12  Metopen  der 
Kentauroniachie  7  fremde  Sceneu  cinschliesson.  Das 
ist  allerdings  keine  völlige  Symmetrie,  und  die 
andere  Eintheilung,  welche  8  fremdartige  Metopen 
annimmt,  gewinnt  auf  beiden  Seiten  je  12.  Aber 
das  darf  uns  von  unserer  Deutung  nicht  zurück- 
schrecken. Die  Symmetrie,  welche  wir  auf  jene 
Weise  erreichten,  wäre  immer  nur  eine  Zahlen- 
symmetrie ,  die  in  Kunstwerken  herauszufinden 
allerdings  recht  interessant  ist,  die  man  aber 
nie  hineintragen  soll.  Dem  Auge  des  Beschauers 
konnte  es  an  der  sich  weithin  erstreckenden  Längs- 
seite kaum  auffallen,  dass  auf  der  einen  Seite  12, 
auf  der  anderen  l3  Metopen  der  Kentauromaehie 
angehörten,  und  einem  Entsprechen  der  blossen 
Zahlen  ist  doch  wohl  der  gleiche  Abschluss,  wel- 
chen wir  auf  beiden  Seiten  gewonnen  haben,  vor, 
zuziehen.  Ebenso  finden  wir  auf  der  Nordseite  keine 
völlige  Regelmässigkeit,  indem  von  12  und  11  aus 
anderen  Mythenkreisen  entlehnten  Scenen  9  Ken- 
taurenmetopen  eingeschlossen  werden  "). 

Berlin.  Orro  Rossbach. 

'■■)  Bröndsted  II  274,  l'eiersen  S.  230. 


MI  S  GELLEN. 


ZUR  ATHENA  PARTHENOS. 


Herr  Th.  Schreiber  sagt  im  41.  Jahrgang  der 
Archäol.  Ztg.  S.  282  von  der  ciliciscben  Münzcopie 
der  Athene  des  Phidias,  über  die  ich  (Zeitschr.  f. 
Num.  X.  S.  l.')2)  gesprochen:  „man  kann  sich  den 
Baum"  (der  nämlich  der  stützenden  Säule  des  Mar- 
morfigürchens  genau  ents])richt)  „als  an  der  Seite 
der  Göttin  freistehend"  u.  s.  w.  „denken"  .  .  .  „eine 
Uebereinstimmung  mit  der  Stütze  am  athenischen 
Marmorbilde  liegt  also  nicht  vor".  Wer  sich  die 
photographischen  Abbildungen  der  Münze  (Imhoof, 
momiaies  grecques   pl.   G,  XV)    und    der  Marmor- 


tigur  (Mitth.  des  archäol.  Inst.  VI  Taf.  I)  ansieht, 
wird  sofort  bemerken,  dass  beide  Figuren  bis 
ins  kleinste  Detail  völlig  identisch  sind,  dass  die 
Säule  der  Marmorfigur  nur  durch  das  Bäumchen 
der  Münze,  das  gewiss  nicht  frei  steht,  ersetzt  ist 
und  dass  die  Uebereinstimmung  beider  Figuren  nur 
dann  möglich  war,  wenn  der  im  „weit  entlegenen" 
Cilicien  wohnende  Stempelschneider  die  Figur  des 
Phidias  oder  eine  Nachbildung  derselben  gesehen  und 
genau  copirt  hat. 

A.  V.  Sallet. 


63 


64 


BERICHTE. 


ERWERBUNGEN  DER  KÖNIGLICHEN  MUSEEN  IM  JAHRE  1883. 
I.    Sammlung   der   Skulpturen    und   Abgüsse. 


Mit  Berufung  darauf,  dass  die  im  Jalirbuclie  der 
k.  preussischen  Kunstsammlungen  zum  Drucke  ge- 
langenden Vierteljahrsberichte  eine  Uebersicbt  über 
die  gesammte  Thätigkeit  bei  der  Abtheilung  ge- 
währen, verzeichne  ich  hier  die  gemachten  Erwer- 
bungen. Dieselben  beschränkten  sich  zumeist  auf 
Gipsabgüsse. 

An  Originalen  wurde  im  Pariser  Kunsthandel 
das  Bruchstück  einer  bemalten  attischen 
Grab  Stele  aus  dem  5.  Jahrhundert,  mit  dem  Kopfe 
eines  Jünglings,  angekauft. 

Sonst  sind  nur  die  Originaiproben  zu  nennen, 
welche  von  der  im  Auftrage  der  k.  Akademie  der 
Wissenschaften  nach  Kurdistan  unternommenen 
Reise  der  Herren  Humann,  Puchstein  und  von  Lu- 
sehan  heimgebracht  wurden.  Das  anselmlichste 
Stück  darunter  ist  das  Relief  assj^risirenden 
Stils,  eine  Löwenjagd  darstellend  (vgl.  Puchstein, 
Sitzungsberichte  der  preuss.  Akad.  d.  Wiss.  1883, 
I  S.  3U),  aus  Saktschegözü  (zwischen  Amanus  und 
Euphrat  gelegen). 

Unter  den  Gipsabgüssen  verdienen  obenan 
genannt  zu  werden  die  gleichfalls  von  der  ge- 
nannten Expedition  hierhergeschalften  Abgüsse  einer 
Anzahl  von  Skulpturen,  zum  Theil  mit  Schrift- 
zeichen, aus  Nordsyrien  und  namentlich  einiger 
Hauptstücke  der  Kolossalskulpturen  am  Grab- 
male des  Königs  Antiochosl.  vonCommagene 
auf  dem  sog.  Nemrud-dagh  (veigl.  Puchstein  a.  a.  0. 
S.  44ff.).  Dem  k.  Museum  wurden  alle  diese  Ori- 
ginalstUcke  und  Abgüsse  von  der  k.  Akademie  der 
Wissenschaften  überwiesen. 

Eine  andere  ansehnliche  Erwerbung  waren  die, 
so  weit  Formen  gemacht  sind  vollständigen.  Ab- 
güsse der  durch  die  österreichische  Expedition  nach 
Wien  gebrachten  Reliefs  vom  Grabmale  zu  Giöl- 
baschi  (Benndorf,  Archäol.-epigr.  Mitth.  aus  Oester- 
reieh  VI,  188i^  S.  185  flf.). 

Aus  Kleinasien  gingen  uns  ferner  als  Geschenk 


des  amerikanischen  archäologischen  Instituts  einige 
Abgüsse  der  neugefundenen  Tempelreliefs  aus 
Assos  zu. 

In  Athen  wurden  angekauft  die  Abgüsse  zweier 
thessalischer  Grabstelen  (Mitth.  ath.  Inst.  VII, 
Taf.  I.  II),  eines  Reliefs  im  Museum  des  Piraeeus 
(a.a.O.  VII,  Taf.  XIV),  des  Plutosknaben  aus 
der  Gruppe  des  Kephisodotos  (a.  a.O.  VI,  Taf.XIlI,  1) 
und  eines  jüngst  im  botanischen  Garten  ge- 
fundenen Grab  reliefbruch  Stücks. 

Aus  dem  britischen  Museum  wurden  folgende 
Abgüsse  angeschafft:  Todtenmahl  mit  gefälschter 
lateinischer  Inschrift,  Grabrelief  des  Arztes  la- 
sen (Panofka  91us.  PourL  Taf.  XXVI),  römischer 
Portraitkopf  (Anc.  m.  XI,  Taf.  XXXI). 

Durch  Tausch  bekamen  wir  den  Abguss  des 
Niobekopfes  Yarborough  (Michaelis  anc.  m.  in 
Gr.-Brit.  S.  227). 

Von  andern  Einzelerwerbungen  verdienen  ge- 
nannt zu  werden  Abgüsse  ausgewählter  Stuck- 
reliefs aus  dem  Farnesinischen  Hause  zu 
Rom,  ferner  zweier  Köpfe  griechischer  Her- 
kunft, ein  Geschenk  des  k.  k.  Österreich.  Museums 
für  Kunst  und  Industrie,  eines  Kybelereliefs 
(Treu  Rat.  der  Sammlung  der  kais.  Kunstakademie 
in  Petersburg  (russ.)  n.  382),  des  Panskopfes 
Borghese  (Braun  Ruinen  u.  M.  Roms  S.  537,  n.  10), 
auch  eines  Militärdiploms  Domitians  in  Pesth, 
Geschenk  des  Herrn  Mommsen,  endlich  eines 
männlichen  Kopfes  vom  kleinen  pergame- 
nischen  Friese,  dessen  Original  sich  im  Besitze 
des  Herrn  Hofrath  Fiedler  in  Dresden  befindet. 

Welche  von  diesen  Abgüssen  zugleich  in  Formen 
für  das  k.  Museum  erworben,  also  bei  demselben 
käuflich  sind,  darüber  giebt  ein  im  Herbst  1883 
ausgegebener  Nachtrag  zum  Verzeichnisse  der  im 
k.  Museum  käuflichen  Gipsabgüsse  Auskunft. 

CONZE. 


65 


66 


II.  Antiq 
A.  Grabfunde. 
Fund  aus  einem  Grabe  bei  Vulci  {lomba  a  cas- 
soiie):  eine  prachtvolle  goldene  Fibel  und  zwei 
feine  kleine  goldene  Spiralen  mit  menschlichen 
Masken  au  den  Enden;  ferner  eine  Anzahl  Vasen, 
welclie  der  italisch -geometrischen,  protokorinthi- 
schen,  italiseh-protokoriutliischen  und  italisch -ko- 
rinthisclien,  der  altkoiiuthischen  und  der  Bucchero- 
Gattung  angehören  (in  meinem  neuen  Vasencatalog 
die  No.  234.  235 a.  246  a.  338  a.  996.  1054a.  1082  a. 
1138a.  1201.  1210a.  1222.  1222a.  1273.  1274.  1503). 
—  Fund  aus  einer  tomba  a  ziro  bei  Chiusi:  grosser 
Thronsessel  aus  Bronzeblech  mit  gepressten  Relief- 
figuren von  geflügelten  Stieren,  Spliinx  u.  a.;  nie- 
derer Tisch  aus  Bronzeblech  mit  vier  Füssen; 
Aschenurne  aus  Brouze,  die  auf  dem  Thron  stand; 
eine  zweite  grosse  Bronzevase;  kleine  Bronzekanne 
anscheinend  griechischer  Fabricatiou;  Bronzetibeln 
mit  geometrischen  Ornamenten;  zwei  Augen  von 
Hörn  mit  Pupille  von  Bernstein;  FibelstUcke  aus 
Glasfluss;  eiserue  Lauzenspitzen  und  Messer;  Klei- 
nigkeiten aus  Bronze  (zahlreiche  kleine  Ringe  und 
Knöpfe  von  einem  Gewände  u.  a.);  Schüsseln  aus 
schwarzem  und  rothem  Thon. 

B.  Bronzen. 
Wangenschirm  eines  Helmes,  aus  Griechen- 
land, getriebenes  Bronzerelief  auf  einer  Unterlage 
von  Blei:  wahrscheinlicli  Piiiloktet  darstellend  (vgl. 
die  Münze  von  Lamia  Arch.  Ztg.  1871,  S.  79,  No.  1), 
freilich  fehlen  sowohl  Wunde  als  Bogen.  Auf  einem 
Felsen  der  bärtige  Held,  mit  schmerzvollem  Aus- 
druck die  R.  an  die  Stirne  legend  und  hinaus- 
blickend; vorzügliche  Arbeit,  an  Schönheit  den 
Siris  Bronzen  in  London  zu  vergleichen.  —  Urne 
aus  Capua,  beschrieben  Bull.  d.  I.  1871,  p.  118,  5, 
mit  einem  Hornbläser  und  drei  Pferden  auf  dem 
Deckel.  —  Schwebende  weibliche  Figur,  mit  wallen- 
dem Gewand,  wie  es  scheint  bogenschiessend  (Ar- 
temis?), Statuette.  Rom.  —  Statuette  eines  Jünglings, 
den  Discus  auf  der  R.  Etrurien. —  Hündchen.  Rom. — 
Herakles-Statuette  und  Stempel  in  Form  einer  Fuss- 
sohle  mit:  ZHNCÜNOCI6P6GÜC.  Constantinopel. 
—  Drei  Löwenmasken  rohen  Stiles,  wolil  von  Thüren 
(zwei  grosse,  eine  kleine).    Syrien. 

C.     Terracotten. 

Kleinasien.  Eine  Anzahl  wahrsclieinlicli  aus 
der  Necropole  von  Myrina  stammende  Stücke:  das 
schönste  ist  eine  grössere  Gruppe  von  Pan  und  einer 

Archäolug.  Zt^'    .lahrgang  XLU. 


uar  ium. 
Nymphe  (abgebildet  bei  Fröliner,  calal.  de  la  coli. 
Leciiyer,  1883,  pl.  18  und  coli.  Lecinjer  pl.  X').  — 
Sehr  interessante  und  schöne  Reliefplatte  mitCharon, 
Hermes  und  einem  (verstorbenen)  Mädchen.  —  Knabe 
auf  einer  Bank  neben  kleinem  Altar,  mit  Früchten 
und  Hahn.  —  Knabe  mit  Traube  sitzend,  eine  Gans 
würgend.  —  Silen  mit  FülUiorn.  —  Bogenspannendcr 
Eros  (Motiv  wie  bei  den  Statuen).  —  Eilender  Sklave 
mit  Maske  der  Komödie,  Schwert,  Feldflasche  und 
Reisesack  tragend;  ziemlich  gross  und  von  trefflicher 
Ausführung.  —  Herakleskopf  archaischen  Stiles,  als 
Gefäss  verwendet;  in  der  Technik  ganz  wie  die  übri- 
gen Terracotten  dieser  Reihe  (abg.  coli.  Leciiyer, 
pl.  K^).  —  Karikatur  des  Herakles  (abg.  coli.  Le- 
cuyer,  pl.  K').  —  Sitzende  Frau  am  Grabe  (abgeb. 
bei  Furtwängler,  S.  Sabouroff,  im  Text  zu  Taf.  XV). 

—  Frau  das  Trigonon  spielend.  —  Vortreffliche  kari- 
kirte  Maske.  —  Sitzender  bärtiger  Schauspieler(?). 

Griechenland.  Archaische  Frau  aus  Böotien; 
stehend,  Krotalon  in  der  Hand.  —  Sitzendes  weib- 
liches Idol;  Farben  gut  erhalten.  —  Mehrere  we- 
niger bedeutende  Statuetten  aus  Athen  und  Böotien. 

—  Kleine  massive  Figuren:  Gruppe  vou  zwei  Ka- 
rikaturen; tragische  Frau.  —  Schönes  Relief  (von 
einem  Gefässe?)  mit  dem  auf  einem  Bocke  reiten- 
den Eros,  dem  Papposilen  vorangeht  (Replik  im 
Louvre,  abg.  Heuzey,  fig.  de  terrecuite,  pl.  38,  4).  — 
Kleiner  Thronsessel  „mykenischer"  Technik.  — 
Sitzender  Affe  in  ein  Mäntelchen  gehüllt. 

Tarent.  Sehr  schöner  fast  lebensgrosser  Jüng- 
lingskopf mit  kurzen  Haaren,  aufschauend,  etwa 
aus  dem  4.  Jahrh.  —  Weiblicher  etwa  halblebens- 
grosser  Kopf  strengeren  Stiles.  —  Stirnziegel  mit 
gehörntem  Kopf  mit  Ohrringen  und  Halsband,  freier 
Stil.  —  Zwerg  mit  grossem  Wasserkopf.  —  Treff- 
licher Porträtkopf  eines  älteren  bartlosen  Mannes. 

D.     Vasen. 
Kanne  in  Form  eines  weiblichen  Kopfes  mit  der 
Inschrift  des  Charinos  (in  meinem  Vasencat.  No.2190). 

—  Archaischer  Teller  aus  Kameiros  mit  dem  Bilde 
des  bartlosen  laufenden  Perseus  (abg.  bei  Salzmanu, 
tiecrop.  de  üamirus  T.  55,  2).  —  Archaischer  Teiler 
korinthischer  Fabrik  ebenfalls  vou  Kameiros,  mit  ei- 
nem geflügelten  härtigen  Dämon.  -  Kleinere  schlanke 
Amphora  von  Kameiros,  mit  Zickzack-  und  anderen 
linearen  Ornamenten;  eigene  rbodisch-kleinasiatische 
Gattung.  —  Altattische  Anii)hora  mit  Ringergruppen 
aus  Etrurien.  —  Aitattisclio  Lekytiios  mit  Amazonen- 
kampf  aus  Athen  (eine  Schlange  aus   dem  Schilde 

5 


67 


Sitzungsberichte. 


68 


des  Griechen  berausspringend).  —  Eine  Anzahl 
Scherben  sog.  prähistorischer  Art,  mit  verschiedenen 
Ornamenten,  aus  Dimini  und  Sesklo  in  Thessalien. 
Geschenk  des  Herrn  Dr.  LoUing.  —  Grosse  Schüssel 
aus  Korinth  mit  Lotos  und  Palmetten  aussen  und 
einem  Pferde  innen  (Vasencat.  No.  1661).  —  Meh- 
rere Gefässe  des  spärteren  local-böotisehen  Stiles 
aus  Böotien. 

E.  Gemmen  und  Edelmetalle. 
Schönes  goldenes  Armband  mit  Gazellenkopf  am 
Ende.  Griechenland. —  Bommeln  aus  verziertem  Gold- 
blech mit  rotheu  Steinen.  Griechenland.  —  Silberner 
Teller  mit  dem  Flachrelief  der  auf  einem  Hirsche  rei- 
tenden Artemis.  Kom.  —  Onyx-Cameo,  in  Hannover 


gefunden,  spätrömischen  Stils,  zwei  wohl  weibliche 
Brustbilder  darstellend  mit  auf  Land  und  Wasser 
bezüglichen  Attributen.  —  Fünf  Siegelsteine  primi- 
tiver Art  aus  Nordsyrien  (von  der  Expedition  nach 
dem  Nemrud-dagh  mitgebracht).  —  Carneolgemme 
mit  einem  Löwen  und  indosassanidischer  Inschrift. 
—  Abgüsse  von  sog.  Inselsteinen  aus  den  Samm- 
lungen zu  Breslau  und  Kopenhagen. 

F.  Varia. 
Bleiplatte  aus  dem  Lech  bei  Augsburg:  byzan- 
tinisches Kaiserpaar  unter  einem  grossen  Kreuz,  1. 
Obelis!;,  r.  Schlangensäule;  darunter  ungelesene 
Inschrift.  —  Mehrere  gläserne  Siegel;  kleine  bunte 
Glasköpfe.  A.  Furtwängler. 


SITZUNGSBERICHTE. 

Festsitzung  des  deutschen  archäologischen  Instituts  in  Kom. 


In  der  am  25.  April  1884  zum  Gedächtniss  der 
Gründung  Roms  abgehaltenen  Sitzung  sprach  Herr 
Professor  Jordan  (Königsberg)  über  das  in  der 
Zeit  vom  October  1883  bis  März  1884  aufgedeckte 
alriuin  Vestae,  und  zwar  erörterte  er  zuerst  die 
Frage  der  Erbauungszeit  an  der  Hand  der  zahl- 
reichen noch  in  situ  befindlichen  Ziegelstempel, 
welche  er  gemeinsam  mit  Herrn  Dr.  Dressel  ge- 
sammelt und  letzterer  abgeschrieben  und  chrono- 
logisch bestimmt  hat.  Das  Ergebniss  ist,  dass  die- 
selben sämmtlich  entweder  sicher  oder  mit  grösster 
Wahrscheinlichkeit  derZeitHadrians  zuzuweisensind. 
Im  Gegensatz  also  zu  den  bisher  ausgesprochenen 
Vermuthungen,  das  Gebäude  sei  von  Severus  und 
Julia  Domna  gebaut,  ist  der  Bau  desselben  in  die 
Regierungszeit  dieses  Kaisers  zu  setzen,  und  so  — 
aber  auch  nur  so  —  erklärt  es  sich  denn  auch,  dass 
die  Gebälkinschrift  der  an  der  Seite  des  Eingangs 
angebrachten  gleichzeitigen  Kapelle  {senatus  popnlus- 
que  roniariii[s]  |  pecimia  publica  faciendam  curavil) 
spätestens  in  der  Zeit  Iladrians  geschrieben  worden 
ist.  Die  Veranlassung  des  gewaltigen  Neubaues 
ist  wahrscheinlich  der  Bau  des  Tempels  der  Venus 
und  Koma.  —  Der  Vortragende  erklärte  weiter- 
hin die  Einrichtung  des  Peristyliura.  In  der  Mitte 
desselben  ist  ein  Kreis  von  legolini  (welche  holli 
der  nachdiocletianischen  Zeit  tragen  und  also  einer 
Ausbesserung  angehören)  und  um  diesen  ein  durch 
Radien  mit  ihm  verbundenes  Achteck  von  Mauer- 


werk erhalten.  Innerhalb  des  Kreises  haben  tasti 
keine  Spur  von  Mauerwerk  ergeben:  man  wird  hier 
eine  Baumpflanzung  anzunehmen  haben.  Ein  in 
der  Nähe  befindlicher  lacus  mit  Abfluss  und  stark 
geneigter  Grundfläche  wird,  da  ein  Brunnen  oder 
Wasserleitungsrohr  nirgend  in  der  Nähe  zu  finden 
ist,  zur  Aufnahme  der  aus  den  Quellen  entnommenen 
aqua  iugis  vel  quaelibel  praelerqnam  quac  per  ßslulas 
venil  (Fest.  158.  160)  gedient  haben.  Der  Vortragende 
schloss  mit  dem  Hinweise  auf  die  einstweilen  noch 
unlösbare  Frage  nach  der  Existenz  der  regia  und 
sprach  die  Hoffnung  aus,  dass  die  Niederreissung 
der  Kirche  S.  Maria  Liberatrice  die  Entscheidung 
bringen  werde. 

Herr  Stevenson  hatte  einen  Vortrag  über  Dar- 
stellung der  Stadt  Rom  und  römischer  Monumente 
auf  Zeichnungen,  Siegeln  und  Gemälden  des  Mittel- 
alters und  der  Renaissance  vorbereitet.  Da  er  jedoch 
als  Vertreter  der  römischeu  Conimission  bei  der 
Eröffnung  der  Turiner  Ausstellung  festgehalten  war, 
hatte  Herr  Gatti  es  übernommen,  denselben  zu 
verlesen.  Nachdem  er  über  einige  Darstellungen 
gesprochen,  welche  ein  Bild  der  Stadt  gewähren 
sollten,  wie  man  sie  sich  im  14.  Jahrhundert  dachte, 
zählte  er  diejenigen  Abbildungen  einzelner  Gebäude 
auf,  welche  auf  späteren  Gemälden  vorkommen. 
Der  inhaltreiche  Vortrag,  welcher  sich  nicht  wohl 
im  Auszuge  mittheilen  lässt,  wurde  durch  eine  an- 
sehnliche Reihe  von  Photograpliien  erläutert. 


69 


Sitzungsberichte. 


10 


Archäolog;ischc  G 
Sitzung  vom  15.  Januar.  Naelulem  der 
Kassenbericht  ev.xtattct  und  der  vorjälirige  Vorstand 
wiedergewälilt  war,  legt  der  Vorsitzende  an  ein- 
gegangenen Schriften  vor:  Lucy  M.  Mitchell, 
Hislory  of  aucieiit  sciilpliirc ;  Scliliemann,  Troja; 
U.  Nissen,  Italische  Landeskunde  I;  Ditten- 
b erger,  Sylloge  inscriptionnm  graecarum ;  Gil- 
bert, Topographie  der  Stadt  Koni  im  Alterthum; 
K.  R.  Rhangabe,  Häusliches  Leben  bei  Uoiner; 
W  lese  1er,  GesciinitteneSteine  des  IV.  Jahrb.  n.Chr.; 
V.  Head,  Cobis  of  Aeltia  and  Zaukle;  Loeschcke, 
Die  Euncakrunosepisode  bei  Pausanias.  —  Herr 
Couze  sprach  über  die  Ergebnisse  der  seit  Mai  v.  J. 
wieder  aut'genomnieueu  Ausgrabungen  in  Per- 
gamon.  Da  Herr  Huniann  den  grösseren  Theil 
des  Sommers  hindurch  von  der  Expedition  nach 
dem  Nemrud-dagh  in  Anspruch  genommen  war, 
leitete  in  seiner  Abwesenheit  Herr  Bohn  die  Ar- 
beiten unter  Assistenz  des  Herrn  Fabricius,  wel- 
cher insbesondere  die  Copie  der  Inschriften  be- 
sorgte. Der  Vortragende  hatte  im  November  per- 
sönlich au  Ort  und  Stelle  von  den  Ergebnissen 
Kenntniss  genommen  und  hob  drei  Hauptresultate 
der  topographisch-monumentalen  Untersuchung  her- 
vor: 1.  die  sehr  geförderte  Aufklärung  über  die 
MauerumfassuDgen  der  Stadt  in  den  verschiedenen 
Perioden  ihres  Bestehens,  2.  die  Nach  Weisung  der 
Lage  der  Agora  oben  am  Stadtberge ,  und 
3.  in  der  Nähe  derselben  am  Westabhange  unter 
dem  Athenaheiligthume  die  Entdeckung  des  Tiieaters 
der  Köuigs/eit.  Hand  in  Hand  hiermit  wurden  zwar 
keine  Skulpturen  selbständiger  Bedeutung,  wohl 
aber  sehr  zahlreiche  Ergäuzungsstücke  zu  den  be- 
reits hier  im  Museum  betiiullichen  Bildwerken  ge- 
funden; noch  kurz  vor  der  jetzigen  Winterunter- 
brechung der  Arbeiten  am  12.  December  die  Figur 
eines  jungen  hinten  überfallenden  Giganten  aus  dem 
grossen  Altarrelief.  Die  epigraphische  Auslieute 
wurde  nicht  nur  durch  die  Ausgrabung  selbst,  sondern 
auch  durch  Umschau  in  der  modernen  Stadt  und 
der  Umgegend  beieiciiert.  —  Herr  Kobert  legte 
die  Schrift  von  Milani  vor:  /  frontoni  di  iin  lempio 
luscatiico  scoperti  in  Lnni,  ferner  eine  von  Eicliler 
gefertigte  Zeichnung  des  im  Garten  von  Pal  Caß'arelli 
befindliehen  Sarkophags,  auf  den  zuerst  v.  Duhn 
aufmerksam  gemacht  hat  (Ant.  Bildw.  inRom  II2401). 
Der  \' ortragende  stimmte  v.  Duhn  bei,  welcher 
dieses  Exemplar  für  den  ältesten  römischen  Mar- 
morsarkophag   erklärt.    —    Herr    Hübner    sprach 


esellschaft  in  Berlin. 

über  die  in  den  letzten  sechs  Jahren  gemachten  Fort- 
schritte unserer  Kenntniss  des  röm  ischen  Grenz- 
walls und  der  römischen  Niederlassungen 
und  Strassen  in  Deutschland.  Seit  Kieperts 
grosser  Karte  des  Limes  ist  der  bairische  und 
württenibergische  Abschnitt  desselben  genau  ver- 
zeichnet und  in  der  Feststellung  der  zwischen  Mitten- 
berg am  Main  und  Hanau  liegenden  Strasse  und 
der  älteren  Befestigungslinie  auf  badischem  Gebiet 
ein  erheblicher  Fortscliritt  gemacht  worden.  Für 
die  Taunusstrecke  wird  v.  Cohausens  demnächst 
erscheinendes  Werk  neue  Ergebnisse  bringen;  für 
Erforsciiung  der  Strasseuzüge  längs  beider  Ufer  des 
Stroms  ist  J.  Schneider  in  Düsseldorf,  für  die  rechts- 
rheinischen Fortsetzungen  der  Strassen  und  der 
Brücken  E.  aus'm  Weerth,  für  Untersuchung  der 
Verbindungen  rheinischer  Strassenzüge  mit  den 
Städten  Galliens  General  v.  Veith  in  Bonn  und  für 
Erforschung  der  eigenthümlichen  Cultur  desTreverer- 
Landes  Hettner  in  Trier  unausgesetzt  thätig.  Auch 
in  den  grossen  Städten  schreitet  die  Aufdeckung 
der  römischen  Bauten  vorwärts:  in  Mainz  sind  ausser 
bedeutenden  Resten  der  röm.  Brücke  Inschriftsteine 
in  ziemlicher  Zahl  zum  Vorschein  gekommen  (zu- 
sammengestellt in  Kellers  Nachfrag  zum  Becker- 
schen  Katalog);  in  Regensburg  und  Köln  (durch 
Mertz)  ist  die  ursprüngliche  Maueranlage  nach- 
gewiesen. An  zusammenfassenden  Arbeiten  besprach 
der  Vortragende  besonders  K.  Bissinger's  Ueber- 
sicht  über  Urgeschichte  und  Alterthümer  des  badi- 
schen Landes  und  die  für  englische  Leser  bestimmte 
Schrift  von  Hodgkin  in  Neweastle:  The  Pfahlgraben 
u.  8.  w.,  welche  Veranlassung  gab,  auf  die  eifrige 
DurchforschuDg  des  römischen  Walles  in  England 
hinzuweisen. 

Sitzung  vom 5.  Februar.  Eingegangen  waren: 
Steffen,  Karten  von  Mykenai;  ^Eifrjftegis  Öqx  III 'i\ 
Treu,  Sollen  wir  unsere  Statuen  bemalen?;  Hirsch- 
feld, Ausflug  in  den  Norden  Kleinasiens.  ■ —  Herr 
Jacobsthal  sprach  über  die  Entwickelungsge- 
schichte  einer  griechischen  Ornamentform, 
welche  weniger  durch  Grösse  oder  feine  Ausbil- 
dung als  (iurcJi  die  Häutigkeit  ihrer  Verwendung 
auffällt  und  in  der  römischen  Kunst,  der  Re- 
naissance, ja  selbst  dem  Mittelalter  zu  ornamen- 
talen Bildungen  eisten  Ranges  Anlass  gegeben  hat. 
Das  Ornament  zeigt  in  seiner  einfachsten  Gestal- 
tung eine  meist  ausgebuchtete,   auch  wellige  oder 

5* 


71 


Sitzungsberichte. 


72 


zackige  Blattscheide,  die  oben  sich  ausbreitend  den 
Hintergrund  für  eine  von  dem  untern  Theil  der 
Scheide  umfasste  Bliithen-  oder  Frucbtähre  bildet. 
Der  Vortragende  gab  zunächst  an  der  Hand  einer 
reichen  Sammlung  von  Zeichnungen  einen  Ueber- 
blick  über  die  allmälige,  immer  mannigfaltigere 
Ausgestaltung  dieses  Ornamentes  in  der  antiken 
Plastik  und  Malerei,  das  schliesslich  in  der  arabisch- 
mittelalterlichen Kunst  zu  dem  sog.  Grauatapfel- 
muster  geführt  hat,  und  wies  dann  in  der  Pflanzen- 
familie der  Araceen,  namentlich  in  der  Blütben- 
und  Knospenbildung  des  in  den  Oelwäldern Griechen- 
lands verbreiteten  und  im  Kephisosthale  zu  enormer 
Höhe  aufschiessenden  Dracanculus  vulgaris  das 
unmittelbare  Vorbild  des  Ornamentes  nach.  —  Herr 
W.  M.  Ramsay  legte  in  Abbildungen  eine  Reihe 
von  Denkmälern  kleinasiatischer  Kunst  vor, 
die  er  auf  seinen  Reisen  entdeckt  hat,  darunter  ein 
Relief  aus  Ibriz  (beiC^'bistra-Heracleia  inLykaonien), 
welches  einen  Gott  mit  Aehren  und  Trauben  in  den 
Händen  (15'  hoch)  und  ihm  gegenüber  einen  reich 
gekleideten  anbetenden  Priester  (9'  hoch)  darstellt, 
und  ein  Felsmonument  in  der  Nähe  der  Strasse 
von  Kutaya  nach  Kara  Hissar.  Ein  isolirter  Felskegel 
aus  weichem  phrygischem  Gestein,  80'  hoch,  ist  auf 
3  Seiten  behauen.  Die  Vorderseite,  oben  mit  einem 
Kreuz-  und  Mäandermuster  teppichartig  bedeckt, 
zeigt  am  Sockel  zwei  einander  zugewandte  Sphinxe, 
die  Ostseite  einen  aufgerichteten  Löwen,  die  West- 
seite einen  schreitenden  Greif.  Den  Hintergrund 
der  Kammer,  zu  welcher  ein  schmaler  Durchgang 
auf  der  Vorderseite  führt,  nimmt  ein  8'  hohes  Bild 
der  Kybele  zwischen  zwei  aufrecht  stehenden 
Löwinnen  ein,  die  ibre  Vordertatzen  auf  die  Schulter 
der  Göttin  legen.  Zum  Schluss  legte  der  Vortragende 
noch  zwei  kleinere  griechische  Denkmäler  in  Zeich- 
nungen vor:  einen  kleinen  weiblichen  Kopf,  1820  in 
Olympia  gefunden,  jetzt  im  Universitätsmuseum  zu 
Aberdeen,  und  ein  kleineres  in  Smyrna  in  Privatbesitz 
befindliches,  in  Pergamon  gefundenes  Relief,  dar- 
stellend in  bekanntem  Typus  die  Adoration  des 
reitenden  Heroen,  mit  der  interessanten  Inschrift: 
0  delc«  ldnoX).\iüi'inv  veioxÖQog  ^&rj\väg  Nixt](fÖQ\ov 
r^QUJi  IleQyä^Kt).  —  Herr  H  ü b  u  er  besprach  einen  dem 
Kronprinzen  auf  seiner  spanischen  Reise  geschenk- 
ten und  von  diesem  dem  köuigl.  Museum  über- 
lassenen  römischen  Bleibarren  (ca.  40kg. 
schwer),  welclier  im  Hafen  von  Carthago  Nova  ge- 
funden ist  und  die  in  Charakteren  der  augusteischen 
Zeit  in  die  Gussform  eingegrabene,  auf  dem  Barren 
also  erhaben  ersclieinende  Inschrift  trägt:   M.  BAI . 


RVFI  (Stempel  mit  Caduceus)  FER,  in  welcher  M. 
Raius  Rufus  den  Besitzer  des  Bergwerks  bedeutet, 
während  das  nicht  sicher  zu  deutende  FER  (Ferox?) 
vielleicht  den  Aufseher  desselben  bezeichnet.  — 
Zum  Schluss  gab  Herr  Engelmann  von  der 
Cornetaner  Vase  {Eon.  delV  Inst.  1881  T.  33),  die 
von  Körte  auf  Meleagers  Auszug  gegen  die  Ku- 
reten  gedeutet  ist,  unter  Herbeiziehung  der  Inschrift- 
vase Atmali  1860  T.  J  die  Deutung  auf  Neopto- 
lemos'  Auszug  nach  Troja:  vergebens  sucht  ihn 
seine  Mutter  Deidameia  zurückzuhalten,  vergebens 
klagen  die  anderen  Lykomedestöchter.  Artemis 
ist  als  Beschützerin  des  jagdliebeuden  Helden 
zugegen,  wenn  nicht  vielleicht  der  Maler  jener 
Sage  gefolgt  ist,  welche  Neoptolem  zum  Sohn  der 
unter  Artemis'  Schutze  stehenden  Iphigeneia  macht. 
—  Das  Vasenbild  W^iener  Vorlegebl.  C  2  bezog  der 
Vortragende  auf  den  von  Homer  (II.  II  305)  ge- 
schilderten Vorgang  in  Aulis,  wo  eine  Schlange  das 
Opfer  der  Griechen  störte:  auf  dem  Bilde  erscheinen 
Schlange  und  Platane  in  Stein  verwandelt,  nicht 
bloss  wie  bei  Homer  die  Schlange. 

Sitzung  vom  4.  März.  Eingegangen  waren: 
Holm,  Das  alte  Syrakus;  Studuiczka,  Ver- 
mutbungen zurgriechischenKunstgeschichte;  Brunn, 
Pausanias  und  seine  Ankläger;  Soutzo,  Sysihmes 
monetaires  de  l' Asiemineure  et  de  la  Grece  ;  der  Auktions- 
catalog  Collection  Alessandro  Castellani  u.  A.  — 
Herr  Trendelenburg  sprach  über  das  Verliält- 
uiss  der  Laokoon.gruppe  zum  Gigantenfriese 
des  pergamenischeu  Altars,  indem  er  sich  besonders 
gegen  die  von  Kekule  geltend  gemachte  Auffassung 
wandte,  dass  die  Figur  des  Laokoon  aus  Motiven 
des  Frieses  abgeleitet,  die  Gruppe  also  jünger  sei 
als  der  Altar.  Einerseits  sei  die  Uebereinstimmung 
der  Motive  in  der  Figur  des  Laokoon  und  des 
Athenagegners  keineswegs  eine  so  vollständige,  wie 
sie  auf  den  ersten  Blick  erscheine,  da  der  Kopf, 
die  Haltung  der  Beine  und  Arme,  die  Schlangen- 
wiuduugen,  vor  allem  aber  die  Stelle  des  Bisses 
und  sein  Verhältniss  zur  Kopfneigung  uiciit  nur 
verschieden,  sondern  zum  Theil  entgegengesetzt 
seieu;  andererseits  sei  die  Haltuug  des  Laokoon, 
namentlich  das  von  K.  für  unerklärlich  gelialtene 
Herumwerfen  des  Kopfes,  eine  unumgängliche,  der 
Natur  mit  bewunderungswürdigem  Scharfblick  ab- 
gelauschte Folge  des  Flankenbisses  der  Schlange, 
da  jeder  intensive  Schmerz  in  der  Seite  eine  Zu- 
sammenziehung des  Körpers  au  dieser  Stelle  und 
als  natürliche  Folse  davon  eine  Dehnung  der  Gegen- 


73 


Sitzungsberichte. 


74 


Seite  bewirke,  die  ilirerscits  wieder  den  Kopf  zu 
einer  Neig;ui]g  nach  der  verwundeten  Flanke  hin 
zwinge:  ein  Verhältniss,  welches  beim  Giganten  ins 
Gegentheil  verkehrt  sei,  insofern  hier  der  Kopf  nach 
der  linken  Seite  gerissen  werde,  die  Wunde  da- 
gegen auf  der  rechten  sich  befinde.  Könne  unter 
diesen  Umständen  eine  Ableitung  des  Laokoon 
aus  Motiven  des  P'rieses  nicht  angenommen  werden, 
so  werde  damit  auch  die  hierauf  gegründete  öchluss- 
folgerung  K's.  über  die  Entstehung  der  Gruppe 
nach  dem  Altar  hinlällig,  eine  Folgerung,  die  auch 
durch  eine  Vergleichung  beider  Werke  in  Bezug 
auf  ihren  künstlerisciien  Charakter  ausserordentlich 
unwalirseheiulich  gemaclit  werde.  Wenn  zwischen 
beiden  ein  Zusammeniiang  existirc,  was  anzunehmen 
ein  zwingender  Grund  durchaus  nicht  vorhanden 
sei,  so  könnlon  nur  die  in  Verarbeitung  fremder 
Jlotive  nicht  eben  wählerischen  Verfertiger  des  Altar- 
frieses als  Entlehnende  angesehen  werden;  man 
miisste  denn  gerade  zu  der  Annahme  sicii  verstehen 
wollen,  dass  in  diesem  einen  Falle  die  Copie  an 
lichtvoller  Composition  und  strenger  Beobachtung 
aller  der  Plastik  eigentlüimlichen Gesetze  dasOriginal 
ebensoweit  übertrefl'e,  wie  sonst  Copien  hinter  dem 
Original  zurückzustehen  pflegen.  —  Herr  Dessau 
sprach  über  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  des 
von  Dionys  von  Ilalikarnass  (V  61)  gegebenen 
Verzeichnisses  der  30  altlatinischcn  Bun- 
desstädte, von  welcliem  Niebuhr  glaubte,  dass 
es  einer  alten  Urkunde  (vielleicht  dem  von  Sp.  Cassius 
mit  den  Latinern  abgeschlossenen  Bündnissvertrage) 
entnommen  sei,  gegen  welche  Annahme  von  seinen 
Gegnern  die  auf  antiken  Denkmälern  sonst  nicht  nach- 
zuweisende alphabetische  Anordnung  geltend  gemacht 
worden  ist.  Nun  giebt  es  aber  mindestens  noch  ein  bis- 
her überselienes  Beispiel  alphabetischer  Reihenfolge 
auf  einem  öfi'eutlichen,  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  in 
Caere  von  den  etruskischen  Bundesstädten  errichteten 
Denkmal,  von  welchem  ein  Fragment  sich  im  Lateran 
befindet  {An7tali  1842  tav.  C).  liier  erscheinen  die 
Schutzgottheiten  dreier  Städte  nebeneinander  in  der 
Reihenfolge  Tarquinii,  Volci,  Vetulonia,  wofür  nur 
die  alphabetische  Anordnung  als  Grund  angesehen 
werden  kann.  Indess  dürfen  aus  diesem  der  Kaiser- 
zeit angehörigen  Denkmal  nicht  zu  weitgehende  Fol- 
gerungeu  für  die  ältere  Zeit  gezogen  werden.  —  Herr 
Hühner  legte  den  Berieiit  des  Herrn  F.  Schneider 
in  Mainz  über  „die  Krypta  des  H.  Paulinus  in 
Trier"  vor  und  besprach  sodann  einige  amHadrians- 
wall  in  England  neu  gefundene  inschriftliche 
Denkmäler,     welche,    von    einer    germanischen 


Völkerschaft  herrührend,  neue  Namen  germanischer 
Gottheiten  kennen  leinen,  deren  Deutung  Prof. 
Scherer  gegeben  hat.  Die  Gottheiten  sind  Mars 
Thingsus  fvon  lliitig)  und  zwei  weibliche,  Alaesiagne 
genannt  (und  zwar  mit  den  Invidualbczeiclinungen 
Beda  und  Fimmilena)\  die  Weihenden  nennen  sieh 
Tuihanli  (das  sind,  wie  Scherer  sah,  die  Bewohner 
der  holländischen  Landschaft  Twentc)  cires  Germani 
ex  cuneo  Frisionim  Severiatii  Alexandriuni.  Auf  dem 
einen  der  Altäre  und  auf  einem  halbkreisförmigen 
Relief,  welches  wahrscheinlich  die  Front  einer 
Aedicula  schmückte,  sind  die  Gottheiten  in  haud- 
werksmässiger  Ausführung  dargestellt. 

Sitzung  vom  1.  April.  Nach  Verkündigung 
der  Aufnahme  der  Herren  Graf  Perpoucher  und 
Dr.  M.  Schmidt  legte  der  Vorsitzende  u.  A.  vor: 
Salinas,  Sigilli  di  crela  rinremiii  a  Se/*«M«/e  (Siegel, 
welche  in  Thon  gedrückt  und  an  Urkunden  an- 
gehängt waren ;  die  Urkunden  sind  im  Brande  unter- 
gegangen, die  Thonsiegel  dagegen  hart  gebrannt 
und  mit  iiiren  zum  Theil  sehr  anmuthigen  Gruppen 

—  z.  B.  Aphrodite  den  Eros  schiessen  lehrend  — 
nur  um  so  besser  erhalten);  ders.,  Ricordi  di  Seli- 
nunte  Crisüaua;  Pottier,  Elnde  sur  les  lecijlhes  blancs 
altiques;  de  Molin,  De  ara  apiid  Graecns  ;  Höpken, 
De  thealro  Allico  saeculi  a  ehr.  quinti;  W  ernicke. 
De Pausa7iiae  sludiis  Ilerodoleis ;  Berliner,  Beiträge 
zur  Geographie  und  Ethnographie  Babyloniens  im 
Talmud  nndMidrasch;  Röscher,  Lexikon  dergriech. 
und  röm.  Mythologie  Lieferung  1.  2.  Ausserdem  legte 
Herr  Engelmann  die  1.  Lieferung  des  „kulturhisto- 
rischen Bilderatlas"  von  Th.  Sciireiber  vor,  welchen 
er  als  willkommenes  Hilfsmittel  zur  Kenntniss  der 
kulturhistorischen  Seite  des  Alterthums  bezeichnete. 

—  Herr  Seh  rader  berichtete  über  eine  von  Mr. 
Ramsay  in  Cai)padocien  aufgefundene  Relief- 
darstellung, über  deren  fünfzeiliger  Keil-Inschrift 
man  das  Bild  der  Sonnenscheibe  sieht,  rechts  und 
links  davon  je  einen  Kopf  im  Profil  und  darunter 
einen  thronenden  Fürsten,  welchem  ein  Staatsbeamter 
flehend  die  Hände  emporhebende  Männer,  offen- 
bar Kriegsgefangene,  vorführt.  Hinter  dem  Für- 
sten stehen  zwei  Wedel  haltende  Eunuchen.  Die 
untere  Darstellung  eriuneit  an  die  bis  in  Einzelheiten 
hinein  genau  übereinstimmende  auf  dem  Sanherib- 
Relief  aus  Kujjundschick-Niniveh  und  geht  also  auf 
diese  ninivitische  oder  eine  analoge  assyrische 
als  ihre  Vorlage  zurück,  wogegen  die  Protilköpfe 
an  die  Darstellungen  griechisch  -  römischer  Kunst 
mahnen,    ein   Doppelcharakter,  wie  ihn   allerdings 


75 


Sitzungsberichte. 


76 


auch  kj'prisclie,  pränestinisclie  u.  a.  Denkmäler 
zeigen.  Ohne  auf  die  Frage  der  Aechtheit  des 
Denkmals  näher  einzugehen,  wies  der  Vortragende 
noch  darauf  hin,  dass  der  assyrische  Typus  der 
unteren  Darstellung  dasselbe  sehr  bestimmt  von  den 
unter  dem  älteren  babylonischen  Einfluss  ent- 
standenen Schöpfungen  der  sogenannten  hethitischen 
Kunst  unterscheide.  Im  Anschluss  hieran  gab  der 
Vortragende  einen  Ueberblick  über  Hormuzd  Eassam's 
Ausgrabungen  zu  Abu  Habba  in  Xordbabylonien, 
dem  babylonischen  Heliopolis  (Sipar-Sepharvaim  in 
der  Bibel)-  Er  wies  insbesondere  auf  die  Dar- 
stellung der  Cella  des  Sonnengottes  und  einer  die 
Verehrung  des  Sonnengottes  veranschaulichenden 
Scene  hin.  welche  nach  der  Inschrift  in  die  Zeit 
des  babylonischen  Königs  Nabu-pal-iddin,  eines 
Zeitgenossen  des  assyrischen  Königs  Asur-nasir- 
abal  (885—860  v.  Chr.),  gehört.  —  HerrRhangabe 
besjjrach  zuerst  die  neuerdings  in  Samos  auf- 
gegrabene Wasserleitung,  deren  Herodot  III  60 
als  eines  der  grössten  Bauwerke  Griechenlands  er- 
wähnt: ein  Tunnel  von  3'  Breite,  '60'  Höhe  und 
4200'  Länge,  wahrscheinlich  eines  der  von  Aristoteles 
dem  Tyrannen  Polykrates  zugeschriebeneu  Werke. 
Er  berichtete  sodann  auf  Grund  seines  im  December 
v.J.  ausgefüiirten  Besuches  von  Eleusis  über  die  dort 
von  der  archäologischen  Gesellschaft  zu  Athen  vor- 
genommenen Ausgrabungen.  Am  S.O.-Abhang  des 
eleusinischen  Berges  befindet  sich  ein  220'  breiter, 
178'  tiefer  viereckiger  Einschnitt,  dessen  drei 
Wände  unten  in  9  aus  dem  Felsen  gehauene 
Sitze  auslaufen.  Der  innere  Raum  ist  mit  4  Reihen 
von  je  7  dorischen  Säulen  besetzt,  aus  gelblichem 
Porös  ohne  Kanelierungen  oder  sonstigen  Schmuck 
roll  gehauen  und  nicht  bestimmt ,  bei  Tages- 
licht gesehen  zu  werden.  Es  war  dies  also  die 
Kryi)ta  zu  dem  von  Iktiiios  hcrriilireiiden  Oberbau, 
zu  welchem  aussen  an  beiden  Seiten  oberhalb  der- 
selben Stufen  hinaufführten.  Dass  der  Tempel  hoch 
lag,  beweist  auch  das  oben  auf  dem  Felsen  ge- 
fundene Stück  eines  dorischen  Marmorgesimses  und 
die  vonPlutarch  erwähnten  „oberen"  Säulen.  Oestlich 
stiess  an  das  unterirdische  Gemach  die  von  Demetrios 
von  Phaleron  zugesetzte  Säulenhalle,  die  in  ihrer 
ganzen  Breite  aufgedeckt  ist.  Gewaltige  polygone 
Substructionsmauern,  die  gleiclifalls  aus  Licht  ge- 
zogen sind,  gehören  dem  alten,  von  den  Persern  ver- 
brannten Tempel  an.  —  Zum  Schluss  erläuterte 
Herr  Curtius  das  von  Herrn  Gurlitt  im  Saale  aus- 
gestellte, von  Herrn  Ast  gearbeitete  Thonmodell 
einer  aus  Myrina  stammentlen  und  jüngst  für  das 


königl.  Museum  erworbenen  Terrakotta:  Zeus  als 
Adler  eine  jugendliehe  Gestalt  entführend. 
Es  ist  der  Typus  des  Ganymedesraubes,  wie  er  in 
der  venezianischen  Gruppe  und  der  Sabouroff'schen 
Spiegelkapsel  vorliegt,  nur  dass  das  lang  herab- 
fliessende  Haar,  die  weichen  üppigen  Formen  und 
das  weite,  lange  Gewand  die  ganze  Gestalt  noch 
mehr  ins  Weibliche  gezogen  erscheinen  lassen.  Die 
Terrakottagruppe  ist  ihrer  ganzen  Autfassung  nach 
von  der  des  Leochares  bestimmt  unterschieden,  da 
hier  eine  zärtliche  Liebes-Umarmung  dargestellt  ist, 
während  Leochares  den  Adler  nur  als  Diener  des 
Zeus  aufgefasst  hat. 

Sitzung  vom  6.  Mai.  Der  Vorsitzende  Herr 
Curtius  legte  zunächst  die  eingegangenen  Schriften 
vor:  Wiedemann,  Winckelmanns  Urtheil  über  die 
aegyptische  Kunst;  R.  Förster,  Aualekteu  zu  den 
Persephonedarstellungen  und  berichtete  dann  ans 
einer  Nummer  der  ^cpaiqa  über  die  Auffindung  eines 
Dionysostempels  im  Peiräeus,  wobei  eine  ßeihe 
von  Inschriften  zu  Tage  gekommen  ist.  Die  inter- 
essanteste darunter  ist  eine  Weihinschrift  an  Dio- 
nj'sos  in  drei  Distichen.  —  Herr  Weil  bringt  den 
unlängst  ausgegebenen  14.  Band  des  'E?.Xi]riKdg 
ifikoloyixng  avlloyog  in  Constantinopel  zur 
Vorlage,  der  in  einem  Beiheft  eine  Aufnahme  der 
von  Constantin  errichteten ,  dann  unter  Tlicodosius 
und  Heraklius  verstärkten  Landbefestigung  Con- 
stautinopels  enthält.  Für  die  Geschichte  des  an- 
tiken Mauerbaus  ist  diese  Arbeit  von  hervorragen- 
der Bedeutung,  indem  hier  ein  Beispiel  der  drei- 
fachen Ummauerung  vorliegt,  welche  nach  dem  Be- 
richt des  Appian  auch  bei  der  im  Alterthum  so  viel 
gerühmten  Befestigung  Kartliago's  angewandt  war. 
Sodann  behandelte  Herr  Weil  den  im  vorigen  Jahre 
bei  Karystos  auf  Euboia  gemachten  Müuzfund,  der 
ein  bis  dahin  unbekanntes  athenisches  Tetradrach- 
mon  enthält,  auf  dem  neben  dem  AHE  des  Stadt- 
namens statt  des  zu  erwartenden  Magistratsnameus 
0  AEMOii;  beigefügt  ist.  Da  in  dem  Fund  aucii  die 
im  mithradatischen  Krieg  vorkommenden  Reihen 
athenischer  Münzen  vertreten  sind,  kann  das  Te- 
tradrachmon  frühestens  geprägt  sein,  als  Sulla  im 
Winter  86 — 85  zum  zweiten  Mal  seinen  Aufenthalt 
in  Athen  nahm,  und  in  Folge  dessen  eine  Re- 
stauration des  athenischen  Gemeinwesens  eintrat. 
Von  Wichtigkeit  ist  der  Fund  auch  darum,  weil 
er  die  bisher  noch  immer  bestrittene  Annahme,  dass 
Athen  seine  Silberprägung  über  die  Zeit  des  mithra- 
datischen Kriegs  hinaus  sich  bewahrt  habe,  bestätigt. 


77 


Sitzungsberichte. 


78 


—  Herr  Fiirtwiliigier  niaclitc  Mittlieiluugeii  über 
seine  wegen  der  Auction  der  Sammlung-  AI.  Ca- 
stellani  nach  Rom  unternommene  Heise.  Er  be- 
dauerte die  dureli  die  Umstände  hervorgerufene  ge- 
ringe Zuverlässigkeit  des  Cataloges  in  Bezug  auf 
Provenienzen;  für  die  sehr  bedeutende  Sammlung 
architektonisch  verwendeter  Terracotten  hob  er  die 
untcrsclieidenden  Kriterien  der  aus  Caere,  der  aus 
Carapanicn  und  der  aus  Tarent  stammenden  her- 
vor. Als  gesciiickte  Fälschung,  die  ihren  Be- 
sitzer selbst  getäuscht  hat,  erklärte  er  nament- 
licli  den  bekannten  angeblich  aus  Sicilien  stam- 
menden grossen  weibliclien  Marmorkopf.  —  Herr 
Robert  legte  die  Photographie  eines  im  vorigen 
Jahre  in  der  Nähe  von  Rom  gefundenen  Sar- 
kophags mit  Darstellungen  aus  dem  Theseus- 
mythus  vor,  auf  dessen  linker  Seite  das  typische 
Schema  der  Abschiedsscene  in  nicht  allzu  glücklicher 
Weise  auf  Theseus  und  Aigeus  (oder  Minos?)  über- 
tragen ist,  während  die  rechte  Hälfte  zwei  Scenen : 
Theseus  Ariadne  verlassend  und  Theseus  nach  ße- 
siegung  des  Minotauros  enthält.  Sowohl  Theseus 
wie  Ariadne  tragen  PorträtzUge.  Der  Sarkophag 
gehört  etwa  in  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts.  Dann 
macht  der  Vortragende  einige  Mittlieilungen  über 
Farbenspureu,  die  sich  an  den  beiden  im  Besitze  des 
Advokaten  Aquari  in  Rom  befindlichen  Sarkophagen 
erhalten  haben.      Herr  Trendelenburg  sciilug  für 


zwei  Scenen  des  Theseussarkophages  eine  abwei- 
chende Erklärung  vor.  In  der  Eckgruppe  rechts, 
welche  aus  Theseus  (mit  den  Porträtzügeu  des  Ver- 
storbenen), Hermes  und  einem  bärtigen,  iiandwerker- 
mässig  gekleideten  Mann  mit  eigentliümlich  wildem 
Gesichtsausdruck  besteht,  und  welche  Herr  Robert 
auf  das  Minotauros- Abenteuer  bezogen  hatte,  er- 
kannte er  Charon,  Hermes  Psychopompos  und  den 
Verstorbenen,  der  zögernden  Sclirittes  jenen  beiden 
folgt;  die  Abschiedsscene  aber  deutete  er  allegorisch: 
der  unter  Tlieseus  Bilde  dargestellte  Verstorbene 
entscheidet  sich  bei  der  Wahl  zwischen  'Hdnvrj  und 
^QEtrj  für  letztere.  Jene  wird  angedeutet  durch 
Aphrodite,  welche  die  Entscheidung  erwartend  den 
Finger  ans  Kinn  legt,  und  Eros,  welcher  den  Jüng- 
ling auf  seine  Seite  zu  bringen  trachtet;  diese  durch 
die  bekannte  Figur  der  Virtus ,  durcii  Athena  und 
die  mit  einem  Lorbeerkranz  geschmückte  Personi- 
fikation des  Ruhmes.  Die  Entscheidung  ist  durch 
die  Handbewegung  des  Jünglings  veranschaulicht: 
er  nimmt  von  seinem  Vater  Abschied,  um  der 
Virtus  zu  folgen.  Herr  Robert  glaubte  diese  Deu- 
tungen als  im  Theseusmythus  nicht  begründet  ab- 
lehnen zu  müssen,  wogegen  Herr  T.  geltend  machte, 
dass  die  mythische  Darstellung  hier  nur  dazu 
diene,  Ereignisse  aus  dem  eigenen  Leben  des  im 
Sarkopiiage  Beigesetzten  unter  dem  Bilde  des 
Theseus  zur  Anschauung  zu  bringen. 


Berichtigung. 


Jahrgang  XLI  (1883)  Sp.  321,  31  ist  nach  'er- 
hoben' folgender  Satz  ausgefallen:  'In  16  (Quarz, 
Dm.  0,027,  Taf.  16,  7)  ist  derselbe  Typus  durch 
Doppelung  zu  einer  wappenartigen  Scene  auf  einem 


rundenSteinevereinigt'.  EbendaZeile26  ist'Taf.  16,  7' 
zu  streichen.  Ferner  ist  Sp.  336,  14  'am  unteren 
Rande'  und  Zeile  21  'den  oberen  Rand'  zu  lesen; 
ebenso  Sp.  341,  22  'neben  dem  1.  Hinterbein'. 


79 


SO 


Bericht 

über  die  Thätigkeit  des  kaiserlich  deutschen  archäologischen  Instituts  vom  1.  April  1883  bis  1.  April  1884. 


Von  Eom  aus  bereiste  im  abgelaufenen  Rech- 
nungsjahre Hr.  Heibig  behufs  arciiäologischer  Er- 
kundung die  Maremmengegend  und  nahm  Aufent- 
halt in  Corneto  und  Chiusi,  desgleichen  Hr.  Mau 
für  eine  längere  Zeit  behufs  eingehender  Bericht- 
erstattung in  Pompeji.  Von  Athen  aus  wurde  eine 
Bereisung  von  Sanios  durch  Hrn.  Fabricius  veran- 
lasst, Hr.  Dörpfeld  auf  Wunsch  der  Direction  der 
dortigen  Ausgrabungen  auf  kurze  Zeit  nach  Perga- 
mon  entsandt,  Hr.  Lolling  mit  Leitung  von  Ausgra- 
bungen am  Arteniision   auf  Nordeuböa   beauftragt. 

Die  periodischen  Publikationen  des  Instituts 
in  Rom,  Athen  und  Berlin  haben  ihren  regelmässigen 
Fortgang  genommen,  von  der  Epliemeris  epigraphica 
ist  das  erste  und  zweite  Heft  des  5.  Bandes  er- 
seliieuen. 

Von  den  sogenannten  Serienpublikatiouen  ist  in 
diesem  Jahre  erschienen  nur  das  1.  Heft  der  Fort- 
setzung der  Gerhard'schen  etruskischen  Spiegel 
von  den  HH.  Klügmann  und  Körte.  —  Für  die 
Sammlung  der  römisciien  Sarkophage  beginnen 
wir  wenigstens  mit  einer  Anzalil  fertig  gestellter 
Probetafeln  der  Herausgabe  näher  zu  treten ;  nach 
der  Anordnung  des  Hrn.  Robert  sind  diese  Tafeln 
von  Hrn.  Eiehler  und  in  der  kaiserlichen  ßeichs- 
druckerei  hergestellt.  —  Der  Vollendung  nahe  ist 
der  2.  Band  der  antiken  Terrakotten  von  Hrn. 
Kekule  unter  künstlerischer  Mitwirkung  des  Hrn. 
Otto.  —  Gefördert  ist  die  Fortsetzung  der  Heraus- 
gabe etruskischer  Asehenkistenreliefs  durch 
Hrn.  Körte.  —  Neu  auf  sich  genommen  hat  das 
Institut  die  Sorge  für  Fortfüiirung  der  Sammlung- 
griechischer  Grabreliefs,  deren  attischen  Theil 
die  kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien 
zu  veröfifentlichen  im  Begrifle  ist.  —  Auch  das  Reper- 
tori  um,  mit  besonderer  Richtung  auf  die  Vorarbeiten 
zur  Herausgabe  der  antiken  Statuen,  ist  von  Hrn. 
Michaelis  weitergeführt  worden.  —  Von  den  atti- 
schen Karten  sind  nach  früherem  Erscheinen  der 


ersten  vier  Blätter  unter  Leitung  der  HH.  Curtius 
und  Kaupert  sieben  neue,  davon  fünf  fast  vollendet, 
zur  Herausgabe  vorbereitet,  drei  andere  werden  ge- 
zeichnet, andere  drei  aufgenommen.  —  Die  Technik 
der  Herren  vom  grossen  Generalstabe  ist,  wie  diesen 
Karten,  so  auch  den  in  diesem  Jahre  von  Hrn. 
Steffen  unter  Mitwirkung  des  Hrn.  Lolling  heraus- 
gegebenen Karten  von  Mykenai  und  Umge- 
gend zu  Gute  gekommen. 

In  Erfüllung  testamentarischer  Verpflichtung 
haben  wir  das  6.  und  7.  Heft  der  Darstellungen 
aus  der  heiligen  Geschichte  von  Alex.  Iwanoff 
erscheinen  lassen. 

Die  Plenarversammlung  der  Centraldirection 
wurde  vom  9.  bis  12.  April  1883  abgehalten.  Den 
erwählten  HH.  Fabricius,  Kroker,  Meier,  Wolters 
und  Moritz  wurden  durch  das  auswärtige  Amt  die 
fälligen  Stipendien  verliehen. 

Auch  eine  grössere  Anzahl  von  Mitgliedern 
wurde  dem  Institute  in  diesem  Jahre  wiederum  zu- 
gesehrieben. Es  wurden  zu  Ehrenmitgliedern 
gewählt  Seine  kaiserl.  königl.  Hoheit  der  Erzherzog 
Rainer  von  Oesterreich  und  Seine  Durchlaucht  der 
regierende  Fürst  Johann  von  und  zu  Liechtenstein; 
zu  ordentlichen  Mitgliedern  die  Herren  Sidney 
Colvin  (London),  R.  Mowatt  (Paris),  F.  Barnabei 
(Rom),  ü.  Semitelos  (Athen),  W.  Goodwin  (Athen), 
E.  Graf  von  Vasonikeö  (Wien),  N.  Dumba  (Wien), 
Leblant  (Rom);  zu  correspondirenden  Mit- 
gliedern die  Herren  E.  Fabricius  (Athen),  G.  Wis- 
sowa  (Breslau)  J.  Undset  (C^hristiania),  A.  Tardieu 
(Herment),  G.  Tooilescu  (Bukarest),  L.  Revon 
(Amecy),  F.  Baumgarten  (Athen),  G.  Soteriu  (Samos), 
Sophus  Müller  (Copenhagen),  R.  Koldewey  (Ham- 
burg), A.  von  Doniaszewski  (Wien),  A.  de  Lorenzo 
(Reggio),  Ch.  Waldstein  (Cambridge),  D.  Philios 
(Athen),  L.  Hauser  (Wien),  F.  Bulic'  (Spalato), 
A.  Klitsche  Baron  de  la  Grange  (Civitavecchia), 
L.  Viola  (Taranto),  E.  Pais  (Caliari).        Conze. 


ETRUSKISCHER  KRATER  AUS  CAERE. 


(Tafel  5.  6.) 


Der  Krater,  dessen  Darstellungen  ich  auf  Wunsch 
der  Redaction,  für  einen  andern  Bearbeiter  ein- 
tretend, kurz  /AI  erläutern  unternehme,  wurde  im 
Jahre  1877  von  mir  für  das  Antiquarium  des  kgl.  Mu- 
seums 7-u  Berlin  erworben.  Er  stammt  aus  Cervetri, 
dem  alten  Caere,  und  gehört  seiner  Technik,  Form 
und  Decorationsweise  nach  zu  jener  Gattung  von  Ge- 
fässen  etruskischen  Fundortes,  welche  von  A.  Furt- 
wängler  in  den  Atmali  dell  Itislitufo  1878  S.  80if. 
ausführlich  besprochen  und  als  theils  von  Athen  aus 
importirt,  theils  in  Etrurien  selbst  in  Nachahmung 
attischer  Gefässe  verfertigt  erwiesen  sind.  Derselbe 
hatte  die  Güte,  mir  bezüglich  des  vorliegenden 
Exemplares  noch  besonders  zu  bestätigen,  dass  es 
nach  seiner  Erinnerung  dem  von  ihm  in  den  Mon. 
d.  Inst.  X.  51  publicirten  Krater  von  Nazzano  nahe 
verwandt  sei  '). 

Die  Darstellung  der  Vorderseite  besteht  ge- 
mäss dem  speciell  für  Krater  dieser  Vasenclasse 
üblichen  Schema  aus  zwei  Reihen  von  Figuren,  von 
denen  die  eine  vielfach  in  die  andere  übergreift; 
die  Mittelfigur,  weichein  einem  beträchlich  grösseren 
Maassstab  gehalten  ist  als  die  übrigen,  nimmt  fast 
die  ganze  Höhe  des  Bildstreifens  ein.  Dem  Ge- 
brauche dieser  Gefässe  entsprechend  sind  alle  Figuren 
ausser  der  mittleren  mit  Perlenschnüren  (theils  mit 
nur  einer,  theils  mit  zwei  sich  kreuzenden)  oder  mit 
angehäugten  Verzierungen  ähnlicher  Art  um  die  Brust 
geschmückt,  die  Gewänder  meist  mit  reich  ornamen- 
tirten  Rändern  und  eingestickten  kleinen  Kreisen 
verziert. 

')    Furtwängler's  Güte  verdanke  ich  auch  folgende  Angaben 
überdasGefäss;  Inv.  No.  2583.   H.  0,425 ;  Durchm.  0,465.   Eigen- 
thümlicher,   glatt  glänzender,  doch  nicht    tiefschwarzer  Firniss. 
Thon   blttssröthlich,  viel  (meist  verblasstes)  Weiss  aufgesetzt. 
Arcbiiolog.  Zt^.  Jahrgang  XLll. 


Den  Mittelpunkt   des    Ganzen   bildet   ein    nach 
linkshiu    sitzender,    unterwärts  mit    dem   Himation 
bekleideter,  bärtiger  Mann,   der  die  L.  an  die  Be- 
krönung  eines  Scepters  gelegt  hat  (die  R.  ruht  im 
Schoosse)  und  den  Kopf  einem  rechts  oben  sitzen- 
den Satyr  zuwendet.     Dieser  ist  bärtig,  kahlköpfig 
und  nur  mit  einem  am  Halse  zusammengeknoteten 
Fanther-Fell  bekleidet.     Ueber  seinem  Kopf  kommt 
eine  eigenthümlich  gezackte  Ranke  zum  Vorsehein, 
welche  von  einem  Kranze  herzurühren  scheint,  von 
dem  an  der   Vorderseite   nichts   zu  sehen  ist.     Er 
spielt  mit  den  Fingern   der   Linken  in  den  Saiten 
einer  Schildkrötenleier  {ipülleiv),    während    er  in 
der  R.  das  Plektron  zum  Schlagen  derselben  [xqoveiv) 
hält.    Sein  Blick  ist  nach  linkshiu  gerichtet,   einem 
links  von  der  Mittelfigur  ihm  gegenüber  stehenden, 
unterwärts  mit  dem  Himation  bekleideten  Jüngling 
zu.   Derselbe  ist  von  auffallend  weichlichen  Formen 
und    hat    langes    Haar   mit   mehreren    zierlich    ge- 
ringelten,   in    den  Nacken    und   an    den    Schläfen 
herabfallenden  Locken ;  vorn  am  Kopf  sieht  man  das 
Ende  eines  Lorbeer-Kranzes.   Er  setzt  den  1.  Fuss  auf 
eine  (nicht  angedeutete)  Erhöhung  des  Bodens  und 
streckt,  den  Oberkörper  vorbeugend,  den  erhobenen 
rechten   Arm    und   den  auf  dem   Knie  ruhenden  1. 
Unterarm  gegen  den  Satyr  aus,   als  sei  er   unge- 
duldig, die  Leier  aus  der  Hand  desselben  zu  em- 
pfangen, um  nun  seinerseits  seine  Kunst  zu  zeigen. 
Es    folgt    auf    derselben    Seite    ein    nach    linkshiu 
sitzender  Satyr,    wie  sein  Genosse  nur  mit  einem 
Fell  bekleidet,  der  den  Kopf  nach  jenem  zurück- 
wendet und  mit  der  R.  eine  Flöte  gegen  ihn  erhebt, 
als  wollte  er  ihn  auf  dieselbe  aufmerksam  machen, 
während  er  in  der  L.  eine  zweite  Flöte  hält;  vor  sei- 
nem Kopfe  ist  ein  (Epheu-?)  Blatt  von  einem  Kranze. 

6 


83 


G.  Körte,  Krater  aus  Caere. 


84 


Ihm  entspricht  auf  der  rechten  Seite  hinter  dem 
die  Leier  spielenden  ein  dritter  Satyr,  der  ganz 
nackt,  beliränzt,  den  r.  Fuss  auf  eine  Bodenerhö- 
hung setzt  und  die  Rechte  mit  nicht  völlig  klarer 
Geberde  (des  Beifalls  oder  der  Besorgniss?)  erhebt. 
In  der  unteren  Reihe  sieht  man  zwischen  diesem 
und  dem  ersten  Satyr  einen  Jüngling,  welcher  ste- 
hend nach  oben  hinschaut,  als  verfolge  er  auf- 
merksam den  dort  sich  abspielenden  Vorgang.  Er 
ist  bekränzt  und  mit  der  Chlamys  bekleidet,  an  seiner 
1.  Schulter  lehnen  zwei  Speere.  Es  folgt  zwischen 
ihm  und  den  Füssen  der  Mittelfigur  ein  (ursprünglich 
mit  aufgesetzten  Farben  gemalter)  Eros,  der  mit 
dem  einen  Bein  am  Boden  knieend  zu  spielen 
scheint  —  ein  aus  zahlreichen  Vasendarstellungen 
des  „schönen"  Stils  bekanntes  Motiv.  Weiter  links, 
auf  der  anderen  Seite  der  Mittelfigur  sitzt  auf  einer 
felsigen  Erhöhung  des  Bodens  nach  rechtshin  eine 
mit  dem  Doppelchiton  bekleidete  Frau,  welche  sich 
in  einem  Spiegel  beschaut,  den  sie  in  der  L.  hoch- 
hält, während  die  Rechte  nach  hinten  ausgestreckt  ist. 
Rechts  von  dem  Jüngling  endlich  sieht  man  ein  Reh  ^ 
(nach  rechtshin).  Dasselbe  schnuppert  hinauf  nach 
zwei  Lorbeerzweigen,  die  ihm  ein  über  dem  rechten 
Henkel  des  Gefässes  mit  den  Beinen  nach  aussen 
sitzender,  mit  grossen  entfalteten  Flügeln  versehener 
und  bekränzter  Eros  hinreicht.  Ihm  entspricht  über 
dem  1.  Henkel  ein  Kentaur,  von  ähnlicher  Gesichts- 
bildung wie  die  Satyrn,  welcher  im  r.  Arme  ein 
grosses  Füllhorn  trägt.  Er  liebt  mit  stark  über- 
triebener und  naturvpidriger  Bewegung  den  linken 
Vorder-  und  den  Hinterfuss  derselben  Seite  und 
weist  mit  dem  gleichfalls  erhobenen  Arm  nach  der 
Mitte  hin.  Ehe  wir  an  eine  Deutung  dieser  Dar- 
stellung gehen,  wird  es  gut  sein,  zunächst  die 
Rückseite  zu  betrachten. 

Die  Mitte  nimmt  ein  bärtiger  nackter  Manu 
ein,  der  auf  einem  untergebreiteten  Gewand  nach 
linkshin  sitzt.  Das  Haar,  welches  in  zwei  zier- 
lich gedrehten  Locken  auf  die  Schultern  herabfällt, 
schmückt  ein  Kranz  aus  Epheublättern,  die  1.  Hand 
liegt  an  einem  an  der  Schulter  lehnenden  Scepter, 
dessen  Bekrönung  ähnlich  ist  wie  an  dem  von  der 
Mittelfigur  der  Vorderseite  gehaltenen,  dessen  Schaft 


jedoch  aus  einer  Narthexstaude  besteht.     Auf  dem 
Zeigefinger  der  vorgestreckten  Rechten  balaucirt  er 
einen    Blitzstrahl.      Die    gewellten   Linien,    welche 
oben    und    in    der  Mitte  zu  beiden  Seiten    hinauf- 
laufen, sollen  offenbar  loderndes  Feuer  darstellen  ^). 
Vor  ihm  steht  eine  Bacchantin   in   langem  Chiton 
mit  Ueberschlag,  welche  auf  beiden  in  Brusthöhe  er- 
hobenen  Händen  je  ein  Tympanon   hält  und    den 
Blick  der  Mittelfigur  zuwendet.     Von  ihrem  1.  Arm 
hängt  eine  lange  Tänie  herunter.   Von  der  anderen 
Seite  naht  sich   in  tanzender  Bewegung  ein  Jüng- 
ling, der  bis  auf  ein  über  die  Arme  herabhängendes 
Gewand   nackt   ist.      Wie    die    Mitteifigur  so  trägt 
auch  er  zwei  sich  kreuzende  Perleuschnüre  um  die 
Brust.     Das  Haar  ist  ebenfalls  in  mehrere  zierlich 
gedrehte  Locken  geordnet,  der  hörnerartige  Gegen- 
stand über  der  Stirn  wird  als  das  Ende  eines  Kopf- 
schmuckes oder  Kranzes   zu    fassen   sein;   der  An- 
nahme, dass  wirkliche  Hörner  gemeint  seien,  wider- 
streitet die  Form  und  Gabelung  der  fraglichen  Linien. 
Die  Mittelfigur,   nach   deren  Bedeutung   wir  zu- 
nächst fragen,  vereinigt  in  merkwürdiger  Weise  die 
Attribute  des  Zeus  und    des   Dionysos.     Diesem 
gehört  das  Narthexscepter  und  der  Epheukranz  im 
Haar   und  auch  die  ganze  Art   wie   die  Figur  auf 
dem  untergebreiteten  Mantel  sitzt,  erinnert  sehr  an 
Darstellungen  des  jugendlich    gebildeten   Dionysos 
in  der  jüngeren  Vasenmalerei.    Dabei  balaucirt  die 
Figur  in  geradezu  spielender  Weise  das  Attribut  des 
höchsten  Gottes  auf  dem  Zeigefinger  der  Rechten. 
Weist  uns  schon  dieses  Motiv  darauf  hin,  dass  wir 
es  mit  einem  Product  etruskischer  Kunst  zu  thun 
haben,  so  wird  diese  Annahme  bestätigt  durch  die 
Art    der  Kränze,    welche    die    Mittelfiguren    beider 
Seiten    tragen.     Dieselben    bestehen    otfenbar    aus 
Blättern,    die    an   einen  Faden    gereiht   sind,   und 
solche  coronae  sutiles  ')  kommen  in  der  griechischen 
Vasenmalerei,    soweit   meine    Beobachtung   reicht, 
nicht  vor,  während  sie  auf  etruskischen  Vasen  und 
Spiegeln  häufig  sind. 

'')  Aelmlich  auf  Spiegeln,  /,.  15.  Gerhard  Tal'.  Sl,  2;  284, 
1;  325;  346;  auch  auf  Vasen  wie  der  r.  f.  llvdria  aus  Gela. 
ArehUol.  Zeitg.   1870,  Tat".  31,  no.  23. 

3)    Vgl.  Uecker,  Gallus  III-,  S.  319  fif. 


85 


G.  Kürte,  Krater  aus  Caere. 


86 


Es  fragt  sich  nun,  ob  unsere  Figur  als  Zeus  mit 
Attributen  des  Dionysos  oder  als  Dionysos  mit  dem 
Blitze  des  Zeus  aufzulassen  sei.  Die  Frage  wird 
dadurch  complicirter,  dass  in  der  etruskischen  Vasen- 
malerei, natürlich  der  des  Verfallstils,  Dionysos 
zwar  gewöhnlich  unbärtig,  jedoch  auch  bärtig  dar- 
gestellt wird^),  und  zwar,  wie  es  scheint,  mit  An- 
lehnung an  den  Dionysostypus  der  streng  rothfigu- 
rigen  Vasen,  dem,  wenn  auch  in  freierer  Weise, 
die  künstlich  gedrehten  Locken  entnommen  sind, 
welche  zu  dem  im  Uebrigeu  mehr  als  freien  Stile 
dieser  späteren  Vasen  in  entschiedenem  Gegensatz 
stehen*).  Andererseits  wird  auf  etruskisciien  Spie- 
geln, wo  Dionysos  (Fufluns)  stets  unbärtig  er- 
scheint*), mehrfach  Zeus  in  Verbindung  mit  dem 
dionysischen  Thiasos  gesetzt  oder  iu  seiner  äusseren 
Erscheinung  dem  Dionysos  augenähert.  So  ist  Ger- 
hard 81,  2,  wo  Zeus  eine  Lasa  umarmt  '),  ein  kleiner 
Satyr  mit  Flöten  zugegen;  ein  Narthexscepter  hält 
er,  ebenfalls  einer  Lasa  gegenüberstehend,  auf 
Taf.  281;  mit  dem  Epheukranz  ist  der  unbärtige 
Tinia  geschmückt  Taf  74.  Ebendahin  gehört  es, 
wenn  auf  den  von  mir  publicirten  Vasen  aus  der 

■*)  Mo»,  d.  Inst.  X,  51;  Annali  d.  Inst.  1878  tav.  d'agg. 
H;  Geihaid,  Trinkschalen  u.  Gef.  11,  29;  I,  10,  3  (von  G. 
irrig  als  Ikarios  und  Erigone  erklärt,  offenbar  Dionysos  und 
Ariadne;  der  Technik  nach  etruskisches  Localproduct).  —  Uebri- 
gcns  dürfte  die  liärtigkeit  des  Dionysos  auf  Vasen  dieser 
Gattung  kein  sicheres  Kriterium  etruskischen  Ursprungs  sein; 
auch  auf  sicher  griechischen  findet  sich  Dionysos  bärtig  darge- 
stellt. Hierher  gehört  der  aus  Böotien  stammende  Kantharos  im 
Varvakion  (Collignon  n.  563),  welcher  nach  meinen  vor  dem  Ori- 
ginal gemachten  Bemerkungen  ganz  den  Charakter  dieser  späteren 
Vasen  zeigt,  namentlich  einen  gelblichen  Thon  imd  theils  mit 
breitem  theils  mit  ganz  feinem  l'iusel  (die  Anwendung  der  Feder 
in  der  Vasenmalerei  halte  ich  nach  den  Aussagen  eines  sehr  ge- 
schickten Nachahmers  griechischer  Vasen  in  Corneto  nicht  für 
wahrscheinlich)  ausgeführte  Zeichnung.  Auch  Cowpte-rendu 
1861,  4  und  Arch.  Zcitg.   1873,   14  sind  hier  zu  nennen. 

')  Dies  ist  auch  in  unverkennbarer  Weise  auf  dem  Krater 
von  Nazzano,  .Wo»,  d.  I.  X,  51  der  Fall;  besonders  auffällig  ist 
der  Contrast  Gerhard  Trinksch.  u.  Gef.  II,  29.  Auch  für  die 
in  der  vorigen  Anmerkung  angeführten  griechischen  Vasen  gilt 
die  Beobachtung. 

')  Die  einzige  Ausnahme  Gerh.  Taf.  305  ist  nach  Klügmann's 
Bemerkung  von  verdächtigem  Aussehen,  und  die.<er  Verdacht  wird 
zur  Gewissheit  durcli  die  Thatsache,  dass  die  Zeichnung  der 
Taf.  87  fast  genau  (im  Gegensinn)  entspricht,  nur  dass  dort  Fufluns 
unbärtig  ist. 

')    S.  Etrusk.  Spiegel  V  Taf.  1  —  3.  S.  10  f. 


Gegend  von  Orvieto  °)  Hades  ein  Scepter  führt, 
welches  völlig  die  Gestalt  eines  Thyrsos  hat. 
Nicht  als  ob  diesen  äusserlicheren  Annäherungen 
des  Zeus  und  Hades  an  den  Typus  des  Dionysos 
tiefe  mythologische  Gedanken  und  Bezüge  zu  Grunde 
lägen:  vielmehr  führte  wohl  das  starke  Hervor- 
treten bacchisciier  Darstellungen  in  dieser  jüngeren 
etruskischen  Kunst  die  Künstler  mehr  unbewusst  zu 
einer  Uebertragung  bacchischer  Züge  auf  andere 
Göttergestalten ').  Während  aber  in  allen  diesen 
Darstellungen  die  walire  Bedeutung  des  betreffenden 
Gottes  klar  erkennbar  ist,  so  bleibt  in  unserem  Falle 
dieselbe  zunächst  zweifelhaft. 

Wenden  wir  uns,  bevor  wir  eine  bestimmte  Ent- 
scheidung versuchen,  wieder  zu  der  Hauptdar- 
stellung zurück.  Dieselbe  erinnert  in  ihrer  Gesammt- 
heit  auf  den  ersten  Blick  au  Darstellungen  des 
bacchischen  Thiasos  mit  dem  jugendlich  gebildeten 
Dionysos  als  Mittelpunkt '").  Die  Mehrzahl  der 
Figuren  gehört  dem  bacchischen  Kreise  an,  dem 
auch  Aphrodite  und  Eros  (die  Erstere  dürfen  wir 
ohne  Weiteres  in  der  sich  spiegelnden  Frau  er- 
kennen) nahe  stehen.  Stellt  aber  die  Mittelfigur 
wirklich  den  Dionysos  dar?  Bei  näherer  Betrach- 
tung wird  man  diese  Frage  entschieden  verneinen 
müssen.  Allerdings  führt  Dionysos  auch  sonst  ge- 
legentlich das  Scepter  (z.  B.  Man.  d.  I.  X,  51),  aber 
nicht  ohne  durch  anderes,  ihm  ausschliesslich  eigen- 
thümliches  Beiwerk  näher  bezeichnet  zu  sein.  Sol- 
ches fehlt  hier  durchaus,  während  es  dem  Künstler 
ein  Leichtes  gewesen  wäre,  dem  Gott  z.  B.  einen 
Kantharos  in  die  freie  Hand  zu  geben.  Dies  hat 
er  nicht  nur  unterlassen,  sondern  diese  Gestalt  an- 
scheinend mit  Absicht  von  der  bacchischen  Um- 
gebung unterschieden.  Sie  allein  trägt  keine  Perl- 
schnüre um  die  Brust,  ihre  Haltung  ist  majestätisch 
und  ebenso  wenig  für  einen  Dionysos  passend,  wie 
es  das  den  ganzen  unteren  Theil  des  Körpers  um- 
hüllende Himation  ist.    Ist  aber  nicht  Dionysos,  so 

8)    Mon.  d.  Inst.  XI,  4.  5. 

')  Dies  ist  der  Sinn  der  Anmerkung  Ann.  d.  I.  1879. 
p.  303,  1,  deren  zweiter  Theil  durch  uncorrecte  Wiedergabe 
meines  Manuscripts  das  Gegenthcil  zu  besagen  scheint,  wodurch 
die  ganze  Anmerkung  sinnlos  wird. 

'»)    Vgl.  z.  B.  Mon.  d.  Inst.  X,  3;  Denkm.   d.  a.  K.  I[.  585. 

6» 


87 


G.  Körte,  Krater  ans  Caere. 


88 


kann  nur  Zeus  gemeint  sein,  den  das  Seepter  als 
König  der  Götter  genügend  cliaraiiterisirt. 

Schon  oben  haben  wir  aus  der  Beschreibung  der 
einzelnen  Figuren  gesclilossen,  dass  eine  bestimmte 
Handlung  dargestellt  sei.  Der  Satyr  rechts  und  der 
Jüngling  links  von  Zeus  wetteifern  im  Leierspiel, 
die  Gegenwart  des  Zeus  verbietet,  an  eine  gelegent- 
liche Uebung  innerhalb  des  dionysischen  Thiasos 
zu  denken.  So  drängt  sich  die  Deutung  auf 
Apollo  und  Marsyas  unwillkürlich  auf.  Erst  bei 
dieser  Deutung  findet  die  Geberde  des  Satyrs  zur 
Linken,  welche  so  offenbar  einen  besonderen  Sinn 
hat,  eine  genügende  Erklärung.  Er  scheint  seinem 
Genossen  zuzurufen:  das  ist  unser  Instrument 
(die  Flöte  nämlich),  warum  versuchst  du  dich  im 
Wettstreit  auf  einem  fremden  (der  Leier),  in  dem 
du  unterliegen  musst! 

Es  ist  wahr,  dass  auf  einem  anderen  etruski- 
schen  Monument,  dem  Spiegel  Gerh.  Taf.  308,  beide 
Instrumente  in  Gegenwart  des  Dionysos  und  der 
Ariadne  (?)  "),  von  je  einem  Satyr  gespielt  werden 
in  einer  Weise,  dass  man  an  eine  Art  Wettstreit  den- 
ken kann.  Wer  aber  beide  Darstellungen  mit  ein- 
ander vergleicht,  wird  der  grossen  Verschiedenheit 
derselben  leicht  inne  werden  und  erkennen,  dass  auf 
der  Vase  nicht  nu  einen  Wettstreit  zwischen  den 
beiden  Satyrn  mit  Leier  und  Flöte  zu  denken  sei. 
Die  übrigen  Figuren  fügen  sich  leicht  der  gegebe- 
nen Deutung. 

Der  Jüngling  in  der  Chlamys,  welcher  mit  so  ge- 
spannter Aufmerksamkeit  den  Vorgang  verfolgt,  ist 
Olympos,  des  Marsyas  Schüler").  Aphrodite  und  Eros 
sind  auch  auf  der  Vase  von  Ruvo  Arch.  Zeitung  1869 
Taf.  17  bei  dem  Wettstreit  zugegen.  Als  Richter 
fungirt  Zeus  selbst,  wie  er  auf  der  oben  citirten 
ruveser  Vase  in  der  Mitte  der  oberen  Reihe  zu- 
gegen ist.  Ihn  erkenne  ich  auch  in  dem  bärtigen 
Manne  mit  Seepter,  der  von  Stephani  Comple  rendu 
1862    Taf.   VI,   2   publicirten   Vase,    welchen   der 

")  Gerhard  meint,  dass  die  Frau  geflügelt  sei;  mir  scheint 
eher,  dass  sie  die  L.  innerhalb  eines  Obergewandes  erhebe. 

''•')  Ohne  phrygische  Mütze  oder  sonstiges  Kennzeichen  des 
Asiaten  erscheint  derselbe  auch  auf  den  Vasen  Mon.  II,  37  und 
Arch.  Zeitg.  18ÜM,  Taf.  18,  sowie  auf  mehreren  pompejanischen 
Wandgemälden. 


Herausgeber  als  einen  „Bewohner  von  Nysa"  deutet 
(S.  116)  ").  Dass  der  Mythus  den  etruskischen 
Künstlern  nicht  unbekannt  war,  zeigen  die  Spiegel 
Gerhard  Taf.  295  und  296,  welche  die  Vorberei- 
tung zur  Schindung  des  Marsyas  darstellen. 

Zugegeben  werden  muss  freilich,  dass  der  von 
uns  als  Apollo  gedeutete  Jüngling  vom  Künstler 
nicht  völlig  deutlich  als  solcher  gekennzeichnet  ist, 
wenn  auch  das  Aeussere  desselben  zu  dieser  Deu- 
tung recht  gut  stimmt.  Ihn  etwa  als  Olympos  zu 
deuten,  verbietet  der  Jüngling  links  unten,  welcher 
dann  unerklärt  und  überflüssig  bliebe.  Auch  glaube 
ich,  dass  durch  die  Gegenwart  des  Zeus  und  durch 
die  Motive  der  übrigen  Figuren  die  Deutung  auf  den 
Wettstreit  zwischen  Apoll  und  Marsyas  genügend 
gesichert  ist.  Unter  den  übrigen  Darstellungen 
dieses  Mythos  steht  der  unsrigen  die  Vase  Mon.  d. 
Inst.  VIII,  42  am  nächsten.  Michaelis  '^)  hat  er- 
kannt, dass  es  sich  dort  um  einen  Wettkampf  auf 
der  Leier  zwischen  Apoll  und  Marsyas  handele. 
Unsere  Vase  gewährt  ein  zweites  Beispiel  dieser 
von  der  gewöhnlichen  Ueberlieferung  abweichenden 
Darstellung  des  Mythos.  Dass  diese  auf  einer  be- 
sonderen Form  der  Sage  beruhe,  wonach  Apollo 
von  dem  Satyr  eine  Probe  im  Leierspiel  verlangt 
habe,  glaube  ich  freilich  nicht.  Vielmehr  scheint 
mir  die  Abweichung  von  der  gewöhnlichen  Sagen- 
form lediglich  auf  Rechnung  des  Künstlers  zu  setzen, 
dem  nur  im  Allgemeinen  die  Vorstellung  von  der 
Künstlerüberhebung  des  Marsyas  und  seiner  Gegner- 
schaft gegen  den  Gott  des  Leierspieles  vorschwebte 
und  dem  die  nicht  seltenen  Gestalten  leierspielender 
Satyrn  geläufig  waren.  Es  scheint  mir,  dass  diese 
Auffassung  durch  den  etruskischen  Ursprung  un- 
serer Vase  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt. 

Was  endlich  die  Deutung  der  Rückseite  betrifft, 
so  werden  wir  in  der  Mittelfigur  auch  hier  den 
Zeus  zu  erkennen  haben.  Die  Verschiedenheit 
seiner  äusseren  Erscheinung  von  dem  Zeus  der 
Vorderseite  erklärt  sich  durch  den  verschiedenen 
Cliarakter  beider  Darstellungen  und  die  verschiedene 

")  Die  Abbildungen  einer  anderen  von  Stephani  citirten 
Vase  mit  einer  ähnlichen  Gestalt  (Gerhard,  Ant.  15ild\v.  27; 
lil.  (;&.  II.  t)4)  sind  mir  nicht  zur  Hand. 

'*)    Arch.  Zeitg.  1869,  S.  42. 


89 


A.  roiizo,  Goldsclinmok. 


90 


Rolle,  welche  Zeus  dabei  spielt.  Dort  ist  er  der 
Richter  in  einem  wichtigen  und  denkwürdigen  Wett- 
streit, hier  der  fröhliche  Genosse  baccliischer  Lust. 
Ob  diese  Gegenüberstellung  vom  Künstler  beabsich- 
tigt sei,  lassen  wir  dahingestellt  sein;  dass  er  den 
Zeus  auch  auf  der  Rückseite  darstellen  wollte, 
scheint  doch  der  Blitz  zu  beweisen;  denn  sichere 
Beispiele  der  Ucbertragung  dieses  Attributes  auf 
andere  Götter,  ausser  auf  die  im  Gigantenkampf  ge- 
dachte Athene,  sind  mir  nicht  bekannt '  ■■).   Auch  diese 


")  Auf  dem  Rande  eines  Spiegels  von  Palestrina,  im  Besitze 
des  Herrn  Dutuit  in  Ronen  {Gaz.  urchiol.  1878,  pl.  17.  18), 
sieht  man  in  der  oberen  Hallte  ein  Gelage  von  5  männlichen 
Figuren,  von  denen  4  unbärtig  sind;  einer  der  Zecher  trinkt  aus 
einer  Phiale,  so  dass  die  untere  Hälfte  des  Gesichts  verdeckt  ist. 
Er  hält  im  1.  Arm  den  Blitzstrahl.  Was  man  vom  Gesicht 
sieht  und  die  Umgebung  würde  eher  zum  Dionysos  als  zum 
Zeus  passen.  Am  1.  Ende  der  Darstellung  bläst  eine  jugend- 
liche, ganz  nackte  männl.  Figur  die  Doppelflöte,  ihr  Kopf  scheint 
vorn  kahl.     Wahrscheinlich  ist  es  ein  jugendlicher  Satyr. 


Darstellung  gehört  also  unter  die  oben  angeführten 
Beispiele  der  Annäherung  des  Zeus  und  Hades  an 
den  Dionysos  ^  für  das  umgekelirte  Verfaiiren  fehlt 
es  eben  an  Beispielen.  In  dem  tanzenden  Jüngling 
zur  Rechten  möchte  ich  den  Gott  des  Weines  selbst 
erkennen;  an  sich  istesaucli  möglich,  einen  mensch- 
lichen Thiasoten  in  demselben  zu  sehen. 

Schliesslich  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass, 
wenn  der  vorstehende  Deutungsversuch  in  manchen 
Punkten  der  völligen  Sicherheit  entbehrt,  dies  eben 
in  dem  etruskischen  Ursprung  des  Gefässes  seinen 
Grund  hat.  Ist  es  schon  an  sicii  schwer,  in  dem 
Bestreben,  den  Gedanken  der  Künstler  nachzu- 
gehen, die  richtige  Grenze  inne  zu  halten,  so  gilt 
dies  besonders  von  den  etruskischen  Erzeugnissen, 
deren  Verfertiger  sich  den  Gestalten-  und  Gedanken- 
kreis einer  fremden  Kunst  in  mehr  äusserlicher 
Weise  angeeignet  haben. 

Rostock.  G.  Körte. 


G0LD8CHMUCK  KLEINASIATISCHER  FUNDORTE. 


(Tafel  7.) 


Wir  haben  auf  Tafel  7  nach  Zeichnungen  Karl  Hu- 
manii's  die  Abbildung  eines  Goldschmucks  gegeben, 
welcher  sich  im  Jahre  1882  noch  vollständig  im 
Besitze  des  Herrn  Lawson  in  Smyrna  befand,  nach 
dessen  Angabe  er  am  Golf  von  Eläa  gefunden  ist.  Im 
Winter  1883  sah  ich  nur  noch  das  Diadem  bei  Herrn 
Lawson  und  konnte  so  die  Zeichnung  Humann's, 
zu  deren  Controle  auch  noch  eine  Photographie  auf- 
genommen wurde,  mit  dem  Originale  vergleichen. 
Mit  den  übrigen  Gegenständen  war  das  nicht  mehr 
möglicli;  sie  waren  bereits  in  anderen  Besitz,  un- 
nachweisbar wohin,  übergegangen. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  das 
Ganze  aus  einem  Grabe  als  Schmuck  einer  weib- 
lichen Verstorbenen  stammt.  Leichte  Waare,  zum 
Gebrauch  im  Leben  ungenügend,  eigens  für  den 
Todtenschmuck  augefertigt,  hat  es  diesem  Zwecke 
über  Jahrtausende  hin  entsprochen. 


Das  Diadem  (n.  1)  ist  aus  dünnem  Goldblech  ge- 
macht. Es  hat  an  jedem  Ende  einen  Schlitz  zur  Durch- 
fuhrung eines  Bandes  und  zur  Befestigung  am  Kopfe 
der  Todten.  Das  zierliche  Palmettenornament  ist 
von  der  Rückseite  eingepresst;  es  wiederholt  sich 
nach  beiden  Seiten  hin  symmetrisch,  doch  mit 
derjenigen  Freiheit,  welche  das  griechische  Orna- 
ment vor  Langweiligkeit  bewahrt.  Auf  den  bei- 
den Seitenvoluten  der  Mittelpalmette  sitzen,  ein- 
ander entsprecliend,  nach  aussen  gekehrt,  zwei 
geflügelte  weibliche  Wesen;  von  ihrer  Bekleidung 
mit  einem  langen  Chiton  sind  Spuren  an  den 
Beinen  noch  eben  kenntlich.  Sie  hatten  eine  jede, 
das  eine  Mal  in  der  rechten,  das  andere  Mal  in  der 
linken  Hand,  eine  brennende  Fackel  mit  breiter 
Manchette,  ein  Geräth,  über  welciies  wir  ßötticher 
eine  Zusammenstellung  in  dieser  Zeitung  XVI,  1858, 
Taf.  CXVII,   S.  199ft".   verdanken.     Den  Ursprung 


91 


A.  Coiize,  Goldschnmck. 


92 


dieser  hier  ornamental  verwendeten  Gestalten  möchte 
ich  im  dionysischen  Kreise  mit  Bezug-  auf  dessen 
nächtliche  Feiern  suchen. 

Als  aus  noch  dünnerem  Goldbleche  wie  das 
Diadem  gearbeitet  bezeichnet  Humann  die  neun 
viereckig  eingerahmten  Plättchen,  n.  2 — 7  unserer 
Tafel,  von  denen  n.  5  doppelt,  n.  7  dreifach  vor- 
handen war;  Huniann  meinte,  dass  auch  n.  2  und  4 
Wiederholungen  aus  derselben  Form  sein  könnten. 
Unregelmässig  eingeschlagene  Löcher  dienten  offen- 
bar zum  Aufheften  dieser  Plättchen  auf  irgend- 
welches Kleidungsstück,  ein  Verfahren,  für  welches 
uns  die  südrussischen  Gräber  so  besonders  zahl- 
reiche Belege  geliefert  haben  (vergl.  z.  B.  Compte 
rendu  pour  fannee  1864,  S.  181  f.  zu  Taf.  V,  6 — 9. 
1865,  S.  49  zu  Taf.  II,  7—9).  Von  den  eingepressten 
Köpfen  erkennt  man  n.  5  und  7  leicht  als  tra- 
gische und  komische  Maske,  n.  6  vielleicht  als 
Silen,  während  ich  n.  2  und  4  wie  n.  3,  zumal 
allein  nach  der  Zeichnung,  nicht  zu  bestimmen 
wage. 

Den  Schmuck  der  Todten  vervollständigte  ein 
Halsgehänge,  von  welchem  die  unter  n.  8—12  ab- 
gebildeten runden  Goldplättchen  herrühren,  welche 
mit  einer  Oese  zum  Aufreihen  auf  einer  Schnur  ver- 
sehen sind.  Humann  giebt  an,  dass  sie  etwas 
stärker  als  die  Plättchen  n.  2 — 7,  und  dass  ihrer 
neun  waren;  er  bezeichnet  diejenigen  nicht,  welche 
von  den  fünf  abgebildeten  etwa  wiederholt  vor- 
handen waren.  Audi  hier  bildet  jedes  Mal  ein  eiu- 
gepresster  Kopf  oder  vielmehr  ein  Brustbild  den 
Zierrath,  kenntlich  n.  9  als  Helios,  n.  10  anschei- 
nend als  Athena,  n.  12  als  Eros. 

N.  13a  und  13b  sind  ersichtlicher  Weise  die 
Ohrringe,  in  der  Zeichnung  anders  gestellt,  als  sie 
im  Ohre  hängen  würden.  Nacii  Humann's  Angabe 
waren  auch  sie  von  Gold  und  in  den  dünnen 
Theilen  massiv,  in  den  phantastischen  Tiiierköpfen 
hohl  gearbeitet. 

Endlich  n.  14  zeigt  einen  massiv  goldenen  Finger- 
ring, auf  seiner  Platte  erhaben  einen  Athenakopf 
mit  dreibuschigem  Helme. 

Das  Diadem  ist  auf  unserer  Tafel  ein  wenig 
verkleinert;  es  misst  0,33  M.  in  der  Länge,  inmitten 


in  der  Höhe  0,075  M.     Die  übrigen  Stücke  sind  in 
ihrer  wirklichen  Grösse  abgebildet. 

Ausser  diesem  allem  Anscheine  nach  zusammen- 
gehörigen Schmucke  sah  ich  im  Besitze  des  Herrn 
Lawson  noch  vier  kleine  Diademe,  etwa  0,15  bis 
0,19  M.  lang,  mit  Löchern  an  beiden  Enden  zur 
Befestigung,  wohl  von  Kinderleichen  lierrtthrend. 
Dem  dünnen  Blatt  ist  jedes  Mal  etwa  dasselbe  ein- 
fache Epheuornament  eingepresst,  wie  es  hierneben 
skizzirt  ist. 


Wir  haben  die  Gelegenheit  benutzt,  mit  die- 
sem Lawson' sehen  Goldschmucke,  den  Humann's 
Zeichnungen  noch  gerade  vor  seiner  Zerstreuung 
als  ein  Ganzes  bewahrt  haben,  ein  ähnliches 
Todtendiadem  der  Aufmerksamkeit  der  Archäo- 
logen näher  zu  rücken.  Es  wurde  in  der  Samm- 
lung Calvert  an  den  Dardanellen,  als  aus  Abydos 
herrührend,  von  Stark  bemerkt  (Nach  dem  griech. 
Orient  S  379),  von  Alois  Hauser  daselbst  im  Jahre 
1873  gezeichnet  und  von  ihm  in  Teirich's  Blättern 
für  Kunstgewerbe  B.  V,  Heft  4  herausgegeben.  Da- 
nach ist  untenstehende  Abbildung  verkleinert  herge- 
stellt. Hauser's  Zeichnung  ist  in  natürlicher  Grösse 
gehalten,  0,285  M.  lang,  in  der  Mitte  0,06  M.  hoch; 
Stark  giebt  die  Länge  auf  0,29,  die  Höhe  auf  0,03 
an.  Das  in  das  Blech  eingepresste  Ornament  zeigt 
reiche  figürliche  Bestandtheile.  Wie  ich  bei  dem 
grösseren  Lawson'schen  Diadem  nur  vermuthen 
konnte,  wozu  aber  auch  der  Epheuschmuck  der 
kleineren  Diademe  daselbst  passt,  sind  hier  die 
Haui)tfiguren  deutlich  dem  an  Beziehungen  zum 
Todtenkultus  ausgiebigen  bacchischen  Kreise  ent- 
nommen. Dionysos  und,  um  einen  geläufigen  Namen 
zu  gebrauchen,  Ariadne,  beide,  er  in  seiner  rechten, 
sie  in  ihrer  linken  Hand  mit  dem  Thyrsos,  neben  ihm 
der  Pantlier,  sitzen  auf  dem  Blattkelch  in  der  Mitte, 
in  ornamentalem  Sichentsprechen  gru])pirt,  nicht 
ganz  unähnlich  wie  die  beiden  Mittelgestalten  auf 
dem  Sarkopliage  Casali  (Matz-Duhn,  n.  2344,  jetzt 


93 


ü.  Löschcke,   TganiZm. 


94 


in  Kopenliagener  Privatbesitz).  Jederseits  sitzen 
weiterhin  auf  dem  Ranivenwerk  entlang  in  etwas 
einförmiger  Anordnung-  vier  weibliche  Gestalten, 
alle  musicirend,  je  drei  auf  dem  Trigonon,  je  eine 
auf  der  Kithara.     Von  der  Rolle   zum  mündlichen 


Vortrage,  welche  nach  Stark's  Angabe  je  eine  beider- 
seits halten  soll,  sehe  ich  nichts. 

Die  Si'immtlichen  hier  zusammengestellten  Todten- 
schmucksachen  rühren  gewiss  aus  hellenistischer  Zeit 
her;  dafür  spricht  die  Formenbildung. 

A.  C. 


TPAPEIAI. 


Die  einzigen  Grabmäler,  die  Demetrios  von 
PhaleroL  gestatten  wollte,  waren  nach  Cicero 
Legg.  II  26,  66:  „eine  kleine  Säule,  nicht  höher  als 
3  Ellen"  oder  „ein  Tisch"  oder  „ein  kleines  Becken." 
Die  columellae  müssen  entsprechend  den  columnae^ 
von  denen  unmittelbar  vorher  bei  der  solouischen 
Gesetzgebung  die  Rede  ist,  als  kleine  aifjXai  ge- 
fasst  werden,  also  schmale  Platten,  deren  Höhe  auf 
3  ni]X£ii:,  knapp  l'/,  Meter,  beschränkt  wird. 

Was  sind  aber  tnensae  und  laheUa? 

Ich  nehme  als  selbstverständlich  an,  dass  De- 
metrios keine  neuen  Formen  für  Grabmäler  erfunden, 
sondern  die  Anwendung  der  vorhandenen  auf  die  ein- 
fachsten und  deshalb  —  trotz  allem  Luxus  —  ohnehin 
schon  verbrfeitetsten  I)eschränkt  hat.  Es  ist  daher  zu 
erwarten,  dass  mensae  und  labeltu  in  unserm  Vorrath 
sepulcraler  Sculpturen  des  IV.  Jahrhunderts  einen 
breiten  Raum  einnehmen. 

Becker-Goel  1 ')  erklären  die  mensae  für  Würfel 
oder  andere  viereckige  Steine,  die  oben  eine  glatte 
Fläche  darboten,  während  an  den  Seiten  sich  vielleicht 
Reliefs  befanden.  Uebereinstimmend  hiermit  glaubt 
sie  Herr  St.  Kumanudes'O  iu  oblongen,  kasten- 
oder  tischartigen  Grabaufsätzen  mit  Sockel  und  Sims 
wiedererkennen  zu  dürfen,    wie    sie   mehrfach   bei 

')  Charikles  111  S.  147. 

■)  'fCTiiyn.  (jtnvußioi  \<.  XVI.  Ein  Exemplar  ist  abgebildet 
Curtius  u.  Kaiipert,  Atlas  von  Athen  Bl.  IV  hinter  111. 


Hagia  Triada  ausgegraben  worden  sind^).  Aber 
bei  seiner  Inventarisirung  der  Antiken  Athens  hat 
L.  V.  SybeP)  nur  11  derartige  Monumente  vor- 
gefunden, und  diese  vertheilen  sich  nach  Ausweis 
der  Inschriften  auf  drei  Jahrhunderte;  drei  von 
ihnen  gehören  überdiess  derselben  Familie  an.  Jene 
tisch  artigen  Aufsätze  sind  also  nur  eine  vereinzelt 
auftretende  Form  des  Grabmals,  was  sich  bei  ihrem 
schwerfälligen ,  lastenden  Charakter  leicht  erklärt. 
Ja  ursprünglich  waren  sie,  wie  es  scheint,  nicht  ein- 
mal als  selbständiger  Grabschmuck  gedacht,  sondern 
dienten  nur  als  Untersatz  für  marmorne  Grabvasen. 
Bei  den  Nummern  3348  —  50  Sybel's  sind  die  Füsse 
dieser  Vasen  noch  auf  der  Oberfläche  erhalten,  bei 
2486,  2502,  2514  ist  als  Ersatz  für  die  nie  auf- 
gestellte Vase  an  der  Seite  eine  Amphora  in  Contur 
eingerissen.  Andere,  künstlerisch  mehr  selbständige 
Reliefs  finden  sich  an  diesen  Monumenten  nie:  sie 
machen  einen  fast  ärmlichen  Eindruck. 

Dies  Alles  steht  nicht  im  Einklang  mit  dem  was 

^)  Stark  und  B  lii  mn  er  zu  Uerniauns  Lehrbuch  d.  Griech. 
Privatalterthümer  S.  3S;3  verweisen  auf  Becker,  Kumanudes  und 
V.  Sybel,  ohne  Eigenes  zu  bieten.  Blass,  Att.  Beredsamkeit  II 
S.  !)1  denkt  an  Tische  oder  tafelförmige  Untersütze  mit  Statuen. 
Aber  dann  wären  doch  die  Statuen  die  Hauptsache  und  man 
würde  das  Ganze  nicht  iitiinfLai,  mensae  genannt  haben.  Ziemlich 
das  Richtige  steht  bei  Cavedoni,  Bullet,  dell'  Inst.  1857  [).  140 
und  in  l'assows  Wörterbuch  s.  v. 

*)  Skulpturen  z.  Athen  S.  XI. 


95 


G.  Lösehcke,   Toänt'Cat. 


96 


wir  sonst  über  rgänsCat  als  attischen  Grabsclimuck 
wissen.  Wir  sind  darüber  verliältnissmässig  gut  unter- 
richtet durch  die  kostbaren  Bruchstücke  der  vielleicht 
vonPolemon  revidirtenGräberperiegese  des  Diodoros, 
die  sich  in  den  Lebensbeschreibungen  der  10  Redner 
erhalten  haben.  Aus  ihnen  ergiebt  sich,  dass  die 
TQaneCa,  wie  ich  schon  aus  dem  Gesetz  des  De- 
metrios  glaubte  folgern  zu  müssen,  wohl  die  ver- 
breitetste  Form  des  Grabmals  im  IV.  Jahrhundert 
gewesen  ist.  Männer-  undFraueu-,  Staats-  und  Privat- 
gräber sind  damit  geschmückt,  und  manche  wohl- 
habende und  gebildete  Familie  wählt  sie  ausschliess- 
lich als  uvfj^ta  für  ihre  Angehörigen.  So  standen 
zgäne^lai  auf  den  Staatsgräbern  des  Lykurg  und 
seiner  Söhne '^),  sechs  zgänsCai  auf  den  Gräbern 
der  Angehörigen  des  Isokrates,  und  auch  dessen 
Grab  hatte  eine  eigene  rganeCa,  obgleich  es  ausser- 
dem noch  durch  die  Säule  mit  der  Sirene  aus- 
gezeichnet war'^).  Figürlicher  Schmuck  war  an 
ihnen  häufig.  Die  auf  den  lykurgischen  Gräbern 
aufgestellten  heissen  a.  a.  0.  nsnmtjintvai  „kunst- 
voll gearbeitet",  und  welcher  Art  die  Darstellungen 
waren,  zeigt  das  schon  erwähnte  Grabmal  des 
Isokrates,  auf  dem  man  den  Redner  sah  umgeben 
von  den  hellenischen  Dichtern  und  von  seineu 
Lehrern  —  unter  diesen  Gorgias  auf  eine  Himmels- 
kugel blickend  — ,  also  den  Verstorbenen  im  Eiysium 
in  Mitten  seiner  Geistesverwandten,  genau  wie  wir 
ihn  in  Mitten  seiner  Blutsverwandten  auf  den  uns 
erhaltenen  Grabreliefs  dieser  Epoche  zu  sehen  ge- 
wohnt sind'). 

Ich  brauche  es  wohl  kaum  auszusprechen,  dass 
ich  in  diesen  Grabreliefs,  speciell  den  von  minder 

5)  Vit.  X.  or.  p.  842  E. 

6)  a.  a.  0.  p.  838  C. 

')  Mit  mehr  Recht  als  auf  die  Vase  der  Myrrhine,  die 
Benndorf  in  den  Mitth.  d.  Inst.  IV  S.  183  schön  erklärt  hat, 
hätte  sich  Ravaisson  für  seine  Annahme,  dass  die  attischen 
Grabreliefs  Scenen  im  Eiysium  darstellen,  auf  die  rgecTif^«  des 
Isokrates  berufen  können  und  auf  die  Dichterstatuen  beim  Grabe 
des  Theodektes  (Vit  X.  or.  837  D).  Aber  gerade  diese  Dar- 
stellungen auf  den  Gräbern  von  „Geisiesheroen"  des  IV.  Jahrhun- 
derts, charaktcrisiren  sich  als  Ausnahmen  von  altattischer  An- 
schauung und  Vorläufer  hellenistischer  Denkweise.  Auch  in  for- 
meller Beziehung  scheint  sich  das  Grabrelief  des  Isokrates  von  den 
gewöhnlichen,  an  phidiasischer  Tradition  festhaltenden  Grabreliefs 
unterschieden  und  einen  für  seine  Zeit  modernen,  dem  hellenisti- 
schen sich  nähernden  Charakter  getragen  zu  haben.  Wenigstens  er- 
innert die  Darstellung  der  o(/  «('yn  iimi>oXoyiyt.ij  unmittelbar  an  das 
hellenistische  Relief  aus  ScherschelArch.  Zeit.  18G2  Taf.  CLXVI,  1. 
Ob  der  Umstand,  dass  Isokrates,  wie  es  scheint,  in  Eleusis  ge- 
weiht war,  auf  den  Schmuck  seines  Grabes  von  Einfluss  gewesen 
ist,  lässt  sich  noch  nicht  sicher  entscheiden. 


gestreckter  Form  im  Gegensatz  zu  den  schlanken 
an^lni  die  Denkmälergattung  sehe,  die  Demetrios 
und  die  Periegeten  als  TganeCai  bezeichneten  und 
der  auch  wir  diesen  Namen  wiederzugeben  haben. 
Fast  möchte  es  selbstverständlich  scheinen,  dass 
ein  Schmuck,  der  —  ein  Höchstes  in  seiner  Art  — 
uns  noch  heute  durch  stillen  Zauber  die  Metoiken- 
gräber  an  der  Piräischen  Strasse  weiht,  dem  vom 
Volke  geschmückten  Hügel  eines  Eteobutaden  nicht 
gefehlt  hat.  Aber  auch  wer  für  solche  Argumentation 
unzugänglich  ist,  wird  durch  die  bezeugte  weite 
Verbreitung  der  TgänsLai  und  durch  die  Art  ihres 
Bildschmucks  gedrängt,  sie  mit  jenen  Reliefs  zu 
identificiren.  Und  ihre  Benennung  igansl^vti  d.  h. 
nicht,  wie  Cicero  übersetzt  hat,  metisae  sondern 
iabulae,  nicht  „Tische"  sondern  „Tafeln",  steht  damit 
in  bestem  Einklang.  Denn  neben  den  Tischen 
älterer  Form  mit  vier  hohen  Füssen,  verwendete 
man  in  Athen  auch  starke  oblonge  Platten,  die  un- 
mittelbar auf  den  Fussboden  gelegt  wurden,  als 
Tische*).    Brauchte  man  sie  nicht,    so  standen  sie 

')  Ein  gutes  Beispiel  aus  dem  IV.  Jahrhundert  bietet  der 
Deiuos  der  Sammlung  Saburoff,  herausgegeben  von  A.  i'urt- 
waengler  Taf.  LVII.  Vergl.  auch  die  Kindertischchen  bei 
Ileydemann  G.  Vb.  XII  9.  10.  Für  frühere  Zeit  wird  diese 
Form  des  Tisches  bezeugt  durch  die  Gestalt  des  Altars  auf  der  be- 
kannten Lekythos  Mi  Hingen,  Arte,  mied,  mon.  pl.  29  =  Welcker, 
A.  D.  III  Taf.  XVII,  1 :  Nike  mit  Scepter  und  Aphlaston  in  den 
Händen  vor  einem  ganz  niedrigen  Altar  stehend,  auf  dem  als 
Opfergabe  ein  Apfel  liegt.  Ich  glaube  übrigens,  dass  dieses 
Vasenbild  uns  über  die  Form  des  Altars  der  Athena-Nike  auf 
dem  Pyrgos  belehrt.  Der  Apfel  weist  deutlich  auf  die  Cultstätte 
dieser  Göttin  hin  (Kekule,  die  Reliefs  a.  d.  Balustrade  d.  Athena- 
Nike  S.  25)  und  ein  höherer,  mehr  würfelförmiger  Altar  würde 
den  ohnehin  so  beschränkten  Raum  vor  dem  Tempel  noch  mehr 
beengt  haben.  Da  die  Nike  in  ihrer  abgeschlossenen  Composi- 
tion  und  mit  ihren  ungewöhnlichen  Attributen  ganz  den  Ein- 
druck macht  nach  einem  statuarischen  AVeihgeschenk  für  einen 
Seesieg  gezeichnet  zu  sein,  so  legt  es  der  Stil  des  Bildes  nahe 
als  Vorbild  an  die  eherne  Nikestatue  zu  denken,  die  nach 
Paus.  IV  36,  6  die  Athener  zum  Andenken  an  die  Land-  und 
Seekämpfe  bei  Sphakteria  auf  die  Burg  weihten.  Sollten  die 
sinnlosen  Buchstaben  an  dem  Altar:  KO0V^  (der  fünfte 
ist  unsicher)  durcheinander  geworfene  Elemente  des  Namens 
KiiQvij i'iaiov  sein?  Gelegentlich  mag  noch  an  eine  andere  Vase 
erinnert  werden,  auf  der  eine  Figur  der  Grosskunst  copirt  zu 
sein  scheint:  die  Florentiner  Oenochoe  mit  der  reitenden  Selene, 
publicirt  von  Ileydemann,  Mittheil.  a.  d.  Antikensammlungen 
in  über-  u.  Mittelitalien  Taf.  III,  2.  Das  Vorbild  war  hier  die 
Selene  in  der  Pandorageburt  an  der  Basis  der  Parthenos,  deren 
Pferd,  nach  Ausweis  der  Lenormant'schen  Statuette,  ganz  wie  es 
das  Vasenbild  zeigt,  den  Kopf  bis  zur  Erde  neigte.  Dies  schöne 
Motiv,  das  die  Composition  so  leise  ausklingen  lässt,  löst  die 
Schwierigkeit,  Selene  nicht  scheinbar  gegen  den  seitlichen  Rand 
anreiten  zu  lassen,  in  einer  des  Phidias  würdigen  Weise  und 
vollendet   die   Responsion   mit   dem   steil   aufsteigenden  Gespann 


97 


G.    Lösclickc,    l\jdntZ(u. 


98 


vcrniutlilicli,  g-anz  wie  es  bei  eutspreclienden  Tiscb- 
platten  aucli  licute  in  Griecbenlaud  landesüblich  ist, 
auf  der  sclinialen  Kante  gegen  die  Wand  gelehnt  und 
forderten  in  dieser  Aufstellung  den  Vergleich  mit 
den  Iteliefiilatfen  der  Griiber  gleichsam  heraus. 
Zuerst  wird  man  die  Grabsteine  mit  horizontalem 
Abschluss,  wie  dasKeliefdessalaminischenJüngliugs, 
der  mit  Katze  und  Vogel  spielt  (v.  Sybel  7())  oder 
das  Gemälde  auf  dem  Grabe  des  Agathon  (Curtius- 
Kaupert  Atlas  Bl.  IV,  VI),  als  iqämtai  bezeichnet 
haben.  Aber  auch  bei  den  mit  flachem  Giebel  ab- 
schliessenden Steinen,  von  Hegeso  und  Dexileos 
bis  Demetria,  ist  die  Grundform  doch  so  ausge- 
sproclien  tafelförmig,  dass  man  leicht  versteht,  wie 
sie  unter  den  Namen  iQam'Cai  einbegrifi'eu  werden 
konnten.  Es  ist  nun  ganz  unglaublich,  dass  Demetrios 
die  Grabreliefs  gestattet,  die  noch  anspruchsloser 
auftretenden  Grab v äsen  verboten  haben  sollte. 
Vielmehr  scheinen  sich  diese  unter  den  von  Cicero 
erwähnten /n6e//a  zu  verbergen.  Becken  und  Schüsseln 
sind  nie  als  häutiger  Schmuck  auf  die  Gräber  gestellt 

des  Helios.  Wir  haben  am  Fusse  dieses  Axifsatzes  die  Figur  der 
Oenochoe,  nach  Ileydemanns  Publikation  verkleinert,  und  die  ent- 
sprechende der  Lenormant'schen  Basis,  nach  dem  Berliner  Gips- 
abguss  neu  gezeichnet,  zum  Vergleich  nebeneinander  gestellt. 
Ueber  Darstellungen  der  reitenden  Selene  vergl.  ausser  Heyde- 
mann  a.  a.  O.  Furtwängler,  Sammlung  Saburoff  Taf.  XLIIl. 
und  Tirocinium  philoloi/um  sod.  sein.  Bonn.  (1883)  S.  71,  wo  der 
auch  von  Furtwängler  besprochene  Londoner  l'yxisdeckel  von 
F.  Winter  herausgegeben  ist. 


worden,  sonst  müssten  sie  sich  in  unserni  Denk- 
mälervorrath  finden'').  Es  bleibt  also  wohl  nur  die 
Annahme  übrig,  dass  Cicero  ebenso  wie  bei  den 
mensae  ungenau  übersetzt  hat.  Bedenkt  man,  dass 
ihm  die  Namen  griechischer  Gefässe  schwerlich  so 
geläufig  waren  wie  dem  modernen  Archäologen,  so 
dürfte  die  Annahme  doch  vielleicht  nicht  zu  gewagt 
erscheinen,  dass  im  Gesetz  XnvxQocpnqoi  als  Grab- 
schmuck erlaubt  wurden,  Cicero  diese  aber  als 
labella  auffasste,  als  Gefässe,  die  zum  Invead^ai 
dienten.  Vielleicht  findet  ein  Anderer  eine  gefälligere 
Lösung  der  Schwierigkeit;  so  viel  scheint  mir  aber 
schon  jetzt  deutlich,  dass  Demetrios,  weit  entfernt 
von  dem  Versuche  in  bilderstürinerischer  Barbarei 
die  schönen  Grabreliefs  und  Grabvasen  des  IV.  Jahr- 
hunderts unterdrückeu  zu  wollen,  sie  im  Gegen- 
theil  neben  einfachen  Stelen  als  würdigsten  Schmuck 
empfohlen  hat. 

Dorpat.  G.  Loeschcke. 

^)  Ein  zerbrochener,  beckenartig  ausgehöhlter  Block,  der  bei 
Hag.  Triada  liegt  und  wohl  gelegentlich  dort  als  lahellum  ge- 
zeigt wird,  kann  in  seiner  Vereinzelung  nichts  beweisen.  Von 
den  bei  L.  v.  Sybel  a.  a.  0.  S.  X  aufgezählten  Schalen  sind  keine 
nachweislich  auf  einem  Grabe,  drei  sicher  am  Südabhang  der 
Akropolis  gefunden  worden. 

'")  Dass  die  loviijoifonoi  thönerne,  später  auch  in  Marmor 
nachgeahmte  Amphoren  waren,  hat  A.  Milchhoefer  erwiesen 
in  den  Mitthl.  d.  Inst.  V  S.  176.  Vergl.  auch  Herzog,  A.  Z. 
1882  S  131  ft'.  und  Furtwaengler,  Sammlung  Saburoff  zu 
Taf.  LVni   und   LIX. 


Archjiolog.  Zt^'.  Jahrgang  XLH. 


99 


100 


ARCHAISCHER 

(Tafel 

Die  drei  vorliegenden  Tafeln  enthalten  eine 
Eeihe  von  Goldsacheu,  die  ich  wegen  ilirer  hohen 
Alterthümlichkeit  und  der  grossen  Seltenheit  ver- 
wandter Gegenstände  habe  zusammenstellen  lassen; 
sie  stammen  alle  bis  auf  den  grossen  Brustschnmck 
Tat".  10,2  aus  Griechenland  und  befinden  sich 
mit  Ausnahme  von  Taf.  9,5  und  der  dem  kgl.  Mu- 
seum zu  Kopenhagen  gehörigen  Stücke  Taf.  9,1.2 
im  kgl.  Antiquarium  zu  Berlin. 

Die  auf  Taf.  8  vereinigten  Stücke  wurden  zu- 
sammen erworben  als  aus  einem  Funde  in  einem 
Grabe  bei  Korinth  stammend.  Sie  bestehen  aus 
gelbem  Golde. 

No.  1  ist  ein  ganz  dünnes  Goldblech  mit  ein- 
gestempelten Figuren.  Die  Abbildung  ist  wie  die 
der  säuimtlichen  Stücke  dieser  Tafel  in  Original- 
grösse  ausgeführt.  Zu  oberst  läuft  ein  etwas  un- 
regelmässiges Zickzackband.  Dann  folgt  ein  Fries 
mit  der  Richtung  nach  links.  Zunächst  1.  drei  Ken- 
tauren mit  Menschenbeinen;  das  Original  ist  hier 
sehr  zerknittert ;  die  Abbildung  giebt  nur  das  völlig 
Sichere.  Sie  halten  Baumäste  in  den  Händen.  Es 
folgen  zwei  Reiter;  der  Hinterkopf  des  ersten  ist 
mit  einem  Busch  ausgestattet,  den  wir  bei  den  fol- 
genden Figuren  noch  mehrfach  finden  werden,  und 
der  doch  wohl  einen  Helmbuseh  bedeuten  soll. 
Dann  kommen  wieder  zwei  Kentauren  mit  Baum- 
ästen; dieselben  haben  indess  pferdeförmige  Vor- 
derbeine, bei  der  Kleinheit  und  primitiven  Ausfüh- 
rung freilich  mit  minimalem  Unterschied  von  den 
menschlich  gestalteten.  —  Es  folgt  nun  ein  langer 
Zug  von  Menschen,  die,  das  eine  Bein  etwas  he- 
bend, alle  nach  1.  schreiten  und  sich  die  Hände 
auf  die  Schultern  zu  legen  sclieincn,  oder  wohl  eher, 
obwohl  dann  die  Arme  sehr  kurz  gerathen  wären, 
sich  die  Hände  reiclien,  wie  zu  einem  Chorreigeu 
verbunden;  sie  haben,  soweit  kenntlich,  alle  jenen 
Busch  am  Hinterkopf.  Der  vorderste  I.  trägt  eine 
Lanze,  der  fünfte  einen  Gegenstand,  der  ein  Bogen 
sein  dürfte.     Unterbrochen  wird  der  Zug  an  einer 


GOLDSCHMUCK. 

S.  9.  10.) 

Stelle  von  einer  Gestalt,  die  ein  gehörntes  Thier 
mit  langem  Schwänze  herbeiführt  und  in  der  an- 
deren Hand  etwas  hält,  das  ein  gekrümmtes  Messer 
sein  könnte.  Eine  Gestalt  r.  davon  ist  nach  r.  ge- 
wandt wie  ein  Anführer  der  folgenden  Zugabthei- 
lung. Es  scheint  ein  Opferfest  gemeint  zu  sein. 
Zur  Füllung  dient  über  dem  Thiere  ein  kurzer  Stab 
mit  zwei  Aesten.  —  Dasselbe  Motiv  dient  auch 
auf  dem  folgenden,  unteren  Friesstreifen  zur  Fül- 
lung. Er  wird  eröffnet  zur  Linken  durch  zwei 
Reiter  nach  r. ;  dann  folgt  ein  Mann,  der  sein  Ross 
nach  r.  am  Zügel  führt;  ein  Busch  am  Hinterkopf 
ist  gezackt.  Ihm  entgegen  kommen  zwei  Reiter; 
dann  ein  Mann  mit  einer  Lanze,  der  wieder  ein 
gehörntes  Thier  führt,  hinter  dem  ein  Mann  mit 
Buscli  sehreitet,  wenn  er  nicht,  wie  es  eher  scheint, 
darauf  reitet.  Die  Füllung  des  Raumes  ist  ausser 
durch  das  obengenannte  Motiv  auch  durch  ein  Ha- 
kenkreuz und  einen  fliegenden  Vogel  (?)  hergestellt. 
Nun  folgt  wieder  ein  langer  Zug  von  Gestalten,  der 
in  zwei  Theile  zerfällt:  voran  acht  Figuren,  die  sich 
wieder  wie  die  oberen  gegenseitig  an  den  Händen 
fassen  und  den  Busch  tragen,  der  vorderste  hat  eine 
Lanze;  dann  16  Gestalten,  welche  den  einen  Arm  an 
die  Hüfte  des  Vordermanns  legen  und  den  anderen 
hoch  erheben.  Sie  tragen  keinen  Busch;  vielleicht 
sind  hier  Frauen  gemeint  im  Gegensätze  zu  den 
bewaffneten  Männern.  Sämmtliche  Figuren  heben 
den  einen  Fuss  etwas  und  sind  im  Schreiten,  oder 
besser  wohl  im  Tanze  begriffen. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Ganzen,  das  sich  etwa 
als  Leichen-Feier  und  -Opfer  ansehen  liesse,  wird  sich 
schwerlich  etwas  Sicheres  sagen  lassen.  Besonders 
interessant  ist  gewiss  das  Vorkommen  der  Kentau- 
ren, die  mit  den  Reitern  ')  gemischt  erscheinen.  Sie 
tragen  den  Ast,  der  in  ältester  Kunst  ihr  gewöhn- 
liches Attribut  ist.  Dass  die  Kentauren  in  der  Ty- 
pik  der  aus  abgeprägten  Formen  hergestellten  älte- 

I)  Kelter  auch  aul  der  Viise  lios  späteren  „l)i|i_vl(iiistiles" 
Jjerlin   56  (t'iirtw.). 


101 


A.  Furlwängler,  Arcliaisclier  Goldselimuck. 


102 


stcn  Relief'kuiist  besonders  zu  Hause  sind,  liat  Milcli- 
liüfer  nacliscwiescn").  Das  vorliegende  Stück  tritt 
als  Bestätigung  hinzu;  es  wirft  ebenso  ein  Licht 
auf  die  Herkunft  der  in  den  sog.  Buccherogefässen 
erscheinenden  Typik;  denn  die  Verwandtschaft  un- 
seres Reliefs  mit  den  ältesten  gepressten  Flachreliefs 
der  Buccherotechnik  ist  unverkennbar;  mehr  frei- 
lich noch  die  mit  den  gepressten  Tiionreliefs  von 
Rhodos'').  Indess  hat  der  Stil  unseres  Reliefbandes 
noch  bestimmtere  nähere  Analogien  auf  griechischem 
Boden.  Das  sind  die  geometrischen  sog.  Dipylon- 
vasen;  die  eigenthüralicli  schematische  Autfassung 
des  menschlichen  und  des  Pferdekörpers  ist  hier 
wie  dort  diesell)e,  und  wir  dürfen  das  Relief  jenem 
grösseren  Kreise  von  Metallarbeiten  griechischer 
Provenienz  zuzählen,  die  jenem  so  ausgeprägten 
Stile  folgen.  — 

Wir  schliessen  hier  gleich  die  Besprechung  von 
Taf.  9,  1,  dem  einen  der  in  Kopenhagen  befindlichen 
Stücke,  an,  da  dasselbe  in  genau  demselben  Stile  ge- 
halten ist.    Es  stannnt  aus  Athen  und  soll  in  einem 
jener    ältesten  Grälter    am  Dipylon  gefunden  sein. 
Es  ist  ein  dünner  Streif  von  Blassgold.    Zwei  Dar- 
stellungen  sind   auf  dem    erhaltenen,   indess  theil- 
weise  lückenhaften  Stücke  je  zweimal  abgestempelt, 
mit  einander  abwechselnd;  jede  ist  von  der  anderen 
durcli   ein   l)reites  lineares  Ornamcntbaud  getrennt. 
Die  eine  Darstellung  zeigt  1.  zwei  mit  den  Köpfen 
einander  zu-,  mit  den  Beinen,    wie  es  scheint,  ab- 
gewandte Männer,  die  sich  in  derselben  Weise  wie 
in   dem  vorigen  Relief   die    eine  Hand  zu   reichen 
scheinen    und    in   der  anderen   einen  an  der  einen 
Seite  gezackten  Stab,  wohl  einen  Ast,  halten.    Dann 
folgt   ein   springendes  Ross  mit  lose  herabhängen- 
dem Zügel;  über  seinem  Rücken  erscheint  der  Ober- 
körper   eines  Mannes    mit  Helmbusch   nach  r.,  der 
eine  Waffe  erhebt;  ein   stehender  Mann  sticht  von 
r.  mit  der  Lanze  nacii   seiner  Hüfte.     Offenbar  ist 
gemeint,    dass    ein    Reiter    von    hinten    verwundet 
wird,  die  Zügel  verliert  und  sich  nach  dem  Gegner 
umwendet:  ein  auffallend  complicirtes  Kampfmotiv, 

-)  Anfüiige  il.  Kuiibt  S.  Tu  f. 

^)  Srtlzmann,  ti^cro//.  de  Caminis  pl.  "27;  Milcliliiiler,  Anfänge 
.S.  7:!l. 


das  hier  freilich  in  primitivster  Weise  ausgedrückt 
ist.  Bei  der  Wiederholung  dieser  Gruppe  r.  am  Ende 
folgt  nicht  das  Ornament,  sondern  ein  den  Speer 
werfender  Reiter;  doch  ist  das  Vordertheil  des  Rosses 
nicht  mitabgepresst,  ein  Beweis  von  Nachlässigkeit, 
wie  er  in  dieser  mechanischen  Kunstthätigkeit  nicht 
auffallen  darf.  —  Die  andere  Darstellung  zeigt  einen 
Kentauren  mit  menschlichen  Vorderfüssen  und  mit 
dem  Aste  in  der  einen,  einem  kürzeren  Zweige  in 
der  anderen  Hand.  Dann  eine  beide  Male  frag- 
mentirte  Männergruppe.  Als  Füllung  tritt  hier  wie 
im  vorigen  Relief  der  kleine  Stamm  mit  zwei  Sei- 
tenästen auf  Dass  die  beiden  Stücke  aus  einer 
Fabrik  stammen,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  — 

Taf  9,4  zeigt  in  Originalgrösse  ein  aus  Athen 
stammendes  kleines  Diadem  von  gelbem  Golde; 
die  Ornamentation  besteht  nur  aus  drei  Reihen 
eines  unregelmässigen  Zickzackbandes.  Die  völlige 
Uebereinstimmung  mit  Taf  8, 1  in  Zeichnung  und 
Ausführung  weist  das  Stück  demselben  Kreise 
zu.  — 

Eine  etwas  verschiedene  Gattung  von  gepress- 
ten Bändern  finden  wir  durch  Taf.  9,2  repräsentirt. 
Es  ist  ein  Diadem,  im  Museum  von  Kopenhagen 
befindlich,  das  ebenfalls  aus  Athen  stammt  und  aus 
etwas  blassem,  doch  gelberem  Golde  besteht  als 
Taf.  9,  1.  Die  Enden  sind  in  der  Abbildung  weg- 
gelassen, da  sie  nur  die  Fortsetzung  des  eigenthüm- 
lichen  Mäanderbandes  enthalten,  das  die  ganze  Breite 
des  Streifens  füllt;  dasselbe  besteht  aus  drei  über- 
einander gesetzten  einfach  gebrochenen  Mäander- 
linien; die  drei  Reihen  sind  aber  durch  kurze  Quer- 
stäbchen untereinander  verbunden,  was  dem  Gan- 
zen den  Anschein  des  Complicirten  giebt.  Unter 
No.  5  derselben  Tafel  habe  ich  noch  ein  anderes 
Diademband  aus  blassem  Golde  abbilden  lassen,  das 
ebenfalls  aus  Athen  stammt  und  im  Privatbesitz 
befindlich  ist;  es  gehört  wohl  derselben  Fabrik 
an.  Es  zeigt  in  zwei  Reihen  das  einfache  Mo- 
tiv ^1  ;  durch  Querstäbchen  sind  die  Reihen 
verbunden.  Das  Diadem  ist  vollständig  (die  Abbil- 
dung giebt  nur  das  r.  Ende  wieder)  und  hat  die 
Länge  von  0,37;  an  beiden  Enden  je  ein  Loch.  — 
Doch  zurück  zu  dem  Kopenhagener  Stück,  das 

7* 


10c 


A.  Furtwängler,  Archaischer  floldsehmnc 


104 


iu  der  Mitte  eine  bildliche  Darstellung  aufweist. 
Dieselbe  wiederholt  sich  zweimal  mit  geringen  Va- 
rianten. Ein  Löwe  hat  mit  seinem  Rachen  den 
Kopf  eines  waffenlosen  Mannes  erfasst,  der  sich 
vergebens  wehrt,  indem  er  das  eine  Vorderbein  des 
Löwen  und  die  Schnauze  desselben  erfasst;  ein 
zweiter  Löwe  kommt  von  r.  und  setzt  ihm  die 
Tatze  auf  den  Eücken.  Die  Scene  ist  durch  ihre 
Neuheit  und  Originalität  in  ihrem  Kreise  sehr  über- 
raschend. Sie  schliesst  sich  an  keinerlei  geläufigen 
Typus  an;  sie  will  einen  wirklichen  Vorgang  wie- 
dergeben, den  Ueberfall  eines  wehrlosen  Mannes, 
etwa  eines  Hirten,  durch  zwei  Löwen;  aber  die  Dar- 
stellung ist  ungeschickt  und  hat  wenig  Wahrschein- 
lichkeit; denn  es  sieht  fast  aus,  als  ob  der  Mann 
den  Kopf  absichtlich  in  den  Rachen  des  Thieres 
stecke.  Indess  ist  die  Gruppe  doch  nicht  völlige 
Neuschöpfung,  sondern  schliesst  sich  offenbar  an 
den  Typus  an,  der  statt  des  Menschen  einen  Stier 
zeigte,  der  sich  mit  den  Hörnern  gegen  den  einen 
Löwen  wehrt,  während  ein  zweiter  ihn  von  hinten 
anfällt.  Im  Jahrgang  1883  dieser  Zeitschrift  Taf.10,2 
habe  ich  eine  archaische  griechische  Lekythos  mit 
diesem  Typus  veröffentlicht  und  zugleich  (S.  159 ff.) 
Einiges  über  die  Darstellung  von  Kämpfen  zwischen 
Löwen  und  Menschen  in  ältester  griechischer  Kunst 
gesammelt,  worauf  ich  hier  verweisen  kann. 

Die  anderen  mir  bekannten,  dem  vorliegenden 
gleichartigen  Goldbänder,  die  man  am  leichtesten 
an  der  constanten  Einfassung  aus  kleinen  Stäbchen 
erkennt,  und  die  alle  denselben  etwas  weichlichen 
breiten  Stil  zeigen,  bringen  keine  menschlichen  Fi- 
guren, sondern  nur  Friese  von  Thieren,  namentlich 
Löwen  und  Hirschen.  Von  einigen  derselben  ist 
es  sicher  constatirt,  dass  sie  in  den  ältesten  Grä- 
bern mit  den  geometrischen  Vasen  am  Dipylon  bei 
Athen  gefunden  wurden*).  — 

•*)  Gemeint  ist  das  aus  zwei  Stücken  bestehende  Band  aus 
Blassgold  in  Berlin,  bei  Curtius,  d.  arch.  Bronuerelief  (Abb.  d. 
Akademie  1879)  Taf.  III,  4.  5  abgebildet  (Hirsche  und  löwen- 
oder  pantherartige  Thiere  nach  r.);  ferner  das  im  Louvre  s. 
Uaremberg,  dirA.  de  l'unliqu.  p.  788  No.  933  und  vgl.  Annali  d.  I. 
1880  p  130  (Furtw.);  zur  Auffindung  Annali  1872  p.  136.  154 
(Ilirschfeld).  —   Ein   hierher  gehöriges   Band    besitzt    mich    das 

British  Museum  (mit  der  Be/.eichnung  3,4);  es  zeigt  vier  löwen- 


Einen  durchaus  in  diese  Gattung  gehörigen 
Goldstreifen,  eine  neue  Erwerbung  des  Berliner  An- 
tiquariuins  aus  Athen  '*),  publiciren  wir  auf  Taf.  10, 1. 
Es  ist  ein  vollständiges  Diadem,  an  beiden  Enden 
mit  einem  kleinen  Loche  zum  Umbinden  versehen. 
Das  Merkwürdigste  an  dem  Stück  ist  die  fabrik- 
mässige  Rohheit  der  Herstellung,  in  die  es  einen  Ein- 
blick gewährt.  Es  ist  nämlich  geschnitten  aus  einem 
grösseren,  mit  abgedrückten  Stempeln  bedeckten 
Goldbleche,  fast  ohne  Rücksicht  auf  die  bildlichen 
Darstellungen,  die  mehrfach  durchschnitten  werden. 
Zunächst  sehen  wir  einen  schmalen  Fries,  iu  dem 
Löwe  und  Hirsch  nach  r.  abwechseln;  darüber  und 
darunter  erscheinen  aber  Reste  des  nächsten  Strei- 
fens mit  Kreisornaraenten.  Dann  folgt  ein  kleines, 
in  der  typischen  Weise  umrahmtes  Feld  mit  einer 
rohen  Figur,  die  wohl  ein  Greif  sein  soll.  Gegen- 
über im  nächsten  Felde  sitzt  eine  ebenso  rohe 
Sphinx  nach  1.;  beide  haben  die  vom  Kopfe  aus- 
gehende ornamentale  Locke,  die  auf  den  ältesten 
Sphinxdarstellungen  in  Griechenland ")  selten  fehlt. 
Der  Greif  hat  offenen  Schnabel ;  Ohren  sind  nicht 
angedeutet.  Beide,  Greif  und  Sphinx,  sind  flügel- 
los, worauf  bei  der  Rohheit  der  Darstellung  indess 
kein  Gewicht  zu  legen  ist.  Unter  diesen  Feldern 
sind  wieder  Stücke  der  darunter  folgenden  zu  se- 
hen; 1.  unter  dem  Greif  erkennt  man  den  Obertheil 
einer  Antilope.  Es  folgen  dann  ganz  nachlässig  und 
schief  geprägte  Stücke  eines  längeren  Frieses  nach 
1.,  anscheinend  wieder  Löwe  und  Hirsch.  — 

In  den  Kreis  der  „geometrischen"  Decoration 
gehören  noch  einige  andere  Stücke  unserer  Tafeln. 
Vor  allem  die  zwei  kreisrunden  Scheiben  aus  Ka- 
meiros  Taf.  9,6.8,  die  mit  einem  von  einem  Loche 
durchbohrten  Ansatzstück  zum  Anhängen  versehen 
sind.  Sie  bestehen  ebenfalls  aus  ganz  dünnem 
Blech,    und   zwar  von   blassem  Golde.     Die  Abbil- 

artige  Thiere,  je  zwei  einander  gegenüber  mit  gehobenen  Schwän- 
zen; dazu  ein  Feld  mit  Spiralornanienten,  zwei  unter  sich  ver- 
bundene Reiben,  in  der  Art  wie  auf  den  mykenischen  Grabsteinen 
(Schliemann,  Mykenae  Fig.  140),  nur  loser  auseinandergezogen: 
ein  interessantes  Factum,  da  sonst  nur  die  eckig  gebrochenen  Or- 
namentmotive in  dieser  Gattung  erscheinen. 

■■■)  Invent.  No.  7901.   Länge  0.25.   Höhe  0,03. 

'')  V(,'l  ■/..  B.  das  Glaspl'attchpn  aus  Mcnidi:  Kuppclgr.  bei 
Meuidi  Taf.  V,  44  u  a.     Später  mit  Lotosblütbe  am  Knde. 


105 


A.  Fiirtwiiniiler.  Archaischer  (lohlschinuck. 


106 


düng  zeigt  sie  stark  verkleinert"),  doch  i.st  ihre 
Ornanicntation  deutlich;  cinCacii  ist  No.  G;  reicher 
No.  8,  wo  die  ölitte  von  einem  radförniigen  Motiv 
eingenommen  wird ;  der  Streif  von  kleinen  Stäb- 
chen der  dies  umgiebt,  ebenso  wie  die  Kerbungen 
auf  dem  einen  Streifen  des  das  Ganze  umschliessen- 
dcn  Fieclitbandes,  sind  ganz  gleich  dem  typischen 
Kahmenmotiv  der  soeben  besprochenen  Diademe. 
Es  folgt  nun  ein  Streif  von  primitiven  Wasser- 
vögeln nacli  r. ;  der  Raum  über  ilirem  Rücken  ist 
je  durch  eine  Kugel  ausgefüllt;  dann  Zickzack  und 
das  Flechtband.  Verwandt  ist  die  Decoration  der 
Scliilde  aus  den  Gräbern  Italiens  vom  Typus  Re- 
gulini-Galassi  (Mvs.  Gregor.  I.  18,  2;  19,  2);  docli  un- 
serer No.  G  ganz  besonders  ähnlich  ist  eine  Silber- 
scbeibe  aus  einem  Grabe  dieses  Typus  in  Prae- 
neste;  dieselbe  zeigt  auch  das  gleiche  Ansatzstück, 
und  war  mit  anderen  ähnlichen  Scheiben  zu  einem 
Halsbande  vereinigt  (Archaeologia  ro/.  41,  pl.  8,4; 
vgl.  12,2).  —  Zusammen  mit  diesen  No.6  und  8  ward 
Ko.  7  in  Kameiros  gefunden,  das  in  Origiualgrösse 
abgebildet  ist,  ein  kleines  Anhängsel  in  der  als 
Amulet  bekannten  Form  des  Halbmondes.  Zweifel- 
los gehörten  die  drei  Stücke  zu  dem  Halsbande 
einer  Leiche  von  Kameiros.  — 

Die  darunter  wiedergegebene  Fibel  No.  3  ge- 
hört ebenfalls  noch  in  diesen  Kreis.  Sie  ist  aus 
schönem  gelbem  Golde  gehämmert  und  vorzüglich 
erhalten.  Sie  kam  mit  anderen  archaischen  Gold- 
sachen aus  Athen ,  ohne  genauere  Provenienz- 
angabe").  Die  Abbildung  ist  in  Originalgrösse.  Die 
Oberfläche  ist  auf  beiden  Seiten  in  ganz  gleicher 
Weise  mit  feiner  Gravirung  verziert.  Zwei  Fibeln 
desselben  Typus,  doch  aus  Bronze,  sind  von  mir  frü- 
her publicirt  worden;  die  eine  aus  Olympia  mit  rei- 
cher gravirtcr  Verzierung  iu  schematisch  linearem 
Stil  (Bronzefunde  v.Oiympia,  Abh.d.  Akad.  1879,  Taf. 
No.  7;  S.  36);  die  andere  aus  Theben  {Annali  d.  I. 
1880,  lau.  d'agg.  G;  p.  122if.);  letztere  ist  sehr  gross 
und  auf  der  einen  Seite  mit  einem  Pferde  iu  „geo- 
metrischem" Stile  geschmückt;  die  Dreiecke  in  der 

')  Im  Berliner  Antuiuaiium,  Inv.  No.  6486  u.  87.  Höhe  0.08. 
Dm.  0,06. 

*')  Berl.   Antiiiiuiriuni,  Inv.  No.  7902. 


Ecke  nach  dem  Bügel  zu  stimmen  mit  denen  auf 
unserem  Exemplare  genau  überein.  Ausser  diesen 
sind  noch  einige  Beispiele  aus  Olympia  bekannt 
(a.  a.  0.  erwähnt);  docli  ausserdem  meines  Wissens 
keine,  und  obwohl  ich  inzwischen  viele  Museen  be- 
sucht habe,  kann  ich  kein  anderes  Exemplar  zu 
den  damals  von  mir  genannten  hinzufügen.  Die 
Herkunft  des  Typus  bleibt  noch  zu  erforschen. 


Wir  wenden  uns  jetzt  einem  anderen  ent- 
wickelteren Kreise  von  Goldarbeiten  zu,  in  dem 
bereits  Darstellungen  griechischer  Sage  erscheinen. 
Wir  kehren  wieder  zu  dem  Goldfunde  aus  Korinth 
auf  Taf.  8  zurück.  Wir  sehen  hier  eine  Reihe  von 
viereckigen,  überaus  dünnen  Goldplättcheu,  die  wohl 
auf  die  Gewänder  des  Todten  gelegt  waren;  Lücher 
zum  Aufnähen  sind  indess  nicht  zu  bemerken.  Von 
jeder  Darstellung  sind  mehrere  Exemplare  erhalten. 
Das  interessanteste  Stück  ist  No.  3  mit  Theseus, 
der  den  Minotauros  ersticht;  es  sind  vier  ganze  und 
ein  halbes  Exemplar  erhalten.  Theseus  fasst  mit 
der  Linken  den  Gegner  an  dem  einen  Home  (ein 
zweites  ist  nicht  dargestellt)  und  sticht  ihm  mit  der 
Rechten  das  Schwert  in  die  Brust.  Der  Minotaur 
fasst  in  das  Schwert  und  fällt  dem  Helden  in  den 
linken  Arm,  doch  vergeblich.  —  Dieses  Schema 
ist  von  demjenigen,  das  wir  bisher  für  das  älteste 
für  jenen  Kampf  feststehende  ansehen  durften'), 
von  dem  der  chalkidischen  und  altattischen  Vasen, 
wesentlich  verschieden.  Zwar  der  nach  r.  schrei- 
tende und  mit  dem  Schwerte  stechende  Theseus 
ist  in  der  Hauptsache  gleich,  doch  der  Minotaur 
steht  dort  nicht  aufrecht,  sondern  ist  in  mehr 
oder  weniger  heftiger  Bewegung  in  das  eine  Knie 
gesunken  und  dem  Helden  entweder  zu-  oder  ab- 
gewandt gebildet.  Auch  die  Bekleidung  des  Theseus 
ist  hier  noch  nicht  Chiton  und  Fell  wie  dort,  son- 
dein  das  eigenthümliche  Schurzgewand,  das  wir 
besonders  deutlich  an  einer  altkretischen  Bronze  ken- 
nen {Annali  d.  I.  1880,  /ni\S)  und  das  in  der  ältesten 

')  Vgl.  über  denselben  zuletzt  Conze,  Theseus  unJ  Minotaui . 
Berl.  Winekelmannsprogr.  1878,  S.  8.  Die  chalkidische  Vase  i>t 
Mon.  d.  I.  VI,  15  abgebildet. 


107 


A.  Fiirtwänder.  Arcbaiscber  Goldschmuck. 


108 


griechischen  Zeit  weiter  verbreitet  war'");  der  Mino- 
taur  hat  nur  jenen  breiten  Gurt  um,  der  eine 
Verkürzung  der  Schurztracht  zu  sein  scheint.  Ob 
Theseus  auf  unserm  Kelief  bärtig  gedacht  ist  (wie 
er  es  auf  den  aitattischen  Vasen  immer  ist,  die  aber 
hier  nichts  beweisen),  kann  bezweifelt  werden;  denn 
das  weit  vorspringende  Kinn  zeigen  auch  die 
Fraueuprofile  von  No.  2,  und  eine  andere  Andeu- 
tung fehlt,  wogegen  die  langen  lose  hei'abfallenden 
Haare  deutlich  sind.  Hinter  Theseus  steht  nach 
dem  auch  späterhin  lange  festgehaltenen  Typus 
seine  Beschützerin  Ariadne  in  langem  gestreiftem 
Gewände.  Sie  erhebt  die  Linke,  scliwerlich  um 
Theseus  zu  bekränzen "),  sondern  wohl  nur  um  ihn 
zu  ermuntern.  In  der  Rechten  aber  liält  sie  deut- 
lich den  runden  Knäuel,  der  den  Weg  durch  das 
Labyrinth  weist. 

Unser  Relief  ist  indess  nicht  das  einzige,  das 
diesen  alterthiimlichen  eigenartigen  Typus  des  Kam- 
pfes mit  dem  Minotauros  zeigt;  ich  kenne  wenigstens 
noch  eines,  das  als  abgestempeltes  Relief  auch  tech- 
nisch in  diese  Reihe  gehört,  freilich  nicht  aus  Gold, 
sondern  aus  grobem  Thone.  Das  Museum  von  Cor- 
neto  nämlich  besitzt  ein  grosses  Thonbecken  mit  drei 
Löwenfüssen  und  zwei  Henkeln.  Auf  dem  oberen 
Theil  der  Füsse  befindet  sich  je  ein  quadratisches 
Feld  mit  Relief'');  auf  zweien  ist  ein  Kentaur  ab- 
gestempelt mit  menschlichen  Vorderbeinen,  der  einen 
Ast  schultert,  an  welchem  ein  Reh  hängt.  Das  dritte 
Feld  aber  ist  das  mit  Theseus  und  dem  Minotaur, 


'»)  Vgl.  was  ich  hierüber  in  der  Archäol.  Ztg.  1882,  S  329  f. 
gesaminelt. 

")  So  fasste  es  Milchhüfer  auf,  der  diese  Darstellung  An- 
fänge der  Kunst  S.  ISSAnin.  erwähnt. 

'-■)  Die  Reliefs  sind  mit  weiss-gell'er  Farbe  bedeckt,  darauf 
sind  einige  rothe  Details  gesetzt   (Punktros^tten  u.  dgl.). 


wie  es  vorstehende  flüchtige  Skizze  veranschaulicht, 
die  nur  die  Hauptconturen  andeuten  und  nur  die 
Stelle  einer  Beschreibung,  nicht  einer  Publication 
vertreten  soll.  Der  Minotaur  scheint  ungehörnt. 
Theseus  ist  auch  hier  anscheinend  bartlos;  er  hebt 
im  Angriffe  das  1.  Bein;  so  wird  unten  Platz  ge- 
wonnen für  das  merkwürdigste  Detail  dieser  Dar- 
stellung, den  grossen  Garnknäuel,  dessen  Faden 
Ariadne  in  der  Rechten  hält,  eine  recht  naive  Deut- 
lichkeit. 

Gleiche  Grosse  und  gleiche  Umrahmung  hat 
No.  4  unserer  Tafel,  in  fünf  Exemplaren  erhalten. 
Die  Darstellung  ist  einfach  und  nicht  mythologisch; 
ein  Zweigespann  von  Rossen  schreitet  nach  1.;  der 
Lenker  im  langen  gegürteten  Gewände  beugt  sich 
etwas  vor  und  hält  die  Zügel  und  den  Stock.  Der 
Held  steht  hinter  ihm  mit  dem  Rundschilde  und 
dem  Helme;  letzterer  ist  freilich  nur  durch  den  he- 
rabfallenden Busch  und  einen  vorn  eniporstehenden 
federartigen  Schmuck  angedeutet.  Die  tiefe  Ein- 
senkung  des  Wagenrandes  oben  in  der  Jlitte  ist 
als  Besonderheit  zu  beachten;  auf  den  altkorinthi- 
sclicii  Thontäfelchen  der  Berliner  Sammlung  ist  die- 
ser Rand,  wie  sonst  gewöhnlich,  horizontal. 

Ferner  sind  noch  drei  etwas  kleinere  Compo- 
sitionen  ebenfalls  auf  quadratischem  Felde  erhal- 
ten: No.  2  zeigt  einen  Chor  von  Frauen,  die 
sich  bei  den  Händen  fassen;  zwei  blicken  nach  1. 
und  zwei  nach  r.;  ihre  langen  gegürteten  Gewän- 
der sind  reich  verziert  und  haben  unten  einen  brei- 
ten Saum.     Es  sind  zwei  Exemplare  erhalten. 

No.  G,  in  zwei,  jedoch  sehr  zerstörten  Exem- 
plaren vorhanden,  stellt  einen  Zug  von  drei  ge- 
rüsteten Kriegern  nach  r.  dar;  man  erkennt  nur 
Spuren  der  Köpfe  mit  langem  Haare;  die  Beine 
sind  nackt. 

Einen  nicht  unbekannten  Typus  finden  wir  auf 
No.  5,  wovon  ebenfalls  zwei  Exemplare  da  sind. 
Es  ist  der  Mann,  der  die  zwei  Löwen  bändigt,  die 
in  wappenhaft  strenger  Symmetrie  sich  zu  beiden 
Seiten  aufbäumen.  Der  Typus  stammt  bekanntlich 
aus  der  orientalischen  Kunst,  wo  er  sehr  häufig 
ist,  namentlich  auf  den  geschnittenen  Steinen;  immer 
sind  die  Tliiere  hoch  aufgerichtet,  doch  nicht  immer 


109 


A.  Kurtwänirler.  Arcliaisclier  Goldsclimiu'k. 


110 


sind  es  Löwen,  auch  Hirsche,  Sphingen  u.  a.  dä- 
monische Ungeheuer.  Ein  anderer  und  wie  es 
scheint  älterer  Typus  ist  der,  dass  der  Mann  nur 
einem  aufgerichteten  Löwen  gegenüber  ist,  den  er 
mit  dem  Schwerte  ersticht;  dieser  ist  von  der  grie- 
cliischen  Kunst  nicht  aufgenommen  worden,  wohl 
aber  jener  andere,  der  ein  decorativ  so  treffliches 
Schema  bot.  Der  Mann  ist  auf'  unserem  Relief  oliue 
alles  Charakteristische,  bartlos,  in  kurzem  Gewände. 
Eine  Wiederholung  dieser  Darstellung  mit  geringen 
Varianten  finden  wir  auf  No.  7,  wo  die  Köpfe  der 
Löwen  niciit  ab-,  sondern  zugewandt,  und  die 
Schwänze  statt  gehoben  gesenkt  sind.  Die  Figur 
dieses  auf  den  Hinterbeinen  stehenden  Löwen  ward 
von  der  archaischen  Metallindustrie  auch  einzeln 
wiedergegeben;  so  ersclieint  sie  auf  einem  Brouze- 
relief  Olympia's'^)  und  mehreren  anderen  aus  den 
italischen  Gräbern  des  Typus  Regulini- Galassi'*). 
No.  7  ist  das  Stück  eines  längeren  Frieses  und  zu 
beiden  Seiten  sind  noch  Reste  der  folgenden  qua- 
dratischen Felder  erhalten,  jedes  mit  einem  Zuge 
beschildeter  Krieger.  Als  fortlaufende  Einfassung 
oben  und  unten  ist  ein  Spiralband  benutzt. 

Im  Privatbesitze  in  Athen  sah  ich  1882  meh- 
rere Goldstreifen ,  die  aus  demselben  Funde  bei 
Korinth  herrühren  sollen  wie  die  unsrigen ;  darun- 
ter war  namentlich  ein  längeres  Stück,  das  in  der 
Mitte  eine  Rosette  zeigt,  r.  und  1.  davon  in  ein- 
gerahmtem Felde  je  eine  Frau  ohne  Attribute,  in 
langem  verziertem  Gewände,  das  jedoch  das  eine 
Bein  nackt  heraustreten  lässt;  dann  folgen  wieder, 
durch  einen  Rahmen  getrennt,  auf  jeder  Seite  drei 
Krieger  mit  Schilden,  auf  denen  je  eine  Rosette 
ist;  sie  tragen  spitze,  pilosartige  Helme  ohne  Busch. 
Der  Stil  schien  mir  noch  alterthUmlicher  als  der  un- 
serer Reliefs. 

Der  Stil  der  letzteren  ist  jedenfalls  ein  sehr 
eigenthUmlicher;  besonders  auffallend  sind  die  Pro- 
file der  Gesichter.  Zu  dem  Stile  der  altkorinthi- 
schen Vasen  und  Thontäfelchen  findet  keinerlei 
nähere  Beziehung  statt;  ja  ich  weiss  für  jene  Pro- 

■ä)  Ausgr.  V.  Ulympia  II,  Tat'.  31. 

'*)  S.  Furtwäiigler,  Bronzelunde  v.  Olympia  (Abh.  d.  AkaJ. 
1879)  S.  69  unten. 


file  keine  andere  Analogie  zu  nennen  als  das  kre- 
tische Bronzerelief,  das  in  den  Aimali  d.  I.  1880, 
tav.  T  abgebildet  ist,  wo  der  Steinbockträger  dem 
Typus  unserer  Reliefs  überraschend  ähnlich  ist; 
ein  bedeutsamer  Wink  für  die  Herkunft  der  Sachen 
oder  wenigstens  ihres  Stiles. 

Schliesslich  erwähne  ich  noch  die  mitgefuude- 
nen  Kleinigkeiten:  No.  8  ist  ein  vollständiges  klei- 
nes Band  mit  Zickzack,  an  Taf.  9,  4  erinnernd, 
doch  viel  regelmässiger;  au  beiden  Enden  ist  je 
ein  kleines  Loch  zum  Aufnähen.  No.  9  und  11  sind 
verbogene  Golddrähte  mit  Scheiben  an  den  Enden, 
auf  denen  ein  eingeritztes  Kreuz  zu  bemerken. 
No.  12  sind  die  gebrochenen  Hälften  eines  gleichen 
doch  längeren  Exemplares.  Vermuthlich  war  es 
Schmuck  für  die  Haare.  —  No.  10  ist  eine  Rosette 
aus  Goldblech  mit  aufgelöthetem  gekerbtem  Draht. 


Auf  den  Höhepunkt  archaischer  Goldtechnik 
führen  uns  die  beiden  prächtigen  Gehänge,  die  auf 
Taf.  9,  9.  10  in  Origiualgrösse  wiedergegeben  sind. 
Sie  stammen  von  Melos")  und  sind  beide  in 
blassem  Golde  gearbeitet.  No.  10  ist  vollständiger, 
indem  auch  an  9  oben  eine  Scheibe  zu  ergänzen 
ist,  auf  deren  Rückseite  sich  wie  an  10  der  Haken 
zum  Anhängen  befand;  es  sind  trotz  der  Grösse 
offenbar  Ohrgehänge.  Der  Typus  ist  bereits  von 
Rhodos  bekannt;  Salzmann  hat  in  seinem  Werke 
necropole  de  Caminis  pl.  I  zwei  Exemplare  abgebil- 
det, die  aber  viel  einfacher  sind  als  die  unsrigen. 
Ein  ebenfalls  recht  einfaches  Exemplar  unbekann- 
ten Fundortes  befand  sich  in  der  Sammlung  Ales- 
sandro  Castellani  und  ward  1884  in  Rom  ver- 
steigert"'); auf  den  horizontalen  Scheiben  war  eine 
Rosette  und  in  der  Mitte  ein  Apfel  aufgesetzt. 

Die  besondere  EigenthUmlichkeit  der  Technik 
dieser  Stücke  besteht  darin,  dass  alles  Detail  aus 
aufgelötheten  feinen  Goldpünktchen  besteht,  die  frei- 
lich die  Feinheit  der  etruskischen  Arbeiten  noch 
nicht  erreichen.     Die  Greifenköpfe  von  No.  9  sind 

'■'■)  Tülken,  Leitfaden  lür  die  Sammlg.  antiker  Metallarbeiten, 
1850,  No.  61   und  63. 

"')  Im  Auctionscatalog  No.  820;  blässliches  Gold. 


111 


A.  Furtwängler.  Archaischer  Goldschmnck. 


112 


getrieben  iiiul  hobl;  die  Zuuge  und  die  Ohren  sind 
besonders  angesetzt;  ebenso  natürlich  der  Knopf 
oben,  der  sehr  fein  granulirt  ist.  Der  Typus  des 
Greifs  ist  der  beliannte  archaisch  griechische''). 
Zwei  ähnliche  Greifenköpfe  aus  Blassgold  besitzt  das 
British  Museum  aus  der  Sammlung  Blacas.  —  Auf 
der  einen  der  Scheiben  ist  ein  Zickzackornament, 
auf  der  anderen  nebeneinandergestellte  Rauten  aus 
feinen  Pünktchen  gebildet. 

An  Ko.  10  ist  der  Stamm  viel  reicher,  spiral- 
förmig gedreht")  und  doppelt  gebogen.  Die  hori- 
zontalen Scheiben  sind  mit  einer  Rosette  geziert, 
über  der  sich  eine  zweite  kleinere  Rosette  erhebt, 
aus  deren  Mitte  ein  Granatapfel  steigt;  an  kleinen 
Kettchen  hängen  an  mehreren  Stellen  kleine  Gra- 
natäpfel herab.  — 

Derselben  Zeit  und  demselben  Stile  gehören 
die  beiden  Stücke  aus  Delos  an,  No.  11  und  12'^); 
sie  sind  aus  gelbem  Goldblech  gearbeitet,  die  Köpfe 
aus  Formen  gepresst  mit  aufgesetztem  Detail  von 
feinen  Pünktchen;  die  Rosetten  sowie  die  Ränder 
sind  aus  geflochtenem  Draht  aufgesetzt.  No.  11  ge- 
hörte zu  einem  grcssen  Gehänge;  oben  befindet  sich 
eine  Oese  und  unten  sind  Reste  von  Kettchen  er- 
halten, auch  eine  verbogene  Bommel.  Man  ver- 
gleiche das  aus  dem  ältesten  Theil  der  Nekropole 
von  Kameiros  stammende  Gehänge  in  der  Revue 
archeol.  1863,  n.  s.  vol.  8,  pl.X,  wo  eine  selir  ähn- 
liche rechteckige  Scheibe,  die  mit  zwei  Köpfen  ge- 
ziert ist,  den  oberen  Theil  des  Gehänges  bildet, 
an  dem  wiederum  wie  an  unserer  No.  10  Granat- 
äpfel mehrfach  verwendet  sind;  ein  zweites  Gehänge, 
das  ebendort  abgebildet  ist,  zeigt  ausser  den  mensch- 
lichen auch  Greifeuköpfe  wie  unsere  No.  9  und  wie- 
der Granatäpfel.  Die  Technik  dieser  Stücke  ist 
durchaus  dieselbe  wie  die  der  unsrigen.  Der  mensch- 
liehe Kopftypus  ist  jener  ägyptisirende,  über  dessen 
Herkunft  und  Verbreitung  ich  in  'Die  Bronzefunde 
von  Olynijjia'  S.  71  Einiges  bemerkt  habe.  —  Das 
Museo  civico  von  Bologna  besitzt'""')  noch  eine  hier 

'0  Vgl.  Kurtwängler,  Uronzefunde  S.  51. 
'*)   In  der  AMnlJuny  sind  die   Windungen  zu  rnndlicli    ge- 
rathen. 

''■>)  Beil.  Antiquar.  No.  3473.  3474. 
™)  Aus  der  Samml.  Palagi,  No.  :,01. 


erwähnenswerthe  grosse  Breche,  die  durchaus  der- 
selben Fabrik  angehört  wie  das  soeben  Besprochene; 
das  Ganze  hat  die  Form  einer  von  oben  gesehenen 
rosenartigen  Blüthe;  auf  dem  äusseren  Kreis  von 
kreisrunden  Flächen  wechseln  je  eine  Rosette  und 
jener  menschliche  Kopf  ab. 


Es  bleibt  uns  noch  ein  Stück  zu  betrachten 
übrig,  das  einem  ganz  verschiedenen  Kreise,  dem 
der  altitalischen  Kunst,  angehört.  Es  ist  der  grosse 
goldene,  mit  reicher  gestanzter  Decoration  versehene 
Brustsclimuck  etruskischer  Herkunft  Taf.  10,  2.  Der- 
selbe gehurt  dem  alten  Bestände  des  Berliner  An- 
tiquariums  an;  er  war  in  mehrere  Stücke  zer- 
brochen, und  diese  Stücke  waren  einzeln  getrennt 
aufgestellt;  Tölkeu"')  beschrieb  dieselben  als  Frag- 
mente eines  Harnisches,  „Bedeckung  der  1.  Achsel 
mit  Schnalle"  u.  s.  w.  Der  Versuch,  die  Stücke  zu- 
sammenzustellen, ergab  mir,  dass  es  ein  vollstän- 
diges Ganzes  sei  und  nichts  fehle.  Die  Abbildung 
zeigt  dasselbe  etwas  verkleinert;  Höhe  und  Breite 
betragen  0,25.  lieber  die  Herkunft  ist  Näheres 
nicht  bekannt.  —  Auf  der  Unterseite  des  dünnen 
gelben  Goldes  sind  mehrfach  die  deutlichsten  Reste 
einer  ehemaligen  dünnen  Bronzeunterlage  erhalten, 
die  dem  feinen  Goldblech  als  Fütterung  gedient 
hatte.  Rings  sind  an  allen  Ecken  kleine  Löcher 
zu  bemerken,  die  zur  Befestigung  des  Ganzen  ge- 
dient haben. 

Seine  nächste  Analogie  findet  das  Stück  in  dem 
aus  der  sog.  lomba  del  guerriero  zu  Corneto  stam- 
menden, jetzt  in  Berlin  befindlichen,  das  Man.  d.i. 
X,  tav.  X  b,  2  abgebildet  ist.  Es  ist  dies  eine  frei- 
lich nur  einfach  rechteckige  dünne  Goldplatte,  welche 
die  Mitte  der  Brust  des  Bestatteten  zierte  und  noch 
auf  der  .grösseren  Bronzeplatte  liegend  gefunden 
wurde,  welche  die  Brust  bedeckte.  Auch  dieses 
Goldl)lecli  hat  eine  Fütterung  \ox\  dünnem  Bronze- 
blech; auf  der  Bronzeplatte  lag  es  lose  auf. 

Die  beiden  Stücke  sind  sich  indess  nicht  nur 
verwandt,  sie  sind  gleichzeitig  und  stammen  wahr- 


'-')  Leitfaden    für    d.  .Saninilg.  antiker    Metallaibeiten    8.  1, 


No.  1. 


113 


A.  Furtwjingler,  Archaischer  Giildschinuck. 


lU 


scheinlich  aus  derselben  Fabrik,  da  zum  Theil  die- 
selben Stempel  benutzt  sind.  Dies  ist  der  Fall  bei 
den  schwimmenden  Enten,  die,  theils  nach  r.  theils 
nach  1.  iiiwaudt,  in  Reihen  auf  beiden  wiederkehren, 
und  bei  dem  kreuzförmigen  Ornament,  das  hier  den 
äusseren  Saum  ziert.  Das  Motiv  des  zwischen  die- 
sem und  dem  Entenfries  liegenden  Streifens  ist  da- 
gegen auf  unserem  Stück  etwas  grösser  und  gleicht 
einer  vornüber  gestürzten  menschlichen  oder  einer 
selir  plumpen  vierbeinigen  thierischen  Figur,  wäh- 
rend es  auf  der  Coruetaner  Platte  kleiner  ist  und  nur 
eine  Schlangenlinie  darstellt.  Auch  die  Kreise  sind 
beiden  Stücken  gemeinsam;  dagegen  zeichnet  sich 
jedes  auch  durch  Ornamente  aus,  die  auf  dem  an- 
deren nicht  vorkommen;  so  hier  die  grossen  mit 
einer  einfachen  Rosette  gezierten  Kreise,  ferner  das 
Hakenkreuz  und  vor  allem  die  menschlichen  Masken, 
die  in  der  Mittellinie  jeweils  in  die  Ecke  gesetzt  sind. 

Die  letzteren  geben  übrigens  zugleich  mit  der 
Richtung  der  Enten  die  beabsichtigte  Stellung  des 
Ganzen  an;  die  auf  unserer  Tafel  r.  unten  betind- 
liche  Ecke  sollte  unten  die  Mitte  bilden.  Der  merk- 
würdige Ausschnitt  der  gegenüberliegenden  oberen 
Ecke  soll  offenbar  der  Form  des  Halses  entsprechen, 
an  den  dieselbe  anstiess.  Die  zinnenartige  Aus- 
zackung  entspricht  durchaus  dem  Gesanimtcharak- 
ter  der  Ornamentik. 

Im  Miiseo  Gregoriano  zu  Rom  notirte  ich  mir 
eine  Reihe  von  kleinen  goldenen  Plättchen,  die, 
so  viel  ich  weiss,  unpublicirt  sind;  ich  gebe  ihre 
Form  beistehend.    Sie  sind  rings  mit  Löchern  zum 


Befestigen  auf  dem  Gewände  versehen.    Ihre  Form 
mit    den   Ausschnitten    ist    der   unserer  Brustplatte 


überaus  verwandt.  Bedeckt  sind  diese  Plättchen 
mit  unregelmässig  vertheilten,  gestempelten  kleinen 
Kreisen  und  einem  X  förmigen  Ornament,  das  dem 
des  äusseren  Randes  unseres  Stückes  sehr  ähnlich 
ist.  Dazu  gehört  eine  Reihe  ganz  klcnner  Plättehen 
von  der  Form  ""1  ,  die  nui-  mit  kleinen  Kieisen 
verziert  sind.  Alles  dies  stammt  wohl  aus  einem 
Grabe  des  Typus  der  lomba  del  guerriero.  —  In  der 
Auction  Castellani  zu  Rom  sah  ich  ein  Kreuz  (mit 
gleich  langen  Armen)  aus  Goldblech  (Catalog  No.836) 
mit  Vögeln  und  anderen  Ornamenten  derselben  Art 
bestempelt  wie  die  soeben  besprochenen  .Stücke.  Ein 
kleineres  Kreuz  dieser  Art,  auch  mit  kleinen  Löchern 
am  Rande,  indess  sehr  einfacii  verziert,  ward  in 
Corneto  gefunden  ^^). 

Eine  Brustplatte  wie  die  unsrige  ist  mir  sonst 
nicht  bekannt;  überhaupt  besitzen  wir  ja  nur  ganz 
wenige  Proben  so  grossen  Brustschmuckes :  in 
Griechenland  nur  aus  ältester  Zeit,  aus  den  Myke- 
nischen  Gräbern,  und  in  Italien,  abgesehen  von  der 
erwähnten  Cornetaner  Platte,  meines  Wissens  nur 
das  Prachtstück  aus  dem  Grabe  Reguliui- Galassi 
{Mus.  Greg.  I.  82)  mit  einfach  rundem  Halsausschnitt 
und  einem  von  dem  unseren  völlig  verschiedenen 
Decorationssystem,  sowie  ein  Stück  aus  einem  Prä- 
nestiner  Grabe  ungefähr  derselben  Periode;  das- 
selbe ist  jedoch  viereckig,  breiter  als  hoch,  und  mit 
einem  sehr  breiten  Halsausschnitte  in  rechtem  Win- 
kel versehen;  die  Decoration  besteht  aus  grossen 
Kreisen  und  einfachen  linearen  Füllungen"'). 

Ich  breche  hier  ab,  da  es  nur  meine  Absicht 
war,  den  hier  publicirten  Gegenständen  ihre  rich- 
tige Stellung  in  unserem  Denkmälervorrathe  anzu- 
weisen, nicht  aber  die  Schlüsse  zu  ziehen,  die  sich 
zwar  hier  und  dort  aufdrängen,  aber  besser  noch 
zu  weiterem  Reifen  zurückbehalten  werden. 

A.    FURTWÄNGLEK. 

")  Abgebildet  bei  Fiorelli ,  Notizie  degli  scavi  1882,  tav. 
XIII  bis,  25;  p.  190,  ungewiss  ob  aus  den  Gräbern  al  pozzo. 
wahrscheinlicher  aus  den  p.  191  beschriebenen  etwas  .«päteren 
Gräbern. 

-^  Ärihaeolofjia  Vol.  41.  \A.  13,  1. 


Archiiolo?.  Ztg.   JiihriTung  XLU. 


115 


116 


RELIEFFRAGMENT  MIT  DARSTELLUNGEN  AUS  DEM  niNAZ  DES  KEBES. 


Die  hier  in  Va  wirklicher  Grösse  wiedergegebene 
Zeichnung  ist  einem  Sammelbande  des  Berliner 
Kupt'erstichkabinets  entnommen.  Der  Band, 
durch  Waagen  in  Italien  erworben,  enthält  „meist 
Zeichnungen  des  IG.  Jahrliunderts,  viele  Sark()])hage 
und  Reliefs,  meist  dieselben,  die  auch  im  Cobur- 
gensis,  Pighianus,  und  den  Sammlungen  des  Cassiano 
dal  Pozzo  sich  finden,  doch  auch  Einiges,  was  dort 
fehlt;  daneben  aucli  einzelne  Statuen,  Alles  fast  nur 
Römisches;  nur  zwei  Sarkophage  aus  Pisa  sind 
darunter.  Herr  Dr.  Schreiber  in  Leipzig  hat  sich 
eingehend  mit  dem  Sanmielband  beschäftigt,  glaubt 
auch  den  Zeichner  zu  erkennen,  von  welcliem  die 
meisten  der  Zeichnungen  herrühren,  und  will  die 
Resultate  seiner  Uutci  suchungen  veröffentlichen". 

Ich  verdanke  diese  Angaben,  wie  die  Ueber- 
lassung  einer  Uleistiftbause  in  Originalgrösse  der 
Güte  von  Herrn  Professor  C.  Robert,  von  welchem 
aucli  die  Aufforderung  ausging,  die  Zeichnung  hier 
zu  besprechen.  Herr  Robert  hat  über  dieses  „wie  es 
scheint  verschollene  Rclieffragment"  in  der  Sitzung 
der  Arcliäologischen  Gesellscliaft  zu  Berlin  vom 
10.  Juni  d.  J.  die  Ansicht  ausgesprochen  „das  Bruch- 
stück scheint  von  einer  Rcliel'lafel  herzurühren,  die,  in 


Composition  und  Stil  den  lahiilae  iliacae  verwandt, 
eine  Darstellung  der  Lehre  von  der  Seelenwande- 
rung enthielt"  (vgl.  D.  Lit.  Ztg.  1884,  26  Sp.  952 f.), 
nachdem  ich  aber  in  No.  29  Sp  1068  f.  der  gleichen 
Zeitschrift  auf  den  Zusammenhang  mit  dem  unter 
Kel)es'  Namen  gehenden  ///Vai  aufmerksam  ge- 
macht hafte,  diese  Deutung  anerkannt  (ebenda 
Ko.  30  Sp.  1109)  und  mehrere  Briefe  mit  mir  dar- 
über gewechselt.  Ich  gebe  im  Folgenden  die  An- 
schauungen wieder,  die  ich  mir  auf  Grund  der 
Banse,  wie  jenes  Briefwechsels  gebildet  habe,  und 
zwar  stelle  ich  stets  den  Text  der  Stellen  aus  Kebes 
(nach  Drosihn's  Ausgabe,  jedoch  mit  Aufnahme 
der  nach  meinen  Handschriften-Vergleiehuugen  nö- 
thigen  Aenderungeu  und  von  Emendatioiien),  so- 
weit seine  Anführung  für  die  Erklärung  nothwendig 
erseheint,  v(n-aus. 

1.  2.  3  .  .  .  ntgi'iioXng  i^v  ff  avtiji  tyiov  nsQtßnlnvg 
öio,  luv  fie.v  (.itiLiü,  TOI'  de  flazzw.  //i'  di  xal  nvXrj 
fTii  inv  rroojiov  nsQtßöknv  riQne:  df  ifj  nvh]  o/Kng 
adöxst  >;f-nv  nnXvg  hfeaidrui .  -^ai  krdov  öe  tv  ti^) 
Tifoißn?.(i)  ■n?.f!löc;  ii  yvictixt'n'  fcagÜTn.  gni  öe 
[n'i^  ttao()(iii\  T(i{  \TiQiinnv\  nvloirng  \xcd  nsQißnXov] 
yiyiijf  iig  f-at-wg  ifKfdCiiy  fnolei,  wg  nunatuTiiDV  ti 


117 


K.  K.  Mnll'^r.   Rolieffragiiiciit  nach  Kcbes. 


118 


-f(;7  cwiövit  o"/X(i).  —  IV,  2.  3  .  .  .  ^Ogära,  f(frj.  rnv 
TTiulßnXnv  xoiiriv  .  .  .  xaksliai  nvint;  o  inriog  /iing. 
xal  o  iiylng  i>  noXvg  n  naget  ti]v  nvkr)v  ifpsatwg  ni 
(.lOXrivriQ  stanngf.vea'hd  slt;  tov  Tilnv  nvini  elaiv. 
n  öf:  '/tgo>v  n  avui  foit]x<i)g  'iyiuv  yagirjv  rivu  fv  T/j 
X^igi-  ""t  Tfj  tTeg<f  Saneg  ösdcvvidv  ii,  oviog  jJai/tKov 
■/.ttliüiai.  —  XXX,  1 — XXXI,  \  .  .  .  zi  Tionaichiei. 
tn  Jai(.invinv  zn'ig  sianngsiwfievnig  slg  zriv  Blnv 
noitlv;  —  Qaggs'iv.  tipr]  .  .  .  Ooäze.  f'tpr],  zi]v  yv- 
vaJxa  .  .  .,  i/i'  xai  agzi  t'/ih'  etnnv,  nzi  Pvyij  xa).e7- 
tat;  .  .  .  Tavzrj  xeXtVEi,  Sfprj,  ftr]  niazEvsiv.  .  .  Die 
drei  bejahrten,  hurtigen  Gej^talteii  links  im  Vorder- 
gründe stellen  den  oylng  vor;  die  beiden  ers^ten 
führen  sieh  dem  Anscheine  nach  an  der  Hand,  das 
Verhältniss  des  zweiten  zum  dritten  ist  nicht  klar, 
vielleicht  legte  er  die  Hand  in  den  reeiiten  Arm 
des  letzteren.  Der  Grund  für  das  Führen  liegt 
wohl  in  ihrer  Blindiieit;  blind  aber  sind  sie  darge- 
stellt, weil  erst  durcii  die  Erklärung  des  Jaif^iwv 
ihnen  die  richtige  Erkenntniss  zu  'J'heil  wird.  Dieser 
JaifKov  steht  rechts  vor  ihnen,  das  Gesicht  ihnen 
zugewandt,  in  der  erhobenen  Rechten  den  xägzrig 
haltend  und  zugleich  nach  der  auf  der  Kugel 
stehenden  Figur,  wie  wir  seilen  werden,  der  Tvyri, 
deutend;  die  Linke  reicht  er  dem  ihm  zunächst 
stehenden  der  drei  Jlänner,  welcher  ihm  ebenfalls 
seine  linke  Hand  entgegenstieckt.  Oline  diese  letz- 
tere Geste  würde  man,  wegen  des  ausgestreckten 
Zeigefingers,  annehmen  können,  dass  der  JalfKov 
seine  linke  Hand  wie  erklärend  ausstreckt.  Unter- 
halb, docli  so  dass  sich  dieselbe  auf  den  gleich  zu 
erwähnenden  Trinkenden  mitbezieht,  steht  die  bis 
auf  ISION  (statt  BION)  vom  Zeichner  richtig  ge- 
lesene, deutliche  Insclirifr.  Hinter  der  Gruppe  er- 
scheint der  ntglßnlog  mit  der  nvlrj^  dargestellt  als 
hohe  Mauer  und  durch  die  Inschrii't  über  dem  Thore 
als  Bing  ausdrücklich  bezeichnet.  Die  bildliche  Dar- 
stellung hält  sich  also  im  Allgemeinen  an  die  Worte 
des  Textes;  nur  die  Blindheit  der  ElanngEvni.ii.voi. 
und  die  Aendcrung  im  Standpunkte  des  JaifKov 
stammt  vom  Künstler  hei-. 

V,  1 — 3  .  .  .  Ogäg  Oliv  [einej  naga  tr^v  nvXr/v 
■^gnvnv  zivcc  xti^iaint'  xaid  znv  znnnv,  xalf^'  nv 
slanngsiizai  o  ayt.ng,  ecp'  nv  xdi)j]zai  yvvi]  ns- 
nlaa/iitrr]  Zi~  i]'>Et  xai  ntt^arrj  q^aivo/.iivi],  (tj)  xai 
Iv  tjj  y,Etgt  t%Ei  notrjginv  ii;  .  .  .  J/näzt]  xulelvai 
.  . .  Toig  EianngEvofiivovg  Eig  znv  Biov  nnziCsi  zrjv 
£ai'r/;c  övvauir  .  .  .  zi  iazi  zn  noznv;  FlXdvng,  scpr], 
xai  ^yrnict  .  .  .  llinvzEg  zovzo  nngsvovzai  Ecg  zov 
Binv.  Rechts  vor  dem  Thore  ausserhalb  des  negi- 
ßo).og  sitzt  Andzt],   der  Schilderung  im  Texte  ent- 


sprechend gebildet'),  gekennzeichnet  auch  durch 
die  unter  ihr  angebrachte,  jetzt  veistüiiimelte  In- 
schrift. Sie  reicht  mit  der  Rechten  eine  Schale, 
das  nnzrjginv,  einem  ihr  zugewandten,  gerade  vor 
dem  Eingange  stehenden  Jünglinge,  der,  im  Begrifi'e 
daraus  zu  trinken,  die  Schale  ebenfalls  mit  der 
Rechten  erfasst.  .\n  diesem  Trinkenden  fällt  die 
jugendliche  Bildung  gegenüber  den  drei  ix'jahrten 
Gestalten  links  auf;  ohne  Zweifel  liegt  hier,  wie 
Herr  Robert  bereits  in  seiner  ersten  Besprechung 
erkannt  hat,  eine  Bezugnahme  auf  die  Scelenwande- 
rung  —  Verjüngung  durcli  den  Trank  —  vor;  dazu 
stinunt,  dass  auch  innerhalb  des  Tieglßnlng  die 
Menschen  stets  als  kleine,  jugendliche  Gestalten 
erscheinen,  neben  ihnen  aber  sie  bedeutend  fiber- 
ragende Figuren,  in  welchen  wir  stets  eine  Per- 
sonifikation zu  erkennen  haben.  Die  linke  Hand 
der  .kndzT}  könnte  man  bei  flüchtiger  Betrachtung 
als  nach  den  zwei  rechts  stehenden  Figuren  ausge- 
streckt auffassen;  allein  bei  genauerem  Zusehen  er- 
giebt  sich,  dass  sie  auf  einer  Stütze  ruht.  Vl^elcher 
Art  diese  Stütze  ist,  lässt  sich  nicht  deutlich  er- 
kennen; am  passendsten  wäre  jedenfalls  ein  Spiegel, 
aber  die  Form  der  Linien  spricht  nicht  hiel'ür,  son- 
dern eher  für  eine  Tafel;  an  eine  Lehne  des  i^gövog 
i.st  wohl  kaum  zu  denken.  Der  Text  des  Kebes 
giebt  keinen  AnlialtNpunkt  in  dieser  Beziehung. 
Ich  wende  mich  nun  zu  der  nächsten  sicher  er- 
kennbaren Gruppe. 

\  II,  \.  2  .  .  .'H  öi  yvvi)  fxtivrj  zig  iaiiv  rj  wansg 
TV(ph)  [xai  finirnttfi't]]  rig  tirai  dnxninu  xai  eazrj- 
xina  F.nl  Xii^nv  ztvng  azgoyyvXnv;  —  xaXEnat 
(.liv,  e'cpri,  Tvyq-  iaii  ös  nv  (.irnnv  zv(fl>].  alld  xai 
^iaivnf.ievrj  xai  xcoq'rj  .  .  .  IlaginnoEvezai  naizaynv .  .  . 
VIII.  1.  2  0  ÖS  [zäjv  avi)^gi6nwi'\  noXvg  nyXog 
nvzng  n  nsgi  avzi]v  sazrjxwg  .  .  .  tivsg  xaXnvvzai ;  .  .  . 
^TignßnvkEvzni  .  .  .  d).).'  ni  ftev  avzwv  önxnvai 
yalgeiv,  ni  ös  aO^v/iinraiv  exzszaxnzag  zag  ytlgctg;  — 
Ol  fi fi'  öoxnvi'tic,  i'cfi].  yalgtiv  xai  yEkäv  avzwv  n't 
EilrjipnxEg  zi  nag  avzr^g  eiai)'  .  .  .,  n'i  de  öoxniivTEg 
xXals(v  \xai  txiEiaxniEg]  Eiai  nag  i'jv  arfsikezo, 
a  öeäojxE  ngöztgnv  .  .  .  Die  oben  angeführten  letz- 
ten AVorte  von  Kap.  V,  3  führten  uns  bereits  in 
den  Bing-.,  mit  Kap.  VII  befinden  wir  uns  also  im 
ngüjzng  neglßnlng.  Dem  entsprechend  erblicken  wir 
rechts  oberhalb  der  Andzi]  die  (wie  der  Kaigng 
des  Lysipp)  auf  einer  Kugel  stehende,  nach  rechts- 
hin  sich  bewegende  Tvyjj  mit  fliegendem  Gewände 

')  Vgl,  Dio  Clirysost.  Oc.  IV,  114  (p.  177  U.).  Koerte, 
Personitikationen  ]jsychol.  Affekte  in  der  späteren  griech.  Vasen- 
malerei .S.o.  8  ff.  4Gff.  soff,  iinl  die  dort  angeführte  Litteratur. 


119 


K.  K.  Müller.  Relieffragment  iiacli  Kebes. 


120 


und  durch  die  starke  Bewegung  enthlüsstem  Beiue. 
Links  hinter  ihr  drei  Gestalten,  mit  ausgestreckten. 
Händen  bemüht,  sie  an  ihrem  Gewände  festzu- 
halten; rechts  vor  ihr  zwei  ruhig  liegende  Figu- 
ren: die  crsteren  jedenfalls  die  dnxovvTsg  xXalsiv, 
die  letzteren  wohl  die  doxovvzeg  yalgsiv.  Das 
Obertheil  der  Tv^t]  ist  nicht  mehr  erhalten;  ob 
und  wie  der  Künstler  also  die  im  Texte  ihr  bei- 
gelegten Eigenschaften  ausgedrückt  hatte,  ob  sie 
mit  den  Händen  ihre  Gaben  ausstreute  und  w.ie 
diese  charakterisirt  waren  (vgl.  VIH,  ?>.  4  Tlva  nvv 
saviv,  a  öldioaiv  .  .  .  ;  TJXovtoq  örjlnvöti  xal  ön^ct 
xni  Evyeveia  xal  tlxva  xal  xv^aviideg  xal  ßaai- 
).elat  xal  zd'f.Xa  oaa  tnvioig  noQaih'ioia,  vgl.  auch 
XXXVI,  1):  darüber  giebt  uns  die  Zeichnung  keine 
Auskunit.  Im  Uebrigen  deckt  sich  die  Darstellung 
des  Künstlers  mit  der  bei  Kebes"). 

Soweit  ergiebt  sich  die  Deutung  der  einzelnen 
Gruppen  und  Figuren  von  selbst  aus  dem  Ver- 
gleiciie  der  Zeichnung  und  des  Textes.  Aber  die 
nächste,  links  hinter  der  Tvxi]  befindliche  Gruppe 
giebt  zu  verschiedeneu  Erklärungen  Anlass.  Die 
Hauptperson  ist  eine  ruhig  stehende  Figur,  von 
welcher  ebenfalls  nur  noch  die  untere  Hälfte  er- 
halten ist;  was  sie  that,  entzieht  sich  also  unserer 
Kenntniss.  Herr  Eobert  hält  dieselbe  für  männlich 
und  nimmt  mit  Bezug  auf  die  darunter  stehende 
Inschrift  an,  dass  sie  eine  Persouiiikation  des  Blog 
sei.  Mir  machen  die  Formen  der  Figur  eher  den 
Eindruck  von  weiblichen;  dazu  kommt,  dass  wir 
nach  den  AYorten  des  Textes  „xakeizai  ovzng  n  zn- 
nng  Ding''  eine  persönliche  Darstellung  des  Blog 
nicht  unbedingt  erwarten  dürfen.  So  wenig  ich 
leugnen  will,  dass  der  Künstler  den  Inhalt  des  ihm 
vorliegenden  Textes  weiterbildend  eine  neue  Figur 

')  ^^is^'  l*iicuviuä  bei  lihetor.  ad  Herenn.  II,  22,  ot).  Scaen. 
Rom.  poes.  Jragm.  sec.  cur.  recens.  Ribbeck  I  S.  124  ft".  R  i  b - 
beck,  Riim.  Tragödie  il.  Republ.  S.  251  f.  l'lutarch,  De  Fort. 
Rom.  IV.  Dio  Chrysost  Or.  LXIII,  7.  LXV,  12  (II  p.  ,327. 
.345  R.).  Galen.  n(H,7()f77T.  ;.(i;'.  II  ir.  (I  S.  3  rt'.  Kühn).  Ar- 
temidor  ,  Onirocril.  II,  37.  Isidor.  Peius.  I.  3  epist.  153 
(cf.  Broukhiiys  (!(/  TibuU  I,  6,34  lesp.  5,70).  Ovid.,  ex  Ponio 
IV,  3,  31.  2Vii7,  V,  8,  7.  O  Müller,  Handb.  §  398.  Köhler, 
Descriplion  ä'un  Camie  1810  S.  41ff.  =  Ges.  Schriften  V  S.  63ff. 
Zoegii,  Abhandl.  S.  3Gft',  .Jahn,  Ber.  d.  sächs  Ges.  d.  \V.  V 
(18.53)  S.  56.  Anlichith  di  ErcoL,  Bronzill  S.  91ff.  Müller- 
Wiese  1er,  Denkm.  II,  924.  Kngelhard,  De  personi/icalionibus 
quue  in  poesi  alijue  arte  Romanor.  inveniuntur  (<jOtt.  1881.  Diss.) 
S  Uff.  43.  48.  (JO  f.  Krsch  und  Gruber,  .v.  v.  Fortuna. 
Schul/.,  Aiinali  d.  Inst.  XI  (1839)  S.  120.  Rhode,  Griech. 
Roman  S.276ff.  —  Bei  Ilclbig,  Wandgem.  findet  sich  keine  der- 
artige Darstellung;  s.  No.  17—19.  73—75.  78  79.  942— 943b; 
vgl,  453.  471. 


frei  erschaffen  konnte,  so  sciieint  es  mir,  mit  Rück- 
'  sieht  auf  die  sonstige  Treue  in  der  Nachbildung  — 
kleine  Aenderungen  an  gegebenen  Figuren  ausge- 
nommen —  doch  nothwendig,  zunächst  an  die  bei 
Kebes  bereits  vorhandenen  Personifikationen  sich 
zu  halten.  Ehe  wir  jedoch  unter  diesen  nach  einer 
entsprechenden  suchen,  müssen  die  jene  Figur  um- 
gebenden Gestalten  betrachtet  werden.  Rechts  von 
ihr  erscheint  eine  nur  mit  dem  Oberkörper  über  die 
Mauer  hervorragende  Gestalt;  der  rechte  erhobene 
Arm  stützt  den  Kopf;  auf  dem  linken,  dessen  unterer 
Theil  flach  ausgestreckt  ist,  ruht  der  Körper:  es 
ist  die  Haltung  eines  beschaulicher  Ruhe  pflegen- 
den Menschen.  Auf  der  linken  Seite  zeigen  sich 
zunächst  der  stehenden  Gestalt  drei  Köpfe  über 
oder  hinter  einander,  von  denen  der  unterste  und 
der  oberste  vielleicht  den  Blick  nach  aufwärts 
richten.  Daran  reiht  sich  eine  knieende,  wie  sänimt- 
liche  übrigen  kleinen  Gestalten  —  soweit  sieh  dies 
unterscheiden  lässt  —  gänzlich  unbekleidete,  aber 
wohl  weibliche  Figur;  dieselbe  hält  ihren  rechten 
Ann  vor  dem  untersten  der  drei  Köpfe  nach  unten 
zu,  wie  um  die  Hand  dieser  Gestalt  zu  ergreifen; 
den  linken  Arm  streckt  sie  liinter  den  gleichen 
Kopf  aus,  vielleicht  um  damit  die  Hand  des  Fol- 
genden zu  erfassen,  oder  auch  um  den  Hals  der 
erstgenannten  Gestalt  von  hinten  zu  umfassen.  Be- 
trachtet man  diese  Gruppe,  so  fällt  sofort  in  die 
Augen,  dass  sie  das  Pendant  zu  der  Gruppe  rechts 
ist:  jedesmal  eine  über  die  anderen  liervorr:igende 
Hauptfigur,  zu  beiden  Seiten  umgeben  von  zwei 
unter  sich  verschiedenen  Gruppen.  Wie  dort  Tv^ri, 
so  ist  hier  die  noch  unbestimmte  stehende  Figur 
der  Mittelpunkt  für  die  rechts  und  links  vertheilteu 
Gestalten,  Nimmt  man  nun  an,  diese  Figur  stelle 
den  Bing  vor,  so  fällt  sie  bei  der  Erklärung  der 
um  sie  gruppirten  Gestalten  vollständig  hinweg; 
für  den  Beschauer  behält  sie  ja  immerhin  jene  Be- 
deutung, Hält  man  sie  aber  für  weiblich,  so  muss 
sie  nicht  bloss  äusserlich  nach  der  Auffassung  des 
Künstlers,  sondern  schon  nach  der  .\bsiclit  des 
Schriftstellers  auch  innerlich  den  Mittelpunkt  der 
Gruppe  bilden. 

Wir  haben  bisher  gesehen,  dass  der  Künstler, 
soweit  möglich,  an  den  Text  sich  anschloss;  man 
wird  also  auch  hier  zunächst  das  gleiche  Verhält- 
niss  vorauNset/.en.  Nun  fehlt  zwischen  Änairj 
(Kap.  V)  und  Tvxrj  (Kap.  VII.  VIII)  der  Inhalt  von 
Kap.  VI,  der  sich  ja  der  Reihenfolge  nach  gut  hier 
einfügen  würile:  .  .  .  ezi  di  nix  ^Q^S  tvdnv  zFjg 
nvXqg    nXrjiJng    zi    yvi'aixiüv    [izSQCOv]    narznöanag 


121 


K.  K.  Miillci-.   l?clieffra}:meiit  nach  Kebes. 


122 


uoQCfdi;  fxnvGÜiv ;  .  .  .  Aviai  tntviiv  Jn^at  x«t 
'Errt'h'fiiai  xal  Hönval  xaXnvvzat.  mav  nvv 
tlannoivtjzai  h  öx^ng,  avanr^öiüaiv  avzai  xal  nXs- 
xoviai  ngng  "xuainv,  eita  anaynvai  .  .  .  .Ii  tiiv 
f:ig  To  aioteaOai,  e(frj.  ai  de  stg  tn  äuöf.hiai/ai  .  .  . 
liier  ist  finc  iiauptpcixm  nicht  gegeben;  die  Deu- 
tung der  steheuden  Figur  als  Bing  Hesse  sich  also 
mit  dieser  Stelle  wolil  vereinigen.  Allein  —  ab- 
geseiieu  davon,  dass  icii  die  Kiguv  als  weiblich  au- 
nebnie  —  scheint  mir  auch  die  Darstellung  wenig 
den  Worten  des  Textes  zu  entspreelien.  Sowohl 
die  eine  Figur  rechts,  wie  jedenfalls  die  beiden 
unteren  der  drei  Köpfe  machen  den  Eindruck  von 
Menschen;  so  bliebe  für  die  Jo'Eiai,  'Eni^vfitai, 
'Hdmai  nur  die  eine  knieeude  Gestalt  übrig.  Die 
Bewegung  derselben  kann  man  ja  als  nki-xsaiyai 
nqng  iiva  auliassen;  aber  der  weitere  Inhalt  der 
Worte  wäre  gar  nicht  angedeutet.  Dass  aber  der 
Künstler  eine  der  vom  Schriftsteller  völlig  gleichge- 
stellten JnSai,  'EniÜvfiicti^  'Hdnrai  zur  Hauptti:;ur 
(gleich  der  stehenden)  erhoben  hai)en  sollte,  will  mir 
wenig  wahrscheinlich  dünken.  Dazu  konnnt  ein, 
allerdings  ausserhalb  dieser  Gruppe  liegender  An- 
stoss.  Die  Tvyjj  wendet  sich  nach  rcchtshin,  also  von 
denen  ab,  welche  von  den  Jn%ai  u.  s.  w.  —  angenom- 
men, dass  die  linke  Gruppe  diese  darstelle  —  zu  ilir 
kommen  würden;  ich  würde  erwarten,  dass  sie  diesen 
entgegengeht.  Ausserdem  befinden  sicli  rechts  vor 
ihr  die  dozoriTtg  yaiqeiv,  links  hinter  iiir  die  ön- 
xni'i'isg  xlaluv,  welchen  sie  gegeben  und  bereits 
wieder  genommen  hat;  also  wäre  doch,  was  früher 
vorgegangen  ist,  eigentlich  auf  der  rechten  Seite  zu 
suchen.  Sieht  man  sich  nun,  unter  Berücksich- 
tigung der  eben  erörterten  Punkte,  bei  Kebes  wei- 
ter um,  so  iiietet  sich  vollkommen  ungezwungen 
Kaj).  IX  dar. 

IX,  1 — 4  ^Ogüg  .  .  .  allnv  neoißolov  xal 
yvi'aixag  e^co  zov  nsQißnXnv  iozrjxinag  xexoaf^irj- 
fiavag  oianeg  eialgai  euod-aai;  .  .  .  fj  f.isv  ^xgaaia 
xaXtlzai,  f]  Si  ^acozla,  i)  di  Änkrjazia,  i]  de  Kola- 
xsla  ■  .  .  Ilaqazr^Qnvaiv ,  s(pi],  znvg  eilrjrfozag  zi 
nagd  zrjg  Tv'/rjg  .  .  .  ^taniiöcüai  xal  GVfinltxnvTai 
avxolg  xai  xnXaxevnvai  .  .  .  edv  nvv  zig  netat^f]  vn 
avzüiv  elaeXiWiv  slg  tfv' Hdvuüiteiav,  (.iiygi  fiivzivng 
Tjöe'ta  önxtt  tivui  rj  öiazgißi)  .  .  .  '('nav  avaliüorj 
näi'za,  '(loa  tlnßs  nagd  zfjg  TvyiiQ,  ctva;  xatszai 
zaizaig  taig  yvfaiSi  dnvXsvsiv  .  .  .  Danach  iiätten 
wir  in  der  grossen  Stehenden  Gestalt  die 'i;/()i'.Tay£i« 
zu  erkennen,  in  der  knieenden  links  eine  der  yvval- 
xeg,  in  dem  ruliig  sitzenden  Meusclien  rechts  das 
Stadium  der  Glückseligkeit,  in  den  Gestalten  links 


das  der  Knechtschaft.  Allein  auch  gegen  diese 
•Anschauung  lässt  sich  geltend  machen,  dass  nur 
eine  der  ywalxeg,  in  dem  erhaltenen  Stücke  wenig- 
stens, mit  Sicherheit  nachzuweisen  w.'ire.  Vielleicht 
iulirt  uns  die  Erörterung  eines  Punktes,  welchen 
ich  bisher  absichtlich  überging,  zu  einer  befrie- 
digenden Lösung  der  Schwierigkeit. 

Zwischen  den  Füssen  der  stehenden  Figur  er- 
scheinen einige  gerade  Linien,  die  kaum  zu  dem 
Gewände  gehören;  was  bedeuten  diese?  Auf  die 
Gegenübeistellnng  der  beiden  Gruppen  innerhalb 
des  negißnlng  lialie  ich  i)ereits  aufmerksam  ge- 
macht. Sollten  wir  nicht  diese  Gegenüberstellung 
im  Aeu.sseien  auch  auf  den  Inhalt  beziehen  dürfen? 
Dann  würden  auch  jene  geraden  Linien  ihre  Be- 
deutung erhalten.  Ich  denke  an  Kap.  XVIII,  1.  2: 
Ovxnvi'  nagd  zrjv  nvhjv  riQÖg,  e'rpt],  ort  yvvrj  zig 
fozl  xaA/j  xal  xad^eazijxvla  zö  rrgoaionnv,  (.liarj 
de  xal  xEXQii.iivq  rjdrj  zfj  rjXixia,  azo).ijv  de  eynvaa 
anlr^v  te  xal  dxaX?.(ümaznv ;  eazrjxs  öe  nvx  snl 
azgnyyvlnv  Xid^nv,  ulf'  enl  zszgaycuvov,  dacpalwg 
xEt/.ievnv  xal  /.tsza  zavtrjg  alXai  övn  elal  Üvya- 
zf'geg  ttvic  doxnvaai  ehai  .  .  .  /;  i^tev  ev  zw  /^leaoj 
Ilaideia  iazlv,  rj  de  ^Xtj^tia,  rj  de  Tleti^tö.  Aller- 
dings steht  die  hiernach  als  flaideia  anzusprechende 
Figur  nicht  auf  dem  Xilrng  zezgäycovng,  der  durch 
jene  Linien  angedeutet  wäre,  sondern  dieser  liegt 
zwischen  ihren  Füsseu.  Allein  dies  scheint  mir 
darin  begründet,  dass  der  Künstler  auf  den  Raum 
Rücksicht  nahm;  sie  hätte  sonst  zu  weit  in  die 
obere  Relieftläche  hineingeragt.  In  der  kleineren, 
knieenden  Figur  könnte  mau  eine  der  ^vyaiegeg 
erblicken  wollen;  aber  die  zweite  fehlt,  und  dann 
ist  im  Texte  gar  nichts  davon  gesagt,  dass  jene 
zwei  d^vyazegeg  irgendwie  in  die  Handlung  ein- 
greifen. Jene  knieende  Figur  im  Bilde  ist  aber 
mit  einer  oder  zwei  der  übrigen  Gestalten  völlig 
beschäftigt.  Ziehen  wif  den  Inhalt  der  voraus- 
gehenden Kapitel  bei,  dann  ergiebt  sich  auch  hie- 
für eine  meines  Erachtens  annehmbare  Vermuthung: 
XV,  3 — XVI, 4  Ovxnvv  xal  ßovvng  zig  vifjTjX.og  .  .  . 
xal  dväßaaig  azevfj  nävv  xal  xgrjfivovg  eynvaa  .  .  . 
ßa&elg  .  .  .  ^iizt]  znivvv  eazlv  rj  ndng,  ecpt],  rj 
ayovaa  ngng  t)]v  aX.rjitivrjV  Tlaideiav  .  .  .  enl  zov 
ßnvvnv  ogcig  nezgav  zivd  fieydXrjv  xal  vifjrjX^v  xal 
xvx?.(i)  dnnxgi'i^ii'ni';  .  .  .  'Ogüg  nvV  xal  yvvaixag 
di'o  fazrjxinag  enl  zijg  nezgag  Xinagdg  xal  evexznv- 
aag  rü  aioi.iazi,  lug  ixzszoxaai  zag  yelgag  ngnitv- 
(XMg  .  .  .  'H  ,M6i'  Eyxgäziia  xaXtlzai.  e(pr].  rj  de 
Kagzegia  .  .  .  llagaxdlnviuv .  trprj.  znvg  naga- 
yiyvo/nevnvg  .  .  .  !/aggeh'  .  .  .  nidg  avaßannvciiv;  ngiä 


12c 


K.  K.  Müller.  Reliefframiieiit  nach  Kebes. 


124 


yao  ndnv  (pionvaav  nvd£,i(iav  sn'  nvxäg.  —  ^vzai 
unn  znv  xgrjivov  ngoxaraßannvai,  xal  f'?.xovaiv 
avrnig  aiio  .  .  .  Die  Thätigki-it  der  knieendeu 
Fi.sur  läs^t  sich  ja  voilkoninien  als  flxetv  bezeich- 
nen, wir  hätten  in  ilir  also  entweder  'Eyxoaveia 
oder  KttQzEoia  zu  sehen,  die  mit  jeder  Hand  einen 
Menschen  auf  den  i^oiii/og  lieraufzieht;  ob  der  dritte 
Kopf,  der  eine  ziemlich  unerklärliche  Haltung  liat, 
vielleicht  der  anderen  jener  yvvalxtg  angeliört, 
lässt  sich  kaum  bestimmen.  Auf  diese  beiden 
yvvaixsg  und  ihre  Charakterisirung  als  siexrovaag 
T(ü  oiü^icai  würde  auch  die  bildliche  Darstellung  der 
kuieenden  Figur  in  voller  IS'acktheit'')  sehr  gut 
passen.  Die  ruhig:  sitzende  Gestalt  rechts  würde 
entweder  ein  bei  der  'Eyxgäzaia  und  Kaozegia  aus- 
ruhender Mensch  sein  (vergl.  XVI, 4  eiza  xelevnvaiv 
avTovg  diavanaiaaa&ai),  oder  eher  ein  zur  Ilai- 
öela  bereits  vorgedrungener,  der  schon  die  sni- 
on\i.tr}  xov  ^trjöiv  av  tzots  dsivov  naitslv  sv  tcjj 
Bi(o  (XVIII,  4)  von  ihr  empfangen. 

So  würde  sich  Alles  befriedigend  erklären  lassen; 
aber  —  nach  Kebes  ist  die  Tlaidtiu  erst  im  drit- 
ten, nicht  im  ersten  nsQißolng.  Dürfen  wir 
glauben,  dass  der  Künstler  so  weit  von  seiner 
litterarischen  Vorlage  al)wich?  Ich  wies  schon  oben 
bei  dem  Jalua'v  darauf  hin,  dass  der  Künstler  seine 
Motive  theilweise  aus  Kap.  XXX  entnommen  habe. 
Wie,  wenn  derselbe  sieh  überhaupt  wesentlich  an 
die  Kap.  XXXff.  gegebene  Rekapitulation  des  haupt- 
sächlichsten Inhalts  gehalten  und  aus  der  vorher- 
gehenden ausführlichen  Darstellung  nur  die  zum 
Verständnis«  des  Ganzen  nothweudigen  Gruppen, 
sowie  die  Charakterisiruug  im  Einzelnen  entlehnt 
hätte?  Die  eben  angeführten  Kapitel  handeln  zu- 
nächst von  Jai/iinviov  und  Ti'x';,  gehen  dann  aber 
sofort  zur  üaiöila  über  (Kap.  XXXII)  und  er- 
wähnen die  Jn^ai  u.  s.  w.  gar  nicht,  die  'Hdimn^'^sia 
mit  ihren  Genossinnen,  sowie  die  '■Utvöonaiösia 
nur  als  Durchgangspunkte,  um  zur  rintdela  zu  ge- 
langen. Die  alartnqsvcftsvoi,  der  Jalfdov,  die  Jlnazi] 
und  die  gleich  zu  besprechenden  übrigen  Figuren 
mussten  Aufnahme  finden,  weil  ohne  sie  die  ricli- 
tige  Entwickelung  gefehlt  hätte;  die  Anordnung  in 
drei  neQ/ßnlni  aber  war  dann  nicht  mehr  möglich, 

3)  Vgl.  die  oben  citiiten  Stellen  V,  1.  VI.  1.  IX,  1.  XVIII.  1 ; 
ferner  unten  X,  1.  X,  3  und  XII,  2  yvrri  .  .  .  niirv  xalhiiiio;  y.iu 
ivTaxiOi.  XIV,  1  yvraixi;  .  .  .  o/.ioitti  iiof  nixuiuig.  XX,  "i/oyoj' 
yvvttixiiiv  üjg  fit/JVrf  öoxovniv  thcii  xiü  tinrtxioi  xiii  nioXIiv 
(iiQiqfoov  y.d'i  ÜTiXfiv  'i/ovniii  .  .  .  oig  !in).itnjiii  .  .  .  oi'Ja- 
fjiüg  xhxuD.wninufrtii .  XXI,  3  yvvrj  \_xii!ltaiyixviu^  tvnörj-; 
TIS  .   .   .   xtxonfi)ju(it]  lltvItOjoii  XIÜ  <<7ifoi^(iyiog 


und  nur  der  erste  und  grösste,  den  Bing  im 
Ganzen  umfassende  wui'de  dargestellt;  höchstens 
konnte  der  Evdaif.invia  für  sieh  ein  besonderer 
Kreis  zugewiesen  werden  (vgl.  unten).  Es  konnnl 
noch  etwas  Anderes  hinzu:  konnte  der  Künstler 
überhaupt  die  vielen  von  Kebes  vorgefahrten  ein- 
zelnen Gruppen  —  vom  Räume  ganz  abgesehen  — 
genügend  charakterisirt  zur  Darstellung  bringen? 
Ich  möchte  dies  bezweifeln'').  Auffallen  könnte  nur 
die  Auslassung  der  '^svdonaidsia  mit  ihren  An- 
hängern (Kap.  XIII),  die  ja  durch  Attribute  leichter 
zu  kennzeichnen  waren.  Allein  vielleicht  waren 
diese  hinter  resp.  oberhalb  der  Tvxr]  dargestellt, 
ebenso  hinter  der  Tlaiöela  die  'Eniaztj/m]  mit  den 
übrigen  ^qezai  (Kap.  XX),  so  dass  auch  hier  wieder 
zwei  sich  entsprechende  Gruppen  dem  Beschauer 
sieh  darboten.  Die  Krönung  des  Ganzen  aber  bildete 
die  Evöatfiofia,  welche  den  zu  ihr  durchgedrunge- 
nen Menschen  als  Sieger  mit  dem  Kranze  belohnt 
(Kap.  XXIff.^). 

Ehe  jedoch  hierüber  mit  annähernder  Sicherheit 
sich  urtheilen  lässt,  bedürfen  die  noch  nicht  bespro- 
chenen Figuren  der  Erklärung.  Rechts  neben  der 
JinäzT]  stehen  zwei  Gestalten ,  die  grössere  leicht 
(oder  gar  nicht?)  bekleidete  rechts,  über  deren  Rücken 
ein  Band  wie  von  Ringen  oder  Kugeln  sich  hinzieht, 
sicher  männlich,  die  andere  in  ihr  Gewand  gehüllte 
nicht  sicher  bestimmbar.  Icli  hielt  dieselben  Anfangs 
für  die  Personifikationen  des  Trankes  der  Änäzi], 
nlävng  und  Jiyvnia,  weil  ich  glaubte,  Jlndzi]  strecke 
ihre  linke  Hand  gegen  sie  aus.  Allein  Herr  Robert 
machte  mich  aufmerksam,  dass  die  Reihe  von 
Kugeln,  welche  die  eine  Figur  auszeichnet,  als 
Blumenguirlaude  zu  fassen  sei  und  diese  Bekrän- 
zung i'ür  den /ZAavog  sich  nicht  erklären  lasse;  zu- 
gleich wie.s  er  darauf  hin,  dass  die  von  der  Evdai- 
(.invia  Bekränzten  wieder  dahin  zurückkehren,  von 
wo  sie  ausgegangen  waren,  um  die  Schicksale  der 
übrigen  Menschen  kennen  zu  lernen  (Kap.  XXIV  f.). 
Ich  sehliesse  mich  dieser  Deutung  vollkommen  an 
und  sehe  dann  in  der  anderen  Gestalt  einen  der 
aazeffävuizoi,  welche  ebenfalls  wieder  dahin  ge- 
langen (Kap.  XXVII f.).  In  diesem  Falle  mttsste 
man  auch  diese  Gestalt  als  männlich  betrachten. 
Dass   beide   Figuren   grösser   als  die  Menschen   im 

■')  '^'s'.  hierüber  auch:  Caylus,  Sur  le  Tableuu  de  Cibes  . .  . 
=  Hisloire  de  rAcinl.  r.  d.  Inscript.  XXIX  (1764)  S.  I49ff.  =  Ab- 
handl.  /..  Gesch.  u.  z.  Kun.st  II  S.  184  ff.  Böttiger,  Hercules  in 
hivio  S.  20.    Kl.  Schriften  II   S.  311. 

■')  Liosse  sich  nicht  das  bekannte  Relief  des  Arelielaos  /.um 
VerL'lciche  hier  beixiehen? 


125 


K.  K.  Mal 


l?clieffi-agmeut  nach  Kebcs 


126 


n£gißn?.ng  —  aber  uiclit  so  gross  wie  die  Persoui- 
liivatioiicn  —  dargestellt  sind,  findet  seine  genügende 
Eiklüiung  wohl  darin,  dass  beide  ja  bereits  an 
das  Ziel  des  Lebens  gelangt  sind. 

Es  erübrigt  nocli,  die  beiden  unterhalb  dieser 
Grujjpe  aui'tauebenden  Köpfe  zu  besprechen.  Der 
grössere  rechts  gchiirt  unzweifelhaft  einer  weib- 
liciien  Figur  an,  dci-  kleinere  links  unten  einer 
niäniilichcn.  Wo  befinden  sich  diese  nach  Kebes? 
/^Trar?;  mit  den  zwei  anderen  (k'stalten  nimmt  otfcn- 
liar  einen  erhöhten,  gegen  das  Tlior  resp.  den  l^latz 
(ia\or  und  gegen  den  liauni,  aus  dem  jene  iieiden 
Köpfe  hervorragen,  abfallenden  Platz  ein;  die  Linie, 
welche  untei-halb  der  Jlnärrj  sichtbar  ist  und  hinter 
dem  w('il)lichen  Ko])fe  sieb  w(dd  fortsetzte,  deutet 
die  vordere  liegrcnzung  desselben  an.  Ebenso  füllt 
der  Ort,  den  die  tlcnngevö^iemi  mit  dem  Jaificov 
einnehmen,  nach  rechtshin  schroff  ab.  Jene  beiden 
Köpfe  resp.  die  zugehörigen  Figuren  weilen  also  in 
einem  zwischen  diesen  Erhöhungen  liegenden  tiefe- 
ren Jiaunie.  Aulfällig  könnte  nur  erscheinen,  dass 
dann  L4naTTj  dem  Trinkenden  ihr  7Tnxi]Qinv  über 
eine  Kluft  hinüber  reicht.  Denn  dass  man  diesen 
tief  gelegenen  Raum  auch  nach  dieser  Kichtung 
bin  ausgedehnt  denken  muss,  macht  das  schraffirte 
Stück  waluscheinlich,  welches  Herr  Robert  für  eine 
Tbiir  hält.  Diese  Deutung  führt  dann  auch  auf 
die  Erklärung  des  Ortes  und  der  dort  befindlichen 
Personen.  Von  der  'HöviätJEia  und  ihren  fle- 
nossiniien  (Kap.  IX;  vergl.  oben)  \\ird  der  Mensch 
der  TifKDQin  üliergeben:  "Oinv  nvi-  Trärra  airni^g 
fnüünfj,   TjciQadidnviai  i ij    Ti/iitjoia 

X,  1 — XI,  1  Tlni'a  ÖS  iariv  avit];  —  'f>Q{<g  nnlato 
it,  \ttf'y],\  rtincür  cnio  üantQ  th'ginv  \/iiixQnr]  xai 
znnoi'  arsri))'  Tiva  xai  axnrstrni';  Oi'xovv  xai  yi'- 
rnJxEQ  aiayigai  xoi  gimagal  xai  qänrj  i]f.tififaiüvai  .  .  . 
ytvioi  ...  1]  fifv  xr^v  fiönriya  eynvna  xctleiiat  Ti- 
fiioQta .  r  df  xfjv  xE(fakr]v  ev  znlg  yniaaiv  e'ynvaa 
ytvnrj^  tj  ds  rag  rgr/ag  tlllnvaa  faiizr^g  'Oövvt]  .  . . 
n  nagtatrixwg  avraig  dvaeidijg  ztg  xai  Xemog  xai 
yi'fifog  xai  /ist  avTo7^  tig  .  .  .  ahr/Qu  xai  Xenzi]  .  .  . 
0  itsv  Oöt'Qiiing  .  .  .  ij  öf  JUfviiia  .  .  .  Tnvinig  nii 
nagadiöoiai  xai  fieza  znvuor  ov/Lißirn  ziiicogov- 
ftarng.  Ena  fvTnv!)a  ttciIiv  sig  zur  i'ngor  ntxnv 
Qinztzai  €ig  i if  Kaxrtdatitnvli(r  xai  (uÖE  znv  himnv 
ßtnv  -xaTuaruf^ffei  . . .  av  /.lij  i-  Mcidinia  avim  fniTvyij 
\fx  rrgoaigfatiDg]  avvavzTjOaaa  .  .  .  'ESaigti  avinv 
fx  z(T)v  xaxwv  .  .  .  Dass  der  Kunstler  diesen  bei 
Kebes  hinter  und  olierhalb  der  'Hdvnädeta  befind- 
lichen Kaum  anderswohin  verlegt,  darf  bei  ge- 
nauerer   Ueberlegun:;'    der   Möglichkeiten    der   Dar- 


stellung kaum  Wunder  uehmeu;  dass  dann  in  der 
Tiefe,  also  im  unteren  Theile  des  Keliefs,  der  rich- 
tige Platz  war,  ist  ebenfalls  klar;  liess  sich  doch 
der  Zusammenhang  mit  dem  Biog  vermittelst  des 
xh'ginr  gut  herstellen.  Die  weitere  Frage,  ob  der 
Künstler  den  nixog  der  Tifuogia  und  ihrer  Gefähr- 
ten, wie  den  der  Kaxndtti/.tr)vi'a  oder  nur  einen  von 
beiden  zur  Darstellung  gebracht  hatte,  lässt  sich 
bei  der  weitgehenden  Verstümnielung  nicht  ent- 
scheiden; möglich  ist  ja,  dass  unterhalb  der  £tff;ro- 
gainuEvot  dieser  Kaum  sich  noch  weiter  nach  links 
erstreckte.  In  dem  männlichen  Kopfe  hätten  wir 
so  einen  der  Tifiwgt'a  oder  der  Kaxodaifinrta  ver- 
fallenen Menschen  zu  erkennen.  Wem  der  weib- 
liche Kopf  angehört,  ist  fraglich;  das  meiste  spräche 
für  Mszävnia"),  worauf  auch  Herr  Robert  hinwies; 
doch  kann  auch  Kaxndai/itnvla  in  Betracht  kom- 
men; bei  den  übrigen  Personifikationen  entspricht 
die  Charakterisirnng,  wie  sie  in  den  Worten  des 
Textes  gegeben  ist,  nicht  der  bildlichen  Darstel- 
lung. 

So  wäre  wohl  für  die  noch  erhaltenen  Theile 
des  Reliefs  eine  im  Allgemeinen  befriedigende 
Deutung  erreicht;  dass  im  Einzelnen  Jlanclies  frag- 
lich ist,  daran  trägt  der  verstünmielte  Zustand  die 
Schuld. 

Versuchen  wir  eine  Ergänzung  des  Ganzen,  wie 
sich  dieselbe  nach  den  vorhergehenden  Auseinander- 
setzungen ergiebt,  so  haben  wir  im  untersten 
Streifen  (der  gegen  unten  vielleicht  ebenfalls  mit 
einer  Mauer  abgegrenzt  war):  die  Darstellung  der 
durch  eigene  Schuld  dem  Unglück  verfallenen  Men- 
schen —  eine  Art  Unterwelt  — ;  im  zweiten 
Streifen:  die  ^'orstellung  des  Eintritts  in  das 
Leben  und  der  diesen  begleitenden  Umstände;  im 
dritten  Streifen:  die  verschiedenen  Phasen  des 
Lebens;  vermuthlich  im  vierten  und  letzten 
Streifen:  die  Bekränzung  des  an's  Ziel  gelangten 
Menschen  durch  die  Evöaiiiovta. 

Ich  habe  das  Relief  nach  den  \\'orten  des  Kebes 
erklärt.  Xach  den  Worten  der  Einleitung  des 
nivai  ('Eii'yyavnfitii  TTtginarninitg  fr  zui  rni 
Kgnvnv  leoiji.  f-v  uj  nnkXa  fiev  xai  a)j.a  ava!lrii.iai a 
^ifeiugrivuai  '  uvtxtiin  df  xai  nirai  ztg  .  .  .,  iv  w 
fp'  yqacpt]  ttg  .  .  .)  wäre  die  Frage  erlaubt,  ob 
nicht  der  umgekehrte  Weg  der  riclitige  sei,  ob  nicht 
eine    künstlerische    Darstellung    dem    Schriftsteller 

')  Vgl  Lucian.  cal.  non  rem.  cred  b.  Jahn,  Ber.  d.  .<üclis. 
Ges.d.W.  V  (1853)  S  57f  Curtius,  Arch.Ztg.  XXXIU  (ISTÜ) 
S.  6.  Förster.  Uli.  Mus.  XXXVIIl  (1883)  S  434.  Blümiier. 
De  locis   l.uciani  ml  nrlem  spertantibus  S.  4'-' ff' 


127 


K.   K.  Müller.  Relieffrasment  nach  Kebes. 


128 


als  Vorlage  gedieut  habe.  Die  Abweiclmngeu  bei- 
der Darstellungen  aber  lassen  keinen  Zweifel,  dass 
unser  Relief  wenigstens  nicht  diese  Vorlage  war; 
ganz  abgesehen  davon,  dass  die  allgemeine  Ana- 
logie der  'tabiilae  iiiacae  dafür  spricht,  dass  dort 
eine  Fiktion  vorliegt')  (vgl.  auch  oben  Sp.  124). 

Zum  Schluss  mache  ich  noch  darauf  aufmerksam, 
dass  das  vorliegende  Fragment  auch  deswegen  Be- 
deutung hat,  weil  die  Nachbildung  durch  die 
Plastik  uns  zeigt,  dass  zu  irgend  einer  Zeit  der 
unter  Kebes'  Namen  gehende  fllvai:  eine  grössere 
Verbreitung  und  Anerkennung  gefunden  hatte.  Diese 
Zeit  wird  wohl  von  jener  der  'labulae  iiiacae'  nicht 

')  Vgl.  Jahn,   Ber    der  sächs.   Gesellscli.  der  Wissensch,  V 
(1853)  S.  58  Anm.    Matz,  De  Philostratorum  in  describ.  imaginib. 
fide  p.  5.    Brunn,  N.  Jahrb.  f.  Philol.  103   (1871)  8.3.    Matz, 
Phüulorjus  XXXI    (1872)   S.  59-.>f. 


ferne  liegen  *).  Es  ist  damit  ein  Anhaltspunkt  ge- 
geben, wann  der  TllvaS.  jedenfalls  vorhanden  war; 
bekanntlich  gehen  ja  über  Verfasser  und  Zeit  der 
Entstehung  des  Tllvai  die  Meinungen  noch  sehr 
auseinander').  Die  Behandlung  der  Frage  vom 
archäologischen  Standpunkte  aus  niuss  ich  Anderen 
überlassen. 


Würzbur"'. 


K.  K.  Müller. 


8)  Vgl.  Jahn,  Griech.  BilderchroniUen  S.  VI.  78U'.  81  ft'. 
87  ff.     Robert,  Bild  und  Lied  S.  46ff. 

•')  Vgl.  Drosihn,  die  Zeit  des  IlCvai  Keßrijog.  (Neustettin 
1873.)  Zeller,  Philos.  d.  Griech.  II,  V  S.  206.  Sauppe,  Gott, 
gel.  Anz.  1872  S.  777.  Wilamowitz  -  Möllendorl'f,  Anti- 
gonos  V.  Karysl.  S  293  f.  Kord'vir);,  'F.<fr}ufi)ii  lojj'  (fiXofjn,'lii)r 
XXVI  (1878)  S.  183fr.  Ceb.Tab.bi/  Jerram  (Oxf.  1878):  Intro- 
duction. 


Herr  Müller  hat  mir  freundlichst  gestattet  die- 
jenigen Punkte,  über  die  eine  Eiuigung  zwischen 
uns  nicht  erzielt  worden  ist,  hier  gleich  im  An- 
sehluss  an  seine  Besprechung  zu  formuliren. 

1)  Der  Jai'^uov  reicht  nicht  dem  Vordersten  der 
ins  Leben  Eintretenden  die  Hand,  sondern  erhebt 
sie  mit  ausgestrecktem  Zeigefinger;  es  ist  der 
charakteristische  Gestus  des  nqngiaTxeiv  (l  2,  3; 
XXX  1:  log  ngogTävTcuv  tt.  ti  nqni^iäxTEi  zö  Jai- 
növiov).  Der  Künstler  ist  von  dem  Texte  des  Kebes 
insofern  abgewichen,  als  er  den  Daimon  nicht  mit 
der  einen  Hand  die  Rolle  halten,  mit  der  anderen 
zeigen,  sondern  mit  der  erhobenen  Rolle  zeigen 
lässt;  dadurch  gewinnt  er  die  Möglichkeit,  die 
andere  Hand  für  den  Gestus  der  Belehrung  zu 
verwenden.  Ein  schlagender  Beweis  dafür,  wenn 
es  dessen  bedürfte,  dass  das  Relief  nach  der  Schrift 
gearbeitet  ist  und  nicht  umgekehrt. 

2)  Die  über  dem  Thor  stehende  Figur  kann  ich 
nach  wie  vor  nur  für  den  personificirten  Biog  hal- 
ten. Jede  andere  Benennung  setzt  sich  in  zu  star- 
ken Widerspruch  nicht  nur  mit  dem  Wortlaut, 
sondern  auch  mit  der  Tendenz  der  illustrirten 
Schrift,  da  dann  die  EigTtoQSvöi.i£voi  nicht  zuerst 
in  die  Gewalt  der  Tvyjj,  sondern  einer  anderen,  von 
Kebes  erst  später  namhaft  gemachten  Macht  ge- 
rathen  würden.  Den  Bing  aus  eigener  Erfindung 
personificirt  einzuführen  lag  dem  Künstler  sehr 
nahe,  und  es  w-ar  fast  nothwendig,  wenn,  wie  wir  mit 
Wahrscheinlichkeit  voraussetzen  dürfen,  an  der  ent- 
sprechendi'M  Stelle   über  dem  Eingang  des  zweiten 


Peribolos  die    Wevdnnaiöela,  üljcr  dem  des   diitten 
die  Ilaidela  dargestellt  war. 

3)  Ueber  der  Mauer  des  IIsQißokog  des  Bing 
erscheinen,  den  ins  Leben  Eingehenden  auflauernd, 
die  Jo'^ai,  'Erji9v/.nai  und  'Hdnvai,  als  kleine 
nackte  Weiber  gebildet.  Zu  diesen  rechne  ich  die 
über  dem  Thorbogen  rechts  neben  dem  Blog  und 
die  beiden  rechts  neben  der  Tv^ri  erscheinenden 
Gestalten.  Alle  drei  lehnen  den  linken  Arm  in 
bequemer  Stellung  auf  die  Mauerbrüstuug;  zwei 
derselben  erheben  den  rechten  Ann,  wie  man 
der  Zeichnung  glauben  möchte,  um  das  Haupt  zu 
stützen,  nach  der  Absicht  des  Künstlers  wohl,  um 
den  ins  Leben  Eingehenden  zuzuwinken.  Endlich 
gehört  in  dieselbe  Kategorie  wohl  auch  die  knieeude 
Figur  ganz  links,  welche  einen  der  ins  Leben  Ein- 
getretenen an  sich  heranzieht  {avanrjd(üaiv  amai 
xal  nlixnvtai  TiQog  tKaaxnv).  Die  von  der  Tv^'? 
mit  Geschenken  Bedachten  (o/  dnxnvvrig  %aiQeu) 
denke  ich  mir  weiter  oben  rechts  über  den  beiden 
gelagerten  'Enii^vfitai  dargestellt, 

4)  Was  endlich  die  schwer  zu  deutenden  Figuren 
an  der  rechten  unteren  Ecke  des  Fragments  be- 
trifft, so  bin  ich  nach  vielfachem  Schwanken  jetzt 
zu  der  Annahme  gelangt,  dass  sich  hier  der  Künst- 
ler eine  Erweiterung  der  bei  Kebes  gegebenen  Be- 
schreibung insofern  erlaubt  hat,  als  er  auch  das 
Jenseits  in  den  Kreis  seiner  Darstellung  gezogen 
hat.  Vielleicht  hat  er  die  Motive  aus  dem  10.  Buch 
der  Platonischen  nnlitsia  entlehnt,  und  wir  dürfen 
in  dem  nach  rechts  gewandten,  mit  einem  Schleier 


129 


K.  Lange,  Zur  Partliciios. 


130 


geseliniiicktcn  Fraueiikopf  den  der  Jlvnyxii  oder  der 
y/äxsatg  erkenuen,  vor  der  die  zur  Rückkehr  ins  Da- 
sein bestimmten  Seelen  standen.  Dann  liätten  wir 
liier  den  Ausgangspunkt  der  ganzen  Darstellung: 
von  hier  aus  wandeln  auf  gewundenem  Felsen- 
pfad die  Menschen  zum  Thore  des  Lebens.  Nur  die 
drei  vordersten  des  langen  Zuges  sind  erhalten 
und  von  einem  der  hintersten  (ganz  unten)  der  nach 
Jiväyyir)  zurückgewandte  Kopf.  In  derselben  Schlan- 
genlinie setzte  sich  vermuthlich  die  Bewegung  über 
die    ganze    Tafel     fort.      Von    rechts    nach    links 


schreitend,  dann  wieder  nach  reciits  umbiegend, 
gelangen  die  slgnogsunfAsini  zum  Tliore  des  Lebens; 
hier  gerathen  sie,  nach  rechts  weiter  gehend,  in  die 
Gewalt  der  Tiyj]-,  dann  umkehrend  wenden  sie  sich 
nach  links  zur  'Hdtmä!/tta,  die  also  etwas  ober- 
halb des  Bi'og  am  linken  Rande  der  Relieflafel  dar- 
gestellt war,  und  so  fort.  Ich  gebe  diese  Recon- 
structiou  natürlich  nur  als  Möglichkeit,  glaube  aber, 
dass  wenigstens  an  der  Darstellung  der  drei  Fltol- 
ßnloi  durchaus  festgehalten  werden  muss. 

C.    ROBEKT. 


ZUR  PARTHENOS. 


Es  ist  nicht  meine  Absicht,  die  Polemik  Über 
die  Athena  Parthenos  des  Phidias  hier  von  neuem 
aufzunehmen  und  in  der  Ausführlichkeit,  mit  der  sie 
Schreiber  beliandelt'),  fortzusetzen.  Wenn  Schreiber 
die  Methode  meiner  Parthenosstudien  der  seinigen 
in  lebhaften  Ausdrücken  gegenüberstellt,  so  kann 
ich  mich  darüber  trösten:  der  Werth  einer  Methode 
bestimmt  sich  nach  den  Resultaten,  die  durch  sie 
•erzielt  werden,  und  diese  haben,  soviel  ich  sehe, 
für  die  meinige  entschieden.  In  der  Annahme, 
dass  die  Handstütze  dem  Original  angehöre,  stim- 
men so  viele  Faebgenossen  mit  mir  überein, 
dass  ich  mich  in  dieser  Beziehung  durchaus  nicht 
in  der  Defensive  fühle.  Ich  halte  es  darum  keines- 
wegs für  nöthig,  die  theil weise  recht  seltsamen 
GegengrUnde,  die  Sehr,  neuerdings  gegen  dieselbe 
vorbringt,  näher  zu  beleuchten.  Auch  hinsichtlich 
der  hohen  Bedeutung,  die  ich  der  Varvakion- 
copie  beigelegt  habe,  fühle  ich  mich  mit  Allen,  die 
das  Original  kennen,  in  vollkommener  Uebereiu- 
stimmung:  ist  doch  auch  durch  die  stilgerechte 
Publikation  der  Goldmedaillons  der  Eremitage'^) 
meine  Ansicht  in  viel  höherem  Grade  bestätigt 
worden,  als  ich  selbst  geglaubt  hätte.  Dieselbe 
Publikation  hat  auch  wieder  einmal  deutlich  gezeigt, 
dass  die  Minercc  au  coliier  im  Louvre,  die  Schrei- 
ber bei  der  Reconstruction  des  Helmschmuckes  der 
Parthenos  vorzugsweise  zu  Grunde  legt,  hierfür 
vollkommen  gleichgiltig  ist,  und  dass  vielmehr  die 
jüngeren  attischen  Tetradrachmen  und  die  Aspa- 
siosgemme    diejenige  Wichtigkeit   in    dieser  Frage 

')  Schreiber,  Neue  rartbenosstiidien,  Arcli.  Ztg.  1883  S. 
193  ft".  u.  277  ff. 

'■')  Mitlh.  des  arcli.  Instit.   1S83  Taf.  XV    (Kieseritzky). 
Arcliilolog.  Ztg.  .fahrgani;  XLU. 


haben,  die  ich  ihnen  gleich  von  vornherein  beilegte. 
Damit  wären  die  drei  wichtigsten  Punkte,  in  de- 
nen unsere  Ansichten  von  einander  differiren,  erledigt, 
üeber  die  anderen  weniger  wichtigen  ist  das  Ma- 
terial, wie  mir  scheint,  jetzt  so  vollständig  zusam- 
mengetragen, dass  man  die  Entscheidung  rnliig  dem 
Leser  überlassen  kann.  Nur  um  einer  gewissen 
Verwirrung  vorzubeugen,  die  in  der  polemischen 
Behandlung  der  Parthenosfrage  einzureissen  droht, 
sei  es  mir  gestattet,  einige  Fälle  aufzuzählen,  wo 
Schreiber  meine  Ansicht  sehr  energisch  bekämpft, 
wo  ich  aber  durch  einfaches  Citiren  meiner  Worte 
nachweisen  kann,  dass  icii  vielmehr  mit  ihm  voll- 
kommen übereinstimme. 

Zu  den  Worten  des  Pausanias  II.  27,  2:  xäl>ijai 
de  (^axlrjnidg)  int  DqÖvdv  ßaxTtjQiav  xquimv  be- 
merkt Schreiber:')  „Es  ist  seiner  vorgestreckten 
Hand  eine  Stutze  untergestellt,  würde  man  mit 
Lange  intei'pretiren  müssen."  Wo  icii  diese  Inter- 
pretation vorgeschlagen  haben  soll,  ist  mir  uner- 
findlich. Sehr,  scheint  die  Stelle  nur  so  weit  gele- 
sen zu  haben,  wie  er  sie  ausschreibt,  sonst  hätte 
er  daran  unmittelbar  anschliessend  die  Worte  ge- 
funden: T^'v  öi  eiägav  tüv  xeiQwv  hnsQ  xefpalrjg 
eyji  inü  ÖQciy.nying.  Auf  diese  bezog  sich  meine 
Bemerkung,  dass  der  Asklepios  in  Epidauros  „ob- 
wohl er  offenbar  in  der  ausgestreckten  rechten 
Hand  nur  eine  Schale  hielt,  doch  eine  Schlange  als 
Stütze  unter  derselben  hatte".  Und  ich  glaube 
damit  den  Pausanias  ebenso  aufgefasst  zu  haben, 
wie  ihn  alle  Archäologen,  und  wohl  auch  Schreiber 
selbst,  bisher  auffassteu. 

■')  Abb.   (1    kyl.  siicbs.   Ges.  d.  Wissensch.  VIII  S.  G17. 

9 


131 


K.  Lange,  Zur  Partheiios. 


132 


Mein  Uitlieil  über  die  Copien  der  Pavtlienos 
hatte  ich  (Mitth.  d.  arcli.  Inst.  VI.  S.  61)  so  forniu- 
lirt:  „Neben  der  Varvakionstatuette  (A),  der  Lenor- 
niantschen  im  Cultusministerium  (B)  und  dem  Torso 
im  Akropolismuseum  (C)  haben  jetzt  besonders  die 
iHhierce  au  collier  im  Louvre  (D),  die  Atliena  des 
Antiochos  in  der  Villa  Ludovisi  (E)  und  die  in 
Jladrid  (F)  eine  erhöhte  Bedeutung-  bekom- 
men, die  man  bisher,  offenbar  wegen  des  Fundorts 
von  BC,  diesen  gegenüber  etwas  unterschätzt 
bat."  Es  ist  räthselhaft,  wie  Schreiber  gegenüber 
diesen  vollkommen  unzweideutigen  Worten  behaup- 
ten kann  (Arch.  Ztg.  1883  S.  199):  „Lange  hat 
die  Keibe  der  römischen  Copien  als  untergeord- 
net und  nichts  beweisend  bei  Seite  gescho- 
ben." 

Indem  ich  die  Copien  je  nach  ihrer  Wichtigkeit 
theils  mit  grossen,  theils  mit  kleinen  lateinischen, 
theils  mit  griechischen  Lettern  bezeichnete  und  diese 
Gruppirung  ausführlich  durch  den  Nachweis  der 
den  einzelnen  Copien  gemeinsamen  von  dem  Origi- 
nal entlehnten  Züge  rechtfertigte,  glaubte  ich  dasje- 
nige gethan  zu  haben,  was  in  einem  solchen  Falle 
getlian  werden  muss.  Und  darin  kann  mich  nur 
die  Beobachtung  bestärken,  dass  die  erste  Classe 
der  Copien,  die  Schreiber  aufstellt,  genau  die- 
selben Exemplare  enthält  wie  die  von  mir 
an  die  Spitze  gestellte  Gruppe,  vermehrt  um 
diejenigen  römischen  Exemplare,  die  Schreiber  neu 
publicirt  hat,  und  die  ich  nur  summarisch  anführen 
konnte,  da  sie  bisher  nirgends  abgebildet  waren. 
Trotzdem  ist  Schreiber  über  mein  unmethodisches  Ver- 
fahren sehr  aufgebracht  und  meint  unter  anderem, 
„aus  welchen  Gründen  er  diese  und  die  übrigen  von 
ihm  neu  publicirteu  Statuen  unter  die  sicheren  Re- 
pliken verwiesen  habe,  sei  mir  nicht  klar  geworden" 
(Anm.  6)  oder  gar  ..ich  scheine  seine  Aussonderung 
einer  Gruppe  eigentlicher  Copien  jetzt  adoptirt  zu 
haben!"  (Anm.  21).  Die  Belehrung,  dass  die  ganz 
freien  Repliken  der  Parthenos,  die  ich  nach  dem  Vor- 
gang von  Overbeck  und  Michaelis  unter  der  dritten 
Classe  mit  aufgeführt  hatte,  keine  eigentlichen  Copien 
seien,  war  überflüssig,  da  dies  meines  Wissens  Nie- 
mand behauptet,  und  auch  keiner  sie  neuerdings  zur 
Reconstruction  des  Originals  verwerthet  hatte.  Auch 
hier  stimmen  wir  also  vollkommen  ttberein. 

Nur  in  der  Werthschätzung  der  einzelnen  Copien 
dieser  ersten  Classe  weichen  unsere  Ansichten 
von  einander  ab.  Während  ich  nämlich  die  Var- 
vakioncopie,  da  sie  aus  Athen  stammt  und  noch 
dazu  aus  hadrianischer  Zeit,  unbedingt  als  Codex  A 


betrachte  —  was  sich  wie  gesagt  jetzt  vollkommen 
bestätigt  hat  —  rangirt  Sehr,  diese  genaueren  Co- 
pien nach  der  Grösse.  Denn  er  ist  der  Jleinung, 
dass  „die  Copien,  je  mehr  sie  sich  in  der  Grösse 
dem  Original  annähern,  auch  um  so  mehr  Einzel- 
zOge  desselben  enthalten  können,  und  umgekehrt 
je  kleiner,  um  so  unvollständiger,  auszugartiger  sein 
werden"  (Abb.  d.  sächs.  Gesellsch.  VIII.  S.  585). 
Schon  die  unbestimmte  Formulirung  dieser  Regel 
zeigt,  wie  es  um  ihre  Richtigkeit  steht.  Es  ist 
kaum  nöthig,  hinzuzufügen,  dass  das  vorliegende 
jMaterial  ihr  stricte  widerspricht:  die  Lenormantschc 
Statuette  ist  die  kleinste  aller  vorhandenen  Copien 
und  hat,  obwohl  unvollendet,  doch  eine  Andeutung 
der  Schildreliefs,  die  Varvakionstatuette,  die  bei- 
nahe dreimal  grösser  ist,  obwohl  vollendet,  einen 
(bis  auf  die  Gorgone)  vollkommen  glatten  Schild. 
Trotzdem  führt  Sehr,  beide  Beispiele  zur  Begrün- 
dung seiner  Regel  an. 

Dass  die  Varvakionstatuette  auch  in  Bezug  aut 
den  Helmschmuck  der  Göttin  unvollständig  sei, 
hatte  ich  ausführlich  nachgewiesen.  Mit  Entschie- 
denheit hatte  ich  betont,  dass  die  jüngeren  attischen 
Tetradrachmen  und  die  Aspasiosgemme  mit  ihren 
zahlreichen  als  Helmschmuck  angebrachten  Thieren 
auf  die  Athena  Parthenos  zurückzuführen  sind.  Diese 
Zurückführung,  die  wie  gesagt  jetzt  vollkommen 
bestätigt  ist,  hatte  ich  mit  den  Worten  begründet: 
„Denn  was  in  aller  Welt  sollte  einen  Stempel-  und 
Gemmenschneider  veranlassen,  diese  reichen  Details 
in  seinem  kleinen  Maasstabe  zu  geben,  wenn  das 
Original  sie  nicht  hatte?"  Und  nach  Aufzählung- 
aller  mir  bekannt  gewordenen  Spuren  derartiger 
Thiere  an  den  Köpfen  der  erhaltenen  statuarischen 
Copien  kam  ich  zu  dem  Schlüsse:  „Das  ist  eine 
Uebereinstimmung,  der  gegenüber  die  Einfachheit 
unseres  Helmes  nicht  in  Betracht  kommt."  ^) 
Ich  denke ,  das  ist  deutlich  genug.  Dennoch  be- 
hauptet Sehr.  (Arch.  Ztg.  1883  S.  199):  „Dieser 
ganzen  Schlussfolgerung  stellt  L.  nun  freilich  die 
Autorität  der  Varvakionstatuette  entgegen,  in  wel- 
cher der  vordere  Stirnschmuck  nicht  dargestellt  ist. 
Was  in  der  athenischen  Figur  nicht  vorhan- 
den, soll  auch  im  Original  nicht  vorausge- 
setzt werden  dürfen,  der  neue  Fund  als  eine 
Musterleistung  hadrianischer  Plastik  in  jeder  Be- 
ziehung Urkunde  für  uns  sein."  Auch  hier  kann 
ich  vielmehr  nur  vollkommene  Uebereinstimmung 
meiner    Ansicht   mit    derjenigen    meines   verehrten 

')  Mitth.  d.  arcli.  Inst.  VI.  S.  S3. 


133 


II. 


Die  ..Monokucmos"  des  Apclles. 


134 


Gegners  constatircu.  Nur  das  ausgeprägte  Streben 
desselben,  neue  Resultate  an  die  Stelle  der  meini- 
geu  zu  setzen,  macht  seinen  Irrtluun  erklärlich, 
(las  als  das  seinige  zu  betrachten,  was  im  wesent- 
lichen schon  von  mir  gefunden  war.  Und  so  ist 
denn  auch  nicht  zu  verwundern,  wenn  er  am 
Schlüsse  seiner  Auseinandersetzung  glaubt,  in  Be- 
zug auf  den  Ilehnschnnu'k  „die  Reconstruction 
der  Parthenos  einen  kleinen  Scliritt  gefördert  zu 
haben."  Das  einzige,  was  in  dieser  Richtung  noch 
zu  tliun  war,  die  Vergleichuug  der  schon  früher 
publicirteu  Medaillons  in  der  Eremitage,  hat  auch 
Sehr,  nicht  gethan;  dagegen  ist  es  ihm  gelungen, 
durch  die  ausfiibrliciie  Behandlung  der  Mhierce  au 
Collier  im  Louvre  und  der  nach  ilir  angefertigten 
Zeichnungen  die  ganze  Frage  gründlich  zu  verwirren. 
Die  Form  und  Katur  dieser  ornamentalen  Tliiere 
ist  jetzt  durch  die  Goldmedaillons  vom  Koul-Oba 
entschieden:  Die  Göttin  trug  auf  der  Mitte  des 
Helmes  eine  Sphinx  und  zu  ihren  Seiten  zwei  Flü- 
gelpferde, wie  ich  schon,  ehe  der  Helmschmuck 
der  Varvakioucopie  vollständig  gefunden  war,  mit 
Bestimmtheit  behauptet  hatte.  Auf  ihren  Backen- 
klappen waren  in  Relief  springende  Greife  darge- 
stellt, wie  ich  ebenfalls  —  auf  Grund  einer  verein- 
zelten Tetradrachme  und  in  Folge  mehrerer  anderer 
Erwägungen  — •  vermuthet  hatte.  Die  Thiere  au 
ihrem  Stirnschikl,  deren  Natur  ich  vorläufig  dahin- 


gestellt sein  liess,  weil  die  Münzen  iiierfür  nicht 
ausreichten,  haben  sich  als  Greife,  mit  denen  Rehe 
abwechseln,  erwiesen;  und  die  Eule,  die  ich  bei 
Athena  nicht  gern  missen  wollte,  ohne  sie  doch  an 
einer  bestimmten  Stelle  unterbringen  zu  können, 
hat  sich  auf  der  linken  aufgerieliteten  Backenklappe 
sitzend  gefunden.  Ferner  sind  auch  die  Ohrringe 
und  das  Halsband,  die  ich  beide  nach  den  Münzen 
auch  am  Original  voraussetzte,  von  neuem  bestä- 
tigt worden.  Zum  Ueberfluss  hat  sich  endlich  in  Be- 
treff des  Speeres  die  Meinung  von  Michaelis,  der  aucli 
ich  mich  mit  neuen  Gründen  angeschlossen  hatte,'') 
dass  derselbe  nämlich  nur  au  die  Schulter  gelehnt, 
nicht  von  der  linken  Hand  gehalten  gewesen  sei, 
vollkommen  bestätigt.  Am  erfreulichsten  musste  mir 
aber  der  neue  Nachweis  sein,  dass  das  runde  breite 
Gesicht  und  der  ernste  Ausdruck  des  Mundes,  die  ich 
beide  als  charakteristische  Eigenschaften  argivischer 
Kopftypen  (ich  erinnere  nur  an  die  Amazone  und  den 
Doryphoros)  auffasse,  auch  der  Parthenos  niclit 
gefehlt  haben.  Denn  die  Tradition  von  Phidias' 
Schülerschaft  bei  Ageladas,  die  man  neuerdings 
mit  Unrecht  verwirft,  fand  dadurch  eine  willkom- 
mene Bestätigung. 

Jena.  K.  L.\nge. 

*)  Siehe   dagegen   die   abweichende   Ansicht   bei   Schi'eiber, 
Abb.  der  süchs.  Gesellsch.  VIII.  S,  596  f. 


MISCELLEN. 


XOCn  EINMAL 

DIE  „MONOKNEMOS"  DES  APELLES. 


Franz  Studniczka  ist  in  seinen  „Vermu- 
thungcn  zur  griechischen  Kunstgeschichte"  (Wien, 
1884)  S.  370'.  wieder  einmal  auf  dies  berüchtigte 
Bild  zurückgekommen,  um  zunächst  die  wirkliche 
Existenz  des  Gemäldes  gegen  v.  Wilamowitz» 
Möllendorft',  welcher  dieselbe  (Archäol.  Ztg.  1875 
S.  1G9)  bestritten  hatte,  zu  vertheidigen  und  andrer- 
seits für  die  Identität  des  Bildes  mit  der  Anadyo- 
mene  einzutreten.  So  vollkommen  ich  ilnn  in  dem 
ersten  Punkte  beistimmen  muss,  so  wenig  kann  ich 
mich  der  zweiten  Ansicht,  obgleich  dieselbe  sehr 
verbreitet  ist,  anschliessen. 


Die  in  Frage  kommende  Stelle  bei  Petron  c.  83 
lautet  bekanntlich  in  den  Handschriften:  iam  vero 
Apeliis,  quam  Graeci  monocremon  appellanl,  etiam 
adoraci.  Abgesehen  von  einigen  ohne  weiteres  ab- 
zuweisenden sind  vornehmlich  drei  Eraendations- 
versuche  zu  der  Stelle  gemacht  worden:  1)  mo- 
nochromon,  laut  Bücheler's  Anmerkung  schon  in 
einer  Margiualnote  der  Ausgabe  von  Joannes  Tor- 
naesius  (Leyden  1575);  nach  ßöttiger,  Archaeo- 
logie  der  Malerei  S.  171,  rührt  diese  Conjectur  von 
Gonzalez  her.  Gebilligt  haben  sie  Dati,  Vile  tlvi 
pittori   p.  33,    Böttiger  a.  a.  0.,    Sillig,    Calalog. 

9* 


135 


II.  Bliimner,  Die  „Monoknemos"  des  Apelles. 


136 


ailif.  p.  74;  vou  Neueren  meines  Wissens  niemand. 
2)  movoc7iemon  emendirte  Jos.  Scaliger;  diese 
Eniendafion,  die  aucli  B Li cheler  aufgenommen,  bat 
die  meiste  Zustimmung  gefunden.  3)  monoglenon 
conjicirten  Wustmann  (Apelles  S.  107  Anm.  14) 
und  Schreiber  (Arcbäol.  Ztg.  f.  1875,  S.  108  ff.); 
doch  ist  diese  Vermuthung  von  niemandem  weiter 
gebilligt  worden,  und  mit  Recht.  Auch  die  erste 
kann  nicht  mehr  in  Frage  kommen;  vgl.  Brunn., 
Griech.  Klinstier  II.  205. 

Indessen  auch  bei  Annalime  der  zweiten 
Emendation  gehen  die  Meinungen  über  das  Bild 
auseinander.  Die  einen  halten  es  für  identisch 
mit  der.  Anadyomene:  dieses  Bild  war  nach  Plinius 
XXXV.  91,  nachdem  Augustus  es  den  Koern  abge- 
kauft und  im  Tempel  des  Caesar  aufgestellt  hatte, 
in  den  unteren  Theilen  schadhaft  geworden,  und  da 
niemand  gewagt,  es  zu  restauriren,  so  auch  geblieben; 
daher  stamme  der  Name  ^wvöxrr^ftng.  So  Brunn 
a.  a.  0.  und  Studniczka  bemerkt  weiter,  dass,  da 
nach  der  gleichen  Quelle  unter  Nero,  also  zur  Zeit 
des  Petron,  das  schadhafte  Gemälde  aus  dem  Cae- 
sartempel entfernt  und  durch  eine  Copie  von  der 
Hand  des  Dorotheos  ersetzt  worden  war,  dasselbe 
sich  offenbar  eine  Zeit  lang  im  Privatbesitz  eines 
Günstlings  des  Nero  mit  anderen  Kunstwerken  auf 
dessen  cumanischer  Villa  befunden  habe,  wo  es  der 
petronische  Encolpius  sah.  —  Zu  einer  andern  An- 
sicht ist  Brunn  gelaugt  in  seinem  Artikel  „Apelles" 
in  Meyer's  Künstlerlexikon  II  S.  167.  Hier  identifi- 
cirt  er  die  ^lovö-AVT^iiog  mit  der  vollendeten  zweiten 
kölschen  Aphrodite  des  Apelles,  an  welcher  nur 
der  Kopf  und  die  oberen  Theile  der  Brust  ausge- 
führt waren;  da  die  Anlage  {praescripta  l'meamenta 
Plin.  XXXV.  92)  theilweise  in  Untermalung,  theil- 
weise  in  blosser  ümrisszeichnung  bestehen  mochte, 
so  seien  die  Worte  des  Petron  wahrscheinlich  auf 
diese  Aphrodite  zu  beziehen,  an  welcher  der  eiue 
Unterschenkel  vielleicht  noch  nicht  einmal  unter- 
malt war.  Der  Beiname  der  „Einschenkligen" 
habe  dann  zugleich  gedient,  um  diese  zweite 
Aphrodite  von  der  allgemein  unter  dem  Namen 
..Anadyomene"  bekannten  mit  einem  Worte  be- 
stimmt zu  unterscheiden. 

Treten  wir  zunächst  der  ersten  der  beiden 
Ansichten  näher.  Da  haben  denn  Wustmann  und 
Schreiber  sicherlich  Recht,  wenn  sie  einwenden,  die 
Anadyomene  könnte  jenen  Beinamen  doch  erst  in 
Rom  erhalten  haben,  während  das  griechische  Wort 
und  der  Ausdruck  Graeci  appellant  bewiesen,  dass 
er    schou    sehr    frühzeitig,    als   das  Werk   noch    in 


Griechenland  war,  aufgekommen  sein  müsse. 
Studniczka  wendet  dagegen  ein,  dass  gerade  Pli- 
nius am  besten  lehre,  dass  mit  solchen  Ausdrücken 
durchaus  nicht  immer  die  anerkannte  öffentliche 
Jleiuung  der  griechischen  Kunstwelt,  oft  nur  die 
Angabe  eines  einzigen  griechischen  Gewälirsmannes 
wiedergegeben  werde.  Allein  es  ist  doch  ein 
Unterschied,  ob  Plinius,  der  seine  griechischen 
Quellen  excerpirt,  daraus  einen  griechischen  Ter- 
minus herübernimmt,  oder  ob  Petron,  der  nicht  auf 
Quellen  sich  stützt,  eine  griechische  Bezeichnung 
eines  Kunstwerkes  anführt;  es  liegt  auf  der  Hand, 
dass  letztere  unmöglich  eine  vereinzelte  Bezeichnung 
sein  kann,  sondern  ein  allgemein  bekannter  und  an- 
erkannter Name  sein  musste.  Und  kann  man  es 
wirklich  wahrscheinlich  finden,  dass  der  zufällige 
Umstand  der  Beschädigung  der  unteren  Theile  eines 
Bildes  den  allbekannten  und  verbreiteten  Namen 
verdrängt  nud  jene  seltsame  Bezeichnung  der 
„Einsehenkligen"  hervorgerufen  haben  sollte?  — 
Hätte  nicht  Plinius,  der  jenen  „Spitznamen",  als 
welchen  Studniczka  den  Namen  fiov6xi.ir]^iog  auf- 
fassen will,  eben  so  gut  kennen  musste  wie  Petron, 
darauf  Rücksicht  genommen? 

Ferner:  die  Verletzung  der  unteren  Hälfte  des 
apelleischen  Bildes  war  nicht  die  Veranlassung, 
weshalb  mau  es  aus  dem  Tempel  des  Caesar  ent- 
fernte; diese  Verletzung  hatte  das  Bild  vielleicht 
schon  auf  dem  Transport  nach  Rom  oder  irgendwann 
sonst  erhalten.  Aber:  consennit  haec  tabula  carte, 
aUamque  pro  ea  suhstiluit  Nero,  sagt  Plinius;  das 
Gemälde  war  verblasst,  war  überhaupt  undeutlich 
geworden,  und  darum  wurde  es  beseitigt,  bis  sich 
unter  Vespasian  doch  ein  Maler  fand,  der  es  unter- 
nahm, das  Bild  zu  restauriren;  ob  er  sich  damit 
begnügte,  die  Farben  der  sonst  wohlerhaltenen 
Theile  wieder  aufzufrischen  oder  ob  er  auch  die 
zerstörte  untere  Partie  wieder  renovirte,  können 
wir  nicht  wissen.  In  der  Zwischenzeit,  d.  h.  von 
der  Beseitigung  durch  Nero  bis  zur  Restaurirung 
unter  Vespasian,  wird  das  Gemälde  irgendwo  auf- 
bewahrt, aber  schwerlich  in  der  Gemäldegalerie 
eines  neronischen  Günstlings  gewesen  sein;  zumal 
es  sich  doch  in  einem  offenbar  sehr  ruinösen  Zu- 
stande befand,  in  dem  es  gegen  die  anderen 
Schätze  jener  Sammlung,  die  Zenxldos  manus  noti- 
diim  vetustatis  inhiria  viciae,  die  extremilales  ima- 
ginum  tanla  sublililate  ad  similitudiitem  praecisae 
etc.  so  bedenklich  abgestochen  hätte,  dass  zum 
mindesten  Encolpius,  wenn  er  trotzdem  „anbetete", 
diesen    Zustand    des    Gemäldes    hervorheben    und 


137 


C.   I!<ibcrt.  Zu  TalVI  •_'.  2. 


138 


iiiclit  bloss,  wie  Htudniczka  will,  diircli  das  blosse 
Nennen  des  Reinamens  hätte  eiratlien  lassen  müssen; 
es  war  ja  ein  um  so  lioheier  Triumph  des  Künst- 
lers, wenn  selbst  seine  ganz  verblasston  Gemälde 
noch  so  zur  Hewunderung  reizten. 

Was  die  zweite  Bruun'sche  Vermuthung  an- 
langt, so  wäre  hinsichtlich  des  Aufkommens  einer 
derartigen  griechischen  Benennung  nichts  eiu/u- 
wenden,  da  die  Bezeichnung  ja  scheu  früh  in 
Griechenland  selbst  entstanden  sein  könnte.  Aber 
undenkbar  ist,  dass  bei  einem  Gemälde,  welches 
zum  Theil  schon  vollendet  war,  dessen  Umrisse 
(liiieame7ila)  angegeben  waren,  gerade  der  eine 
l'nterschenkel  noch  gar  nicht  einmal  angelegt  ge- 
wesen sein  sollte.  War  derselbe  auch  noch  nicht 
untermalt,  so  waren  die  Umrisse  doch  jedenfalls  vor- 
handen; das  sagt  ja  Plinius  ausdrücklich,  und  das 
entsj)richt  ja  auch  der  Praxis  der  modernen  Maler, 
die  erst  die  ganze  Figur  entwerfen,  ehe  sie  an  die 
Ausführung  der  Einzelheiten  gehen;  und  war  die 
Figur  in  den  Umrissen  vollständig  da,  dann  konnte 
sie  nicht  „einschenklig"  genannt  werden,  denn 
das  Fehlen  der  Untermalung  bewirkte  noch  immer 
kein  Fehlen  des  Schenkels  selbst. 

Ich  bin  etwas  ausführlich  gewesen,  um  zu  be- 
gründen, warum  ich  trotz  des  Vorhandenseins  einer 
von  den  meisten  gebilligten  Emendation  eine  neue 
vorschlage.  Ich  gehe  dabei  nicht  darauf  aus,  das 
petronische  Gemälde   auf  ein   uns   sonst  bekanntes 


zuriickzuluhreu.  Warum  wäre  das  auch  nnthigV 
Apelles  hat  gewiss  noch  viele  andere  Bilder  gemalt 
als  die,  welche  Plinius  und  unsere  sonstigen  Quellen 
uns  anfülireu;  und  dass  gerade  eines  der  berühm- 
teren, allbekannten  in  einer  Privatgalerie  sich  befun- 
den haben  sollte,  ist  nicht  einmal  wahrscheinlich. 
Es  handelt  sich  also  lediglich  darum,  eine  leichte 
und  passende  Verbesserung  des  verdorbenen  Wortes 
zu  finden;  und  eine  solche  bietet  sich  uns,  wie  ich 
glaube,  in  dem  Worte  /nofOKQrjnida.  Die  Emen- 
dation sieht  schwerer  aus,  als  sie  ist;  nimmt  mau 
die  Uebertragung  in  lateinische  Buchstaben  an,  so 
entfernt  sich  das  handschriftliche  monocremon  nur 
wenig  davon,  indem  aus  pida  leicht  nion  werden 
konnte,  sobald  erst  einmal  die  naheliegende  Ver- 
derbniss  von  pi  in  m  eingetreten  war. 

Was  wäre  das  aber  für  ein  Bild  gewesen?  — 
Natürlich  nicht  lason,  der  bei  Find.  Pyth.  IV  75 
so  beisst,  sondern  ebenfalls  ein  Aphroditeubild,  und 
zwar  in  dem  uns  aus  statuarischen  Nachbildungen 
so  bekannten  Typus  der  Saudaleulüserin;  ein  Vor- 
wurf, der  sonstigen  apelleischen  Motiven  durchaus 
verwandt  ist.  War  die  Göttin,  im  Begriff  sich  zum 
Bade  zu  entkleiden,  so  dargestellt,  wie  sie  die 
Statuetten  zeigen,  den  einen  Fuss  bereits  ganz  von 
der  Sandale  befreit,  während  sie  eben  vom  andern 
dieselbe  löst,  so  konnte  sie  recht  gut  den  Beinamen 
l-iniöxgrjntg  erhalten. 

Zürich.  H.  Blümner. 


ZU  TAFEL,  2  2. 


Im  vorigen  Heft  dieser  Zeitung  hat  R.  Engel- 
mann ein  Bronzerelief  des  Brit.  Mus.  verötfentlicht, 
das,  wie  er  mit  Piccht  rühmt,  zu  dem  Reizendsten 
gehört,  was  uns  aus  dem  Altertimm  erhalten  ist; 
eine  mächtige  Okeanosbüste  —  diese  individuelle 
Benennung  ist  der  von  dem  Herausgeber  gewähl- 
ten allgemeinen  Bezeichnung  als  Seegott  entschie- 
den vorzuziehen  und  durch  die  gewaltigen  Propor- 
tionen und  den  majestätischen  Gesichtsausdruck 
hinlänglich  gesichert  —  ist  in  äusserst  glücklicher 
Weise  in  das  Rund  der  Bronzeplatte  hineincompo- 
nirt;  zwei  Delphine,  deren  Köpfe  vor  der  Mitte  seiner 
Brust  zusammenstossen  und  den  unteren  Abschluss 
der  Büste  markiren,  heben  in  kühn  geschwungenen 
Wellenlinien  die  Schwänze,  deren  Ende  hinter  dem 
Kopf    des    Okeanos     verschwindet,    und    rahmen. 


wie  Engelmann  richtig  sagt,  die  Büste  gleichsam 
ein.  Vor  oder  richtiger  an  der  Brust  des  Okeanos 
erscheinen  auf  den  Delphinen  gelagert  drei  Mäd- 
chen, zwei  in  enger  Gruppirung,  die  eine  im  Schoosse 
der  anderen,  zur  Linken;  die  dritte  rechts  allein: 
Nereiden  nach  der  Meinung  des  Herausgebers,  der 
in  der  ganzen  Darstellung  .,ein  Bild  voll  gemüth- 
lichen  Humors"  erkennt  und  glaubt,  dass  die  rechts 
gelagerte  Nereide  den  Seegott  an  einer  seiner  Bart- 
locken zupfe,  um  seine  Aufmerksamkeit  zu  erregen; 
auf  der  Publikation  ist  nur  zu  erkennen,  dass  sie 
den  rechten  Arm  erhebt  und  die  Hand  durch  den 
Bart  des  Okeanos  verdeckt  wird.  Befremdlich  ist 
bei  dieser  Autfassung  die  ruhige  feste  Stellung 
der  sitzenden  Mädchen,  die  so  gar  nicht  im  Cha- 
rakter   der   Nereiden   ist  und  vielmehr  an   Lokal- 


139 


M.  Fränkel,  Hahn  auf  Grabsteinen. 


140 


gottlieiten  erinnert,  befremdlich  der  gewaltige  Un- 
terschied in  den  Proportionen  des  Seegottes  und 
der  Nereiden;  sonderbar  auch  die  Wahl  von  nur 
drei  Nereiden,  die  sich  zu  einer  symmetrischen 
Composition  schlecht  genug  zusammenfügen.  Auf 
Piiehtigkeit  kann  nach  meinem  Dafürhalten  nur 
eine  Deutung  Anspruch  machen,  die  der  Dreizahl 
der  Mädchen  wie  ihrer  charakteristischen  Grup- 
pirung,  ihrer  Stellung  wie  ihrem  Platz  in  gleicher 
Weise  Eechnung  trägt.  Drei  Mädchen,  die  an  der 
Brust  des  Okeanos  liegen,  kann  ich  nur  für  die 
Personificationeu  der  drei  den  Alten  bekannten 
Erdtheile  halten.  Der  Künstler  denkt  sich  die 
Bronzeplatte  als  die  Erdscheibe;  dieselbe  wird  ganz 
von  dem  Okeanos  eingenommen,  dessen  die  Erde 
umfiiessenden  Strom  die  Windungen  der  Delphine, 
die  gleichsam  aus  seinen  nassen  Locken  hervor- 
wachsen, symbolisiren;  an  seiner  Brust  trägt  er  die 
drei  Erdtheile,  und  zwar  ihrer  geographischen  Lage 
entsprechend  gruppirt,  rechts  die  Libye,  links  die 
Europa  im  Schooss  der  Asia.  Es  wäre  leicht,  noch 
weitere  symbolische  Bezüge  in  der  Darstellung  zu 
finden,  z.  B.  darin,  dass  Libye  ihren  rechten  Arm 
nach  Asia  hin  ausstreckt,  während  ihre  FUsse  sich 
mit  denen  der  Europa  berühren,  darin,  dass  die 
Windungen  des  Delphins  zur  Rechten  und  der  linke 


Arm  des  Okeanos  vollständig  sichtbar  sind,  wäh- 
rend sein  rechter  Arm  ganz,  und  die  Windungen 
des  Delphins  zur  Linken  theilweise  von  der  Gruppe 
der  Europa  und  Asia  verdeckt  sind.  Allein  ich  bin 
nicht  sicher,  dass  wir  nicht  damit  willkürlich  dem 
Künstler  Feinheiten  unterschieben,  an  die  er  selbst 
nicht  gedacht  hat.  Vor  der  bisher  allein  bekann- 
ten Darstellung  der  drei  Erdtheile,  dem  pompeja- 
nischen  Bilde  aus  der  casa  di  Meleagro  (Heibig 
No.  1113),  hat  unser  Bild  die  ungleich  grossarti- 
gere Auffassung  voraus.  Wenn  das  Bild  sich  ein- 
seitig auf  die  Wiedergabe  der  culturhistorischen 
Stellung  der  Welttheile  beschränkt,  gibt  uns  das 
Relief  ein  gewaltiges  Naturbild  mit  Verzichtleistuug 
auf  alles  äussere  Beiwerk,  wie  Charakterisirung 
der  einzelnen  Erdtheile  durch  Gesichtstypus,  Ge- 
wandung oder  Attribute.  Die  Darstellung  gehört 
demselben  Gedankenkreise  an,  wie  die  Antiocheia 
des  Eutychides,  der  vatikanische  Nil  und  in  ge- 
wissem Sinne  aucli  die  beiden  pompejauischen  Land- 
schaftsbilder aus  dem  Hause  des  Cornelius  Eufus 
(Heibig  1018.  1020),  aber  die  Aufgabe  ist  eine  un- 
gleich grossartigere,  und  die  Lösung  derselben  eine 
so  glückliche,  dass  man  dem  Monument  in  der 
That  Weniges  an  die  Seite  setzen  kann. 


Berlin. 


C.  Robert. 


DER  HAHN  AUF  GRABSTEINEN. 


In  den  Ernst  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage 
gewidmeten  „historischen  und  philologischen  Auf- 
sätzen" S.  154  veröffentlicht  Ludwig  Gurlitt  eine 
Grabstele  mit  dem  aufgemalten  Bilde  eines  Hahnes 
neben  einem  Sterne.  Es  ist  eine  Idee  von  nicht 
geringer  Wichtigkeit,  die  der  Herausgeber  aus  dieser 
einfachen  Darstellung  zu  erkennen  vermocht  hat. 
„Deutlicher",  sagt  er  ,,(als  der  Sinn  der  Schlange 
auf  Gräbern)  ist  die  Symbolik  unseres  Hahnes,  der 
durch  den  beigefügten  Stern  zum  Träger  einer  tief- 
religiösen Anschauung  wurde.  Der  LichtverkUnder 
auf  dem  Grabe  dient  ihm  nicht  zum  Schutze  allein, 
sondern  weist  auch  hin  auf  das  Fortleben  der  Ver- 
storbenen ....  Der  Ruf  des  Hahnes  weckt  die 
Verstorbenen,  gleich  den  Posaunen  des  jüngsten 
Gerichts.  So  erscheint  uns  jetzt  das  Bild  fast  wie 
eine  Anticipation  späterer  christlicher  Ideen,  der 
Hahn  gleichsam  als  Verkünder  des  höheren  Lichtes, 


das  fast  ein  Halbjahrtausend  später  den  Menschen 
aufleuchtete.'- 

Wer  den  Stern  zum  Verkündiger  des  neuen 
den  Abgeschiedenen  im  Jenseits  aufgehenden  Tages 
macht,  kann  unmöglich  Widerspruch  erheben,  wenn 
wir  hier  den  Morgenstern  erkennen  wollen. 
Durch  welche  Gründe  Gurlitt  aber  zu  der  Ansicht 
veranlasst  worden  ist,  dass  in  der  Vorstellung  der 
Alten  der  Morgenstern  einen  Hahn  zum  Ausdruck 
so  grosser  Dinge  befähigt  habe,  verschweigt  er 
gänzlich,  obwohl  es  von  selbst  gar  nicht  einleuchten 
will.  Denn  es  scheint  doch,  dass  die  Griechen  dem 
Morgenstern  neben  dem  Hahne,  dem  öf/Ogtog  und 
ai.iE()r)(fiovng,  auch  ohne  an  Auferstehung  zu  glau- 
ben, einen  recht  passenden  Platz  einzuräumen  meinen 
konnten. 

Dass  der  Hahn  allein  sich  zum  Träger  einer 
tiefreligiösen  Anschauung  schicke,  behauptet  Gurlitt 


141 


W.  llolliig.  Zur  Parisami)Uoi'a. 


142 


zwar  uicbt;  er  führt  aber  den  bekannten  Aus- 
spruch des  Sokrates  an,  als  ob  dieser  seine  Deutung 
stützen  könne.  Aber  durch  den  Tod  zu  gesunden 
meint  Jeder,  der  das  Leben  gering  achtet,  mit  Un- 
sterblichkeitsglauben und  ohne  denselben:  wenn 
also  ein  Sterbende)'  dem  Ootte  der  Gesundheit  aus 
Dankbarkeit  einen  Halm  zu  opfern  befiehlt,  so  thut 
er  dies,  weil  er  vom  Leben  erlöst  wird,  nicht  weil 
er  unsterblich  zu  werden  hofft. 

Wenn  wir  erkennen  wollen,  wie  die  Griechen 
ein  Sj'mbol  gedeutet  haben,  so  wird  es  zweck- 
mässig sein,  sie  vor  allen  Dingen  selbst  zu  fragen, 
da  unser  Scharfsinn  geschichtliche  Thatsachen  höch- 
stens eombiniren,  sie  hervorbringen  niemals  kann.  In 
unserem  Falle  machen  die  Alten,  wenn  man  sich  nur 
an  sie  wendet,  aus  ihrer  Anschauung  kein  Geheimniss. 

Antipater  Sidonius    hat    die  Grabschrift    einer 
Frau    gedichtet  (Anthol.  Pal.  VII  424),    auf  deren 
Denkstein  ihr  Mann  unter  anderen  Symbolen  einen 
Hahn  hatte  meisseln  lassen  — 
T«i'  fiFv   aviyQOjiievav  fie  nnx    eioia  vvxisqog  oqvig 

avöaasL 
sagt  die  Verstorbene:    also  daran,    dass  die  Frau 
mit   dem  Hahnenschrei  ihr  Tagewerk  zu  beginnen 
gewohnt   gewesen   ist,    sollte  der  Hahn  auf  ihrem 
Grabe    erinnern,    und    der    Dichter   verräth    keine 


Kenntniss,  dass  diesem  Thiere  noch  eine  tiefsin- 
nigere Grabessymbolik  beigewohnt  habe.  Ebenso- 
wenig Meleager,  als  er  dem  Verfasser  des  vorigen 
Epigrammcs,  auf  dessen  Ruhestätte  gleichfalls  ein 
Hahn  gebildet  war,  eine  Grabschrift  widmete  (eben- 
da 428);  hier  soll,  sagt  er,  der  Hahn  auf  den  tönen- 
den Gesang  des  Dichters  deuten: 
oQvig  d'   oxxi  yEyiDvog    ct^fJQ^  ^f"'    ^'^v   nsgl  Kvngiv 

ngärng  x/'jv  Movaatg  nnixiXng  vfivnDtxag. 

Da  nicht  immer  ein  berühmter  Dichter  zu  be- 
graben war,  werden  wir  uns  vorzustellen  haben, 
dass  unser  Hahn  eine  fieissige  Hausfiau,  als  sie 
lebte,  zu  ihrer  häuslichen  Thätigkeit  zu  erwecken 
bestimmt  war,  nicht  als  proleptische  Posaune  des 
Gerichtes  die  Todten.  Diese  Deutung  gewinnt  da- 
durch noch  an  Sicherheit,  dass  auch  die  antike 
Traumauslegung  sich  genau  der  gleichen  Vorstellung 
vom  Hahne  bediente:  sie  Hess  ihn  nach  Artemidor 
(p.  147,  15  Hercher),  da  er  das  Gesinde  zur  Arbeit 
wecke,  den  Herrn  oder  den  Verwalter  des  Hauses 
bezeichnen.  Wie  passend  diese  Symbolik  ist  und 
wie  trefflich  sich  für  sie  die  Beigabe  des  Morgen- 
sterns schickt,  liegt  auf  der  Hand;  war  dem  Bilde 
ehemals  ein  Epigramm  hinzugefügt,  so  bot  jenes 
demselben  einen  sehr  angemessenen  Inhalt. 

Max  Fränkel. 


ZUR  PARISAMPHORA  ARCHAEOL.  ZEITUNG  1883  TAFEL  15. 


Die  in  der  Archäologischen  Zeitung  XLI  (1883) 
Taf.  15  i)ublicirte  Parisamphora  stammt  nicht  aus 
Athen,  wie  daselbst  S.  307  angegeben  wird,  sondern 
ist  im  Jahre  1880  bei  Corneto  in  den  Ausgrabungen 
der  Gebrüder  Marzi  gefunden.    Sie  wurde  von  mir 


unmittelbar     nach    ihrer    Entdeckung    in    Corneto 
untersucht    und    beschrieben:    Bu/I.  delt  Inst.  1880 
p.  50  f.    In  dem  Erwerbungsberichte  Arch.  Zeitung 
1881  S.  257  ist  der  Fundort  richtig  angegeben. 
Rom.  W.  Helbig. 


143 


144 


B  E  E  I  C  H  T  E. 


ERWERBUNGEN  DES  BRITISCHEN  MUSEUMS  IM  JAHRE  1883. 

Auszutr  aus  C.   T.  Neivton's  Bericht  sin  das  Parlament. 


Sechs  Wandgemälde:  1)  Pluto  Proserpina  in 
einem  Viergespann  entführend,  2.  3)  Zwei  Gruppen 
je  aus  einer  männlichen  und  einer  weiblichen  Figur 
bestehend,  4)  Geflügelte  Frau  einen  Zweig  haltend, 
5)  Mann  einen  Calathus  haltend,  6)  eine  Blume.  — 
Diese  Malereien,  welche  ursprünglich  das  1674  in 
der  Via  Flaminina  entdeckte  Grab  der  Nasonen 
schmückten,  waren  länger  als  ein  Jahrhundert  ver- 
schollen, bis  sie  von  Herrn  George  Kichmond  auf 
einer  Versteigerung  angekauft  wurden.  Sie  sind 
merkwürdig  durch  ihre  freie  und  kraftvolle  Zeich- 
nung und  durch  ihr  reiches  und  zartes  Colorit. 
Sie  bildeten  einen  Theil  der  von  Bartoli  in  den 
Pitture  unliebe  del  sepulcro  dei  Nasoni  (veröffentlicht 
1680)  gestochenen  Zeichnungen.  —  Fragment  eines 
Wandgemäldes,  ausgegraben  im  Colosseum  zu  Rom. 

Cyprisehe  AlterthUmer,  entdeckt  durch  Aus- 
grabungen des  Herrn  Ohnefalsch  Richter:  Eine  Eeihe 
von  Terracotta-Statuetten  aus  verschiedenen  Perio- 
den, zusammen  in  einem  alten  Bauwerk  zu  Achna 
bei  Salamis  gefunden  und  wahrscheinlich  Göttinneu 
oder  Priesterinnen  darstellend.  Folgendes  sind  die 
hauptsächlichsten  Typen:  1)  Weibl.  Figur,  gegen  den 
Busen  in  der  R.,  2)  in  der  L.  einen  Vogel  haltend, 

3)  Aehnliche  Figur,  zu  deren  Seite  ein  Hirsch  steht, 

4)  Figur,  in  der  L.  ein  Stück  Wild  haltend  (s.  Cesnola 
Salamitda  p.  223),  5)  Figur,  in  der  L.  eine  Leier 
haltend  (ebenda  p.  193),  6)  Figur,  eine  Frucht 
oder  Granatenblüthe  haltend,  7)  Figur,  eine  Hand 
auf  eine  der  Brüste  haltend  (ebenda  p.  202),  8) 
Sehr  archaischer  Typus,  bei  dem  die  Arme  als 
blosse  Stümpfe  angedeutet  sind.  Die  Stelle,  an 
der  diese  Statuetten  gefunden  sind,  mag  ein  Maga- 
zin gewesen  sein,  in  welchem  die  in  einen  Arterais- 
tempel  geweihten  Gegenstände  niedergelegt  wur- 
den; sie  sind  bemerkenswerth  durch  das  Licht, 
welches  sie  auf  die  Einzelheiten  der  weiblichen 
Kleidung  in  Cyperu  werfen.  —  Eine  Reihe  von 
Thonvasen  und  allerlei  andern  Gegenständen  von 
Thon  aus  demselben  Fundort;  das  wichtigste  ist 
das  kleine  Modell  eines  Altars  mit  einer  Weili- 
inschrift  (s.  Ancienl  Gr.  inscriptions  in  the  Bril.  Mus. 
II  382).  —  Eine  Reihe  verschiedener  Gegenstände 
aus  Stein,   Glas,   Blei   und  Silber.  —  4  Fragmente 


griech.  Inschriften,  das  eine  aus  Achna,  die  andern 
drei  aus  Larnaka,  nahe  dem  Bamboula-Hügel  (a.a.O. 
No.  394,  ,398  b.  c.  d.) 

Marmor.  Fragment  eines  Armes,  der  irgend 
einer  Figur  vom  Friese  des  Maussoleums  angehört 
habeu  mnss.  —  Männl.  Kopf,  offenbar  von  einer 
dem  s.  g.  Apollo  Choiseul-Gouffier  ähnlichen  Figur. 
Gefunden  auf  der  Insel  Wight.  —  Kleiner  Sarko- 
phag, mit  einer  Widmung  des  öempvonius  Servan- 
dus.  Aus  Norris  Castle  (Insel  Wight).  —  Kopf 
eines  Hirsches,  aus  Malta. 

Bronze.  Statuette  des  Eros,  aus  Athen.  — 
Jugendl.  männl.  Büste,  vielleicht  den  Kaiser  Nero 
darstellend.  —  Delphin,  aus  Constantinopel.  — 
Hodeusack  und  Theil  eines  1.  Fusses,  Reste  einer 
Statue,  die  an  derselben  Stelle  gefunden  sein  soll 
wie  der  Castellani'sche  Bronzekopf  einer  Göttin  im 
brit.  Museum. 

Terracotta.  Helle  auf  dem  Widder,  Relief.  — 
Statuette  der  Artemis  Polymastos,  aus  Ephesos.  — 
Grotesker  Kopf  eines  Zwerges.  —  Zwei  dreieckige 
Tafeln,  auf  der  einen  Seite  den  Abdruck  einer  den 
Eros  darstellenden  Gemme  zeigend,  auf  der  an- 
dern in  Relief  ein  aus  P,  .A  und  F  zusammenge- 
setztes Monogramm.  —  Form  einer  Blume  und  eines 
Blumenornamentes,  dieses  angebl.  aus  Smyrna.  — 
Archaische  Statuette  eines  Pferdes,  bemalt  mit  geo- 
metrischen Mustern.  —  6  Formen  von  Münzen,  aus 
einer  Serie  von  262  Stück,  in  Fayoum  gefunden, 
4  von  Münzen  Licinius'  I,  2  von  Münzen  Con- 
stantin's  I. 

Vasen.  Archaische  Lekythos,  von  dem  ver- 
storbenen Lord  Lyons  in  Korinth  erworben:  Nessos 
Deianeira  entführend  und  von  Herakles  verfolgt.  — 
15  Gefässe  der  frühen  braunen  glasirten  Waare, 
wie  sie  besonders  nahe  dem  Albanersee  in  Etrurien 
gefunden  wird.  Angeblich  zwischen  Albano  und 
Marino,  eingeschlossen  in  einer  grossen  jetzt  in 
Rom  aufbewahrten  Vase,  gefunden. 

Geschnittene  Steine.  11  Steine  mit  archai- 
schem Intaglio,  aus  Griechenland. 

Geräthe.  Bronzene  Situla  aus  Offida  in  Mit- 
tel-Italien, merkwürdig  durch  Grösse,  Erhaltung 
und   Schönheit   der  Zeichnung.     Sie  ruht  auf   drei 


140 


Sitziiiiüsberichtc. 


14G 


L()\v(Mil rissen,  auf  deren  jedem  sich  eine  Gruppe 
des  Herakles  mit  dem  Ncnieer  Lüwen  befindet;  den 
Körper  der  Situia  umgeben  zwei  Reihen  eines  Geiss- 
blatt-Ornamentes; unter  dem  Hcnkciansatz  ist  an 
jeder  Seite  eine  Harpyie,  welche  mit  der  liechten 
einen  von  ihrer  Linken  cmporgehaltenen  Jüngling 
packt.  —  Zwei  bronzene  Kchnelhvagen,  die  eine, 
beschrieben  Bl^PJOXfOY,  mit  den  Markirungen 
von  4  Tlieilzeicben  verselien,  die  der  Ptolemäischcn 
Mine  entnommen  zu  sein  scheinen,  aus  Smyrna; 
die  zweite  beschrieben  /\,  mit  3  Theilzeichen,  deren 
Einheit  wahrsciieinlicli  die  Eümisctie  Libra  ist,  aus 


Sardes.  —  Bleigewicht,  die  Kyzikcnische  Mine  dar- 
stellend; auf  der  einen  Seite  in  Kelief  die  Inschrift 
KYZT  1\1N^.  —  Rronzehclm  mit  Wangenschirmen, 
über  dem  Stirnthcil  mit  einem  Satyrko))fe  in  Relief 
verziert,  aus  Athen.  —  üundes  Ornament  und  Haar- 
nadel, beides  ans  Bronze,  die  Haarnadel  auf  dem 
Felsen  von  St.  Trifon,  Canton  Vaux  in  der  Schweiz, 
gefunden.  —  Halbkugelförniiges  Marmor-Gewicht, 
auf  dem  Grunde  eingeschrieben:  |+;  durch  den 
oberen  Theil  ein  Bronzering  zum  Aufhängen,  aus 
]Jom.  —  Bronzegewicht,  Zwölfdrachmenstück,  zu 
Korinth  erworben. 


SITZUNGSBERICHTE. 

Archä  oloffische  Gesellschaft  in  Berlin. 


Sitzung  vom  10.  Juni.  Herr  Professor  Droy- 
sen,  dessen  seitdem  erfolgten  Heimgang  die  Wissen- 
schaft beklagt,  hat  seinen  Austritt  angezeigt.  Ein- 
gegangen sind  u.  A.:  Röscher,  Mythol.  Lexikon 
Lief.  i3;  Förster,  Physiognomik  der  Griechen; 
Trendelenburg,  Die  Laokoongruppe  und  der  per- 
gamenische  Gigantenfries;  Curtius,  Eleusinion  und 
Pelargikon;  Lange,  Die  Königshalle  in  Athen; 
Partsch,  ]5eitriige  zur  Kliniatologie  Griechenlands. 
—  Herr  Robert  legte  zuerst  einen  Aufsatz  von 
jNIorvat  über  eine  Bronzebüste  des  Jlcrcur  vor, 
an  welcher  sieben  Glocken  als  Apotropäa  befestigt 
sind,  lind  besprach  dann  zwei  Handzeiehnun- 
gen  des  Berliner  Kupferstichkabinets,  von 
denen  die  erste  eine  vor  den  Ergänzungen  genom- 
mene Abbildung  des  Pariser  Pasiphae-Sarkophages 
ist  und  die  Zugeliörigkeit  der  im  Louvre  (Clarac 
112,  242)  und  in  der  Villa  Borghese  (Nibby  IG)  be- 
findlichen Reliefs  zu  diesem  Sarkophage  beweist. 
Ueber  die  zweite  s.  oben  S.  115.  Endlich  gab  der 
Vortragende  die  oben  S.  137  abgedruckte  Erklärung 
von  Archäol.  Ztg.  1884  Tat".  2,  2,  gegen  welche  Herr 
Engelmann  eine  Reihe  von  Einwendungen  machte, 
die  sich  theils  auf  die  Zahl  der  Erdtheile,  theils 
auf  die  Lage  der  drei  Mädchen  und  die  Gleich- 
artigkeit ihrer  Erscheinung  bezogen.  Der  Vortra- 
gende konnte  sich  von  der  Stichhaltigkeit  dieser 
Einwendungen  nicht  überzeugen  und  hielt  seine 
Deutung  aufreeh*. —  Herr  Trendelenburg  unter- 
zog die  Figur  der  ,.Schlangentopfwerferin-' 
des  pergamenischen  Altarcs  einer  Besprechung 
und  kam  zu  dem  Resultate,  dass  dieselbe  dem  Kreise 

Archiiolog.  Zt;.'.  Jiitirfr.ang  XLIl. 


der  Heilgötter  angehören  müsse.  Dahin  führen  die 
Attribute:  die  Haarbinden,  der  Steinmörser,  welchen 
sie  als  Waffe  führt,  die  grosse  Schlange,  welciie  ihr 
im  Kampfe  beisteht,  und  vor  allem  die  Schlange, 
welche  sich  um  den  Mörser  ringelt  und  durch 
ihre  Kleinheit  als  eine  dem  Asklepios  heilige  zu 
erkennen  giebt,  wie  sie  in  den  Heiligthümern  die- 
ses Gottes  gehalten  zu  werden  pflegten.  In  der 
Schilderung  des  Asklepieions,  welche  Aristojjhanes 
im  I'lutos  giebt,  werden  alle  diese  Attribute  der  Reihe 
nach  erwähnt.  An  die  jungfräuliche  Hygieia  bei 
dieser  Figur  zu  denken,  verbieten  die  niatronale 
Gewandung  (Kopfsehleier)  und  die  ungewöhnlich 
vollen  und  kräftigen  Arme  derselben,  deshalb  bleibt 
nur  die  Deutung  auf  Asklepios'  Gemahlin  Epione 
übrig,  welche  im  Friese  ihre  Gegenbilder  an  den 
ähnlich  wesenlosen  Gestalten  einer  Dione,  Asteria, 
Enyo  und  Tliemis  findet.  —  Zum  Schluss  sprach 
Herr  Curtius  über  eine  zu  Olympia  gefundene 
Inschrift  mit  dem  argiviseiien  Künstlerpaar  An- 
dreas und  Arisfomachos,  in  welcher  er  ein  Zeug- 
niss  des  Wiederauflebens  des  Erzgusses  nach  Olym- 
pias  156  erkannte,  von  dem  Plinius  34,8  spricht. 
Denn  die  ars  slnluaria  könne  an  dieser  Stelle  nur 
auf  den  Erzguss  bezogen  werden,  der  aus  Mangel 
an  Nachfrage  iu  Abnahme  gerathen  sei,  weil  die 
Errichtung  von  Siegerstatnen  nach  Alexander  viel 
seltener  wurde.  Erst  seitdem  Italien  mit  Hellas 
in  engere  Verbindung  trat,  sei  auch  für  die  olym- 
pischen Ehren  ein  neues  Interesse  erwacht,  und  die 
Firma  Andreas  und  Aristomachos  bezeuge  den 
neuen  Aufschwung  der  argivischen  Ateliers. 

10 


147 


Sitzunfrsberiohto. 


148 


Sitzung  vom  1.  Juli.  Zur  Vorlage  kam  der 
Prospect  des  grossen  Werkes  über  die  Alterthü- 
mer  von  Pergamon,  herausgegeben  im  Auftrage 
des  Preuss.  Cultusministeriums;  Heibig,  das  ho- 
merische Epos  aus  den  Denkmälern  erläutert.  — 
Herr  Furtwängler  legte  eine  Serie  von  44  Folio- 
Tafeln  vor,  die  demnächst,  von  einem  Textbande 
begleitet,  unter  dem  Titel:  „Jlykenische  Vasen, 
vorhellenische  Thongefiisse  aus  dem  Gebiete  des 
Mittelmeeres"  im  Auftrage  des  archäologischen  In- 
stituts erseheinen  werden,  und  schied  an  der  Hand 
der  Abbildungen  die  Hauptgruppen,  in  welche  diese 
Gattung  zerfällt.  Die  zur  Decoratiou  der  Gefässe 
benutzten  Elemente  sind  vorwiegend  der  organischen 
Katur  entlehnt,  aber  in  merkwürdiger  Weise  um- 
gebildet worden.  Diese  Vasengattung  ist  Trägerin 
einer  ganz  originalen  überaus  reichen  vorgriechi- 
schen Decoration,  deren  Entwicklung  sich  fast  in 
allen  Stadien  genau  verfolgen  lässt.  Für  die  Fra- 
gen nach  der  Zeit,  der  Herkunft  und  den  Trägern 
der  gesammten  „Mykenischen"  Cultur  verwies  der 
Vortragende  auf  das  demnächst  erscheinende  Werk 
selbst.  —  Herr  Trendelenburg  sprach  zunächst 
über  die  Anwendung  von  Farben  im  pergameni- 
schen  Gigantenfries  und  erläuterte  die  Gründe, 
welche  ihn  zu  der  Annahme  bestimmen,  dass  das 
Hochrelief  der  Gigantomachie  in  gewissem  Sinne 
polychrom  gewesen  sei.  Der  Umstand,  dass  sich 
an  verschiedenen  Stellen  dieses  Frieses  Löcher  zum 
Einsetzen  bronzener  Ornamente  finden,  dass  die 
Augen  des  Zeusgegners  ausgehöhlt,  also  zur  Auf- 
nalmie  farbiger  Steine  bestimmt  sind,  dass  bei  den 
andern  unverletzten  Köpfen  die  Augentiächen  ver- 
schieden   starke  Corrosion    zeigen,    also  ein  Theil 


der  Fläche  gegen  Verwitterung  besser  geschützt 
war  als  der  andere,  alles  das  berechtige  zu  der 
Schlussfolgerung,  dass  Farbenwirkuug  auch  bei 
diesen  Reliefs  nicht  ausgeschlossen  war.  Diese 
Wahrnelimungen  sind  nun  durch  eine  ganz  kürz- 
lich erfolgte  Entdeckung  bestätigt  worden,  da  sieh, 
wie  der  Vortragende  einer  Mittheilung  des  Herrn 
Couze  entnalim,  an  einem  nocli  in  Pergamon  be- 
findlichen Kopfe  deutlich  —  selbst  auf  einer  hierher 
gesandten  Photograpliie  sichtbar  —  die  Spur  des 
gemalten  Augensternes  gezeigt  hat.  Sodann  legte 
der  Vortragende  die  sechste  Tafel  aus  dem  bei 
E.  Wasmuth  demnächst  erscheinenden  Werk  über 
den  Gigantenfries  vor  und  knüpfte  daran  eine 
Besprechung  der  beiden  hier  dargestellten  Göttin- 
nen, deren  Zugehörigkeit  zur  Hekategruppe  er  im 
einzelnen  nachzuweisen  suchte.  Die  eine  derselben 
ist  als  eine  untergeordnete  Gottheit  und  mehr  als 
Repräsentantin  einer  ganzen  Klasse  subalterner  Dä- 
monen denn  als  selbständige  Persönlichkeit  cha- 
rakterisirt,  weshalb  er  für  diese  den  Namen  Ge- 
netyllis  vorschlug,  einer  Gottheit  aus  dem  Gefolge 
der  Hekate- Artemis,  welcher  der  —  im  Friese  sie 
begleitende  —  Hund  heilig  war.  Die  andere  ist  eine 
an  Hera  erinnernde  matronale  Erscheinung,  die  iu 
auffallender  Weise  mit  der  Hekate  selbst  überein- 
stimmt und  deshalb  nach  der  Meinung  des  Vor- 
tragenden als  Mutter  derselben  aufgefasst  und  mit 
dem  Namen  Asteria  belegt  werden  kann,  der  un- 
ter den  Altarinschriften  erhalten  ist.  ■ —  Herr  Weil 
machte  Mittheilungen  über  die  jüngst  hierher  ge- 
langte Münzsammlung,  welche  die  Doubletten  der 
bei  den  Ausgrabungen  in  Olympia  gefundenen 
Münzen  bilden. 


BEITRAEGE  ZUR  GRIECHISCHEN  IKONOGRAPHIE. 


(Tafel  11.  1-2.) 


I.     Anakreon. 

Die  auf  Tafel  11,1  nach  dem  Gipsabguss  des 
l^erliner  Museums  abgebildete  Marmorstatue  ist 
1835  bei  Monte  Caivo  im  Sabiniscben  zugleicli  mit 
einer  anderen,  die  einen  sitzenden  Dichter  darstellt, 
gefunden  worden  und  befindet  sieb  jetzt  in  Villa 
Borghese.  Die  Erhaltung  ist  eine  verhältnissmässig 
glückliche,  nur  die  Arme  und  ein  Theil  des  rechten 
Beines  sind  ergänzt,  und  zwar  ohne  Zweifel  richtig. 
Die  einzige  Beschädigung,  welche  der  Kopf  er- 
litten hat,  betrifft  die  Augen,  die  ehemals  beson- 
ders eingesetzt,  jetzt,  wie  so  oft,  verloien  sind. 

Als  Emil  Braun  über  den  Fund  berichtete 
(Bnllettino  1836  S.  9),  war  für  diese  Statue  noch 
keine  Deutung  versucht,  später  wurde  sie,  es  ist 
ungewiss  von  wem,  als  Tyrtaios  bezeichnet.  An 
Stelle  dieser  Benennung,  zu  welcher  wirklich  kein 
Grund  vorhanden  ist,  wie  in  der  Beschreibung  der 
Stadt  Eom  III,  3  S.  247,  1  richtig  bemerkt  wird, 
suchte  Braun  später  (Biillelthw  1853  S.  20.  Archäol. 
Ztg.  1852  S.  241*  Ruinen  und  Museen  Roms  S.  549, 
23)  die  auf  Alkaios  zu  setzen,  an  welcher  auch  Heibig 
(Bullettino  1867  S.  135.  Avchäol.  Ztg.  1867  S.  53*) 
gegenüber  dem  inzwischen  von  Brunn  (Biillellino 
1860  S.  3.  Archäol.  Ztg.  1859  S.  131*)  vorgeschlage- 
neu Namen  Piudar  festhielt.  Wir  sind  jetzt  in  der 
glücklichen  Lage  die  sichere  Deutung  geben  zu 
können:  der  Dargestellte  ist  Anakreon.  Aller- 
dings glaubte  man  bis  jetzt,  als  das  Bild  des  Ana- 
kreon das  zugleich  mit  der  fraglichen  Statue  gefun- 
dene eines  sitzenden  Dichters  erkennen  zu  müssen. 
Die  Vermuthung,  die  gleich  Anfangs  aufgestellt 
wurde  (Bnlletliiio  1836  S.  11),  hat  zuerst  Braun 
(Ruinen  und  Museen  Roms  S.  543,  15)   dadurch  zu 

Archiioloj:.  Ztir.  Jahrgang  XLIl. 


beweisen  versucht,  dass  er  die  schon  von  F.  Jacobs 
mit  einer  von  Rausanias  erwähnten  Statue  in  Ver- 
bindung gesetzten  Epigramme  des  Leonidas  von 
Tarent  und  das  diesen  nachgeahmte  des  Eugenes 
(Anth.  Pal.  XVI  306—308)  auf  diese  Statue  bezog 
und  annalim,  dass  wir  in  ihr  jenes  von  Pausanias 
und  den  Epigrammatikern  beschriebene  Werk  be- 
sässen.  Brunn  ist  ihm  in  seiner  feinen  Besprechung 
der  Statue  {Annali  1859  S.  155)  gefolgt.  Aber  wir 
müssen  uns  gegenwärtig  halten,  dass  zunächst 
die  Identität  der  von  Pausanias  und  von  Leonidas 
berührten  Statue  nicht  zu  beweisen  und  Welckers 
Zweifel  daran  (Kleine  Schriften  I  S.  258)  nicht  un- 
begründet ist.  Weiter  aber  ist  schon  von  Meineke 
{Deleclus  poelarum  anthologiae  graecae  S.  121)  richtig 
bemerkt,  dass  der  Anakreon  der  Epigramme  un- 
möglich gesessen  haben  könne,  und  0.  Jahn  (üeber 
Darstellungen  griechischer  Dichter  auf  Vasenbildern, 
Abhandlungen  der  k.  Sächsischen  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  VIII  S.  726)  hat  das  genauer  aus- 
geführt. Meinekes  Ansicht  allerdings,  es  handele 
sich  in  den  Epigrammen  um  ein  Relief,  ist  trotz 
der  Dunkelheit  gerade  der  betreffenden  Stelle  sicher 
zu  widerlegen:  das  vnegi^E  ll!>ov  (XVI  306,  2) 
lässt  sich  doch  nur  von  einer  Basis  verstehen.  Ob 
allerdings  dem  Leonidas  ein  wirklich  existirendes 
Kunstwerk  vorgeschwebt  habe,  ist  mir  zweifelhaft. 
Es  ist  bei  den  Epigrammatikern  nur  allzusehr  be- 
liebt, die  Verse  auf  berühmte  Männer,  besonders 
auf  litterarische  Grössen,  scheinbar  an  das  Grab 
oder  eine  Bildsäule  des  Betreffenden  anzuknüpfen, 
und  die  Auffassung,  die  sich  hier  bei  Leonidas  zeigt, 
entspricht  zu  genau  der,  welche  sich  in  den 
Epigrammen    Anih.    Pal.   VII    23  —  33    findet.      Zu 

11 


151 


P.  "Wolters,  Beiträge  zur  griechischen  Ikonographie. 


152 


vergleichen  ist  auch  XVI  309.  Auf  keinen  Fall 
bieten  uns  die  Epigrauime  eine  äussere  Bestätigung 
der  Benennung  Auakreon.  Ein  glücklicher  Fund 
der  jüngsten  Zeit  zwingt  uns  nun,  sie  völlig  aul'zu- 
geben. 

Im  Januar  1884  wurde  bei  einer  von  Lanciani 
geleiteten  Ausgrabung  in  den  Resten  eines  antiken 
Gebäudes  in  Trastevere  eine  0,55  hohe  Büste  aus 
penteiischem  Marmor  gefunden,  welche  durch  die 
Inschrift  als  Bildniss  des  Anakreon  gesichert  wird. 
Die  Büste,  welche  sich  jetzt  im  Capitoliuischen 
Museum  befindet,  ist  im  Biillettiiio  della  commissione 
arclieologica  cotnunale  di  Borna  XII  Tat".  2  8.  25 
phototypisch  abgebildet  und  von  C.  L.  Visconti  be- 
sprochen worden.  Eine  Zeichnung,  die  nacli  jener 
Abbildung  gefertigt  ist,  findet  sich  auf  unserer 
Tafel  11,2.  Die  Inschrift  heisst  nach  der  Abschrift 
im  Bulleltino  ANAKPeCüN  AYPIKOC;  der  uu- 
gleichmässigeu  Vertheilung  der  Buchstaben  und 
der  Analogien  wegen  ist  man  aber  versucht  anzu- 
nehmen, sie  habe  ursprünglich  Idva-xqkov  h  hwi-Aog 
gelautet. 

Visconti  glaubt,  dass  die  neu  gefundene  Büste 
die  hergebrachte  Bezeichnung  für  den  sitzenden 
Dichter  in  Villa  Borghese  bestätige;  zwar  liege  ein 
etwas  verändertes  Original  zu  Grunde,  doch  sei  die 
Aehnlichkeit  beider  Köpfe  beweisend.  In  der  That 
zeigt  die  Büste,  wie  sie  Visconti  abbildet,  einige 
Verwandtschaft  mit  dem  Borghesischen  Sitzbilde: 
das  ist  zunächst  die  Folge  davon,  dass  beide  Bild- 
nisse Schöpfungen  derselben  Zeit,  vermuthlich  sogar 
desselben  Meisters  sind;  dazu  kommt  noch,  dass 
man  zur  Ergänzung  der  bei  der  Büste  verlorenen 
Nase  eben  die  jener  anderen  Statue  benutzt  hat.  Es 
würde  nielit  schwer  sein,  manche  Unterschiede  zwir 
sehen  beiden  Köpfen  nachzuweisen.  Die  Büste  ist 
offenbar  Replik  des  stehenden  Dichters  aus  Villa  Bor- 
ghese; ein  Vergleich  mit  dem  Taf.  11,1a  noch  ein- 
mal grösser  abgebildeten  Kopfe  dieser  Statue  zeigt 
das  unwidersprechlich.  In  jenem  stehenden  Dichter 
haben  wir  also  Anakreon  zu  erkennen,  nicht  in  dem 
sitzenden.  Denn  zu  dem  Auskunftsmittel  können 
wir  nicht  greifen,  beide  Statuen  l'ür  verschiedene 
Auffassungen   und   Darstellungen   derscU)cn   Berson 


anzusehen.  Wir  dürfen  zwar  nicht  erwarten,  über- 
haupt ein  anderes  Bild  des  Anakreon  z,u  besitzen, 
als  ein  in  späterer  Zeit  entstandenes,  günstigsten 
Falles  an  irgend  eine  wirkliche  oder  vermeintliche 
ältere  Darstellung  des  Dichters  anknüpfendes  Pro- 
dukt der  künstlerischen  Phantasie,  aber  selbst  bei 
solchen  erfundenen  Bildnissen  werden  die  einmal  ge- 
schaffenen Züge  als  Grundlage  jüngerer  Schöpfun- 
gen beibehalten  sein.  Vor  allem  widersprechen 
aber  jener  Annahme  die  Fundumstände  der  beiden 
Statuen,  die  offenbar  als  Theile  eines  geschlossenen 
Kreises  gearbeitet  waren,  wie  sich  auch  aus  der 
gleichartigen  Technik  bei  den  Augen  ergiebt;  wir 
müssen  also  zwei  verschiedene  Personen  in  ihnen 
voraussetzen.  Die  der  zweiten  durch  Vermuthung 
zu  bestimmen,   wage  ich  niclit. 

Auch  über  das  Original  dieser  Statue  des  Ana- 
kreon vermögen  wir  nicht  zur  Gewissheit  zu  kommen. 
Auf  den  Münzen  von  Teos  findet  sich  häufig  ein 
sitzender,  die  Leier  spielender  Mann,  in  dem  man 
mit  Recht  Anakreon  erkennt.  Auf  eiuer  anderen 
Münze  (Numismala  antiqua,  collegit  Thomas  Pem- 
brockiae  et  Motitis  Gomerici  comes  II  Taf.  80,  da- 
nach bei  Jahn,  Darstellungen  griechischer  Dichter 
Taf.  8,7;  vgl.  Mionuet,  Descriplion  des  niedailles 
antiques  III  S.  2()I,  1489)  ist  Anakreon  unserer 
Statue  sehr  ähnlich  dargestellt.  Wo  sich  diese 
i\Iünze  jetzt  befindet,  vermag  ich  nicht  anzugeben. 
An  ihrer  Echtheit  ist  um  so  weniger  zu  zweifeln,  als 
der  auf  ihr  genannte  Stratege  Verecundns  sich  auch 
sonst  findet:  vgl.  Imhoof-Blumer,  Monnaies  grecques 
ö.  297,  133a.  Jahn  glaubte  auf  zwei  verschiedene 
Statuen  in  Teos  schliessen  zu  müssen:  zwingend 
ist  der  Schluss  durchaus  nicht.  Dass  sich  aller- 
dings ein  Bild  des  Anakreon  in  Teos  befunden 
habe,  dürften  wir  auch  ohne  die  Autorität  Theokrits 
(Anth.  Pal.  IX  599)  annehmen,  aber  es  liegt  kein 
genügender  Grund  vor,  die  Münztypen  auf  ein 
statuarisclies  Vorbild  zurückzuführen.  Von  der 
Statue  auf  der  Akropolis  zu  Atiien  aber  wissen 
wir  nichts  anderes,  als  was  Pausanias  sagt,  sie 
zeige  einen  wie  im  Rausche  singenden  Mann.  Um 
unsere  Statue  auf  dieses  Original  zurückzuführen, 
müssten   wir  also   mindestens   bei   Pausanias  einen 


153 


P.  Wolters,  Beiträge  zur  griechisclien  Ikonugraijliie. 


154 


ungenauen  und  übertreibenden  Ausdruck  voraus- 
setzen. Ist  dagegen  unsere  Auflassung  richtig,  dass 
wir  in  den  beiden  Dicliterstatuen  der  Villa  Borghese 
die  Reste  eines  grösseren,  von  einem  oder  mehreren 
Ktinstlern  gemeinsam  geschaffenen  Statuenvereines 
—  etwa  der  grossen  Lyriker  —  besitzen,  so  wer- 
den wir  jene  Beziehung  bestimmt  ablehnen  müssen; 
denn  Tansanias  spricht  nur  von  dem  einen  Anakreon, 
und  die  Annahme,  ausser  diesem  hätten  sich  auch 
andere  Lyriker  auf  der  Burg  befunden,  würde  ganz 
willkürlich  sein.  Irgend  etwas  aber  über  das  Ver- 
hältniss  der  Statue  von  der  Akropolis  zu  dem 
Original  der  erhaltenen  zu  niuthmassen,  wäre  eitle 
Mühe. 

II.     Herniarchos. 


Gl,  sc. 


Die  trefflich  erhaltene,  hier  zum  ersten  Mal  ab- 
gebildete Büste  aus  parischem  Marmor  ist  nach 
einer  Mittheilung  von  Stamatakis  beim  königlichen 
Marstall  in  Athen,  nordwestlieh  vom  Scbloss  ge- 
funden. Die  Zeichnung  hat  Ludwig  Otto  nach  einer 
vom  Original  genommenen  Photographie  gemacht, 
geschnitten  ist  sie  in  Dresden  unter  der  Leitung 
von  Professor  Bürkncr.  Ich  benutze  ausserdem 
den  Gipsabguss  des  Berliner  Museums.  Heydemann 
(Die  antiken  Marmorbildwerke  zu  Athen  N.  742) 
und  Sybel  (Katalog  der  Skulpturen  zu  Athen  N.  375G) 
beschreiben  den  Kopf  als  in  der  Epliorie  der  Alter- 
thümer  befindlicli;  jetzt  ist  er  im  lünften  Saale  des 


Patissiaitiuseums  aufgestellt.  Der  einzige  Scliaden, 
welcheu  er  erlitten  hat,  ist  eine  geringe  Verletzung 
des  linken  Ohres.  Die  Büste  ist  ganz  ausgearbeitet, 
aber  unterhalb  des  Bruststückes  ist  noch  eine  etwa 
0,10  m.  dicke  roh  bearbeitete  Platte  stehn  geblieben, 
die  eine  AufstiUung  des  Kopfes  ermöglicht;  einen 
eigentlichen  Büstcnfuss  hat  derselbe  nie  gehabt. 

Heydemann  und  Sybel  haben  keine  Bestimmung 
des  Dargestellten  versucht,  neuerdings  gilt  die  Büste 
als  Bildniss  des  Epikur  und  so  wurde  auch  ihr  Abguss 
im  BerlinerMuseum  bezeichnet  (Arch.Ztg.  1S83  S.96). 
Irre  ich  nieiit,  so  stammt  diese  Deutung  von  Milehhöfer 
(vgl.  Die  Museen  Athens  S.  44.  Literarisches  Central- 
blatt  1881  S.  1G()0).  Eine  gewisse  Verwandtschaft 
mit  dem  Bilde  jenes  Philosophen  ist  offenbar,  aber 
es  finden  sich  Unterschiede,  welche  die  Deutung 
unmöglich  macheu.  Ich  bediene  mich  zum  Ver- 
gleiche eines  Gipsabgusses  des  Ancient  marbles  II 
Taf.  34  abgebildeten  Marmorkopfes  im  Britischen 
Museum.  Zunächst  ist  das  Gesicht  bei  diesem 
schmaler,  die  Wangen  etwas  eingefallen,  während 
die  des  athenischen  Kopfes  eine  gesunde  Fülle  zei- 
gen. Charakteristisch  verschieden  ist  die  Gestalt 
des  oberen  Randes  der  Augenhöhle.  Bei  unserem 
Kopf  ist  die  Wölbung  desselben  ganz  regelmässig, 
beim  Epikur  erreicht  er  viel  näher  den  Schläfen 
seinen  Höhepunkt  und  senkt  sich  dann  nach  der 
Nase  zu,  indem  er  zugleich  etwas  überhängend 
einen  Theil  der  Augenhöhle  verdeckt.  Der  Ausdruck 
des  Epikur  wird  dadurch  weit  ernster,  strenger; 
man  sieht  die  Stirnhaut,  wie  wir  es  wohl  bei  inten- 
sivem Denken  thun,  heraI)gezogen,  so  dass  sie  sich 
an  der  Nasenwurzel  zu  Falten  zusammenschiebt. 
Das  Auge  ist  bei  beiden  Köpfen  schmal,  aber  das 
des  Epikur  liegt  tiefer  und  ist  von  mehr  Falten 
umgeben.  Ein  bedeutender  Unterschied  zeigt  sich 
in  der  Gestaltung  von  Stirn  und  Nase.  Die  Stirn 
des  athenischen  Kopfes  ist  ziemlich  glatt,  kaum 
mehr  belebt  als  die  des  Praxitelischen  Hermes, 
au  welchen  ihr  ganzer  Bau  erinnert.  Nur  eine 
leichte  Falte  zeigt  sich  da,  wo  der  untere  vor- 
gewölbte Theil  derselben  beginnt.  .Auch  die  Nase 
ist  regelmässig  und  schön  gebildet.  l>ei  Epikur 
finden    wir    dagegen    eine  von  Falten   durchfurchte 

11* 


155 


P.  "Wolters,  Beiträge  zur  griechischen  Ikonographie. 


156 


Stirn  und  eine  starke,  auflallige  Hakennase.  Au 
der  Londoner  Büste  ist  dieser  Tlieil  ergänzt,  aber 
richtig-,  wie  z.  B.  die  sicheren  Bildnisse  des  Epikur 
bei  Comparetti  und  De  Petra,  La  villa  Ercolanese 
Taf.  12,5 — 7  lehren  können.  Endlich  ist  das  Haar 
bei  dem  athenischen  Kopf  weit  lebendiger,  frischer, 
krauser  als  das  schlichte,  schlaffe  Haar  des  Epikur. 
Ich  halte  es  danach  für  unmöglich,  dass  mit  dieser 
Büste  Epikur  gemeint  sein  könne,  aber  ein  Epikureer 
ist  es,  Hermarchos,  der  Schüler  und  Nachfolger  des 
Epikur. 

Wir  kennen  sein  Bild  aus  der  schönen  Bronce, 
welche  zuletzt  Comparetti  und  De  Petra,  La  villa  Er- 
co/a«ese  Taf.  12, 8  abgebildet  haben ;  vgl.  S.  263,  16. 
Mit  dieser  stimmt  unsere  Büste  so  völlig  überein,  dass 
kein  Zweifel  an  der  Identität  möglich  scheint.  Sicher 
werden  sich  unter  den  uns  erhaltenen  antiken  Bild- 
nissen noch  andere  Exemplare  dieses  Porträts  er- 
kennen lassen.  Ein  weiteres  nachzuweisen  bin  ich 
schon  jetzt  im  Stande:  es  ist  ein  Marmorkopf  un- 
bekannter Herkunft  im  Berliner  Museum,  der  im 
neuen  Katalog  als  N.  306  besprochen  wird.  Seine 
Uebereinstimmung  mit  dem  athenischen  Kopf  ist  so 
gross,  dass  wir  beide  sogar  auf  dasselbe  Original 
zurückführen  müssen. 

Die  grosse  Verwandtschaft  der  beiden  Köpfe 
des  Epikur  und  Hermarch  ist  iu  die  Augen  sprin- 
gend, erst  genauere  Betrachtung  Hess  uns  die  Un- 
terschiede finden.  Auch  das  Bildniss  des  Metrodor, 
das  wir  aus  mehreren  Büsten  kennen  (Visconti, 
Icouographie  yrecque  Taf.  25,4  I  S.  214.  Comparetti 
und  De  Petra  Taf  12,2.  S.  263,18)  ist  ganz  ähn- 
lich. Aber  auch  hier  werden  sich  Unterschiede  im 
Einzelnen  nachweisen  lassen.  Die  Gleichheit  der 
Zeit,  vor  allem  die  der  Lebensgewohnheiten,  und 
nicht  zum  mindesten  die  des  Stiles,  in  welchem  die 
Künstler  dieser  Bildnisse  arbeiteten,  erklären  die 
Aehnlichkeit  zur  Genüge;  innerhalb  dieser  allerdings 
ist  auch  der  ganze  Ausdruck,  in  dem  wir  am 
ersten  das  Wesen  der  Person  erkennen  können, 
durchaus  unterschieden.  Man  kann  diese  Verschieden- 
heit kaum  besser  illustriren  alsdurcii  einen  Ausspruch 
Epikurs,  den  uns  .Scneca  (Brief  52,3)  aufbewahrt  hat: 
Quosdam  ail  Epicurus  ad  cerilatem  sine  ulliiis  adiiilorio 


exisse,  fecisse  sibi  ipsos  riani.  Hos  maxime  laitdat, 
(jilibiis  ex  se  impetiis  füll,  qui  se  ipsi  prutulerunl. 
Quosdam  iudigere  ope  aiieiia,  non  iluros,  si  nemo 
praecesseril,  sed  bene  secutiiros.  Ex  his  jtlelrodorum 
ail  esse:  egregiiim  hoc  qiioqne,  sed  secuiidae  sortis 
Ingenium.  .  .  .  Praeter  haec  adlmc  invenies  genus 
aliud  hominum  ne  ipsum  quidcm  faslidiendiim  eorum, 
qui  cogi  ad  rectum  compellique  possuiit,  quibus  non 
duce  tantum  opus  sit,  sed  adiutore  et,  ul  ita  dicam, 
ruaclore.  Hie  tertius  color  est.  Si  quaeris  hnius 
exemplar,  Hermarchum  ail  Epicurus  talem  fuisse. 
Mit  dem  Bilde,  das  wir  aus  diesen  Zeilen  gewinnen, 
stimmt  der  Eindruck  der  Bü.sten  genau.  Einen  tiefen, 
energischen  Denker  suchen  wir  nicht  in  Hermarch: 
diese  glatte,  weiche  Stirn  zeigt  keine  Spuren  auf- 
reibender Arbeit,  und  die  weichmüthige  Neigung 
des  Kopfes,  der  wohlwollende,  milde  Ausdruck  ver- 
räth  wenig  Energie.  Das  ist  der  Schüler,  den  der 
Lehrer  zur  Wahrheit  zwingen  musste.  Anders  ist 
schon  der  Ausdruck  des  Metrodor:  seine  festeren, 
energischeren,  wenn  auch  nicht  sehr  geistreichen 
Züge  lassen  uns  den  Mann  ahnen,  der  die  einmal 
beschrittene  Laufbahn  unverrUckt  verfolgte,  dem 
man  nur  den  Weg  zu  zeigen  brauchte.  Mit  dem 
dritten,  dem  glücklichst  ßeanlagten,  der  aus  innerem 
Drang  sich  der  Wahrheit  widmet,  hat  Epikur  natür- 
lich sich  selbst  gemeint;  ich  denke  dass  dieser  oder 
ein  ähnlicher  Ausspruch  es  gewesen  ist,  der  dem 
späteren  Alterthum  die  Handhabe  zu  der  immer 
wiederholten  Verläumdung  bot,  Epikur  habe  be- 
hauptet, ohne  Lehrer  zu  seiner  Philosophie  gelangt 
zu  sein,  während  doch  der  Einfluss  seiuer  Vorgän- 
ger so  ofi'en  daliegt.  Nicht  die  Unabhängigkeit 
der  Gedanken  hat  Epikur  für  sich  in  Anspruch 
genommen,  sondern  die  des  Triebes  nach  Wahrheit. 
Dieser  brauchte  nicht  erst  durch  Andere  geweckt 
zu  werden,  ihn  trug  er  in  sich.  Sowohl  im  Aus- 
druck der  selbstbewussteu  Festigkeit  als  dem  der 
angestrengten  geistigen  Kraft  überragt  das  Bildniss 
des  Epikur  die  seiner  Schüler,  wie  er  auch  im 
Leben  hoch  über  ihnen  stand.  Für  uns  aber  wird 
dies  Verhältniss  ganz  besonders  durch  einen  Ver- 
gleich dieser  drei  merkwürdigen  Bildnisse  klar  und 
anschaulich. 


157 


P.  Wolters,  Beiträge  zur  griechischen  Ikonograiihic. 


158 


III.     Autiochos  Soter. 

Der  schöne,  auf  Tafel  12  in  zwei  Ansichten  ab- 
gebildete Kopf  aus  griechiseheni  Marmor  befindet 
sich  in  der  Münchener  Glyi)tothek.  Eine  Aufnahme 
nacli  dem  Original,  welche  durcli  Brunn's  freund- 
liche Vermittelung  angefertigt  wurde,  gelaug  leider 
der  ungünstigen  Aufstellung  wegen  nicht  recht;  die 
Abbildung  mnsste  deshalb  nach  dem  Gipsabguss  des 
Berliner  Museums  hergestellt  werden.  Bisher  ist 
der  Kopf  nur  in  BernouUi's  Römischer  Ikonographie 
I  S.  85  in  ungenügender  Weise  abgebildet,  und 
nach  älterer  Vermutliung  neben  zwei  ganz  verschie- 
denen anderen  Bildnissen  als  Marius  behandelt,  ein 
Name,  auf  den  alle  drei  Köpfe  gleich  viel,  das  heisst 
gar  keinen  Anspruch  haben.  Brunn  (Beschreibung 
der  Glyptothek  +  S.  220,  172)  bespricht  den  Kopf 
als  den  eines  Römers  aus  dem  vorletzten  Jahr- 
hundert V.  Chr. 

Ergänzt  ist  an  dem  Kopf  ausser  der  etwas  plump 
gerathenen  Nase  nur  Weniges  an  dem  linken  Augen- 
knochen und  der  linken  Wange.  Seine  Herkunft 
ist  nicht  mit  Sicherheit  anzugeben.  Urlichs  (Die 
Glyptotliek  S.  52),  welchem  Brunn  folgt,  giebt  an, 
diese  Büste  des  Marius  sei  1815  aus  Palast  Bar- 
l)erini  erworben ;  das  ist  eine  Verwechselung,  wie 
die  von  Urlichs  selbst  angeführte  Abbildung  des 
Causeus  beweist.  Der  berühmte  Marius  Barberini, 
'die  Krone  des  barberinischen  Museums',  wie  ihn 
Wagner  nennt,  ist  nicht  selten  abgebildet,  vgl. 
Causeus  de  la  Chausse,  Romanum  museum  ^  (174G) 
I,  2  Taf.  55.  Tetius,  Aedes  Barberinae  S.  201. 
Gronov,  Thesaurus  graecarum  auliquitatum  III  zu 
Blatt  00.  E.  Q.  Visconti,  Icottograplde  Romaine  I 
S.  70:  es  ist  der  neuerdings  von  BernouUi,  Rö- 
mische Ikonographie  I  S.  82  ebenfalls  als  Marius 
abgebildete  Kopf  N.  216  der  Glyptothek.  Auf 
diesen  muss  sich  die  Notiz  des  Bar])erinischen 
Inventars  vom  Jahre  1738  (Doaimenli  itiediti  per 
servire  alla  sloria  dei  miisei  d'Ilalia  IV  S.  21)  be- 
ziehen ebenso  wie  der  mehrfache  Widerspruch 
Winckelmanus  gegen  die  grundlose  Benennung 
(vgl.  Geschichte  der  Kunst  XI,  1  §  23).  Ueber  den 
Kopf  N.  172  vermuthet  Urlichs  an  anderer  Stelle 
(Die  Glyptothek  S.  10),  er  sei  identisch  mit  einem 


angeblich  aus  Palast  Ruspoli  erworbenen  Kopfe, 
der  für  Sulla  galt;  es  scheint,  dass  uns  die  Mög- 
lichkeit entzogen  ist,  diese  Vermuthuug  zu  wider- 
legen oder  zu  eriiärten ,  und  dass  wir  uns  also 
bescheiden  müssen ,  die  Herkunft  dieses  Kopfes 
nicht  zu  kennen.  Das  Wahrscheinlichste  ist  und 
bleibt  natürlich  Rom.  Brunn  hielt  den  Kopf  für 
den  eines  Römers.  Gesprächsweise  wies  er  mich 
dafür  auf  die  Aehnlichkeit  mit  dem  schon  genann- 
ten Barberinischen  Kopfe  N.  216  bin,  und  diese 
Aehnlichkeit  ist  unleugbar  vorhanden.  Für  den 
letzteren  wird  man  eine  Entstehung  in  der  Zeit 
Cicero's  gerne  zugeben,  auch  dass  der  Dargestellte 
Römer  von  Geburt  sei,  wird  kaum  Widerspruch 
finden,  obschon  wir  zugeben  müssen,  dass  zwischen 
dem  Bifdniss  eines  Griechen  und  eines  Römers  der- 
selben Zeit  sich  nicht  immer  tiefgehende  Unter- 
schiede werden  nachweisen  lassen.  Zu  einem  Ver- 
gleich mit  dem  unsrigen  ist  der  Barberinische  Kopf 
auf  jeden  Fall  seiner  äusserlichen  Aehnlichkeit 
wegen  sehr  geeignet,  aber  dieser  Vergleich  scheint 
mir  zu  zeigen,  dass  der  erstgenannte  bedeutend 
älter  ist.  Mit  Recht  hebt  Brunn  bei  ihm  eine  'mit 
der  Wirklichkeit  wetteifernde  Behandlung  des 
Fleisches,  der  Hautfalteu,  der  Augenbrauen  hervor, 
aber  im  Vergleich  mit  dem  Barberinischen  Kopfe 
erscheint  er  noch  fast  stilisirend.  Allerdings  ist  der 
Versuch  gemacht,  die  Runzeln  der  Stirn  natürlich 
darzustellen,  aber  während  wir  bei  dem  Barberini- 
schen Kopfe  den  harten  Knochen  zu  spüren  glau- 
ben, über  welchem  die  runzliche  Haut  sich  zu  Falten 
zusammenschiebt,  schneiden  hier  die  Falten  in  eine 
im  übrigen  glatte  und  scheinbar  feste  Oberfläche 
ein.  Aehnlich  steht  es  mit  dem  Haar,  das  bei 
unserm  Kopf  in  einzelne  grössere,  flächenhaft  und 
fast  hart  begränzte  Locken  mit  geringer  Angabe 
der  kleinereu  Einzelheiten  aufgelöst  und  übersicht- 
lich gegliedert  ist,  während  es  sich  bei  dem  Bar- 
berinischen Kopfe  aus  einer  grossen  Menge  kleiner 
und  kleinlich  gearbeiteter  Löckchen  zusammensetzt. 
Doch  könnte  dieser  Vergleich  ungerecht  scheinen, 
da  der  letztere  einen  Mann  mit  spärlichem,  ver- 
schwindendem Haarwuciis  darstellt,  ersterer  ein 
starkes,  üppiges  Haar  zeigt.     Sicherer  ist  folgender 


159 


P.  Wolters,  Beiträge  zur  griecliisclien  Ikonographie. 


160 


Punkt.  Die  Augen  des  besproelienen  Kopfes  sind 
von  ganz  besonderer  Grösse,  sie  sind  ungewöhnlich 
weit  geöffnet,  al^er  im  Verhäitniss  dazu  nicht  der 
Katur  entsprechend  gewölbt,  vielmehr  sind  sie  in 
der  Gegend  des  eigentlichen  Augensternes  etwas 
abgeplattet.  Durch  diese,  bei  älteren  Köpfen  durch- 
aus nicht  seltene  Behandlung  erhält  der  Blick 
scheinbar  eine  bestimmte  Richtung,  das  Auge 
Leben;  selbst  auf  unserer  Tafel  hebt  sich  für  ge- 
nauere Betrachtung  der  Augenstern  durch  seine  be- 
sondere Beleuchtung  vom  übrigen  Auge  ab.  Diese 
stilisirende  Behandlung  ist  bei  dem  Barberinischen 
Kopfe  schon  durch  eine  ganz  natürliche  Wölbung 
des  Augapfels  ersetzt.  Alles  das  spricht  für  die 
frühere  Entstehung  unseres  Kopfes. 

Dass  wir  in  diesem  Kopfe  das  Bildniss  eines 
ungewöhnlich  bedeutenden  Mannes  besitzen,  leuchtet 
von  selbst  ein.  Schon  seit  langer  Zeit  glaube  ich 
die  Person  des  Dargestellten  erkannt  zu  haben,  es 
ist  Antiochos  I.  Soter.  Um  die  Prüfung  meiner 
Verrauthung  zu  erleichtern,  habe  ich  auf  Tafel  12 
das  Bildniss  des  Königs  nach  drei  Münzen  des 
Berliner  Kabinets  neben  dem  Kopfe  wiederholen 
lassen.  Die  oben  abgebildete  scheint  mir  für  die  Er- 
kenntniss  der  Identität  die  wichtigste,  sie  giebt  von 
allen  Münzen  die  ich  sehen  konnte  das  charakte- 
ristischste Bildniss,  und  ihr  schliesst  sich  die  über- 
wiegende Mehrzahl  der  andern  an,  während  die 
beiden  andern,  unten  abgebildeten,  gewissermassen 
Varietäten  darstellen.  Vergleichen  wir  die  beiden 
Bildnisse,  so  finden  wir  zunächst  eine  übereinstim- 
mende Haltung  des  ganzen  Kopfes :  erregt,  spähend 
ist  er  etwas  vorgebeugt.  Das  hochgewölbte  Auge 
kehrt  bei  beiden  Köpfen  wieder;  es  ist  allerdings 
allen  Herrscherköpfen  der  ersten  Diadochenzeit, 
aber,  so  viel  icli  sehe,  vornehmlich  dieser  gemein. 
Das  Haar  ist  uiclit  sorgfältig  geordnet,  frei  fällt  es 
über  die  Stirn  heral)  und  verdeckt  sie  zum  grossen 
Theil,  vor  dem  Ohr  hängt  ein  kleineres  Haar- 
büschel. Der  Rand  der  Augenhöhle  ist  sehr  stark 
ausgedrückt,  deutlich  setzt  sich  die  unten  etwas 
vorgewölbte  Stirn  von  der  Nase  ab.  Die  Form  der 
Käse  selbst,  die  bei  der  Büste  ergänzt  ist,  lässt 
sich  nicht  vergleichen.     Die  Oberlippe  ist  ziemlich 


gross  und  in  der  Profilansicht  merkwürdig  gerade 
gebildet,  das  Kinn  ist  klein,  die  Muskeln  um  den 
Mund  sehr  stark  ausgeprägt.  Aber  alles  dies  sind 
Einzelheiten,  mit  denen  sich  eine  Aehnlichkeit  nicht 
demonstriren  lässt.  Ist  die  Uebereinstimmung  bei- 
der Köpfe,  die  ich  zu  sehen  glaube,  vorhanden,  so 
wird  man  auch  den  Namen  des  Antiochos  für  den 
Münchener  Kopf  in  Anspruch  nehmen  dürfen; 
täusche  ich  mich,  und  ist  es  nur  die  Aehnlichkeit 
der  Naturauflfassung,  so  bliebe  wenigstens  als  Er- 
gebniss  des  Vergleiches  eine  annähernde  Datirung 
übrig.  Ich  niuss  diesen  Zeitansatz  um  so  mehr  für 
richtig  halten,  als  auch  ein  Vergleich  mit  anderen 
Werken  der  Plastik  auf  denselben  führt.  Zum 
Vergleiche  sind  wir  allerdings  auf  Werke  wesent- 
lich anderen  Gegenstandes  angewiesen,  die  sich 
aber  ohne  Gefahr  verwenden  lassen,  so  lange  wir 
uns  dieses  Unterschiedes  nur  bewusst  bleiben,  ich 
meine  die  Skulpturen  der  älteren  pergamenischen 
Kunst.  Von  den  Figuren  des  Attalischeu  Weihge- 
schenkes lässt  sicli  der  Perser  aus  Aix  (Athenische 
Mittheilungen  I  Taf.  7)  für  die  eigenthümliche,  die 
Theile  des  Gesichtes  scharf  sondernde  und  fast  von 
einander  trennende  Bildung  des  Kopfes,  besonders 
der  Stirn,  vergleichen;  der  rückwärts  nieder- 
stürzende Gallier  {Monumenli  IX  Taf.  18, 1)  bietet 
genau  dieselbe  Bildung  der  Augenbrauen  und  des 
oberen  Augenhöhlenrandes  dar,  auch  die  scharfe 
Eintheiluug  der  Stirn  durch  vertiefte,  eingerissene 
Linien  finden  wir  hier.  Ja,  man  kann  in  dem 
Kopf  des  sterbenden  Galliers,  in  der  harten,  etwas 
äusserlich  durchfurchten  Stirn,  sogar  in  der  Haar- 
behandlung und  vor  allem  in  der  Darstellung  und 
Führung  der  Augenbrauen  Verwandtschaft  mit  un- 
serem Kopf  finden. 

Es  könnte  auffällig  scheinen,  dass  der  Kopf 
eines  Herrschers  des  Abzeichens  königlicher  Würde, 
des  Diadems,  ermangele.  Ich  glaube  nicht,  dass 
dieser  Umstand  unserer  Deutung  im  Wege  steht. 
Bildnisse  anderer  griechischer  Könige  besitzen  wir 
ausser  auf  Münzen  kaum;  diese  zeigen  natürlich 
das  Diadem  durchgehends,  da  bei  ihnen  eine  Be- 
tonung der  Herrschermacht  geboten  war.  Die  Köpfe, 
in    welchen    die    herkulauisclien   Akademiker   eine 


161 


F.  Stiuliiiezka,  Eule  der  Partlicnns. 


162 


Reihe  von  Ptolemäern  zu  erkennen  glaubten  (Com- 
paretti  und  De  Petra,  La  villa  Ercolatiese  S.  264), 
sind  (luicliaus  nicht  siclicr,  so  dass  uns  nur  Alexan- 
der der  Grosse  bliebe.  Und  bei  dessen  einzigem, 
ganz  sicherem  Bildniss,  der  Herme  Azära's,  ist  zwar 
eine  Rinde  im  Haar  vorauszusetzen,  aber  ob  diese 
etwa  aus  Hronce  gearbeitete  Hinde  nun  die  langen, 
auf  die  ydiultern  herabfallenden  Enden,  das  Kenn- 
zeichen des  Diadems  wie  der  Siegerbinde,  gehabt 
habe,  können  wir  nicht  mehr  erkennen.  Eine  Ent- 
scheidung darauf  hin  ist  natürlich  unmöglich.  Aber 
wir  besitzen  aus  späterer  Zeit  eine  lange  Reihe  von 
Herrscherbildnissen,  die  der  römischen  Kaiser.  Dass 
man  auch  in  Rom  das  lang  in  den  Nacken  herab- 
hängende Baud  als  Abzeichen  königlicher  Macht 
kannte  und  betrachtete,  ist  durch  Sallet's  Beobach- 
tung [Commeiilaliones philologac  in  honorem  Tlieodori 
Mommseni  scriptae  S.  93),  dass  man  diese  Schleife 
auf  den  Münzen  Caesars  vermieden  hat,  bewiesen. 
Zu  bemerken  ist  auch,  dass  sovvolil  Ptolemaios  von 
Mauretanien  {Revue  archeologicjne  XIV  Tafel  317) 
als  sein  Vater  Juba  II  (Annali  1857  Taf  E,2;   vgl. 


1861  S.  412)  die  königliche  Binde  mit  langen  En- 
den tragen.  Und  doch  möchte  wohl  kein  Kaiser 
sein,  von  dem  es  nicht  Büsten  mit  völlig  uube- 
decktem  Haupte  gäbe.  Ausserdem  wissen  wir 
nicht,  ob  der  Ko])f  ursprünglich  als  Büste  gedacht 
war,  bei  einer  Statue  aber  konnten  die  verschie- 
densten Gründe  die  Anbringung  der  Binde  verbieten. 

Zufällig  haben  wir  Kenntuiss  von  einem  Bildniss 
des  Antiochos  Soter.  Johannes  Malalas  erzählt 
(S.  276,5  der  Bonner  Ausgabe),  dass  Trajan  im 
Theater  zu  Antioehieu  die  Tyche  der  Stadt  aus 
vergoldetem  Erz  aufstellte,  welche  von  den  Königen 
Seleukos  und  Antiochos  bekränzt  wurde.  Die 
Tyche  war  eine  Kopie  des  Werkes  von  Eutychides, 
vgl.  Malalas  S.  201,1;  ob  die  Statuen  der  Könige 
auch,  vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Da 
Antiochos  bei  der  Gründung  von  Antiochia  noch 
ein  junger  Mann  war,  kann  diese  Büste  keinesfalls 
auf  jenes  Werk  des  Eutychides  zurückgeführt  wer- 
den. Den  Vater  Seleukos  hatte  Bryaxis  porträtirt, 
wie  wir  aus  Plinius  N.  H.  34,73  wissen. 

Berlin,   im  August  1884.  Paul  Wolters. 


ZUR  EULE  DER  PARTHENOS. 


An  dem  ausgeführten  Bilde,  das  wir  seit  dem 
Fund  beim  Varvakion  von  der  Parthenos  des  Phei- 
dias  zu  entwerfen  in  der  Lage  sind,  vermisste  man 
mit  Befremden  eines  der  Hauptattribute  der  Göttiu. 
Alle  anderen  Thiere,  die  in  irgend  einer  Beziehung 
zu  ihr  stehen,  sind  iu  dem  reichen  Helmschmuck 
vereinigt,  die  Burgschlange  ringelt  sich  neben  dem 
Schilde  hervor,  und  die  Eule  sollte  gefehlt  haben? 
Das  dürften  wir  heute  füglich  als  undenkbar  be- 
zeichnen, auch  wenn  das  Gegentheil  nicht  ausdrück- 
lich überlielcrt  wäre.  Denn  wenn  Dio  Clirysostomos') 
sagt:  xal  rrj^  ye  Weidiov  Tfxv>]g  naQ  Idd-rjvainig 
arv/sv  (ij  yXav^)  nvx  anttS.uöaavxog  avifjv  avy- 
xal^id Qvaai  ifj  v/scT,  avi'dnxnvv  xtü  ö/jfio)'  flegi- 
yckea  ds  xal  (xvxnv  XaOiov  enoirjosv,  äg  cpaair,  snl 

')  r.>,  G;  vergl.  Michaelis,  der  l'iirthenou  S.  2G9,  28;  271 
Anni.   1. 


tr^Q  aaniöng,  so  durfte  man  diese  Eule  nur  zu  einer 
Zeit  als  von  dem  Tcmpelbilde  unabhängiges  Weih- 
geschenk denken,  da  für  ihre  Verbindung  mit  demsel- 
ben keine  annehmbarere  Vermuthung  vorlag,  als 
die  von  Böttiger,  Ross  und  Stark  ^),  Pheidias  habe 
den  hässlichen  Vogel  mit  dem  formlosen  Kopfe 
in  ganz  kolossaler  Bildung  unter  die  Rechte 
Athenas  auf  einen  Felsblock  gesetzt.  Heute  wissen 
wir  zum  Ueberfiuss,  dass  dieser  Raum  von  der  Säule 
eingenommen  wurde. 

Die  scharfsinnige  und  eingebende  Besprechung, 
welcher  neulich  Kieseritzky  das  Goldmedaillon  der 
Ermitage  unterzogen  hat"),  ergiebt  eine  ebenso  über- 
raschende als  anmuthige  Lösung  der  Streifrage.   Mit 

'-)  Die  Nachwfisungen  bei  Michaelis  S.  271  Anm. 
'j  Mittheilungen   des    arch.   Iiu>t.  in   Athen    VIU  S.  291  ff., 
besomleis  304. 


163 


F.  Studniczka.  Eule  der  Partlienos. 


164 


dem  gleicben  naiven  Naturalismus,  mit  dem  der 
Meister  eine  der  Aigissclilaugen  zum  Festlialten  des 
Speeres  an  der  Scliulter  verwandte^),  setzte  er  die 
Eule  auf  deu  einen  von  den  aufgerichteten  Backen- 
seliilden  am  Helm  der  Göttin,  in  der  Natur  ganz 
nalie  kommender  Kleiniieit,  wie  wenn  eines  von 
den  zaliUosen  Käuzchen,  welche  auf  der  Burg  ihr 
Wesen  trieben"),  vertraulich  auf  dem  Haupte  der 
Beschützerin  Platz  genommeu  hätte,  ähnlich,  wie 
sich  ein  solches  in  dem  bekannten  Votivrelief  auf 
den  Rücken  ihrer  gesenkten  Hand  gesetzt  hat''). 
So  discret  angebracht  kann  dieser,  wenn  man  so 
sagen  will,  scherzende  Zug  den  grandiosen  Ernst 
des  Werkes  ebenso  wenig  beeinträclitigt  haben,  als 
der  überreiche  Schmuck  die  Schlichtheit  der  Ge- 
sammtaulage. Mau  könnte  ihn  etwa  mit  einer 
untergeordneten  heiteren  Episode  einer  Tragödie 
vergleichen.  Die  alten  Einwände  gegen  das  Vor- 
handensein der  Eule  überhaupt  verlieren  hier  ihr 
Gewicht:  dieses  im  Verhältniss  zum  Ganzen  win- 
zige Käuzchen  an  dieser  Stelle  konnte  Pausanias 
noch  leichter  übersehen,  als  die  Flügelrosse,  wenn 
nicht  vielmehr  die  Lücke  in  seiner  Beschreibung 
eine  darauf  bezügliche  Notiz  verschlungen  hat; 
die  statuarischen  Eepliken  durften  auf  seine  schwie- 
rige Wiedergabe  verzichten.  Ich  sehe  also  keinen 
Grund,  der  ältesten  und  treuesteu  Nachbildung  des 
Parthenoskopfes  gerade  in  dieser  ganz  singulären 
Einzelheit  den  Glauben  zu  versagen.  Wenn  Kiese- 
ritzky's  hübsche  Entdeckung  dennoch  auf  Misstrauen 
stösst'),  so  dürfte  es  nicht  unzeitgemäss  sein,  auf 
zwei  bisher,  so  viel  ich  weiss,  nicht  herangezogene 
Aristophanesstellen  aufmerksam  zu  machen,  welche 
geeignet  scheinen,  sie  zu  stützen.  V.  1092  ff.  der 
Kitter  erzählt  der  Wursthändler,  nachdem  Kleon 
desgleichen  gethan  hat,  dem  alten  Demos  eineu 
Traum : 

xat  /.lovdöxei  tj  d^eng  avxt) 
sx  nölsiog  eld-eiv  xai  ylav^  avxfj  'nixuxf^ijaitai, 
eIto  xataanävdeiv  kutu  zq<i  xerpairjc  o:Qvßa/.)ji) 


*)  Vergl.  Kieseritzky  a.  a.  O.  S,   308. 

^)  Vergl.  Aristoph.  Lys.  V.  760. 

'')  Bei  Schöne,  Griech  Rel.  Nr.  87.  Nach  dem  bekannten 
Scholion  zu  den  unten  besproclienen  Ver.'-en  in  den  Vögeln 
des  Aristophant'S  trug  auch  das  Agalma  der  Athena  Archegetis 
eine  Eule  auf  der  Hand  Vergl.  dazu  Müller-Wieseler,  Denkiu. 
d.  A.  K.  IP  T.  XX  N.  219,  219a  und  S.  155  ff. 

')  Oeffentlich  ausgesprochen  ist  es  meines  Wissens  bisher 
nur  von  Furtwaengler  in  lioschers  Lexikon  der  Mythologie  lid.  I 
S.  689,  jedoch  ohne  Kegriindung.  [Zustimmend  äusserte  sich 
inzwischen   K.  Lange,  oben  S.  134.] 


aßßQoaiav  %aia  aoü,  xaid  zovzov  (Kleon)  de  oxogn- 

Dass  hier  ?;  ^sog,  von  der  liurg  kommend,  nur  in 
Gestalt  der  Parthenos  gedacht  sein  kann,  wird 
Niemand  in  Abrede  stellen,  der  sich  die  übermäch- 
tige Herrschaft  vergegenwärtigt,  welche  das  ge- 
waltige Werk,  zumal  so  kurze  Zeit  nach  seiner  Er- 
richtung, über  die  Phantasie  des  attischen  Volkes 
ausüben  musste,  von  der  ja  auch  die  Urkunden- 
reliefs vielfach  Zeugniss  ablegen").  Auch  ist  etwas 
später  (V.  1169)  in  ganz  ähnlichem  Zusammenhange 
von  trjg  i)^Eov  zf]  yßiQi  zijlecfaviiiri  und  von  der 
kolossalen  Grösse  ihrer  Finger  die  Rede,  in  deu 
Vögeln  von  dem  reichen  Goldschmuck  der  IlaQDarog 
(V.  670).  Nuu  vermag  ich  wenigstens  mir  keinen 
Grund  zu  denken,  weshalb  Aristophanes  eine 
lebende  Eule  auf  der  Göttin  sitzen  lassen  könnte, 
die  mit  der  Handlung  gar  nichts  zu  schaffen  hätte. 
Da  eben  durch  diese  Handlung  für  die  Anbringung 
des  Vogels  die  Hände  ausgeschlossen  sein  dürften, 
so  bleibt  hierfür  nicht  viel  Anderes  übrig  als  was 
das  Medaillon  zeigt;  er  könnte  höchstens  noch  auf 
einer  Schulter  gesessen  haben.  Nehmen  wir  aber 
einmal  die  Anordnung  des  Goldreliefs  für  das 
Tempelbild  au,  dann  ergiebt  sich  eine  durchaus  be- 
friedigende Erklärung  der  Stelle.  Wenn  Kleon 
prahlt,  ihm  sei  t]  ^edg  avzi]  erschienen,  so  muss 
Agorakritos  ihn  auch  darin  übertrumpfen  uud  seineu 
Traum  noch  weiter  ausschmücken :  ihm  ist  die 
Göttin,  um  mit  Epicharm  zu  sprechen,  tti  avzozäoa 
avTtjg  erschienen,  sogar  die  kleine  Eule  konnte  er 
erkennen,  die  oben  auf  ihr  sitzt;  kein  Zweifel,  sie 
war  es  leibhaftig,  wie  sie  droben  auf  der  Burg  zu 
sehen  ist. 

Unter  deu  Spuren  der  einstigen  Weltherrschaft 
der  Vögel  führt  Peithetairos   (V.  514  ff.)   auch  dies 
an: 
o  ds  dsivözazov  y   iozlv  anaviiov,  o  Zevg  yap  o  rvv 

ßaaiXevwv 
ccEZOV  OQViv  "azrjxsv  syiov  snl  zTjg  x£(fairjg,  ßaaiksvg 

itiv , 
fj  d' av ■D^vyazrjQ  yXavx  ,  6  d'ldnoXkwv  waneg  i)^£Qa7iwv 

isQttxa. 
Gewiss  sind  Statuen  des  Zeus,  der  Athena  uud  des 
Apollon  mit  ihren  heiligen  Vögeln  auf  den  Köpfen 
—  denn  Eni  zfjg  xeq>ah~]g  auf  Zeus  zu  beschränken, 
halte  ich  für  unzulässig  —  für  unser  kunstmytholo- 
gisches Wissen  befremdliche  Erscheinungen.  Aber 
dass    wir    deshalb    berechtigt    sind,     die    von    deu 

°)  Vergl.  die  Darlegung  Schöne's,  Griech.  Reliefs  S.  22. 


165 


A.  Conze.  Siegelring  aus  Cypeni. 


166 


(hier  ^uiiz  liiUloseu)  Scliolien  bczeuiite  Lesart  zu 
ändern,  wie  die  meisten  Herausgeber  des  Dicliters 
vorselilag'en"),  kann  ich  jetzt  noch  weniger  glauben 
.als  l'riilier. 

Für  denjenigen,  den  die  Uebereinstininnnig  der 
besprochenen  Zeugnisse  von  der  Dichtigkeit  der 
Folgerung  Kieseritzky's  überzeugt  hat,  ergielit  sich 
noch  eine  weitere  von  selbst.  Unter  den  vermuth- 
lich  recht  zahlreichen  Eulenbildcrn  auf  der  Akro- 
polis '")  kann  nicht  wohl  ein  zweites  so  ausge- 
zeiciinet  und  populär,  keines  so  scbr  geeignet 
gewesen  sein,  im  Volksniunde  sprichwörtlich  zu 
werden,  wie  dieses,  und  so  werden  wir  es  getrost 
«nls  die  bekannte  yXav^  iv  nölei")  in  Anspruch 
nehmen,  welche  unsere  Ueberliel'erung  vno  0aLÖQnv 
oder  Oaldov  geweiht  sein  lässt,  worin  schon  Meur- 
sius  eine  Corruptel  des  Künstlernamens  vermuthete. 

")  Nach  Beiitlcy  auch  Kock,  Meinekc,  Blaydes;  zuletzt  noch 
Sittl,  Adler  und  Weltkugel  als  Attribut  des  Zeus,  XIV.  Suppl. 
der  Jahrb.   f.  l'hilol.  .S.  15. 

>»)  Vergl.  Ross,  Arch.  Aufs.  I  S.  205,  207  Taf.  XIV. 

")  Die  Stellen  bei  Koss;  Michaelis,  Der  Parthenon  S.  282 
Nr.  29;   Pnusan.  descr.  arcis  von  Jahn  und   Michaelis  p    10. 


Auch  für  die  sonderbare  Geschichte,  die  Ausonius  ") 
von  einer  magischen,  die  Vögel  anlockenden  und 
verderbenden  Eule  des  Iktinos  auf  der  Burg  der 
Minerva  zu  crzäiilen  weiss,  wird  sich  seliwerlicli 
ein  wahrscheinlicherer  Ausgangspunkt  denken  lassen. 
Wie  leicht  mag  sich  —  erst  sclierzhaft,  später,  wie 
so  mancher  attische  Spass,  ernstlich  geglaubt  —  die 
Sage  gebildet  haben,  die  Goldeule  sei  von  Pheidias 
auf  Anrathen  des  Architekten  an  der  Parthenos 
angebracht  zum  Anlocken  und  Einfangen  der  lästi- 
gen geflügelten  Gäste,  denen  die  Tempelhüter  auch 
sonst  allerhand  Nachstellungen  zu  bereiten  pflegten, 
offenbar,  weil  sie  die  Reinhaltung  der  Heiligthümcr 
sehr  erschwerten '').  Dass  man  sich  in  der  That 
der  Eulen  zum  Vogelfang  bedient,  führen  Erklärer, 
des  Ausonius  an. 

Prag,  August  1884. 

Franz  Ötudniczka. 

'-")   Mosella  308  ff. :   rel  in  arce  Minervae 
Iclinus  niagico  cui  noctua  perlita  fuco 
Allicit  07nne  genus  volucres  perimitque  tuendo. 

'"')  Veryl.  Aristoph.  Vögel  525  ff.   und    1115. 


SIEGELRING  AUS  GYPERN. 


Der  hier  abgebildete  Ring  befindet  sich  im  Be- 
sitz des  Chef-Ingenieurs  von  Cypern,  Herrn  Samuel 
Brown,  mit  dessen  gütiger  Erlaubniss  Herr  Ohne- 
t'alsch-Hichter  Zeichnung  und  Al)druck  nahm  und 
uns  zur  Verfügung  stellte.  Herr  Richter  hat  den 
Ring  etwa  ÖOO  Schritt  vom  Ostthore  der  Stadtruine 
Kurioii  in  einem  Grabe  gefunden,  welches  ausser 
gemeinen  Thongefässeu  ohne  Bemalung  und  sehr 
einfachen  Thonlampen  noch  einen  silbernen  Ring, 
mehrere  silberne  Armspangen,  darunter  ein  Paar  mit 
Schhingeuköpfen,  ein  silbernes  Becken  mit  elegant 
geschwungenen  Henkeln  und  einen  Kandelaber  aus 
Eisen    und   Bronze,    dessen   Füsse    in    Pferdehufen 

Arcliiiulog,  Zt^'.  .Iahr''anL:  XLll. 


endigen,  enthielt,  dabei  sehr  zerstörte  Knochen  von 
mehreren  Leichnamen.  Der  Ring  ist  von  Silber,  je- 
doch sehr  sclilecht  erhalten;  eine  Angabe  über  das 
Material  des  darin  ursprünglich  drehbar  befestigten 
Steines  fehlt. 

Die  Figur  der  Athena,  welche  als  Siegelbild 
vertieft  in  den  Stein  geschnitten  ist,  beruht  auf 
freier  Benutzung  der  Athena  Parthenos  des  Pliidias. 
Wie  populär  dieses  grosse  Werk  war,  wie  sich 
Nachklänge  desselben  bis  in  die  untergeordneten 
Kunstarbeiten  verbreiteten,  davon  haben  erst  kürz- 
lich wieder  die  Bleimarken,  welche  im  Bulletin  de 
corr.  hell.   1S83,  Taf.  II,  38.  48.  IV,  111   zusammen- 

12 


167 


A.  Conze.  Siegelring  aus  Cypern. 


168 


gestellt  sind,  und  die,  welche  v.  Sallet  in  der  Zeit- 
schrift für  Numismatik  X  (1883)  S.  152  niittheilte, 
einen  Beleg  geliefert. 

Auf  dem  Ringsteine  von  Cypern  ist  die  Haltung 
der  ganzen  Figur  ziemlich  so  wie  sie  am  Vorbilde 
war  geblieben;  die  linke  Hand  ruht  auf  dem  Schilde, 
und  der  Speer,  obwohl  vom  Gemmenschneider  nur 
wie  hinter  dem  Schilde  hervorkommend  angegeben, 
erinnert  genugsam  an  seine  ursprüngliche  Lage  im 
linken  Arme.  Die  Schlange  ist  unter  dem  Schilde 
weg  zu  besserer  Sichtbarkeit  auf  die  rechte  Seite 
der  G()ttin  gerückt.  Die  Hauptveränderung  ist  mit 
der  rechten  Hand  vorgenommen,  welche,  stärker  ge- 
hoben, statt  der  Nike  ein  cKilaoinv  liält.  Es  ist 
ein  der  attischen  Göttin  in  gewissen  Zeiten  wohl 
anstehendes  Attribut,  und  der  Ring  kann  auch  viel- 
leicht noch  aus  einer  Periode  stammen,  in  welcher 
Athen  zur  See  etwas  bedeutete,  aber  bei  dem  pri- 
vaten Charakter  solcher  Siegeisteine  sind  der  mög- 
lichen Beziehungen  ailzuviele. 

Wie  viele  andere  Wiederholungen  der  Parthenos 
des  Phidias,  so  hat  auch  diese  kaum  einen  Wertli 
für  die  noch  kürzlich  wieder  in  dieser  Zeitung 
(XLI,  1883,  S.  277  ff.  Schreiber)  erörterte  Recon- 
struction  des  Originals.  Sie  bringt  nur  einen  neuen 
Beleg  für  die  Celebrität  des  Tempelbildes  und  für 
die  Freiheit,  mit  welcher  man  bei  dessen  Benutzung 
im  Kunsthandwerk  verluhr. 

Finden  wir  eine  Variation  der  Erfindung  des 
Phidias  im  Privatbesitze  nach  Cypern  getragen,  so 
erinnern  wir  uns  des  Nachweises  von  v.  Sallet  und 
Imhoof-Blumer  (Z.  f.Numism.X,  1883,  S.  152ff.  Mon- 
tiaies  grccques  S.  372  ff.  Taf.  G,  15.  Archäol.  Ztg. 
XLII,  1884,  S.  61  f.),  dass  eine  kilikische  Stadt  eine 
solche  Variation  als  Münztypus  benutzte.  Oertlich 
noch  näher  liegt  es  aber,  an  das  Bild  der  Athena 
des  Phidias,  und  zwar  wahrscheinlich  ein  Nachbild 
derParthenos,  zu  erinnern,  welclie  nach  dem  Zeugnisse 
einer  Inschrift  ein  Athener  auf  Cypern  selbst  weihte. 


Die  Inschrift  (Kaibel  794)  ist  lückenhaft  erhal- 
ten, und  es  ist  auch  dem  letzten  Bearbeiter  (Stud- 
niczka,  Vermulhungen  zur  griechischen  Kunstge- 
schichte S.  t5ff.)  nicht  gelungen,  eine  durchaus 
sichere  Ergänzung  zu  tinden.  Herr  Ohnefalsch- 
Richter  hat  auf  meine  Bitte  den  Stein  wieder  auf- 
gesucht; er  hat  ihn  auch  der  Angabe  von  Ross  ent- 
sprechend in  Neupaphos  noch  vorgefunden  und 
Abschrift  und  Abklatsch  genommen;  es  hat  sich 
aber  aufs  Neue  gezeigt,  dass  einer  Copie  von  Ross, 
die  nach  dessen  ausdrücklicher  Versicherung  mit 
möglichster  Genauigkeit  gemacht  war,  durch  Nach- 
vergleichung  Etwas  hinzuzufügen  schwer  ist.  Herr 
Richter  hat  sogar  in  Folge  inzwischen  vorgekom- 
mener Beschädigung  einige  Buchstaben  weniger  als 
Ross  gefunden.  Nur  das  Eine  ergiebt  sein  Ab- 
klatscii,  dass  am  Schlüsse  der  Zeile  1  zwischen 
dem  0  (von  dem  freilich  der  Abklatsch  nur  O  er- 
kennen lässt)  und  dem  deutlichen  /\  kaum  für 
mehr  als  zwei  Buchstaben,  danach  also  unter  den 
vorgeschlagenen  Ergänzungen  höchstens  für  fy[eia]a 
Platz  ist.  Jedoch  sprechen  die  vorhandenen  schwa- 
chen Spuren  bestimmt  gegen  ein  E  an  erster  Stelle 
in  der  Lücke.  In  einer  Hinsicht  nehmen  wir  es  heute 
freilich  als  mit  etwas  für  das  lebendige  Verständ- 
niss  der  epigraphischen  Denkmäler  Wesentlichem 
genauer  als  zu  Ross'  Zeiten,  nämlich  mit  der  Be- 
achtung der  tektouischen  Form  der  Inschriftsteiue. 
Unsere  Inschrift,  welche  den  Buchstabenformen 
nach,  unter  denen  das  geschwänzte  R  vorkommt, 
um  den  Anfang  unserer  Zeitrechnung  zu  datiren 
ist,  steht  auf  dem  Abacus  eines  profilirten,  0,3810 
tiefen,  0,G35  breiten,  0,3429  hohen  Blockes,  der  das 
Kapitell  einer  Basis,  auf  welcher  das  Bildwerk  ge- 
standen haben  wird,  gewesen  zu  sein  scheint.  Ob 
auf  der  Oberfläche  des  Steins  noch  Einsatzspuren 
erhalten  sind,  liabe  ich  nicht  in  Erfahrung  gebracht. 

A.  C. 


169 


170 


ZU  DEN  WEBSTÜHLEN  DER  ALTEN'). 


Die  \\'cl)crei  der  Alten  ist  schon  t'rüli  Ijcliandelt 
worden.  Salmasius^)  machte  den  Anfang.  Schnei- 
der Saxo^)  folgte  mit  einer  .«ehr  gründlichen,  für 
lange  Zeit  abschliessenden  Untersuchung.  Ein  Er- 
cigniss  war  1872  A.  Conze's')  \'eröftcntlicliung-  der 
chiusinischen  Va.sc  mit  dem  Webstuhl  der  Penelope. 
Endlich  sind  Marquardt^),  Bliimner'^)  und 
.\hrens')  /u  nennen,  jene  mit  den  betreffenden 
Abschnitten  ihrer  Handbücher,  dieser  mit  einem  eige- 
ncuAufsatz  „über  die  Webstühle  der  Alten".  Ahrens 
arbeitete,  aufiallend  genug,  ohne  Kunde  von  seinen 
beiden  letzten  Vorgängern  zu  haben.  Seine  Ergeb- 
nisse wichen  denn  auch  von  Marrjuardt  und  Blüm- 
ner in  wesentlichen  Punkten  ab,  und  es  Ulsst  sich 
bis  Leute  nicht  behaupten,  dass  der  rechte  Aus- 
gleich zwischen  ihnen  gefunden  sei,  obgleicli  da- 
nach wenigstens  Blümner")  und  Marquardt") 
noch  einmal  das  \\'ort  genommen  haben. 

Leicht  einigt  man  sicli  über  einige  Vorbegrifie. 
Das  Weben  ist  ein  Flechten'").  In  den  Aufzug 
(oder  die  Kette)  parallel  ausgespannter  Fäden  wird 
der  Einschlag  seitwärts  eingefiochten,  d.  h.  ab- 
wechselnd von  lechts  und  von  links  so  eingeführt, 
dass  er  das  eine  Mal  vor  den  geradzahligen  und 
hinter  den  ungeradzahligen  Aufzugsfäden  hinläuft, 
das  andre  Mal  umgekehrt.  Auf  diese  Weise  ent- 
steht ein  glattes,  nngemustertes  (iewebe  („Lein- 
vvandbiudung").  Ueberspringt  der  Einschlag  regel- 
oder  planmässig  mehrere  nebeneinander  liegende 
Kettenladen,  so  kommen  Muster  oder  Figuren  zu 
i       Stande. 


')  Ich  bekenne  mit  Freuden,  dass,  so  wie  ich  die  Anrejjung  zu 
dieser  kleinen  Untersuchung  meinem  Freunde  Hugo  Magnus 
verdanke,  der  sich  bei  seinen  Üvidstudien  vor  die  alte  Sphinx, 
die  Scliilderung  des  Webens  im  6.  Buche  der  Metanioriibosen 
gestellt  »ah,  ich  auch  unttr  fortwährendem  Meinunjisausiausch 
mit  ihm  zu  meinen   Resultaten  gelangt  bin. 

-')  Ad  scrijif.   Iiixl.  Aug.   p.  177ft". 

')   Im   Index  Script,   r.  r.  s.  v.  tela. 

■■)  Ann.   d.   Insl.    1872   p    187.      ü/on.  IX  /<«•.  XLII 

■')  Hiiui.   l'riv;italt.  II  S.  85  rt'.     Vgl.   unten   Anni.  ',». 

'^)  Technologie  I  S.  120  ö'. 

')  Philologus  XXXV  S.  38ÖH. 

*)  Bursians  Jahresbericht  1877  Abih   III  S.  '-'37. 

'■')  Privatleben   der  Römer  S   500 tt". 

'"')  Daher  im  ältesten  Sprachgebrauch  schwer  zu  unterschei- 
lien  (s.  Victor  Hehn,  Kulturjjfi.  u.  Hausth.^  S.  460,  U.  Schrader, 
Sprachvergleichung  und  Urgeschichte  S.  400). 


Ancii  über  die  älteste  Form  des  antiken  Web- 
stuhls ist  kein  Zweifel.  15ei  dem  homerischen 
ebenso  wie  bei  dem  altnordischen  hing  der  Aufzug 
an  einem  auf  zwei  Pfosten  ruhenden  Querbaum; 
straff  gezogen  wurde  er  durch  kleine  Gewicht- 
steine.  Als  Weberschiffchen  diente  eine  lange  Na- 
del ans  Holz  oder  Knochen  oder  Metall,  auf  die 
der  Einscblagfadeii  entweder  wie  auf  eine  Spindel 
oder  wie  auf  eine  moderne  Filetnadel  aufgewickelt 
war.  Das  Herandrücken  des  Durchschusses,  das 
dem  Gewebe  F'estigkcit  giebt,  geschah  in  ältester 
Zeit  mit  einem  Scheit  (anäi/r])  aus  Holz. 

Aber  wie  geschah  die  Sonderung  der  Ketten- 
fäden? Musste  der  AVebende  sie  jedesmal  ab- 
zählen ?  Oder  gab  es  schon  im  Alterthum  etwas 
unseren  „Schäften"  und  unserem  „Geschirr"  Ver- 
gleichbares, „wo  ein  Tritt  tausend  Fäden  regt,  — 
ein  Schlag  tausend  Verbindungen  schlägt"? 

Marqnaidt  hat  es  aus  dem  homerisclien  Gleicli- 
niss  'F7()U  wahrscheinlich  gemacht,  dass  bereits  den 
homerischen  Griechen  eine  mechanische  Vorrichtung 
zur  Heraushebung  abwechselnd  der  geraden  und  der 
uugeraden  Kettenfäden  bekannt  war.  Sie  bestand 
darin,  dass  zwei  Schäfte  durch  Schleifen  mit  je 
einer  Hälfte  der  Kette  verbunden  waren.  Bei  dem 
äg3'ptischen  aufrechten  Kahnieuwebstuhli  wir  kennen 
ihn  leider  nur  aus  einer  Wilkinson'schen  Ver- 
öffentlichung {manners  and  cnsloms  of  ihe  ancient 
£(/(//)<.  (1S78)  II  171  nr.  387;  danach  bei  Blümner  I 
]39),  scheinen  solche  Schäfte  am  oberen  Querbanm 
aufgehängt  gewesen  zu  sein.  Wichtiger  ist,  dass 
auch  der  isländische  Webstuhl,  der  eine  tela  pen- 
dula ist  (die  Kette  durch  Gewichtsteine  gespannt), 
mit  zwei  Schäften  versehen  ist. 

\\'as  Mar(|uardt  weiter  aus  der  Iliasstelle  be- 
weisen will  und  auf  Plin.  n.  h.  VIII  U'G  anwendet, 
dass  ttlrng  das  „Geschirr"  heisse,  pnlymiia  also  auf 
eine  grosse  Zahl  von  Schäften  schliessen  lasse, 
scheint  mir  unhaltbar.  Wenn  filiog  „bei  späteren 
Schriftstellern"  (Blümner,  Technol.  I,  131)  der  Fa- 
den heisst,  so  ist  diese  Bedeutung  doch  zweifellos 
nicht  aus  der  Bedeutung  „Schlinge",  „Geschirr"  ent- 
standen, sondern  sie  ist  die  ursprüngliche.  Und 
was  bedeutet  es  denn  bei  Homer?  Die  Weberin 
zieht  den  Einschlag  heraus  nagen  ftanv  =  an  der 
„Schleife",  an  dem  „Geschirr"  vorbei?  Warum  und 


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0   Schröder.  Zu  den  "Webstulilcii  der  Alten. 


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lieisst  hier  iiatiirlicli  „aus  den  Kettenfaden,  aus  der 
Kette".  Und  bei  Plinius  werden  die  alexaudrini- 
scben  polymila,  plurijnis  liciis  textet,  bunt  gemusterte 
Gewebe,  bei  denen  eine  grosse  Auswahl  von  Fäden, 
Einscblags-  wie  Aufzugsf'äden,  erforderlicli  war,  den 
geniäldeartigen  babylonischen  Buntstiekereien  ent- 
gegengesetzt (Babylonos  picta  superbae  Texta  Semi- 
ramia  quae  variatiliir  aca  sagt  Martial). 

Die  Annahme  complicirter  Geschirre  verbietet 
sieh  aber  schon  aus  rein  praktischen  Gründen. 
Wenn  Helena  Schlachtenbilder,  Minerva  und  Arachne 
Landschaften  und  Göttergestalten  mit  täuschender 
Farbenwirkung  weben,  so  ist  eine  Herstellung  sol- 
cher Gewebe  durch  eine  nocli  so  grosse  Zahl  von 
Schäften,  wie  mir  von  sachkundiger  Seite")  ver- 
sichert wird,  schlechthin  unmöglich.  Schon  um  das 
einfachste  W'ellenlinienmuster  auf  mechanischem 
Wege  herzustellen,  ist  eine  grosse  Zahl  von  Schäf- 
ten nötbig.  Und  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  zu- 
mal am  senkrechten  Webstuhl  die  Zahl  der  Scliäfte, 
von  denen  jeder  einzeln  musstc  angezogen  werden 
können,  ohne  einen  der  anderen  uiitzureissen,  eine 
sehr  beschränkte  war. 

Und  wie  verhalten  sich  die  weitereu  Denkmäler 
und  Schriftstellerzeugnisse  zu  dieser  Frage?  Der 
chiusinische  Webstuhl  (aufrechte  Kette,  durch  Ge- 
wichtsteine gespannt;  bei  ßlüninerl  S.  357)  zeigt  ein 
fertiges  Stück  Gewebe,  mit  Kandornamenten  versehen 
und  mit  einem  Streifen  abenteuerlicher  Thier-  und 
Menschengestalten  abschliessend.  Dabei  entbehrt  der 
Webstuhl  jeglichen  Geschirres.  Von  dem  Querstrich, 
der  durch  einen  Theil  der  Kette  geht,  muss  ganz  ab- 
gesehen werden.  Er  könnte  nur  einen  Fadenrest  oder 
eine  Nadel  bedeuten.  Die  beiden  untersten  Querhölzer 
aber,  die  noch  von  Marquardt  1879  als  Schäfte 
gedeutet  \vorden  sind,  würden  eben  nur  genügen  zur 
Herstellung  eines  völlig  ungemusterten  Gewebes, 
wenu  man  auch  davon  absähe,  dass  in  der  Zeich- 
nung von  den  unentbehrlichen  Schleifen  nichts  wahr- 
zunehmen ist,  dass  vielmehr  alle  Aufzugsfädeu  vor 
den  Querhölzern  heruntergehen.  Uebrigens  sind  es 
ihrer  drei;  das  dritte  Querholz  ist  durch  das  Ge- 
webe theilweise  verdeckt.  Wir  haben  in  den  drei 
Querhölzern  also  wohl  nichts  andres  zu  selien,  als 
eine  Art  Lehnen   für  die   liängende    Kette  (Conze) 

")  Herr  Dr.  Max  Weigert,  Fabrikbesitzer  hierselbst,  1.S73 
amtlicher  Berichterstatter  über  Textil-  und  Bekleidungsindustrie 
auf  der  Wiener  Weltausstellung,  auch  Verfasser  eines  Aufsatzes 
,über  die  Weberei  der  Alten"  (Verhandlungen  der  polytech- 
nischen Gesellschaft  zu  Berlin  18Gd/6ü  p.  84 — 103)  hat  mich  in 
dankenswevthcster  Weise  vielfach    mit   seinem  Käthe    unler.'tiitzt. 


oder  als    einfache  Querleisten  zur  Befestigung  des 
Gerüstes  (Ahrens'*). 

Auch  in  der  ausführlichen  Schilderung  des  We- 
bens  bei  Ovid  (Met.  VI  53 ff.)  handelt  es  sich  um 
ein  kunstvolles,  färben-  und  figurenreiches  Gewebe. 
Der  Webstuhl  entspricht,  wie  sich  weiter  unten  zei- 
gen wird,  im  wesentlichen  dem  chiusinischen.  Von 
der  Souderung  der  Kettenfäden  aber  heisst  es  sla- 
men  secernit  harundo.  Was  bedeutet  das"?  Die 
Zusammenstellung  mit  dem  kuviÖv  des  homerischen 
Gleichnisses  'F  760,  wo  in  der  Erklärung  des  Scho- 
liasten  wenigstens  das  Wort  xälai-ing  richtig  sein 
wird,  liegt  nahe.  Allein  es  besteht  ein  wesentlicher 
Unterschied.  Der  xavwv  wird  angezogen  (ov  z  ev 
l.iäla  xtQoi  xavvaarf)^  was  bei  Ovid  nicht  bezeugt 
wird.  Das  homerische  Gleichniss.  dem  Alltagsleben 
entnommen,  gestattet  an  ein  einfaches,  glattes  Ge- 
webe zu  denken.  Hier  mögen  also  in  der  That 
zwei  Schäfte  abwechselnd  angezogen  worden  sein. 
Bei  Ovid  aber  würde  die  Weberin  ebenso,  wie  auf 
der  chiusinischen  Vase,  mit  einer  Zweizahl  von 
Schäften,  überhaupt  mit  „Schäften"  in  unserem 
Sinne  nicht  weit  gekommen  sein.  Was  ist  denn 
ai)er  harundo? 

Ein  einzelnei-,  unbeweglicher  Stab  zur  Spal- 
tung der  Kette  ist  bei  dem  wagerechten  Webstuhl 
der  Beduinen  in  Gebranch  (s.  Burckhavdt  bei  Ahrens 
p.  o8G);  das  Gleiche  ist  bei  dem  senkrechten  Kahmen- 
webstuhl  der  orientalischen  Teppichweber  der  Fall  (s. 
Max  Weigert    in    dem    oben    (Anm.  11)  erwähnten 

'-)  Es  reizt  mich,  noch  einen  Augenblick  bei  der  chiusini- 
schen Vase  zu  verweilen,  um  zur  Deutung  der  neun  Pflöcke  auf 
dem  obersten  Querholz  des  Webstuhls  einen  Vorschlag  zu  machen. 
Ich  halte  sie  nicht  mit  Conze  und  Blümner  für  Griffe  oder 
Schrauben  zur  Festhaltung  des  fertigen  Gewebes,  denn  drei  von 
ihnen  (Nr.  3.  6.  8  von  links)  enthalten  nichts,  was  einem  GriB'e 
oder  dergl.  ähnlich  sieht;  auch  nicht  mit  Ahrens  für  eine  Vor- 
richtung zur  Verlängerung  der  Kette,  erstens  weil  ich  wiederum 
dann  mit  Nr.  3,  (!  und  8  nichts  anzufangen  weiss,  zweitens  aber 
weil  mir  die  ganze  Annahme  einer  derartigen  Anstückung  der 
Kette  (zunial  einer  so  fadenreichen  Kette  durch  G  bis  9  Knäuel) 
unglaublich  scheint.  Ich  acceptire  aber  aus  dieser  zweiten  Er- 
klärung die  Deutung  der  sechs  runden  Gegenstände  als  Knäuel 
und  vermuthe  hier  eine  Art  Reservefonds  von  Einschlagfäden, 
deren  Verbrauch  ja  überhaupt,  sowohl  was  das  Volumen  als  was 
die  Länge  betrifft,  stärker  sein  musste  als  der  von  Aul'zugstaden. 
(Jene  hatten  des  Gewebes  Fleisch  und  Epidermis  zu  bilden  und 
wurden  d.aher  locker  und  weich  gewählt;  diese  das  Gerippe,  ihre 
Feinheit  wird  gern  hervorgehoben:  <eHiu's /e/as  Verg.  Aen.  VI!  14, 
gradli  stamine  Uv.  Met.  VI  54.  Was  sich  der  Centonarius,  dem 
wir  die  Ciris  verdanken,  v.  17!)  bei  molles  telas  gedacht  hat,  mag 
er  selber  wissen.)  Jetzt  erklären  sich  die  drei  nicht  umwickel- 
ten l^flöcke  3.  6.  8  auf  das  leichteste.  Hier  ist  eben  der  Vor- 
rath  bereits  verbraucht. 


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0.  Sehriifler,    Zu  den  Wcbsti'ilileii  der  Alten. 


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WienerAusstellungsbeiidit,  Biaunscliweig  1874  p.50). 
Hcir  ür.  Jfax  Weigert  erklärte  mir  die  Hedeutuug 
dieses  Stabes  bei  geflochteneu  Teppieheii,  d.  h. 
solclicn,  bei  denen  Einschlag  und  Kette  das  Muster 
hervorrufen,  auf  meine  Anfrage  so,  dass  durch 
den  .stai)  die  Kette  in  zwei  gleiche  Theile  (d.  i.  in 
die  geraden  und  die  ungeraden  Kettenfäden)  getheilt 
werde,  um  das  Abzählen  der  Fäden,  über  oder  un- 
ter welche  der  8chuss  eingetragen  werden  soll, 
ferner  das  Anknüpfen  zerrissener  Fäden  zu  er- 
leichtern. 

Solch  eil)  Regulator  der  Kettenfäden  mag  auch 
der  Stab  sein,  der  in  dem  Rahmenwebstulil  der 
Circe  (Abbildung  des  vaticanL^chen  Vergilcodex) 
quer  durch  die  Kette  gesteckt  ist.  Und  dieses 
scheint  denn  auch  der  Sinn  der  ovidischen  harundo 
zu  sein. 

(xerade  bei  kunstreich  gemusterten  und  figureu- 
geschniückten  Geweben  muss  also  von  einer  com- 
plicirteren  Gesehirrvorrichtuiig  abgesehen  werden. 
Jedem  Durchzug  der  Webernadel  musste  ein  müh- 
sames Fädeuabzählen  vorangehen,  nicht  viel  anders 
als  bei  unserm  Sticken. 

Man  könnte  sich  hierdurch  versucht  fühlen  das  acu 
pingere,  namentlich  Ov.  Met.  VI  23,  wo  .,das  Weben 
nicht  unerwähnt  bleiben  konnte",  als  synonym  mit 
ladio  caetare  (bei  Silius  Italiens  Fun.  XIV  G58) 
zu  erklären.  Allein  acus  scheint  nie  die  Weber- 
nadel zu  bedeuten,  vielmehr  als  speeifisches  Stick- 
werkzeug dem  Webstuhl  gegenübergestellt  zu  wer- 
den.    So  bei  Silius  a.  a.  0.  (ifiO. 

Uns  Modernen,  nur  au  wagerechte  Webstühle 
(d.  ii.  mit  wagerechtein  Aufzug)  Gewöhnten,  drängt 
sich  noch  die  Frage  auf:  „Kannte  das  klassische 
I  Alterthum  nicht  auch  schon  wagerechte  Webstühle?" 
Und  hiermit  kommen  wir  zu  dem  Hauptdifferenz- 
punkt zwischen  Ahreus  und  seinen  Vorgängern. 
Ahrens  verneint  die  Frage  durchaus.  Marquardt 
und  Blümner  bejahen  sie  und  glauben  von  Ein- 
richtung und  Bezeichnung  des  wagerechten  Web- 
stuhls tler  Alten  mehr  oder  weniger  sichere  Kunde 
zu  haben. 

In  Ermangelung  ausdrücklicher  Zeugnisse  sind 
wir  aul'  Vermuthuugeu  augewiesen.  ludess,  wenn 
Artemidor.  Oneir.  JII  30  von  einem  ioTÖg  "lyO-tog 
spricht,  der  xivrjaiv  xai  aTindi]i.ilav  atjuaivti  (man 
vergleiche  das  homerische  latov  F.noiyieaUni  und 
l'indars  'laziöv  na?uftßäfiovg  öönvg  Pyth.  IX  18)  und 
von  einem  fteQng  tatng  xatny/^g  arjfiaiTixng, 
f.jitidi]  xa!f£Lniit£i'ai  Iffaivovaif,  wenn  man  dazu 
nimmt  die  Xachricht   bei   Festus  p.  277,    dass    die 


tnincae  reclae  der  Bräute  und  tirones  in  Rom  a  slan- 
lihiis  et  in  nlliliidhiem  (d.  h.  vertikal)  gewebt  wur- 
den, so  wird  man  in  Ovids  stanles  Iclae  (Fast.  III 
819  und  Met.  IV  275)  kaum  ein  blosses  Epitheton 
ornans  selieu  dürfen.  Ueberall  schimmert  als  Ge- 
gensatz zu  dem  aufrechten  Webstuhl  die  Vorstellung 
des  wagerecbten  hindurch.  Ja,  bei  Festus  erscheint 
der  horizontale  als  der  gewöhnliche,  moderne,  ge- 
genüber dem  nur  noch  vereinzelt  in  Anwendung 
kommenden  System  des  vertikalen  Webstuhls. 

Der  Ausdruck  in  aUitudinem  und  unsere  Ueber- 
setzung  „vertikal"  bedarf  noch  einer  besonderen 
Beleuchtung.  Denn  wie  ist  es  zu  verstehen,  wenn 
derselbe  Festus  p.  286 — 289  meldet,  die  lunicae  re- 
gillae  würden  susutii  versum  a  slanlihus  gewebt? 
Ich  denke,  wenn  oben  nicht  in  allilndinem  ein  durch- 
aus fehlerhafter  Ausdruck  war,  dann  darf  es  auf 
die  Frage,  ob  von  oben  nach  unten,  oder  von  un- 
ten nach  oben  gar  nicht  ankommen.  Denn  in  alti- 
tndiiiem  heisst  ja  beides.  „Vertikal  und  von  Stehen- 
den gewebt",  das  allein  gehört  also  nach  Festus'^) 
zum  Wesen  der  iuuica  re.cla  oder  regilla;  das  susum 
versum  hat  nur  den  Werth  einer  Xebenbemerkung: 
„(und  so  natürlich)  von  unten  nach  oben",  und  kann 
in  keiner  Weise  zur  Deutung  des  Ausdrucks  reclus, 
oQ^ing  benutzt  werden.  Aber  was  bedeutet  denn 
„aufwärts  weben"?  Es  soll  hier  doch  wohl  (bei 
dem  Feierkleid  der  Bräute  und  JUuglinge)  eine  ältere 
Art  des  Webens  bezeichnet  werden.  Lässt  es  sich 
nun  irgendwie  wahrscheinlich  machen,  was  Blüm- 
ner (I  138)  annimmt,  dass  „die  ältesten  Römer"  an 
einem  Rahmenwebstubl  gewebt,  wie  die  Aegypter? 
Und  nun  gar  aufrechtstehend,  während  die  Aegypter 
bekanntlich  sassen?  Ich  glaube  nicht.  Die  Römer 
webten,  ehe  sie  den  wagerechten  Webstuhl  einführ- 
ten, oline  Zweifel  gerade  so  wie  die  Griechen  und 
wie  die  germanischen  Vetteru  im  Norden,  an  der 
alten  tela  pendula  (vgl.  auch  Blümner  I  S.  122).  Bei 
diesem  Webstuhl  kann  aber  die  Bezeichnung  „auf- 
wärts weben"  nur  nach  der  Richtung  gewählt  sein, 
in  welcher  das  Scheit  {Gnäiirj)  gegen  den  Einschlag 
geschwungen  wurde.     Dazu   stimmt  im  Inhalt   und 


'■■')  ob  die  von  Festus  übcrliet'cite  Erklärung  sachlicb  das 
Kicliiige  trifft,  ist  eine  andere  Frage  W.  Heibig,  das  home- 
rische Epos  aus  den  Denkmälern  erklärt  S.  134,  vergleicht  das 
homerische  iavi<rrf7ii.o;  und  den  öi>!>oait(iSi(ig  /timv  der  Kitha- 
liiden,  .denn  offenbar  war  jene  Tunica,  wie  dieser  Chiton  ein 
nach  archaischer  Weise  straff  herabfallendes  Ge- 
wand, an  welchem  Griechen  und  Römer,  wo  religiöse  Rück- 
sichten in  Betracht  kamen,  vielfach  auch  noch  während  der 
späteren  Zeit  festhielten." 


175 


0.  Schröder.  Zu  den  Wcbstiililpii  flcr  Alten. 


17fi 


Ausdruck  die  Notiz  Herodots  (II  35):  vtfcdravai 
öe  oJ  i^uv  a).?.oi  avw  ztji'  xonxt]v  ioi)i(ivi£g ,  ^lyv- 
nrini  de  xäico.  Wenn  also  Alireiis  eiu  obeu  begon- 
ueues  Gewebe  „aufwärts  gewebt"  nennt,  so  bewegt 
er  sich  damit  nur  in  der  antiken  Tenuinologie  und 
verdient  Beifall,  nicht  aber  die  Belehrung,  die  ihm 
Bliimner  (in  Bursians  Jabresber.  1877  Abth.III  S. 238) 
zu  Theil  werden  lässt  ohne  die  Sache  zu  fördern. 
Ein  Verseben  ist  es  allerdings,  wenn  Abrens  sagt, 
das  (nach  antiker  Auffassung)  „aufwärts"  ausge- 
führte Gewebe  mehre  sich  immer  uiei:r  nach  oben 
zu.  Ein  ähnliches  Versehen  findet  sich  8.  397  sei- 
ner .Abhandlung.  Daselbst  ist  Z.  7  der  „ägyp- 
tische'' statt  „abendländische''  (Webstuhl)  zu  lesen. 

Dass  also  die  Alten  den  wagerechten  Webstuhl 
gekannt  haben,  ist  mindestens  wahrscheinlich.  Auf 
sehr  unsicheren  Füssen  aber  steht  die  am  zuver- 
sichtlichsten von  Marquardt  (Privatleben  d.  Rom. 
S.  509 f.)  ausgesprochene  Veimuthung,  in  der  lelu 
iogalis  des  Cato  (r.  r.  10,  5  und  14,  2)  hätten  wir 
die  Bezeichnung  für  den  wagerechten  Webstuhl. 
Wo  ist  der  Beweis  dafür,  dass  der  wagerechte 
Webstuhl  der  Alten  oder  auch  nur  der  Aegypter 
zur  Aufhängung  der  Schäfte  gerade  wie  bei  uns 
ein  besonderes  senkrecht  auf  dem  Rahmen  stehen- 
des Gerüst  gehabt,  und  dass  dies  xaz  eSo'/fjV  inc/mn 
gebeissen?  Marquardt  ist  in  der  Uebertragung  heu- 
tiger Einrichtungen  auf  die  antiken  so  weit  gegan- 
gen, zu  dem  „Geschirr",  das  an  dem  hypothetischen 
iuyum  freischwebend  angebracht  wäre,  auch  noch 
den  „Kamm"  zu  fügen,  der  eine  Vervollkommnung 
des  Holzscheites  zum  Festschlagen  des  Durchschusses 
darstellt.  Den  Weberkamm  kennt  das  Alterthum 
(Ovid  Met.  VI  58  und  Fast.  III  .S19f.)  Aber  wie 
sali  er  aus? 

Das  äg'3'ptische  Museum  zu  Berlin  besitzt  meh- 
rere Kämme  aus  Holz,  etwa  eine  Spanne  bieit,  mit 
einem  kurzen  Stiel.  Die  Einschnitte  gehen  in  der 
Weise  schräg  durch  das  etwa  1  bis  1,5  Cm.  dicke 
Holz,  dass  die  Zähne  auf  der  einen  Flachseite  der 
Kämme  länger  erscheinen  als  auf  der  anderen,  ohne 
jedoch  irgendwo  die  Länge  von  1  Cm.  zu  über- 
steigen. Der  Handgriff,  die  schräg  durchgehenden 
Einsclinitte,  die  Kürze  der  Zähne  beweisen,  dass 
diese  Kämme,  wenn  es  Weberkämme  sind  ' '),  nicht 

")  Aul'  das  Stück  Flachs  («  jiiece  of  Imv  Wilkiiisun),  das 
sieb  in  den  Zähnen  eines  dieser  Kilmine  gcl'unden  haben  soll, 
ist  kein  Gewicht  zu  legen.  Gebrauchsgegenstände  sind  diese 
(jräberlun Je  wohl  kaum  gewesen ,  sondern  nur  deren  (viel- 
leicht verkleinerte)  Nachbildungen.  Eines  aber  beweisen  diese, 
wie    zahlreiche    andere    Ilol/käninie    des    ägjjitisclien    Museums 


dauernd  in  den  Kettenfäden  hingen,  sondern  ledig- 
lich mit  der  Hand  regiert  wurden.  Abgeschrägt 
war  der  Boden  der  Zahnlücken  vielleicht,  um  die 
Kette  beim  Heranschieben  des  Durchschusses  nicht 
zu  sehr  anzugreifen. 

Anders  sieht  der  Kamm  aus  auf  dem  Bilde  des 
altägyptischeu  Webstuhls,  das  sich  in  eiuem  Grabe 
zu  Benihassan  gefunden  bat: 


Ich  gebe  das  Bild  nach  Lepsius,  Denkm. 
Abth.  II  Bl.  126,  bemerke  jedoch,  dass  die 
Originalzeichnung,  in  die  mir  ein  Einblick  gütigst 
gestnttct  wurde,  insofern  nicht  damit  überein- 
stimmt, als  dort  die  Kettenfäden  nicht,  wie  hier 
und  in  den  ,, Denkmälern"  an  einer  dem  Querholz 
parallel  laufenden  Leine,  sondern  au  dem  Querbolz 
selbst  befestigt  sind,  und  die  Leine  nicht  gerad- 
linig, sondern  in  mehreren  Schlingen  verlaufend  die 
Bestimmung  zu  haben  scheint,  das  Querholz  sammt 
der  Kette  an  die  beiden  Pflöcke  heranzuholen.  In 
diesem  Punkte  stimmt  die  Abbildung  bei  Kosellini 
(mo)inm.  dell'  Egilto  e  d.  Niibia  II  tav.  XLI  G  [lom. 
II  25])  mit  Lepsius'  Originalzeichnuug.  Die  beiden 
kurzen  Pflöcke,  durch  Schlingen  mit  dem  Garn- 
baum verbunden,  sind  dem  wagerechten  Webstuhl 
eigentliümlich,  wie  die  weiteren  Abbildungen  bei 
Rosellini  a.  a.  0.  (vgl.  bei  Wilkinson  II  170  nr.  380) 
deutlich  erkennen  lassen. 

Wie  verhält  es  sich  uun  bei  diesem  wage- 
rechten Webstuhl  mit  dem  KanimeV  Von  den  bei- 
den gleich  langen  durch  die;  Kette  gehenden  Quer- 
hölzern ist  bei  Lepsius  das  eine,  dem  Garnbaum 
zunächst  liegende  als  Kamm  gezeichnet.  Sehr  auf- 
fallend! Erstens  da  nicht  dieses,  sondern  nur  das 
andere,  dem  Gewebe  näher  liegende  Holz  als  Knnini 
(soweit  er  zum  Fcstschlagen  des  Durchseliussiadens 
dient)  funktioniren  kann,   und  zweitens,  da  ein  wei- 

jeilenl'alls:  üvids  insecli  (peitine)  denies  (iUet.  VI  öS)  sind  durch 
Kiu.<chneiden  hervorgebrachte  Hol/.zähne,  nicht  in  das  Holz  ein- 
gesetzte Uohrsläbchen  wie  M  Haupt  wollte,  indem  er  /nininclo 
und  peclen  identiticirte,  und  wie  auch  lilümner  anzunehmen 
scheint,   wenn   er   iiiserli  zu  schreiben   vorschlägt  (I  147). 


177 


Ü.  ScIiWiilcr.  Zu  den  Wrlistiilili'ii  (In-  Alten. 


178 


teres,  doppelt  so  laiiires  Querholz,  nach  der  Hand- 
haltunj;'  ijcsondeis  der  re(;iits  hockenden  Weberin 
zu  urtlieilcn,  als  anäi^rj  diese  Funktion  des  Fest- 
schlajjens  zu  hal)en  scheint.  Unsei-  Zweifel  mehrt 
sicli,  weiui  wir  Roselliiii  verg-leiciien,  der  an  Stelle 
des  Kammes  einen  mit  Faden  umwickelten  Stab 
darbietet.  Und  in  der  That:  die  Haltung  der  lin- 
ken Hand  bei  der  links  hockenden  Weberin  scheint 
die  Auflassung-  dieses  Querholzes  als  Webernadel 
zu  bestätigen.  Dagegen  spricht  aber  wiederum  das 
zweite  zwischen  Durchscliuss  und  Gewebe  nur  stö- 
rende Querholz,  —  wenn  diesrs  nicht  etwa  eine 
Andeutung  der  Sehäffe  sein  soll. 

Denn  zwei  Schäfte  iiat  dieser  Wel)stuhl  zweifellos. 
Wie  man  sieht,  werden  sie  durch  Tritte  abwechselnd 
nach  unten  gezogen,  so  dass  also  in  Wahrheit 
„ein  Tritt  tausend  Fäden  regt".  Um  sie  jedesmal 
wieder  nacii  oben  zu  ziehen,  niuss  die  Spannung 
der  Kette  selbst  ausgereicht  haben.  Denn  sie  schei- 
nen einfach  uiiterhalb  der  Kette  an  den  Schleifen 
zu  hängen.  Doch  welches  immer  die  Bedeutung 
jener  Querhölzer  sei:  von  einem  besonderen  ober- 
lialb  der  Kette  angebrachten  Stulilgestell  zur  Auf- 
iiängung  des  Gescliins  zeigt  selljst  dieser  mit  Tritten 
versehene  Webstuhl  keine  Spur. 

Eine  gewisse  Stütze  schien  die  besprochene  Vor- 
stellung von  der  tela  iogalis,  als  eines  wagerechten 
Webstuhls  mit  senkrechtem  Geschirrstuhl  (=  iugum) 
in  Ovids  lelti  inyo  citicta  est  zu  haben,  und  beson- 
ders in  der  Art,  wie  diese  Stelle  von  Seneca 
citirt  wird. 

Seneca  (ep.  90, 20)  stellt  dem  alten  Webstuhl 
mit  senkrechter  Kette  (rectum  s/amen),  mit  Gewicht- 
steinen (siispensis  ponderibus) ,  mit  dem  einfachen 
Scheit  zum  Festschlagen  (spatka)  —  Schaft  und 
Webernadel  nennt  er  niclit  —  den  Ovidischen 
(Met.  VI  53 fi".)  gegenüber  und  beginnt  sein  Citat 
aufiallend  genug  mit  den  Worten  tela  iiigu  iuncta 
est  (so  statt  rhicta  est  ob).  Allein  prüfen  wir  die 
Ovidische  Schilderung  genauer. 

Ovid  lässt  Minerva  und  Arachnc  an  ihre  Web- 
stühle treten:  consislunt  .  .  .  Hier  stock'  ich  schon. 
Die  Lesart  consistiiiil")  ist  gar  niclit  die  überlieferte: 
constiliiimt  ist  die  Ueberlieferung  säinmtlieher  Hss. ; 
dazu  stimmt  des  Planudes  Uebersetzung  laiäcjiv 
und  die  Variante  in  den  unbekannten  codd.  Bers- 
uianni  coiislilermit,  während  ronsistnnl  sich  lediglich 
in    dem    interpolirten    cod.   Aniplonianus   (als  Con- 

"•)  Diese  Angaben  über  die  Le.-arten  beruhen  auf  Mittliei- 
lunj;en   von    Hugo  Magnus   (verf;].   oben   Auni,  I). 


jekturV)  über  cimstitiinul  übergeschrieben  findet.  Die 
Ueberlieferung  lautet  also,  wie  denn  auch  jetzt  bei 
Merkel  und  Zingerle  gelesen  wird: 

—  riiiistiliiunl  diversis  jiartilms  ambae 
et  ip'acUi  (jnninas  iiiteudunl  stamine  telas. 
lelii  iuijo  viiicta  est,  stamen  secernil  harurido. 
Die  Verbindung  tclam  constituere  könnte  die  ho- 
merische Formel  laxnv  aTi]aatievr]  wiedergeben  sollen, 
welche  das  Zurechtstellen  ")  des  Webstuhls  bezeich- 
net, doch  so,  dass  darin  das  Aufhängen  der  Kette, 
wie  ß  94  —  95  zeigen,  mit  einbegriffen  ist.  Dann 
hiesse  uilendiuil  telas  „sie  ziehen  straff"  die  Ketten'- 
(sei  es  durch  Gewichtsteine,  wie  es  bei  dem  chiusi- 
nischen  Webstuhl  der  Fall  ist,  oder  durch  einen 
zweiten  Querliaum,  wie  bei  den  ägyptischen  Stiililen). 
Aber  geminas  telas  =  „beide,  Ketten"?  und  et  gra- 
cili  geminas  Inteudimt  stamiiic  telas  =  ..,und  schlan- 
ken Aufzugs  spannen  sie  beide  Ketten"?  tela  und 
stamen  werden  auch  Met.  IV  275  synonym  gebraucht. 
Aber  warum  ist  die  adverbiale  Bestimmung  gracili 
stamine  durch  die  Wortstellung  so  eng  gerade  mit 
iriletidiint  verknüpft? 

^\'er  diese  Bedenken  nicht  »heilt,  der  hat  es  be- 
quemer. Er  übersetzt  (in  vollem  Einklang  mit  der 
homerischen  Formel):  „sie  richten  auf  und  spanneu 
straö"  die  Ketten",  und  weiter  (55)  „die  Kette  ist 
an  dem  Querbaum  befestigt". 

Wer  aber  mit  mir  übersetzt:  „Die  zwei  Frauen 
stellen  auf  zu  verschiedenen  Seiten  und  bespannen 
mit  schlankem  Aufzugsfaden  beide  Webstühle", 
der  steht  V.  55  vor  einer  neuen  Schwierigkeit:  tela 
iiigo  tincta  est  kann  jetzt  nur  heisseu  „der  Web- 
stuhl ist  durch  den  Querbaum  zusammengefügt". 
(Vielleicht  wird  mancher  Seneca's  iuncta  est  vor- 
ziehen; entscheiden  kann  hier  nur  die  genaueste 
Keuntniss  ovidischen  Sprachgebrauchs.)  Also  eine 
nachträglielie  und  angesichts  des  bereits  mit  dem 
Aufzug  bespannten  Webstuhls  etwas  nachhinkende 
Hervorhebung  des  unentbehrlichsten  Theiles  an  der 
alten  tela  pendula'.  Aber  vielleicht  haben  diese 
Worte  nur  den  Zweck,  in  zierlicher  Epanalepse 
(stamine  telas  =  tela  —  stamen)  die  Erwähnung  des 
Kohrstabs  einzuleiten,  der,  wie  oben  beschrieben, 
die  Kettenfäden  in  Ordnung  hält  (tela  iiigo  cincta 
est,  stamen  serernit  harnndo).  Wie  dem  auch  sei: 
von  einem  besonderen  Stuhlgestell  zur  Auf- 
h;lngung  des  Geschirrs  spricht  Ovid  in  keinem 
Fnll. 

"'l  Der  zapfeiiartige  Fuss  an  dem  chiusinischen  Webstuhl 
lii-st  es  j,'laul>Iich  erscheinen,  dass  die  Pfosten  de»  Webstuhls  vor 
jedem  Weben  erst  in   den  Fus^bodl,•n   yesteckt  wurden. 


179 


H.  Bliimner.  Die  Speisetische  der  firieclien. 


180 


Jetzt  beginnt  das  eigentliebe  Weben.  Der  Durcli- 
schuss  wird  eingetragen  mit  der  Nadel  (iuscritiir 
tnedium  radiis  subtemen  aciitis),  Ton  der  jedesmal 
eine  genügende  Menge  Garns  abgewickelt  werden 
muss  (quod  digili  expediutit).  Es  folgt  das  Fest- 
schlagen des  Durchschusses  mit  dem  Kamm  (alqne 
inter  slamina  duciuin  percKSso  paviunt  [so  Seneea 
wohl  richtig  für  das  ferinnl  der  Hss.]  iiisecli  pecline 
dentes).  Und  diese  Verwendung  des  Kamms  an 
Stelle  der  alten  spatha  rechtfertigt,  denke  ich,  Se- 
neca's  Ausdruck  ,,stibtUiiis  geniis''  in  ausreichender 
Weise.  Vielleicht  erschien  iljm  auch  die  harundo 
als  eine  Neuerung,  und  so  erklärte  es  sich  denn 
auch,  dass  er  sein  Citat  gerade  mit  Vers  55  beginnt. 

Wie  der  Kamm  an  dem  senkrechten  Webstuhl 
gehandhabt  wurde,  wissen  wir  nicht.  Dass  beides 
thatsächlich    verbunden    gewesen,    wird    man    auf 


Grund  der  verdächtig  genug  aussehenden  Hesycli- 
giosse  ana&azöv  to  ogd-nv  r'fng,  anää^tj  xsxqov- 
jitei'ov,  Ol!  JCTevi,  uocli  nicht  leugnen  dürfen.  Für 
Ovid,  der  sich  Fast.  III  8 19  f.  ebenfalls  ganz  unzwei- 
deutig ausdrückt,  fällt  hier  Seneca's  gewichtiges 
Zeugniss  {poslea  inventum)  in  die  Wagschale.  Denn 
dass  Seneea,  der  doch  zweifellos  aucli  wird  consti- 
iuiinl  gelesen  und  iiigiim  richtig  verstanden  haben, 
den  senkrechten  Webstuhl  nicht  sollte  erkannt 
haben,  ist  niclit  anzunehmen.  Mau  vergleiche  übri- 
gens den  bereits  oben  (S.  170)  erwähnten  Wilkinson- 
schen  Webstuhl.  An  dem  aufrechten  Webstuhl  be- 
findet sich  dort  ein,  wie  es  scheint,  auf-  und  ab- 
sehiebbares  Querholz,  das  recht  gut  als  Kamm  ge- 
deutet werden  konnte. 


Berlin. 


Otto  Schkoeder. 


DIE  SPEISETISCHE  DER  GRIECHEN. 


Ueber  die  Tische,  deren  sich  die  Griechen  bei 
ihren  Mahlzeiten  und  Symposien  bedienten,  finden 
sich  in  den  Handbüchern  nur  sehr  allgemeine  und 
ungenügende  Angaben,  meist  nichts  weiter,  als  dass 
dieselben  beträchtlich  niedriger  als  die  Speisesofas 
waren,  entweder  viereckige  oder  runde  Gestalt  und 
einen,  drei  oder  vier  Füsse  hatten,  wobei  man  sich 
für  letztere  Behauptung  auf  Poll.  X,  ü9:  eSeazi  ösTt]v 
zQÜTieKciv,  i(p  ji  ztt  exTitüfiaza  xazäxsizai,  zsiga- 
nnvv  T£  zgäniCttv  elnsiv  xai  ^invönow,  und  ebenda 
§  SO:  rj  de.  inoxEmivrj  zolg  oxpoig  zganeCa  xai 
xQiTiovg  av  xaXoizo  beruft.  Es  ist  klar,  dass  PoUux 
an  der  ersten  Stelle  nur  die  Abaci,  die  Prunk-  oder 
Credenztische  im  Sinn  hat,  die  wir  auf  manclien 
Denkmälern  mit  Trinkgefässen,  Mischkrügen  und 
dergl.  bedeckt  dargestellt  sehen,  an  Esstische  darf 
dabei  nicht  gedacht  werden;  hingegen  handelt  es 
sich  dem  Anschein  nach  an  der  zweiten  Stelle  aller- 
dings um  solche.  Becker  im  Gharikles  I  S.  220  (Goell) 
führt  Athen.  II,  49  A  an:  zgänetaL  fXsqiavzönoösg 
ziöv  iniiyr}j.ittTiov  fx  ttjg  xakovfisiTjg  ocfEvöäfAvnv 
71  ennitjfisvwv   Kgazivng  (Frg.  301  Kock)' 

■yavgiüiaai  d'ärajutvnvait'  oid    fnrjylaiai^ilvai 
fuigaxtg    (fciidgal    zgänt'Cai    zgiaxe'/.tlg    acpev. 

däfunai, 


und  bemerkt  dazu:  „die  dreifüssigen  Tische  werden 
zwar  mit  ihrem  eigentlichen  Namen  zginoäeg  ge- 
nannt, wofür  Athenaeos  ebenda  Beispiele  anführt 
(vgl.  Phitarch  Kleoni.  13.  Poll.  VI,  83),  aber  sie 
heissen  nichtsdestoweniger  auch  zgäneCai".  Sieht 
man  sich  die  Belegstellen  des  Athenaeos  näher  an, 
so  ergiebt  sich,  dass  denn  doch  zwischen  dem  drei- 
beinigen Speisetisch  und  dem  zginm>g  ein  Unter- 
schied gewesen  sein  nmss,  was  auch  aus  Plutarch 
Kleom.  13:  dnagi^Ei'arjg  de  zr^g  zoanfX,rjg  elaExof.iiCezn 
zginovg  xgaztjga  yahxovv  s'ycov  oivnv  /nsotöi'  etc.  her- 
vorgeht. Bei  Athen,  a.  a.  0.  heisst  es  nändich  zu- 
nächst weiter:  einnvzng  zivog  xvvixnv  zgtnoda  riqv 
zgnnstar  övaxegaii'ei  n  nagd  zui  aofpiazfi  Ovkniarog 
xai  ksytii  zr]/.iegov  iyio  ngayf.iaza  tS,w  fs  dnga^iag. 
nni/sv  ydg  zovzti)  o  zginovg'  et  fi/]  zr)v  ^loyevovg 
ßaxzrjgi'av  avf  xai  zio  finde  agiO^f^iiöv  nvzng  zgi- 
Ttoöa  Tigoatjyngevas,  navzwv  zgantLag  xttknvvzMv 
zavzag  zag  nagaS^soEig.  Also  ein  Kj'nikcr  hat 
die  zgäneCa,  den  Speisetisch,  zginovg  genannt; 
darüber  ereifert  sich  der  eine  der  Deipnoso- 
phisten ,  der  pedantische  Ulpiauus,  genannt 
KeiTovxeizng,  und  bemerkt,  ebenso  gut  könne  je- 
mand den  Diogenes  mit  seinem  Stock  einen  zginovg 
nennen;   diese  nagai^iaetg  aber  würden   von  allen 


181 


II.  Bliimner,  Die  Speisetisclie  der  Griechen. 


182 


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Archaolog.  Ztg.  Jahrgang  XLII. 


13 


183 


H.  Blümner,  Die  Speisetische  der  Grieclien. 


184 


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TQÜnetai  genannt.  Nun  führt  allerdings  Athenaeos 
nachher  einige  Beispiele  an,  um  zu  erweisen,  dass 
mau  dennoch  die  Tgänsta  bisweilen  TQtnovg  ge- 
nannt habe:  Hesiod  (Frgm.  105),  Xen.  Anab.  VII, 
3,  21,  Fragmente  aus  Antiphanes,  Eubulos,  Epicharm 
und  Aristophanes.  Selbst  wenn  in  allen  diesen 
Beispielen  ausdrücklich  von  Speisetischen  die  Eede 
wäre,  so  würde  sich  daraus  zunächst  nur  ergeben, 
dass  die  Sdariftsteller  bisweilen  in  freierem  Ge- 
brauch TQinovg  für  zoäneCa  gesetzt  haben,  während 
doch  immer  bestehen  bliebe,  dass  ursprünglich  und 
in  strengem  Sprachgebraucii  ein  bestimmter  Unter- 
schied war,  was  der  genannte  Sophist  aus  seinen 
antiquarischen  Studien  wissen  mochte.  Allein  wir 
können  nicht  einmal  beurtheilen,  ob  alle  Beispiele 
des  Athenaeos  wirklich  passend  gewählt  siüd.  Das 
hesiodischc  Fragment  aus  Krjvxog  yä/iing  liegt  uns 
nicht  vor,  wir  müssen  uns  also  hier  auf  die  An- 
gabe des  Athenaeos  verlassen:  CHaindng)TQinndaq 
rag  TouTttlag  (prjai  Bei  Xcnoph.  a.  a.  0.  werden 
allerdings  dieselben  Tische,  welche  er  §  21  tglnoöeg 
nennt,  gleich  nachher  §  22  und  23  tgäntCai  ge- 
nannt, indessen  findet  die  dort  geschilderte  Mahl- 
zeit in  Thrakien  und  nach  thrakischer  Sitte  statt, 


man  liegt  nicht  bei  Tafel,  wie  in  Hellas,  sondern 
man  sitzt  im  Kreise  beisammen;  bestimmte  Folge- 
rungen für  griechischen  Brauch  können  wir  aus 
dieser  Stelle  nicht  ziehen,  denn  die  Tische,  an  denen 
man  sitzend  speiste,  waren  doch  höchst  wahrschein- 
lich von  anderer  Beschaffenheit  als  die,  bei  denen 
man  gelagert  ass.  Die  Fragmente  aus  Antiphanes 
und  Eubulos  nennen  nur  rglnndeg,  ohne  dass  man 
den  Nachweis  führen  könnte,  dass  auch  wirklich 
Speisetische  damit  gemeint  sind;  im  Fragment  des 
Epicharm  möchte  man  das  sogar  bestimmt  in  Ab- 
rede stellen.     Die  Stelle  lautet: 

^.  ri  de  täd'  savi;  B.  öij^aö/]  rginoiig.  A.  %'i 
/.iccv,   £y_Ei  nodag 

xeTOQttg;  ovx  tau  TQinnvg,  akX  [saTiv\  oiftai 
xsxQCtnnvg. 

B.  Eozi  6  ovoj.1  «vTfÄi  TQinovg,  xizogäg  ys  fiäv 
eyßi   nödag. 

A.  Oldinovg  xoi'vvv  nox  riv,  al'viyftä  xni  rnelg. 
Es  wäre  gewiss  verfehlt,  wenn  man  glauben 
wollte,  dass  hier  von  einem  simpeln  viereckigen 
Tisch  mit  vier  Beinen  die  Rede  ist;  es  ist  doch 
ganz  undenkbar,  dass  man  einen  solchen  jemals 
einen  xqinovg   genannt   haben    sollte.     Die  Unter- 


185 


II.^Blümiier,  Die  Spoisctische  der  Grieclien. 


186 


redung  gebt  vielmehr  allem  Anseliein  nach  auf 
einen  wirklichen  Dreifuss,  aber  auf  einen  von  jener 
Form,  die  wir  aus  zahlreichen  Abbildungen  kennen 
(man  vgl.  z.  B.  das  eine  Relief  der  Dresdener 
Basis),  bei  der  abgesehen  von  den  drei  am  Rande 
angebrachten  leichten  Beinen  noch  in  der  Mitte 
ein  das  Becken  unterstützender  dickerer  Säulenfuss 
angebracht  ist.  Einem  solchen  gegenüber  konnte 
jemand  reciit  gut  seine  Verwunderung  darüber  aus- 
sprechen, dass  ein  Gerütii,  welches  offenbar  vier 
Füsse  habe,  doch  Dreifuss  genannt  werde;  und 
daraus  erklärt  sich  auch  die  Anspielung  auf  das 
Räthsel  der  Sphinx:  wie  der  Mensch  mit  seinem 
Stabe  im  Alter  auf  drei  Beinen  geht,  aber  doch 
nur  zwei  Füsse  hat,  so  ruht  jener  Dreifuss  auf 
vier  Stützen,  bleibt  aber  doch  immer  ein  zQtnnvg. 
Was  endlich  die  letzte  Stelle,  Aristoph.  Fragm. 
530  (Kock)  anlangt,  so  ist  auch  da  nicht  schlecht- 
weg von  einem  zglnovs  die  Rede,  sondern  der 
Tisch  heisst  das  eine  Mal  rgänsLa  rgs'ig  nndag 
(■//^nvaa,  das  andere  Mal  loinovg  xqaneta.  Ich 
glaube,  dass  hier  das  punctum  saliens  der  ganzen 
Frage  zu  suchen  ist:  man  muss  uutersciieiden 
zwischen  der  zgantt,«  zQi'nnvg  oder  tgiaxeltlg,  also 
dem  eigentlichen  Speisetisch,  und  dem  anderen 
Zwecken  gewidmeten,  schlechtbin  TQi'nnvg  genann- 
ten Tische.  Die  Aufklärung  geben  uns  die  Denk- 
mäler, vor  allem  die  Vaseubilder. 

Wenn  man  die  Darstellungen  von  Mahlzeiten 
und  Sj'mposien ,  bei  denen  sehr  häufig  Tische  vor 
den  Ruhelagern  mit  abgebildet  sind,  durchmustert, 
so  fällt  einem  die  ganz  eigenthümliche  Art  auf,  in 
der  diese  Tische  meistens  dargestellt  sind.  Bis- 
weilen allerdings  sehen  wir  niedrige,  runde  Tisch- 
chen von  geringem  Umfange,  mit  drei  als  Thier- 
beine  gebildeten  Füssen,  wie  sie  uns  auch  auf 
römischen  Denkmälern  begegnen;  so  z.  B.  Tischbein 
II  Taf.  52  u.  53.  Gerhard,  apul.  Vasenbilder  Taf.  15. 
Panofka,  Bilder  antik.  Lebens  Taf.  12, 3  u.  s.  w. ;  vgl. 
auch  das  bekannte  Relief  mit  der  Einkehr  des 
Dionysos  bei  Ikarios,  ferner  Ant.  di  Ercol.  I.  p.  79 
u.  a.  m.  Bei  weitem  häufiger  aber  ist  eine  andere 
Form,  von  der  ich  hier  eine  Anzahl  Beispiele  zu- 
sammengestellt habe.  Ich  gebe  gleich  die  Orte 
an,  wo  dieselben  zu  finden  sind.  1)  Vasenbild, 
Moinim.  d.  hisl.  VIII,  27;  2)  dgl.,  ebd.  VI,  33 
(Welcker,  Alte  Denkm.  V  Taf.  15);  3)  dgl.,  Archäol. 
Ztg.  1880  Taf.  12,1  (Wiener  Vorlegebl.  Ser.  C, 
Taf.  8,  la);  4)  dgl.,  Archäol.  Ztg.  IBiJG  Taf  206,1 
(.4««.  d.  bist.  1839  tav.  d'agg.  F.);  5)  dgl.,  Monum. 
d.  Inst.  X,  8;  G)  Etrusk.  AVandgemälde,  Mus.  Gregor. 


1,  101;  7)  dgl.,  ebd.  lav.  102;  8)  Etrusk.  Sarkophag- 
relief, Monum.  d.  Inst.  VIII,  2 ;  9)  Vasenbild,  Archäol. 
Ztg.  1883  Taf.  4;  10)  dgl.,  Benndorf,  Griech.  u.  sicil. 
Vasenb.  Taf.  41,2;  11)  dgl.,  Mus.  Gregor.  II,  19,1a; 
12)  Etrusk.  Wandgem.,  Monum.  d.  Inst.  V,  17, 1;  13) 
Vasenbild,  Monum.  d.  Inst.  V,  49;  14)  dgl.,  ebd.  X, 
53;  15)  dgl.,  Inghirami,  Vasi  fitt.  II  133;  16)  dgl., 
Gerhard,  apul.  Vasenb.  Taf.  7;  17)  dgl.,  Tischbein, 
Vases  Hamilton  11,55;  18)  dgl.,  Inghirami  IV,  317; 
19)  dgl.,  Archäol.  Ztg.,  1880  Taf.  12,2. 

Sehen  wir  uns  den  Tisch  Nr.  1  an,  welcher  auf 
einer  Darstellung  von  Priamos'  Besuch  bei  Achill 
vor  dem  gelagerten  Achill  steht.  Hier  fällt  vor 
allen  Dingen  in  die  Augen,  dass  dieser  Tisch  nicht 
rund  sein  kann;  er  muss  eine  eckige  Platte  haben. 
Besonders  auffallend  aber  sind  die  in  Klauen  endi- 
genden Füsse;  sie  zeigen  eine  Eigenthümlichkeit, 
welche  bei  der  Mehrzahl  aller  solcher  Speisetische 
auf  den  Vasenbildern  und  ebenso  auf  etruskischen 
Denkmälern  wiederkehrt:  das  linke  Bein  ist  im 
Profil  gezeichnet,  wie  die  nach  aussen  gehende 
Thierkralle  beweist,  das  rechte  aber  en  face.  Ganz 
unverkennbar  ist  das  gleiche  der  Fall  bei  2,  wo 
diese  Darstellung  des  Tisches  sich  genau  ent- 
sprechend noch  dreimal  wiederholt,  bei  3,  4,  5,  6 
(ebenfalls  noch  dreimal  wiederholt);  bei  7  (noch 
einmal  wiederholt)  und  8.  Bei  9,  dem  Innenbild 
einer  Schale,  lässt  es  sich  nicht  so  deutlich  erken- 
nen, weil  das  rechte  Bein  nicht  ganz  wiedergegeben 
ist;  aber  die  grössere  Breite  des  letzteren,  die  ab- 
weichende Art,  wie  dasselbe  oben  am  Tischblatt 
befestigt  ist,  zeigt,  dass  hier  ganz  der  gleiche  Fall 
vorliegt.  Bei  anderen  Beispielen,  wo  der  Fuss 
unten  nicht  geschweift  oder  als  Thierklaue  ge- 
bildet ist,  tritt  der  Gegensatz  nicht  so  scharf  her- 
vor, es  lässt  sich  aber  doch  in  der  verschiedenen 
Breite  der  beiden  Füsse  oder  indem  der  linke  ein- 
fach, der  rechte  aber  als  aus  zwei  Leisten  zu- 
sammengesetzt erscheint  (wie  auch  bei  1  und  2 
deutlich,  vielleicht  auch  bei  4),  erkennen,  dass  auch 
bei  ihnen  der  linke  Fuss  von  der  Seite,  der  rechte 
von  vorn  gesehen  wird;  so  in  10,  11,  12, 19,  weniger 
deutlich  in  13  (noch  viermal  so  wiederholt).  An 
allen  diesen  Darstellungen  sehen  wir  das  im  Profil 
stehende  Bein  auf  der  linken  Seite;  in  umgekehrter 
Stellung  finden  wir  es  auf  der  Berliner  Vase  mit 
dem  Freiermord,  N.  14,  wo  das  von  der  Seite  ge- 
sehene Bein  rechts,  das  von  vorn  gesehene  links 
ist:  aber  dieser  Tisch  ist  nicht  in  Function,  sondern 
wird  von  einem  Freier  als  Deckung  gegen  die 
Pfeile    des    Odysseus    benutzt.     Diese  einzige  Aus- 

13* 


187 


II.  Bliimiier,  Die  Speisetische  der  Griechen. 


188 


nähme  in  der  Darstellung  der  Fasse  bestätigt  also 
die  Regel,  wie  wir  andererseits  in  dem  Gegenstand 
der  Haiullung  selbst  den  Beweis  haben,  dass  es 
sich  auch  hier  um  einen  Speisetiseh  handelt.  — 
Andere  Beispiele,  welche  hier  nicht  abgebildet  sind, 
die  aber  den  Gegensatz  des  linken  und  rechten 
Beines  ebenfalls  mehr  oder  minder  deutlich  erkennen 
lassen,  sind  noch  folgende:  auf  griechischen  Vasen 
MonutH.  d.  Inst.  VIII,  51,4;  Gerhard,  Auserl.  Vasenb. 
Taf.  108  (etwas  abweichend);  ebd.  144  (in  dem  zum 
Flicken  der  Vase  benutzten  Stück);  Millingen,  Vases 
Coghil  pl.  8;  ders.,  Aue.  utied.  iiiOHiim.  pl.  15;  Mus. 
Gregor.  II,  65;  ebd.  79, 1.  Von  etruskisehen  Wand- 
gemälden: Conestabile,  Pilhire  miirali  tav.  7.  Monnm. 
d.  Inst.  IX,  13,1;  ebd.  14,1a.  Diese  Beispiele  Hessen 
sich  leicht  noch  beträchtlicb  vermehren,  mir  steht 
hier  nur  eine  beschränkte  Auswahl  von  Vasenwer- 
ken zu  Gebote. 

Wie  sollen  wir  uns  nun  die  Gestalt  dieser  Tische 
denken?  —  Gewöhnliche  vierfUssige  Tische  mit 
oblonger  Tischplatte  können  es  unmöglich  sein; 
erstens  wäre  die  verschiedene  Stellung  der  Füsse 
dann  ganz  unerklärlich,  denn  wie  könnte  man  an- 
nehmen, dass  von  den  vier  Beineu  eines  Tisches 
^  ^  von   der  Form  abcd  zwei  Beine,    etwa  a 

und  d,  nach  der  Seite  ad  gerichtet  waren, 

*  "  das  Bein  b  aber  nach  ab  und  das  Bein  c 
nach  cd'}  Zweitens  aber  können  die  Vasenmaler 
solche  vierfüssige  Tische  recht  gut  zeichneu,  in- 
dem sie  dieselben  perspektivisch  darstellen  und 
sämmtliche  vier  Füsse  angeben,  oder,  wenn 
sie  auf  die  Perspektive  verzichten ,  die  beiden 
vorderen  Beine  allein  malen,  diese  aber  ein- 
ander entsprechend  in  gleicher  Ansicht.  Man  vgl. 
z.  B.  den  Tisch  auf  der  Dariusvase;  ferner  Ger- 
hard, Auserl.  Vasenb.  Taf.  15;  ebd.  219;  den  Ar- 
beitstisch des  Schusters,  Monuni.  d.  Inst.  XI,  29,1; 
oder  Mus.  Gregor.  I,  101 ,  wo  dreimal  der  oben 
unter  G  abgebildete  Speisetisch  vor  den  Lager- 
stätten dargestellt  ist,  dagegen  an  einer  anderen 
Stelle,  allein  stehend,  ein  regulär  vierfüssiger  iu 
ganz  anderer  Art  der  Darstellung.  —  Kann  man 
demnach  vier  Füsse  für  diese  Tische  nicht  anneh- 
men, so  bleiben  nur  drei  möglich;  dadurch  aber 
wird  von  vornherein  die  quadratische  oder  recht- 
eckig-oblonge  Platte  ausgescidosscn.     Wollte  man 

^  j,  selbst  annehmen,  der  Tisch  abcd  habe  bei 

e\  I   o  und  b  keine  Füsse  gehabt,  sondern  statt 

*  "  deren  auf  dieser  Seite  nur  in  der  Mitte  den 
nach  aussen  gekehrten  Fuss  e,  obgleich  sich  gar  kein 
l)lausiblcr  Grund  für  eine  solche  Coustruction  denken 


liesse,  so  wäre  damit  noch  keineswegs  erklärt,  warum 
dieser  eine  nach  aussen  gerichtete  Fuss  immer  auf 
der  linken  Seite  erscheint;  denn  ein  derartig  gebauter 
Tisch  konnte  doch  dem  Speisenden  auch  mit  der  Kante 
cd  zugekehrt  werden,  und  dann  wäre  der  Fuss  e  rechts 
erschienen.  —  An  runde  Tische  zu  denken  verbietet 
ebenfalls  die  Art  der  Darstellung;  wie  die  Vasenmaler 
runde  Tische  malen,  zeigen  die  oben  angeführten  Bei- 
spiele der  niedrigen  dreifüssigeu  Tischchen.  Eben- 
sowenig kann  man  ovale  Tischplatten  annehmen. 

Es  bleiben  nun  noch  zwei  Möglichkeiten:  Dreieck- 
oder Trapezform.  Was  die  Dreieckform  anlangt, 
so  ist  da  von  vornherein  die  Gestalt  des  gleich- 
seitigen Dreiecks  ausgeschlossen.  Ein  Tisch  von 
der  Form  abc  kann,   wenn   er  als  Speise-  ■. 

tisch    dienen  soll,  derart  gestellt  werden,    V      7 
dass  die  Kante  ab  dem  Lager  parallel  steht;      \  / 
dadurch  würde  aber  die  Spitze  des  Drei-         " 
ecks    c    mit    dem    dort    befindlichen    Fuss    gerade 
in  die  Mitte  zwischen    o  und  b   fallen,    und    man 
müsste    demnach     auf    der    Zeichnung    alle    drei 
Füsse,   a  und  6  in  entgegengesetztem  Profil,  c  von 
vorn  sehen.     Die  Stellung  abc,    wobei  bc  ■j 

senkrecht  zur  Kline  steht,  würde  zwar 
eine  Ansicht  der  Tischbeine  ergeben,  welche 
der  oben  besprochenen  Stellung  entspräche; 
aber  eine  derartige  Aufstellung,  bei  welcher  die 
meiste  Fläche  des  Tisches  für  die  Hand  des  Ge- 
lagerten ganz  unerreichbar  ist,  wäre  so  unpraktisch 
wie  nur  möglich. 

Wenn  wir  nun  in  Betracht  ziehen,  dass  der 
Speisende  den  meisten  Platz  zum  Hinstellen  von 
Schüsseln,  Tellern  und  dgl.  an  seinem  Kopfende 
braucht,  während  der  Platz  zu  seinen  Füssen  in 
der  Regel  von  ihm  nicht  benutzt  wurde,  so  begreift 
man,  dass  man  für  Speisetische  eine  Form  aus- 
findig zu  macheu  bestrebt  war,  bei  welcher  der 
Speisende  zu  Häupten  möglichst  viel  Kaum  hatte, 
während  doch  andrerseits  der  Tisch  nicht  zu  viel 
Platz  in  Anspruch  nehmen  und  den  aufwartenden 
Sklaven  erlauben  sollte,  frei  zwischen  den  Speisen- 
den zu  circuliren  und  an  jeden  Gelagerten  möglichst 
nahe  heranzutreten.  Die  Form  des  Tisches  war  also 
entweder  die  eines  gleichschenkligen 
Dreiecks  abc,  wobei  die  Gruudline  bc 
senkrecht  zur  Lagerstätte  zu  stehen 
kam;  oder,  wie  ich  noch  lieber  anneh- 
men möchte,  die  eines  Trapezes  abcd, 
(Seite  ab  =  cd,  und  bc  parallel  ad),  "p 
weil  diese  verschiedene  Vortheile  bot,  £ 
namentlich  den,  dass  man  noch  auf  die 


18i) 


II.   15lümner,  Die  Speisctisclic  der  GrieiMien. 


190 


iiussorste  linke  Seite  des  Tisciies  bei  ad  etwas 
stellen  konnte  (und  wir  seilen  in  der  That  einige 
Speisetische  auch  auf  dieser  Seite  mit  Gefässen 
besetzt),  und  weiterhin  auch  den,  dass  die  Tisch- 
platte ab  dem  Speisenden  näher  blieb,  nicht  so 
sclinell  sieh  von  ihm  entfernte,  wie  bei  der  Form 
abc.  Mag  man  nun  Dreieck-  oder  Trapezform  an- 
nehmen, auf  jeden  Fall  sind  zwei  Füsse  bei  6  und  c, 
und  zwar  der  Fuss  b  nach  der  Seite  ab,  der  Fuss  c 
nach  der  Seite  cd  (beim  Dreieck  ac)  gekehrt;  hin- 
gegen hat  die  Schmalseite  ad  (resp.  die  Dreieck- 
spitze  fl)  nur  einen  Fuss,  welcher  seine  Vorderseite 
entsprechend  nach  aussen  zu  kehrte.  Diese  Con- 
struction  bot  zunächst  den  Vortheil,  dass  der  Spei- 
sende zu  seinen  Häupten  reichlich  Platz  für  Gelasse 
hatte;  unten  aber  konnten  die  Diener  von  der 
Seite  de  sowohl,  wie  von  der  Seite  ab,  zwisciien 
Lager  und  Tisch,  bis  dicht  an  ihn  berantreteu. 

Dies  Ergebniss  unserer  Betrachtung  wird  manchem 
vielleicht  sonderbar  erscheinen:  ein  dreiflissiger 
Tisch  in  Trapezform  als  griechisches  Möbel!  Allein 
wir  können  auf  einige  Denkmäler  hinweisen,  welche 
unsere  Hypothese  sehr  wesentlich  unterstützen,  in- 
dem sie  die  drei  ßeine  dieser  Tische  zeigen.  No.  19 
kann  dafür  allerdings  nur  theilweise  namhaft  ge- 
macht werden;  immerhin  scheint  auch  hier  der 
Zeichner  die  Absicht  gehabt  zu  haben,  das  sonst 
für  gewöhnlich  nicht  sichtbare  Bein  bei  b,  welches 
auf  den  meisten  Darstellungen  durch  das  Bein  bei  c 
verdeckt  wird,  dahinter  noch  hervortreten  zu  lassen. 
Dagegen  hat  der  Zeicimer  von  15  eine  etwas  freiere 
perspektivische  Zeichnung  eines  solchen  dreifüssi- 
gen  Tisches  versucht,  indem  er  dafür  einen  andern 
Augenpunkt  wählte,  als  ihn  sonst  die  Vasenmaler 
nehmen;  bei  der  Tischplatte  dagegen  brachte  er 
eine  perspektivische  Zeichnung  nicht  fertig.  Recht 
kenntlich  tritt  auch  die  Zalil  und  Stellung  der  Füsse, 
aber  wiederum  nicht  die  Form  der  Tischplatte, 
hervor  in  10  (von  Gerhard  als  Fussbank  bezeichnet), 
deren  eigenthüniliche  in  schäger  Ansicht  gemalte  Stel- 
lung sich  daher  erklärt,  dass  die  dargestellte  Scene 
der  Kentaurenkampf  bei  der  Hochzeit  des  Peirithoos 
ist,  wobei  der  dargestellte  Speisetisch  auf  Lokal 
und  Veranlassung  des  Kampfes,  seine  verschobene 
Stellung  auf  das  Kampfestreiben  selbst  hindeuten 
soll.  —  Zweifelhafter  bin  ich  betreffs  17  und  18; 
dass  dreifüssige  Tische  gemeint  sind,  ist  zwar 
auch  hier  unzweifelhaft,  aber  das  dritte,  von  hinten 
gesehene  Bein  ist  so  direkt  in  der  Mitte  zwischen 
den  beiden  andern  gemalt,  dass,  wenn  hier  nicht 
eine  Entstellung  des  Originals  durch  den  Zeichner 


oder  ein  arges  Verzeichnen  des  Malers  selbst  vor- 
liegt, wir  zum  mindesten  eine  andere  Aufstellung 
der  Tisciie,  wenn  nicht  eine  abweichende  Gestalt 
derselben  annehmen  müssen.  Fraglich  ist  auch,  ob 
vielleicht  bei  1  und  9  die  Linien,  welche  neben  dem 
rechten  Bein  zwischen  Platte  und  unterer  Querseite 
sichtbar  werden,  eine  Andeutung  des  hinteren  Beines 
sein  sollen;  allerdings  müssten  sie  bei  richtiger 
Zeichnung  unterhalb  der  Querleiste  sich  fortsetzen, 
was  beide   Male  nicht  der  Fall  ist. 

Neben  der  Fülle  von  Darstellungen,  welche  für 
die  hier  dargelegte  Hypothese  zum  Ausgangspunkt 
gedient  haben,  ist  die  Zahl  der  Ausnahmen,  wo 
wir  andere  nicht  runde  Tische  vor  den  Speisenden 
stehen  sehen,  sehr  klein.  Ich  führe  folgende  an: 
Inghirami  II,  132;  hier  sind  allerdings  die  beiden 
vor  den  Lagern  aufgestellten  Tische  ganz  regel- 
mässig mit  entsprechenden  Füssen  gezeichnet.  Das- 
selbe ist  der  Fall  bei  Gerhard,  Ant.  Bildw.  71,  wo 
die  Füsse  der  beiden  Tische  je  nach  rechts  und 
links  im  Protil  stehen.  Inghirami  III,  273  ist  ein 
viereckiger  Tisch  mit  ganz  plumpen  Füssen  per- 
spektivisch mit  Ansicht  der  Platte  selbst  gezeichnet, 
mit  allerlei  Gerichten  und  Schüsseln  darauf,  sowie 
mit  zwei  Schubkästen:  eine  ganz  singulare  Form, 
wie  sie  mir  sonst  nie  vorgekommen  ist.  Die  Ab- 
bildung, welche  nach  einer  Zeichnung  d'Uancar- 
ville's  gemacht  ist,  sieht  mir  sehr  verdächtig  aus. 
Immerhin  wären  Ausnahmen  von  der  oben  als  das 
gewöiinliche  bezeichneten  Form  der  Esstische  ja 
sehr  wohl  möglich. 

Noch  auf  einige  weitere  Eigeuthümlichkeiten  der 
Speisetische  können  wir  aus  den  alten  Darstellun- 
gen schliessen.  Zunächst  sehen  wir,  dass  fast  regel- 
mässig die  Tische  unterhalb  der  Platte  Querleisten 
haben,  die  von  Bein  zu  Bein  gehen;  eveut.  könnte 
man  anstatt  dieser  Querleisten  auch  eine  zweite 
Platte,  zum  Abstellen  von  Gefässen  u.  dg!.,  anneh- 
men. Sicher  kann  es  nur  ein  Querleisten  sein  in 
N.  14,  da  der  Freier  sonst  nicht  mit  den  Händen 
das  Brett  umfassen  könnte.  Diese  Platten  oder 
Leisten  sind  ferner  in  der  Regel  durch  Querhölzer, 
welche  häutig  Arabeskeuform  haben,  mit  der  oberen 
Tischplatte  verbunden ;  die  Andeutung  dieser  Träger, 
obgleich  nicht  immer  ganz  deutlich,  fehlt  nur  selten, 
ist  aber  meist  nur  an  der  linken  Seite  sichtbar, 
weil  sie  eben  dort,  in  Folge  der  Protilstellung  des 
linken  Fusses,  gesehen  werden  musste,  während  sie 
am  rechten  Bein,  wo  sie  unmittelbar  hinter  dem 
Bein  zu  liegen  kam,  in  der  Regel  nicht  dargestellt 
ist  (vgl.  1.  2.  8.  10.  12.  13).     Die  Füsse  sind  häufig 


191 


Fr.  Hultsch,  Ein  antiker  Massstab. 


192 


aus  zwei  Hölzeru  zusammeng-esetzt,  und  die  wohl 
zu  gleicher  Zeit  als  Verzierung  dienenden  Nägel 
(am  häufigsten  drei),  durch  welche  sie  an  die  Tisch- 
platte befestigt  sind,  lassen  sich  in  den  meisten 
Darstellungen  erkennen,  vgl.  1.  2.  4.  9.  10.  11.  13. 
18.  19:  au  einigen  scheint  auch  der  Nagel  ange- 
deutet, durch  welchen  die  untere  Querleiste  mit 
dem  Fusse  verbunden  ist,  vgl.  1.  3.  11.  —  Eine 
weitere  Besonderheit,  die  sich  aber  nur  vereinzelt 
findet,  ist  die,  dass  das  Tischblatt  an  der  Seite  bc 
ein  Stück  weiter  über  die  Füsse  hinausragt,  als  an 
der  Seite  ad  (resp.  a):  vgl.  2.  5.  6.  8.  13.  14.  Es 
hatte  das  jedenfalls  auch  den  Zweck,  mehr  Raum 
für  Teller  und  Schüsseln  zu  schaffen,  und  da  die 
beiden,  nicht  unterhalb  der  Tischplatte  befestigten, 
sondern  seitwärts  an  der  schmaleu  Kante  ange- 
brachten Fasse  b  und  c  nicht  nach  der  Seite  bc, 
sondern  nach  den  Seiten  ab  und  cd  angebracht 
waren,  so  war  eine  Verlängerung  des  Tischblattes 
über  bc  hinaus  sehr  gut  möglich. 

Kehren  wir  nun  noch  einmal  zu  den  Schrift- 
quellen zurück.  Ich  glaube,  dass  jener  dreieckige 
oder  trapezförmige  Tisch  mit  drei  Füssen,  den  wir 
uns  aus  den  Denkmälern  reconstruiren,  der  eigent- 
liche Speisetisch  der  Griechen  und  Etrusker  (die 
Kömer  kommen  hierbei  nicht  in  Betracht)  ist,  die 
eigentliche    rgÜTisLa,    öder  .  die    rQÜnsta    tQlnnvg, 


tQiax£lr>g.  Sie  diente  beim  Speisen,  wo  man  Platz 
für  allerlei  Schüsseln  und  Teller  vor  sich  haben 
wollte,  und  mochte  wohl  manchmal  nachträglicli 
auch  beim  Symposion  noch  stehen  bleiben ;  wenigstens 
sind  die  Darstellungen,  auf  denen  wir  sie  finden, 
keineswegs  bloss  Scenen  des  Mahles,  sondern  aucli 
des  Symposions.  Der  eigentliche  Tisch  für  das 
Symposion  aber,  auf  welchen  man  die  Zukost  zum 
Trinken,  die  Süssigkeiteu  und  was  man  sonst  zum 
Wein  noch  genoss,  hinstellte,  war  jener  oben  er- 
wähnte kleine,  runde,  dreifüssige  Tisch,  der  eigent- 
liche XQinovQ.  Hierfür  brauchte  man  nicht  viel 
Platz,  und  darum  Hess  man,  wenn  es  nach  der 
Mahlzeit  an's  Trinken  ging,  die  grossen  rgänttai 
wegräumen  und  dafür  die  kleinen  xQinodeg  auf- 
stellen, s.  Plutarch  a.  a.  0. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  die  Frage  auf- 
werfen, ob  wir  in  den  eigenthümlich  geformten 
Tischen  (etwa  oblonge  Form  mit  einer  abgeschräg- 
ten Ecke),  mit  denen  sich  auf  der  Darstellung  des 
Freiermordes  am  Heroon  von  Gjölbaschi  die  Freier 
vertheidigen  (Archäol.  epigr.  Mitth.  aus  Oesterreich 
VI,  Taf.  7  u.  8  oben),  etwas  ähnliches  zu  sehen 
haben.  Die  lange  gerade  Seite  würde  die  dem 
Speisenden  zugekehrte,  die  abgeschrägte  die  äussere 
Tischkante  bedeuten. 

Zürich.  H.  Blümner. 


EIN  ANTIKER  MASSSTAB. 


In  den  Besitz  der  Königl.  Antikensammlung  zu 
Dresden  ist  zu  Anfang  d.  J.  ein  antiker  Fussmass- 
stab  gelangt,  welcher  einen  ziemlich  zuverlässigen 
Werth  desjenigen  Fusses  darstellt,  welchen  wir  den 
römischen  zu  nennen  pflegen. 

Der  Massstab  ist  aus  Bronze  gefertigt  und,  wie 
nocli  näher  geschildert  werden  wird,  zum  Zusam- 
menklappen eingerichtet,  so  dass  er,  in  dieser  Lage 
nur  circa  15  Centimeter  lang,  von  seinem  Besitzer 
leicht  im  Gewände  getragen  oder  etwa  nebst  an- 
derem Geräth  in  einem  Behälter  mitgefUhrt  wer- 
den konnte. 

Es  findet  sich  auf  dem  Massstab  weder  eine 
Insclirift  nocli,  abgesclicn  von  der  Ilalbirung,  irgend 
eine  Spur  einer  Unterabtheilung  des  Fussmasses. 
In  der  Nähe   des  Scliarniers   ist   je  eine  Kante  in 


der  Ausdehnuug  von  26,  bez.  17  mm.  ein  wenig  an- 
gefeilt. Diese  Stellen  erscheinen  frei  von  Rost  und 
frisch  glänzend;  die  Feile  ist  also  erst  nach  Aus- 
grabung des  Monumentes  angesetzt  worden,  jeden- 
falls um  die  Art  des  Metalls  besser  beurthcilen  zu 
können.  Auch  drei  andere  kleine  Verletzungen 
neueren  Datums,  die  jedoch  etwa  nur  die  Aus- 
dehnung einer  Nadelspitze  haben  und  durcliaus  nicht 
tief  gehen,  sind  bemerkbar;  im  übrigen  ist  der 
Massstab  so  trefflich  erhalten,  dass  er,  wenn  vom 
Roste  gereinigt,  aussehen  würde,  als  sei  er  eben 
aus  der  Hand  jenes  Besitzers  gekommen ,  der  ihn 
vor  zwei  Jahrtausenden  benutzt  hat. 

Denn  offenbar  iiaben  wir  es  mit  einem  Mass- 
stabe zu  thun,  der  einst  in  praktischer  Anwendung 
war.     Dem  entspricht  auch  die  Art  der  Auslührung. 


193 


Fr.  Hultsch,  Ein  antiker  Massstab. 


194 


Fig.A 


QX 


v^  J 


Fiä  C  [l] 


F.g  B  [\^ 

h  h        n 


y  ^ 


a »  w   ^  qq 


•Fi&  E 


3? 


rOi 


Firf.F  lij 


Sie  ist  sauber  und  soweit  genau,  als  der  Gebrauch 
es  erforderte,  aber  weit  entfernt  von  derjenigen 
Aecuratesse,  welclie  ein  Normalmass  zeigen  müsste. 
Die  Kanten  an  den  Enden  beider  Hälften  des  Mass- 
stabes sind  nur  soweit  scharf  und  im  rechten  Winkel 
zu  den  Längenkanten  gehalten,  dass  die  Nach- 
messung bis  auf  den  halben  Millimeter  mit  eini- 
ger Zuverlässigkeit  genommen  werden  kann.  Auch 
die  beiden  Kanten,  an  denen  die  Hälften  des  Mass- 
stabes, wenn  er  lang  gestreckt  ist,  oberhalb  des 
Scharniers  sich  berühren,  stehen  nicht  genau  normal 
zu  den  die  Längenrichtung  bezeichnenden  oberen 
Kanten,  mit  denen  sie  sich  schneiden.  Doch  schliesst 
der  Massstab  an  dieser  Stelle  auch  heute  noch  genau 
zusammen,  ein  Beweis,  dass  der  genaue  Schluss 
über  dem  Scharnier,  weicher  die  Gestrecktheit  des 
ganzen  Massstabes  bedingt,  schon  bei  der  ursprüng- 
lichen Anfertigung  durch  die  feine  Feile  des  Mon- 
teurs geregelt  worden  ist. 

Ueber  den  Ort,  die  Zeit  und  die  sonstigen  Um- 
stände der  Auffindung  liegen  nur   wenige  Notizen 


vor,  welche  Herr  Luigi  Viola  in  Tarent  gegen  Ende 
Februar  d.  J.  niedergeschrieben  hat. 

Es  sind  jetzt  dreissig  Jahre,  sagt  dieser  Bericht, 
dass  in  dem  Orte  Manganecchia  bei  Tarent  mehrere 
sehr  reich  ausgestattete  Grabmonumente  aufgedeckt 
wurden.  In  einem  derselben  befand  sich  unser 
Massstab.  Zugleich  wurden  zahlreiche  andere  Ge- 
genstände aufgefunden  und  dann  von  dem  Besitzer 
der  Localität  Herrn  Mannarini  bei  verschiedenen 
Gelegenheiten  verkauft,  so  dass  sich  jetzt  über  deren 
Zahl  und  Beschaffenheit  Näheres  nicht  mehr  fest- 
stellen lässt;  doch  versichert  man,  dass  es  sehr 
vverthvoUe  Saciien  waren.  Nach  der  Meinung  des 
Herrn  Viola  reichten  sie  vielleicht  bis  in  die  Blüthe- 
zeit  fö//a  ßorente  epoca)  von  Tarent  zurück.  Ob 
damit  die  Epoche,  während  deren  Tarent  als  selb- 
ständiges Gemeinwesen  blühte,  also  etwa  das  fünfte 
bis  dritte  Jahrhundert,  oder  die  Blüthezeit  unter 
römischer  Herrschaft  seit  dem  J.  123  v.  Chr.,  oder 
vielleicht  auch  beide  Epochen  zusammen  gemeint 
sind,   bleibt   zunächst  ungewiss.     Suchen  wir  aber 


195 


Fr.  Hultsch,  Ein  antiker  Massstab. 


196 


die  besondere  Zeitbestimmung:  betreffs  unseres  Mass- 
stabes zu  finden,  so  weist  wolil  die  Technik  der 
Ausführung  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  darauf 
hin,  dass  er  der  römisciien  Zeit  angeiiürt. 

Die  Stätte  der  Ausgrabung  liegt  ausserhalb  der 
Umfassungsmauern  der  alten  Stadt  nach  Osten  hin, 
nicht  weit  von  dem  Ufer  des  Mare  piccolo. 

Der  Massstab  ist,  wie  schon  angedeutet,  aus 
zwei  Stäben  zusammengesetzt,  deren  jeder  die  Länge 
eines  halben  Fusses  hat  (s.  die  vorstehenden  Ab- 
bildungen). Der  Querdurchschnitt  der  Stäbe  sollte 
nacli  der  Absicht  des  Verfertigers  ein  Quadrat  bilden; 
doch  nähert  er  sich  an  den  beiden  äusseren  Enden 
mehr  einem  Rectangel.  Legt  man  den  Massstab  so 
hin,  dass  die  Axe  des  Scharniers  vertikal  steht,  so 
liegen  die  kürzeren  Seiten  des  Rectangel,  welche 
die  Endabschnitte  bilden  (Fig.  D,  ab,  cd,  Fig.  E, 
ep,  qf),  horizontal,  und  die  längeren  Seiten  dessel- 
ben Rectangel  (Fig.  D,  ae,  df),  fetehen  vertical. 
Erstere  sind  nahezu  3,5,  letztere  4mm.  lang.  Kach 
der  Mitte  hin  bis  zu  der  Stelle,  wo  die  beiden 
Hälften  durch  das  Scharnier  verbunden  sind,  nimmt 
die  Stärke  des  Stabes  etwas  zu '),  und  der  Durch- 
schnitt würde  dort  fast  genau  ein  Quadrat,  dessen 
Seite  5mm.  beträgt,  ergeben.  Das  Scharnier  ist 
sauber  gearbeitet  und  schliesst  noch  jetzt  vortreff- 
lich (s.  Fig.  B,  C,  D).  Es  ist  aus  fünf  Gliedern  ge- 
bildet, deren  zwei  der  Hälfte  haeghl  (Fig.  D),  drei 
der  Hälfte  cdfikm  angehören.  Bei  der  Ausgrabung 
war  der  Massstab  zusammengeklappt,  also  so,  wie 
ihn  einst  der  Besitzer  bei  sich  zu  tragen  pflegte, 
gefunden  worden  (Fig.  F).  Begreiflicher  Weise  war 
das  Scharnier  eingerostet  und  deshalb  unbeweglich; 
doch  ist  es  Herrn  Direktor  Treu  gelungen,  durch 
vorsichtige  und  über  einen  Monat  fortgesetzte  Be- 
handlung mit  Petroleum  die  Starrheit  zu  lösen,  so 
dass  der  Massstab  jetzt  wieder  wie  ursprünglich 
aufgeklappt  werden  kann  (Fig.  A).  In  derselben 
Weise  wurde  zuletzt  auch  der  Metallstreifen  wieder 
beweglich  gemacht,  welcher,  wie  aus  Fig.  B  er- 
sichtlich, auf  der  oberen  Seite  der  Hälfte  alige  an- 
gebracht ist  und  um  einen  vertikalen  Stift  sich  dreht. 
Dieser  Streifen  ist  5mm.  breit,  0,5mm.  dick,  uud 
zeigt,  von  oben  gesehen,  die  Form  eines  Trapezes, 
von  dem  die  eine  Langseite  62,  die  andere  63  mm. 
misst.     Zu   beachten   sind   die   Einschnitte   n  uud  o 

')  UieäC  Zunahme  ist  aus  Fig.  Eund  K  ersichtlich.  Im  übrigen 
bedarf  es  «ohl  kaum  einer  besonderen  Erwähnung,  dass  die  bei- 
gegebenen Abbildungen,  so  sorgfältig  sie  auch  ausgeführt  sind, 
nicht  auch  die  oben  erwähnten  kleinen  Incorrectheitcn ,  welche 
der  wirkliche  Massstab  zeigt,  darstellen  konnten. 


(Fig.  B),  welche,  wenn  der  Streifen  um  den  oben  er- 
wähnten Stift  herumbewegt  wird,  sich  einfügen  in 
die  mit  Kuppen  versehenen  Stifte  n'  und  o'  der 
anderen  Hälfte,  so  dass  dann  der  Massstab  in  seiner 
ganzen  Länge  festgehalten  wird  (Fig.  A). 

Bei  der  Nachmessung  des  Massstabes  unter- 
stützte mich  der  Vorsteher  des  physikalischen  Cabinets 
der  Kreuzschule  zu  Dresden,  Herr  Professor  Abend- 
roth. Die  ursprüngliche  Ausführung  des  Monumentes 
und  die  später  hinzugekommene  Rostkruste  ver- 
wehrten es,  die  Genauigkeit  der  Ausmessung  über 
den  halben  Millimeter  hinaus  auszudehnen.  Bei 
einer  Temperatur  von  22,3" C.  ergab  die  Hälfte  qfis 
(Fig.  E)  eine  Länge  von  148  mm.,  die  Hälfte  eprg 
eine  Länge  von  147,5 mm.  Der  ganze  Stab  misst 
demnach  295,5mm.,  und  stimmt  somit  möglichst  nahe 
mit  den  in  Pompeji  und  Herculanum  gefundenen 
Massstäben  überein  °).  Ich  unterliess  es  auch  nicht, 
den  auseinandergeklappten  Massstab  unter  der  Vor- 
aussetzung nachzumessen,  dass  er  in  dieser  Lage 
zwischen  seinen  beiden  Enden  genau  eine  Strecke 
bilde.  Diese  Messung  näherte  sich  mehr  dem  Be- 
trage von  295  mm.  als  dem  vorher  ermittelten  von 
295,5mm.  Ganz  natürlich,  denn  der  auseinander- 
gcklappte  Massstab  weicht  in  seinem  jetzigen  Zu- 
stande nach  zwei  Richtungen  hin  von  der  nor- 
malen Strecke  ein  wenig  ab,  so  dass  man  das  ge- 
nauere Mass  nur  auf  die  zuerst  bezeichnete  Weise, 
nämlich  durch  die  Einzelmessung  der  beiden  Hälften, 
ermitteln  kann. 

Zum  Schluss  ist  noch  auf  den  ganz  ähnlichen 
antiken  Massstab  hinzuweisen,  welchen  Francesco 
de'  Ficoroni  in  seinen  Vesligie  e  raritä  di  Roma 
anüca ,  Rom  1744,  p.  194  beschreibt').  Er  wurde 
kurz  vor  dem  Erscheinen  des  genannten  Werkes 
bei  einer  Ausgrabung  aufgefunden  und  von  Ficoroni 
dem  Papst  Benedict  XIV.  als  Geschenk  für  die 
"\'aticanisciie  Bibliothek  übergeben.  Die  beigefügte 
Abbildung  stellt  das  Monument  in  ähnlicher  Lage 
dar,  wie  der  Dresdener  Massstab  in  unserer  Figur  E 
abgebildet  ist.  Es  zeigt  sich  dasselbe  Scharnier*); 
desgleichen  finden  sich  auf  derjenigen  Hälfte,  welche 
in  der  Abbildung  zur  rechten  Hand  erscheint,  die 
beiden  mit  Kuppen  versehenen  Stifte,  und  zwar 
auch  bei   Ficoroni  ungefähr  au    denselben  Stellen 

'^  Griechische  und  riimi-che  Metrologie-  S.  90. 

•■')  Auf  diese  Publication  hat  Herr  Dr.  Max  Fränkel,  dem 
ich  hiermit  besten  Dank  erstatte,  mich  aufmcrlcsam  gemacht. 

*)  Ficoroni  beschreibt  den  Massstab  als  composlo  di  due 
pezzi  i-ongiunti  con  iloppio  perno  di  metallo  ^  che  la  i-hiudono  jjxt- 
litcunetitt. 


197 


Fr.  Hnltsch,  Ein  antiker  Massstali. 


198 


wie  beim  Dresdener  Massstab  (Fig.  A;  B,  «',  o';  E;  F). 
Aber  weder  iu  der  Abbildung  bei  Ficoroni  noch  in 
der  Beschreibung  (p.  194)  erscheint  der  bewegliclie, 
zur  Fixirung  des  gestreckten  Massstabes  dienende 
Jletallstrcifen,  den  wir  beim  Dresdener  Monument 
finden  (Fig.  B,  o,  «).  Ja,  Ficoroni  weiss  sich  die 
beiden  Stifte  mit  Kuppen  nicht  anders  zu  erklären, 
als  dass  sie  dazu  gedient  hätten,  den  Massstab  zu- 
gleich als  Zirkel  zu  benutzen^).  Es  ist  also  wohl 
anzunehmen,  dass  der  schliessende  Metallstreifen 
auch  dem  wirkliclien  Monumente  fehlt,  womit  nicht 
ausgeschlossen  ist,  dass  bei  einer  nochmaligen  Un- 
tersuchung desselben  die  Spuren  der  einstigen  Be- 
festigung jenes  Streifens  sich  finden  könnten. 

Weiter  ist  als  Abweichung  vom  Dresdener  Mass- 
stab, wenigstens  nach  Ficoronis  Beschreibung,  zu 
notircn,  dass  der  Querdurchschuitt  der  beiden 
Hälften  des  Massstabes  gleichmässig  quadratisch 
ist,  also  nicht  etwa  die  Stäbe  nach  den  Enden  zu 
sich  verjüngen. 

Uervorzuheben  ist  endlich  noch,  dass  auf  dem 
Vaticanischen  Jlassstabe  die  Eintheilung  des  Fusses 
in  1(!  (ligiii  durch  Punkte  deutlich  bezeichnet  ist. 

Leider  hat  Ficoroni  es  versäumt,  das  Mass  des 
Vaticanischen  Monumentes  zu  bestimmen.  Die  bei- 
gegebene Abbildung  stellt  zwei  Fusshälften  von 
je  145  mm.,  also  einen  ganzen  Fuss  von  290  mm. 
dar;  doch  ist  auf  die  Nachmessung  solcher  Abbil- 

')  In  un  lato  vi  si  vedono  rüerati  due  piccoli  cajii  di  me- 
lallo.  Onde  si  vede  che  gli  antichi  Architetti  se  »e  sono  serviti 
e  per  7nisura  e  per  conipasso,  come  potrebhe  servire  presentementej 
dopo  il  corso  di  tanti  secoli,  potendosi  chiudere  e  apnre  genli- 
lissimaiiicnte. 


düngen  bekanntlich  kein  Verlass,  da  das  Papier 
einst  beim  Druck  angefeuchtet,  mithin  ausgedehnt 
gewesen  ist.  Wohl  aber  dürfen  wir  der  Vermuthung 
Raum  geben,  dass  der  genaue  Betrag  des  Ficoroni'- 
schen  Massstabes  uns  durch  Barthelemy  bekannt 
gegeben  ist.  Dieser  berichtet  nämlich  am  Schlüsse 
seines  Memoire  siir  les  aiiciciis  monumcns  de  Rome 
in  den  Mcnwires  de  lUliiralnre  de  rAcadcmie  des 
inscriptions  u.  s.  w. ,  tome  28,  Paris  1761,  p.  GIO 
über  einen  in  der  Vaticanischen  Bibliothek  aufbe- 
wahrten, aus  Bronze  gefertigten  antiken  Fussmass- 
stab.  Derselbe  sei  wold  erhalten  und  auf  der  einen 
Seite  in  12  Zoll,  auf  der  andern  iu  16  Fingerbreiten 
gctbeilt.  Sein  Mass  habe  sich  gleich  dem  Capponi- 
schen  Fusse,  d.  i.  gleich  0,2946  m.,  ergeben  (vergl. 
Metrologie  '  S.  90).  Wenn  nun  auch  Barthelemy 
nichts  von  einer  besonderen  Form  desjenigen  Vati- 
canischen Massstabes,  den  er  in  Händen  hatte,  er- 
wähnt und  nicht  bloss  von  einer  Eintheilung  seines 
Jlassstabes  in  16  Fingerbreiten,  wie  Ficoroni,  son- 
dern auch  von  einer  solchen  in  12  Zoll  Kunde  giebt, 
so  liegt  weder  in  jenem  Stillschweigen  noch  in  die- 
sem Erwähnen  einer  zweiten  Eintheilung  ein  hin- 
reichender Grund  um  zu  behaupten,  der  Vaticanische 
Massstab  Barthelemy's  sei  verschieden  von  dem- 
jenigen, welchen  Ficoroni  wenige  Jahre  vorher  der 
Vaticanischen  Bibliothek  geschenkt  hatte.  Vielleicht 
geben  diese  Mittheilungen  Anlass  dazu,  dass  das 
Ficorini'sche  Monument  genauer  beschrieben  werde 
und  dadurch  zugleich  die  jetzt  noch  obwaltenden 
Zweifel  ihre  Erledigung  finden. 


Dresden,  im  Juli  1884. 


Fr.  HuLTScn. 


Archiioloj:.  Ztj^.   Jahryaug  XLII. 


u 


199 


K.  Wernickc,  Orestes  in  Delphi. 


200 


ORESTES  IN  DELrm. 


(Tafel  13.) 


Die  Sage,  dass  Orestes  nach  dem  Muttermorde 
im  delphischen  Heiligthum  vor  den  Erinyen  Schutz 
gesucht  habe,  dem  homerischen  Epos  und  den 
Kosten,  wie  es  scheint,  unbekannt,  ist  erst  von 
Stesicboros  in  seiner  Orestie  erzählt  worden.  Aber 
wie  dieser  auch  die  Sage  gestaltet  haben  mag  (wir 
wissen  nicht  viel  davon'),  eine  weit  nachhaltigere 
und  mächtigere  Wirkung  hat  die  Form  ausgeübt, 
in  welche  sie  Aeschylos  gebracht  hat.  Erst  nach 
Aeschylos  und  von  ihm  abhängig  sehen  wir  sie  in 
die  bildliche  Tradition  übergehen  und  sich  den  an- 
deren Typen  des  troischen  Sagenkreises  anreihen. 
Orestes  in  Delphi  ist  weder  von  der  schwarzfiguri- 
gen  noch  von  der  strengen  rothfigurigen  Vasen- 
malerei dargestellt  worden.  Und  kaum  begegnen 
wir  am  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  dieser  Scene 
auf  den  Vasenbildern,  so  verrathen  Handlung  wie 
Costüm  die  Abhängigkeit  von  der  Bühne.  Es  sind 
dabei  im  wesentlichen  drei  Momente,  welche  die 
Vasenmalerei  darstellt. 

Die  Verfolgung  des  Muttermörders  durch  die 
Erinyen  ohne  besonderen  Bezug  auf  seine  Flucht 
nach  Delphi  finden  wir  auf  einer  grossen  Pracbt- 
amphora  aus  der  Basilicata,  jetzt  in  Neapel"): 
Orestes  stürmt  nach  r.,  umblickend  und  sich  mit 
blossem  Schwert  gegen  eine  von  1.  auf  ihn  mit 
Schlangen  eindringende  Erinys  wehrend.  Aber 
auch  vor  ihm  ist  der  Weg  nicht  frei,  eine  zweite 
Erinys  tritt  ihm  entgegen  und  hält  ihm  einen  Spie- 
gel vor,  in  dem  man  das  Antlitz  der  Klytaemnestra 
erblickt^).     Dieselbe  Scene,    freilich    ganz   anders, 

')  Nur  dass  Orestes  von  Ajiollo  den  Bogen  empfing,  mit 
dem  er  sich  gegen  die  Erinyen  vertheidigte;  vgl.  Schol.  Eurip. 
Or.  268  (fr.  40  Bergk):  ^Trim/ooM  knofifvoi;  (EvQiniiSris)  rof« 
ifrjaii'  uviöv  (jbv'Onfmrjv)  fi).i](fhc(i  7i«(tit'Aji6llc>vos.  Aber 
gerade  den  Bogen  finden  wir  nie  und  nirgends  in  den  Händen 
des  Orestes. 

2)  rieydcmann  No.  1984.  Abgebildet  Kaoul  -  Rochette  M.  I. 
p/.  36— 37.  Overbeck  Her.  Gall.  Tf.  XXIX.  2,  die  Rückseite 
auf  derselben  Tafel  No.  11. 

<•)  Mit  Unrecht  zweifelt  Overbeck  an  dieser  Deutung;  es 
lässt  sich  gar  keine  andere  Erklärung  für  die  Spiegelvision  den- 


sehen  wir  auch  auf  einem  unteritalischeu  Krater 
der  Coghil'schen  Sammlung*),  dessen  Deutung  auf 
Orestes  Stephaui  (Compte  Rendu  1863  p.  254)  nicht 
hätte  abweisen  sollen.  Orestes,  mit  flatternder 
Chlamys  und  Stiefeln  bekleidet,  eilt  nach  1.,  blickt 
sich  um  und  zückt  das  Schwert  auf  die  ihn  im 
Sturmschritt  verfolgende  Erinys  mit  grossen  Schul- 
terflügeln, die  ihn  mit  der  Kechten  zu  packen  sucht, 
während  sie  in  der  Linken  Schlangen  schüttelt.  Sie 
trägt  die  Stiefel  und  den  kurzen  gegürteten,  ärmel- 
losen, mit  Kreuzbändern  verseheneu  Chiton  des 
Theatercostüms. 

Am  zahlreichsten  ist  aber  die  Keihe  der  Vasen, 
welche  Orest  darstellen,  wie  er  in  das  delphische 
Heiligthum  geflüchtet  ist,  und  Schutz  suchend  auf 
dem  Altar  oder  auf  dem  Omphalos  selber  kniet. 
Meistens  ist  das  delphische  Lokal,  wo  nicht  schon 
durch  den  Omphalos,  durch  Apollos  Anwesenheit 
angedeutet,  aber  selbst  in  den  Fällen,  wo  beide 
fehlen,  und  nur  der  Altar  da  ist  (es  sind  deren, 
wie  wir  gleich  sehen  werden,  nur  zwei),  genügt  der 
Typus  der  Darstellung,  um  den  nach  Delphi  ge- 
flüchteten Orestes  mit  Sicherheit  zu  erkennen.  Und 
wie  sollte  auch  der  Vasenmaler  darauf  kommen, 
ihn  an  einen  beliebigen  anderen  Altar  flüchten  zu 
lassen,  da  als  berühmtestes  Beispiel  die  Flucht  zu 
dem  delphischen  Gotte  in  zahlreichen  Wiederholun- 
gen ihm  vor  Augen  stand?     Wenden   wir  uns  nun 

ken.  Die  Rückseite  der  Vase  hat  mancherlei  Deutungen  er- 
fahren. Nach  Botticher  empfängt  Orestes  hier  von  Aiiollo  Auf- 
trag und  Schwert  zum  Muttermord;  nach  R.  Rochette  und  Over- 
beck wird  die  Mordwaffe  von  Apollo  eiitoühut;  weitaus  am 
passendsten  aber  scheint  mir  die  Interpretation  zu  sein,  die,  zu- 
erst von  Jahn  angedeutet,  von  Stephani  und  Heydemann  aufge- 
nommen ist:  Orestes  weiht  nach  der  Rückkehr  von  den  Tauriern 
die  verhiingnissvolle  Waffe  dem  Apollo.  So  wird  nicht  nur  zwi- 
schen beiden  Seiten  der  Vase  ein  schöner  Zusammenhang  (Be- 
ginn der  Irrfahrt  und  endliche  Versöhnung)  hergestellt,  durch 
die  Deutung  auf  Iphigeneia  erhält  auch  die  weibliche  Figur  der 
Scene  ihre  Berechtigung,  während  die  Elektra  der  beiden  an- 
deren Interpretationen  doch  immer  etwas  gezwungenes  hat. 

*)  Millingen,  Vases  Coghil  pl.  23,  1.  Overbeck  Her.  Gall. 
Taf.  XXIX.  ;i. 


201 


K.  WtTiiicke,  Orestes  in  Delphi. 


202 


zunäclist  zu  deu  Darstellungeu,  in  denen  Orestes 
zum  Omplialos  flieht,  so  sehen  wir  ihn  auf  einem 
Ebyton  der  ersten  Hamilton'schen  Sammlung'),  von 
1.  her  zu  demselben  herangeeilt,  mit  dem  1.  Knie 
auf  ihm  knieen.  Er  wendet  sich  um  und  hat  in 
der  Rechten  das  Schwert,  in  der  Linken  die  Scheide, 
aus  der  er  es  soeben  gezogen  bat.  Von  beiden 
Seiten  stürmen  auf  ihn  zu  zwei  Erinyen  mit  Schlan- 
gen im  Haar,  die  ihn  mit  Fackeln  angreifen.  Apollo 
ist  hier  nicht  anwesend,  ebensowenig  wie  auf  einem 
Glockenkrater  der  Petersburger  Ermitage '),  der  frü- 
her der  Campana'sclien  Sammlung  angehörte,  und 
der  direkt  den  Anfang  der  Eumeniden  illustrirt. 
Wir  sehen  ein  von  vier  ionischen  Säulen  getragenes 
Tempelhaus,  in  dessen  Innerem  der  Omphalos  auf 
einer  Basis  steht.  Auf  der  letzteren  sitzt  Orestes 
in  der  typischen  Weise,  das  Schwert  in  der  Rech- 
ten, die  Scheide  in  der  Linken,  und  schlingt  den 
linken  Arm  um  den  Omphalos.  Vor  dem  Tempel 
schlafen  am  Boden  fünf  hässlich  gebildete  Erinyen; 
rechts  aber  entflieht  mit  Angstgeberden  die  ver- 
schleierte Pythia,  die  im  linken  Arm  den  Tempel- 
schlüssel trägt,  von  welchem  die  typische  Wollen- 
binde herabhängt. 

Es  folgt  nun  eine  Reihe  von  Vasen,  die  ausser 
durch  deu  Omphalos  auch  durch  die  Anwesenheit 
des  Apollo  die  Lokalität  genauer  charakterisiren. 
Apollo  ist  hier  zwar  als  der  rettende,  den  Erinyen 
wehrende  Gott  aufgefasst,  aber  von  einer  eigent- 
lichen Entsühnung,  wie  wir  derselben  später  be- 
gegnen werden,  ist  hier  noch  nicht  die  Rede.  In 
dieser  Klasse  ist  zuerst  zu  erwähnen  die  Copen- 
hagener  Vase').  Orestes  sitzt  mit  verstörtem  Ge- 
sicht auf  den  Stufen  einer  Basis,  die  den  Omphalos 
und  dahinter  den  Dreifuss  trägt.  Mit  der  Rechten 
zückt  er  über  dem  Kopf  das  Schwert,  dessen  Scheide 
ihm  von  der  1.  Schulter  herabhängt;  links  hinter 
ihm   der  Lorbeerbaum.     R.  von  ihm  steht  Apollo, 

')  Abgebildet  bei  d'Hancirville  II  30. 

^)  Stephani  No.  349.  Compte  Rendu  1863  p.  262;  Tf.  VI,  5. 
Ein  Krater  in  Wien  (Arcli.  Ztg.  1877  Tf.  4)  stellt  Orest  am 
Omphalos,  von  der  Erinys  mit  Hunden  gehetzt,  d.ir;  auf  der 
Küclcüeite  die  fliehende  Pythia. 

')  Abgebildet  bei  Thorlaclus  Vas  jiictum  italo - graecum, 
Copenhagen   1826.  Müller-Wieseler  II  13,148. 


die  Rechte  schützend  gegen  ihn  erhoben,  im  1.  Arm 
einen  Lorbeerstab.  Von  1.  unten  droht  eine  in 
halber  Figur  aus  dem  Boden  emporsteigende  Erinys 
dem  Mörder  mit  Schlangen,  während  eine  zweite 
im  oberen  Plan  gegen  ihn  eine  Fackel  schwingt. 
Ein  zweites  Beispiel  ist  ein  Krater  im  Stil  des 
Assteas,  der  früher  dem  Grafen  Paroi  in  Paris  ge- 
hörte und  sich  dann  in  Hope'schem  Besitz  befand. 
Ueber  seinen  weiteren  Verbleib  weiss  ich  nichts  an- 
zugeben'). Orestes  kniet  auf  dem  Omphalos,  hin- 
ter dem  sich  der  mächtige  Dreifuss  erhebt,  und 
blickt  nach  rechts  zurück;  er  ist  bekleidet  mit 
Clilamys  und  Stiefeln,  hält  in  der  Rechten  zwei 
Speere  und  in  der  Linken  das  entblösste  Schwert. 
Ueber  dem  Dreifuss  ist  in  halber  Figur  sichtbar 
eine  Erinys  (Schlaugen  im  Haar,  Aermelchiton  mit 
Kreuzbändern),  ihn  mit  einer  Schlange  bedrohend. 
Rechts  steht  Athena  mit  Aegis,  Helm')  und  Lanze, 
mit  dem  r.  Fuss  hoch  auftretend,  in  ruhiger  Haltung. 
Links  steht  nach  r.  gewandt  Apollo,  der  sich  nach 
einer  schon  im  Entweichen  begriffenen  geflügelten 
Erinys  umsieht.  Ueber  ihm  ist  die  Sonne  durch  ein 
Strahlenrund  angedeutet,  während  man  1.  oben  die 
Büste  des  Pylades,  r.  die  der  Klytaemnestra  erblickt'"). 
In  etwas  anderer  Weise  sehen  wir  dieselbe  Scene  auf 
drei  apulischen  Vasenbildern  dargestellt,  von  denen 
sich  das  eine  auf  einer  in  Ruvo  gefundenen  Pracht- 
amphora befindet").  Der  Tempel  ist  hier  durch 
drei  symmetrisch  vertheilte  Säuleu  angedeutet,  in 
der  Mitte  steht  der  Lorbeerbaum  und  der  Omphalos, 
zu  dem  Orestes  in  der  gewöhnlichen  Weise  von  I. 
her  geflüchtet  ist.    Hinter  der  1.  Säule  hervor  schaut 

*)  Abbildung  bei  Milliu  Monuments  In€dils  I  pl.  29,  auch 
bei  Overbeck  XXIX.  9. 

ä)  Neben  dem  Helmbusch  ist  jederseits  eine  Feder  auf  den 
Helm  gesteckt,  wie  wir  dies  z.  B.  auch  bei  dem  Herakles  der 
Assteas- Vase  Wiener  Vorlegebl.  Mon.  delV  Inst.  VIII  10  sehen, 
wo  die  Federn  sogar  neben  einem  dreifachen  Helmbusch  er- 
scheinen. 

'")  Die  Overbecksche  Interpretation  (Apollo  —  augenblick- 
liche Rettung,  Erinysbüste  —  augenblickliche  Verfolgung,  Erinys 
—  Anklage,  Athena  —  Freisprechung,  Pylades  —  Wunsch  nach 
Freisprechung,  Klytaemnestra  —  Wunsch  nach  Verurtheilung), 
so  fein  sie  an  sich  ist,  scheint  mir  für  solchen  Vasenmaler  zu 
künstlich. 

")  Jetzt  in  Neapel,  Heydemann  No.  3249.  Abgebildet  bei 
Otto  Jahn,  Vasenbilder  Taf.  I. 

14* 


20c 


K.  Wernieke,  Orestes  in  Delphi. 


20-4 


in  halber  Figur  eine  ganz  selnvarz  gemalte  Erinys, 
die  ihm  mit  einer  Schlange  droht.  Ihr  tritt  von  der 
Mittelsäule  her  Apollo  entgegen,  während  die  greise 
Pythia,  beide  Hände  entsetzt  erhebend,  von  ihrem 
Dreifuss  nach  1.  entflieht.  Rechts  steht  Artemis  im 
Jagdeostiim  als  Zuschauerin,  mit  der  Geberde  des 
anoa-KonevEiv,  zu  ihren  Füssen  zwei  Hunde.  Die 
Elemente  dei-selben  Darstellung  finden  sich  auch 
auf  dem  Bilde  am  Halse  einer  grossen  apulischen 
Amphora  mit  Volutenhenkeln  und  Schwanenhals  in 
Berlin'^):  auch  hier  kniet  Orestes  von  1.  auf  dem 
Omphalos  in  der  typischen  Stellung,  Apollo  sitzt  1. 
davon  auf  dem  Dreifuss  und  weist  die  geflügelte, 
mit  Schwert  und  Fackel  andringende  Erinys  zu- 
rück. Auf  der  r.  Seite  eilen  mit  Geberden  des  Ent- 
setzens zwei  weibliche  Figuren  hinweg,  von  denen 
wir  in  der  anscheinend  richtig  mit  Schleier  ergänz- 
ten die  Pythia'''),  in  der  mit  der  Patera  auf  der 
Hand  eine  Opferdienerin  zu  erkennen  haben.  End- 
lich ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sich  dieselbe 
Darstellung,  auf  drei  Figuren  abgekürzt,  auf  einer 
ruveser  Amphora  der  Sammlung  Jatta  findet'*). 
Orest,  von  Erinyen  verfolgt,  hält  den  Omphalos 
umklammert,  während  ihn  Apollo'^),  gekennzeichnet 
durch  Bogen  und  Lorbeerstab,  zu  schützen  sucht. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  Vasenbildern,  auf 
denen  statt  des  Omphalos  ein  einfacher  Altar  ein- 
gesetzt ist.  Ich  habe  die  anderen  mit  Absicht  vor- 
ausgenommen, um  erst  den  Typus  festzustellen  und 
zu  zeigen,  wie  durchaus  an  keine  andere  Lokalität 
als  Delphi  gedacht  werden  kann.  Denu  wenn  auch 
auf  einer  Vase  der  zweiten  Hamilton'schen  Samm- 
lung")  und    auf  dem  Halsbilde    einer   apulischen 

'-)  Furtwängler  No.  3256.  Aus  Ceglio,  mit  der  Koller- 
schen  Sammlung  nach  Berlin  gekommen.  Abgebildet  bei  R.  Rö- 
chelte pl.  35  und  bei  Overbeck  a.  a.  O.  Tf.  XXIX.  4. 

")  So  wohl  mit  Recht  Overbeck  a.  a.  0.  p.  711  Anm.  17. 
R.  Röchelte  und  Gerhard  Berl.  anl.  Bildvv.  p.  287  wollten  die 
Verschleierte  Klytaemnestra,  die  andere  Pythia  benennen;  aber 
Klytaemnestra  gehörte  auf  die  Seite  der  Krinys,  nicht  auf  die 
der  Pythia,  und  sie  würde  nicht  vor  Orestes'  Anblick  ent- 
weichen. 

'^)  BuUetlino  deW  Inst.  183ü  p.  117  von  Schultz  summarisch 
und  ungenau  beschrieben. 

■■>)  Die  Stephani'sche  Umdeutung  des  Schultz'schen  Pylades 
trifft  hier  gewiss  das  Richtige. 

"■')  Tischbein  III  32.  Böttiger,  l'urienmaske  Tf.  3.  Over- 
beck a.  a.  0.  Tf.  XXXI.  10. 


Amphora  der  Sammlung  Jatta '')  Apollo  fehlt,  so  ist 
doch  der  Typus  des  Orestes,  wie  er  mit  einem  Knie 
auf  den  Altar  hingesunken  ist  und  mit  der  Rechten 
das  Schwert  aus  der  Scheide,  die  er  noch  in  der 
Linken  festhält,  herausgerissen  hat,  so  augenfällig 
derselbe  wie  auf  den  vorher  besprocheneu  Bildern, 
dass  schon  dies  zur  Identification  der  ganzen  Scene 
genügen  würde.  Und  nun  gar  die  entsetzt  vom 
Altar  wegfliehende  Priesterin  mit  dem  Tempel- 
schlüssel in  der  Hand,  wie  sie  auf  der  Jatta'schen 
Vase  gemalt  ist,  kann  niemand  anders  als  die  Py- 
thia selbst  sein. 

Ganz  unzweifelhaft  ist  aber  der  Ort  der  Hand- 
lung Delphi  auf  vier  anderen  Vasen  dieser  Klasse, 
von  denen  die  erste,  eine  in  Berlin  befindliche 
Hydria'*)  auf  Taf  13,  auf  fast  '/,  verkleinert, 
nach  einer  Zeichnung  von  van  Geldern  abge- 
bildet ist.  Die  Vase  ist  bedeutend  älter  als  die 
meisten  vorher  betrachteten;  sie  gehört  noch  dem 
sogenannten  schönen  Stil  au  und  wird  der  Zeit 
nach  in  das  Ende  des  fünften  oder  den  Anfaug  des 
vierten  Jahrhunderts  zu  setzen  sein.  Die  Compo- 
sition  ist  symmetrisch,  aber  die  Zeichnung  wenig 
sorgfältig.  Die  Mitte  nimmt  ein  niedriger,  aus  un- 
behauenen Steinen  gebildeter  Altar  ein,  auf  wel- 
chen Orestes  von  rechts  her  mit  dem  r.  Knie  nie- 
dergesunken ist.  Seine  Haare,  in  denen  er  einen 
Blattkranz  trägt,  sind  wirr,  und  aus  seinen  Zügen 
spricht  der  Wahnsinn,  eine  Wirkung,  welche  durch 
die  Stellung  des  Gesichtes  en  face  in  vorzüglicher 
Weise  erreicht  ist.  Mit  der  Rechten  streckt  er  das 
gezückte  Schwert  weit  von  sich ;  mit  starrem  Blick 
schaut  er  ins  Leere  und  schwingt  die  Wafl'e  wie 
gegen  eineu  unsichtbaren  Feind.  Dennoch  streckt 
er  den  mit  der  Chlamys  umwickelten  r.  Arm  ab- 
wehrend nach  der  r.  Seite  der  Darstellung  aus,  von 
wo  die  grausen  Verfolgerinnen  herannahen.  Zwei 
Erinyen  sind  es,  beide  ungefähr  in  gleicher  Haltung, 
das  r.  Bein  vorsetzend  und  mit  der  Rechten  dem 
Frevler  eine  Schlange  entgegenschiittelnd.  Auch  in 
den  gesenkten  1.  Händen  halten  sie  eine  Schlange; 

1')  R.  Röchelte  pl.  7G,  8.    Overbeck  Tf.  XXIX.  5. 

'*)  Hoch  35,5  Cm.  Furtwängler  No.  2380,  aus  der  Castel- 
lani'schen  Sammlung  stammend,  vgl.  den  Castellani'schcn  Katalog, 
Paris  1866,  No.  74.   Das  Gefäss  ist  ausserordentlich  wohl  erhalten. 


205 


K.  Weniicke,  Orestes  in  Dclplii. 


206 


um  das  Haar  haben  sie  eine  Schlange  als  Binde 
geschlungen,  die  den  Kopf  hoch  über  der  Stirn 
eni))orreckt,  und  deren  Schwanz  aiu  Hinterhaupt  der 
Eriuys  in  eine  Schleife  gebunden  ist,  von  wo  er  steif 
herabhängt.  Das  Haar  selbst  flattert  vom  eiligen  Lauf 
der  Verfolgung  nach  rückwärts.  Ikkleidet  ist  die 
vordere  mit  kurzem  Aernielchiton,  darüber  hat  sie 
ein  merkwürdiges  faltenloses  Kleidungsstück,  das 
durch  breite,  mit  verdünntem  Firniss  gestreifte 
Kreuzbänder  und  einen  Gurt  befestigt  ist,  und  von 
welchem  zackige  Streifen  herabhängen  (Lederpan- 
zer'?); die  zweite  trägt  einen  einfachen  ärmellosen 
Chiton  mit  Ueberschlag.  Links  von  Orestes  steht, 
von  vorn  gesehen,  Apollo,  bekleidet  mit  einem 
Himation,  das  die  r.  Schulter  freilässt;  er  hat  einen 
Blattkranz  im  Haar;  seine  geringelten  Locken  fallen 
auf  beide  Sclmltern  herab.  Er  hält  in  der  Rechten 
einen  Lorbeerstab  und  wendet  den  Kopf  zu  Orestes 
um.  Links  von  ihm  sitzt  Artemis  nach  r.  auf  einem 
Felsen;  sie  trägt  einen  Aernielchiton  und  um  den 
Unterkörper  geschlungen  ein  Himation,  im  Haar 
eine  Stephane  mit  aufrecht  stehenden  Blättern.  Sie 
erhebt  beide  Hände  erstaunt,  in  der  Linken  hält  sie 
den  Bogen.  Das  Bild  ist  oben  durch  einen  Strei- 
fen von  Epheublättcrn,  unten  durch  einen  Mäander- 
streifen abgeschlossen.  Die  Figuren  sind  bis  unter 
die  Henkel  fortgeführt,  die  auf  einer  Seite  über  die 
Figur  der  zweiten  Erinys,  auf  der  anderen  über  die 
der  Artemis  übergreifen. 

Das  Motiv  des  en  face  dargestellten  Orestes 
findet  sich  wieder  auf  einer  angeblich  aus  Keapel 
stammenden  grossen  Amphora  des  Vatican'");  er 
kniet  wieder  in  der  gewöhnlichen  Stellung  auf  dem 
Altar  und  wendet  das  Antlitz  dem  Beschauer  zu. 
Rechts  von  ihm  stellt  Apollo,  ruhig  auf  einen  Pfeiler 
gelehnt  und  den  Lorbeerstab  im  Arm.  Ihm  ent- 
spricht 1.  Athena,  etwas  höher  stehend,  behelmt,  die 
Rechte  auf  einen  Speer  stützend;  sie  erhebt  schützend 
gegen  Orestes  den  1.  Arm,  über  dem  die  Aegis 
hängt  ^'').     Ueber  Apollo    dringt  auf  zweitem  Plan 

I')  Ai-ch.  Ztg.  1S60  Tf.  137,  4.  R.  Röchelte  pl.  3S.  Over- 
beck  Tf.  XXIX.  8. 

-")  Die  Monumente,  auf  denen  die  Aegis  so  getragen  wird, 
hat  R.  Kochette  .1/.  /.  p.  191  not.  1  zusammengestellt.  Hinzu- 
fügen   liesse    sich   z.B.   noch    die  Kyknos-IIydria    des  Museum 


nach  1.  eine  Erinys  (als  Jägerin  gekleidet)  mit  ge- 
fälltem Speer  gegen  Orestes  vor;  über  dem  letzteren 
sitzt  nach  I.  eine  geflügelte  weibliche  Figur  mit  ge- 
gürtetem Chiton  und  Stiefeln,  das  Himation  um  die 
Beine  geschlungen,  im  Haar  Lorbeerkranz  und 
Binde ;  in  der  ausgestreckten  Linken  hält  sie  einen 
kurzen  Stab  (?).  Eine  befriedigende  Deutung  dieser 
Figur  zu  geben  ist  schwer;  man  würde  zunächst 
eine  zweite  Erinys  erwarten:  der  Stab  könnte  ur- 
sprünglich eine  Sciilauge  gewesen  sein,  und  der 
Lorbeerkranz  ein  Fehler  des  Zeichners  oder  des 
Ergänzers  sein;  aber  das  lässt  sich  nur  vor  dem 
Original  entscheiden^'). 

An  dieser  Stelle  lassen  sich  noch  zwei  Vasen 
der  ehemaligen  Campana'schen  Sammlung  einrei- 
hen, von  denen  sich  die  eine  in  der  Petersburger 
Ermitage'-)  befindet,  die  andere,  da  sie  in  Peters- 
burg nicht  vorhanden,  wahrscheinlich  nach  Paris 
gekommen  ist").  Die  letztere,  eine  Amphora  a  co- 
lonnette,  zeigt  Orest  in  der  üblichen  Stellung  auf 
dem  Altar,  der  hier  wie  auf  der  Berliner  Hydria 
aus  sechs  grossen  Steinen  besteht.  Apollo  ver- 
scheucht eine  geflügelte  Erinys,  während  Athena 
schützend  anwesend  ist.  Die  Petersburger  Vase 
ist  eine  Amphora  mit  Volutenhenkeln  und  zeigt  am 
Halse  folgende  Darstellung:  In  der  Mitte  kniet  Orestes 
auf  dem  Altar,  der  hier  mit  zwei  aufrecht  stehen- 
den Seitenwänden  versehen  ist;  von  1.  naht  eine 
Erinys  mit  Fackel  und  Schlange,  hinter  der  eine 
zweite  in  halber  Figur  aus  dem  Boden  aufsteigt. 
Von  1.  tritt  zum  Altar  Apollon,  der  sich  umsieht 
und  mit  der  1.  Hand  eine  abwehrende  Bewegung 
macht.  Dieselbe  gilt  der  folgenden  als  Jägerin 
charakterisirten  Erinys "') ;  auf  diese  folgt  eine  nach 

Gregori.inura  (II  10.  1,  vgl.  Bull.  deW  Inst.  1S39  p.  II),  wo  die 
Stellung  des  Arms  und  der  Aegis  ganz  ähnlich  ist. 

-')  Man  hat  auf  Nike,  Themis  (dann  soll  der  Stab  natür- 
lich ein  Brabeutenstab  sein!),  Dike,  auch  Nemesis  gerathen. 
Aber  keine  dieser  Deutungen  ist  schlagend  oder  auch  nur  so 
einleuchtend,  dass  man  sie  den  anderen  vorziehen  kiJnnte. 

--)  Stephani  No.  523.  Abgebildet  BuUetino  Napolelano  II  7 
(Minervini). 

'")  Katalog  des  Museo   Campana  Ser.  IV.  No.  16. 

-*)  Eine  Erinys  ist  gewiss  trotz  des  Scepters,  das  wohl  durch 
Uebermalung  aus  einer  Fackel  entstanden  ist,  gemeint.  Der 
Restaurator  hat  die  Figur  offenbar  wegen  des  Jagdkostüms  und 
vielleicht  auch  wegen  der  Stellung,  welche  auff;dlend  an  die  der 


207 


K.  Wernicko,  Orestes  in  Deli^bi. 


208 


1.  auf  angedeutetem  Terrain  sitzende  Erinys,  die  in 
jeder  Hand  eine  brennende  Fackel  hält. 

Um  nun  noch  kurz  den  dritten  auf  Vasenbildern 
dargestellten  Moment  der  Sage  zu  erwähnen,  seien 
die  vier  Monumente,  um  die  es  sich  dabei  handelt, 
hier  mit  wenig  Worten  angefügt.  Die  Sühnung  der 
Blutschuld  durch  Apollo  ist  auf  folgenden  Vasen 
dargestellt: 

1.  Vase  des  Britischen  Museums  no.  102"^). 
Apollo  schneidet  mit  einer  Scheere  eine  Locke  von 
dem  Haupte  des  am  Omphalos  knieenden  Orestes. 

2.  Apulischer  Krater  der  Petersburger  Ermitage 
no.  1734").  Apollo  entsühnt  den  auf  dem  Altar 
knieenden  Muttermörder  mit  Lorbeerzweig  und  Pa- 
tera.  Die  Verfolgerin,  eine  geflügelte  Erinys,  hemmt 
erstaunt  den  Schritt;  nach  1.  entflieht  die  greise 
Pythia. 

3.  Oxybaphon  desBaronLotzbeck,  ausArmento"). 
Orestes  sitzt  am  Omphalos,  Apollo  .entsühnt  ihn  durch 
ein  Ferkel,  das  er  über  seinem  Haupte  hält.  Rechts 
als  Zuschauerin  Artemis,  links  eine  Gruppe  von 
zwei  schlafenden  Erinyen,  die  durch  Klytaemnestra, 
welche  auf  Orestes  hindeutet,  erweckt  werden  —  auch 
hier  also  direkte  Reminiscenz  an  Aeschylos.  Schliess- 
lich, mit  halber  Figur  aus  dem  Boden  aufsteigend, 
eine  zuschauende  Erinys.  Ob  endlich  ein  Vasen- 
bild der  zweiten  Hamiltou'schen  Sammlung")  auf 
Orestes  bezogen  werden  kann,  ist  mir  mehr  als 
zweifelhaft. 

Artemis  von  Versailles  erinnert,  für  Artemis  gehalten.  Aber  es 
fehlt  jedes  charakteristische  Attribut,  und  ferner  wäre  dann  auch 
die  sitzende  Erinys  auf  dieser  Seite  merkwürdig.  So  gut  Orestes 
und  Apollo  zwischen  vier  Erinyen  sich  machen,  so  merkwürdig 
wäre  es,  wenn  der  Kunstler  auf  die  eine  Seite  des  Altars  zwei 
Erinyen,  auf  die  andere  Aiiollo  und  Artemis  und  —  eine  dritte 
Erinys  gesetzt  hätte. 

■'')  Abgebildet  Annali  delV  Inst.  XIX  tav.  d'agg.  X.  Over- 
beck  a.  a.  O.  Tf.  XXIX.  12.    Arch.  Ztg.   1860  Tf.  137,  3. 

^^)  Früher  der  Pizzati'scheu  Sammlung  angehörig;  abge- 
bildet Stephani   Compte  Rendu  1863  p.  213. 

^0  Abgebildet  Man.  deW  Inst.  IV  tav.  48,  cf.  Annali  XIX 
p.  418sqq.   (de  Witte);  Arch.  Ztg.   1S60  Tf.  138,2. 

'-'*)  Tischbein,   Vases  d'IIamihon  II  10. 


Wir  sind  am  Schluss;  dass  eine  historische  Auf- 
einanderfolge von  Typen  bei  diesen  Vasenbildern, 
die  alle  dem  vierten  Jahrhundert  angehören,  nicht 
stattfindet,  haben  wir  gesehen.  Nur  so  viel  lässt 
sich  wohl  sagen,  dass  die  Entsübnungsseene  doch 
gewiss  aus  der  Darstellung  des  geflüchteten  Orest 
am  Omphalos  resp.  Altar  entwickelt  ist.  Im  ganzen 
haben  wir  nur  eine  typische  Scene  gefunden,  deren 
Nebenfiguren,  wie  Atheua,  Artemis,  die  Pythia,  be- 
liebig hinzugesetzt  oder  fortgelassen  werden.  Das 
Motiv  des  mit  einem  Knie  auf  den  Altar  hinge- 
sunkenen Orestes  kehrt  auch  auf  etruskischen  Aschen- 
kisten wieder"),  die  aber  immer  die  Gestalt  des 
Pylades  in  die  Scene  einfügen.  ^'') 

Berlin.  Konrad  Wernicke. 


25)  Brunn,  Urne  Etrusche  Tf.  81  ff.  Zoega  Bassirilievil  38. 
Govi  Museum  elruscum  II  151.  Inghirami  Monumenti  etruschi  I 
tav.  25  und  59.  VI.  tav.  A2.  ühden,  über  die  Todtenkisten 
der  alten  Etrusker  I  p.  19  ff.  Das  Terracottarelief  Campana, 
Opere  in  plastica  Tf.  73  (Orest  auf  dem  Omphalos  knieend)  zeigt 
so  viele  Seltsamkeiten ,  dass  man  versucht  ist ,  es  für  unecht  zu 
halten;  jedenfalls  wird  vor  einer  erneuten  Untersuchung  des 
Originals  Vorsicht   am  Platze  sein. 

^°)  Als  ich  von  der  Eedaction  dieser  Zeitung  die  Aufforderung 
erhielt,  zu  der  vorliegenden  Tafel  den  Text  zu  schreiben,  war 
sowohl  von  der  Redaction  als  von  mir  übersehen,  dass  die  Vase 
bereits  von  Heydemann  Arch.  Ztg.  1867  Tf.  222  publicirt  und 
S.  49  kurz  besprochen  war,  ein  Versehen,  das  bei  dem  bisherigen 
registerlosen  Zustande  der  'Denkmäler  und  Forschungen'  nur  zu 
leicht  möglich  ist.  Erst  während  der  Drucklegung  kam  der 
Aufsatz  zu  meiner  Kenntniss,  so  dass  ich  in  der  vorliegenden 
Arbeit  nicht  näher  auf  ihn  eingehen  konnte.  Wer  aber  die 
Abbildungen  vergleicht,  wird  leicht  sehen,  dass  die  unsere  nicht 
überflüssig  war;  denn  es  kommt  in  der  früheren  Publikation 
bei  der  Art  ihrer  Anordnung  nicht  allein  die  Gruppirung  der 
Figuren  nicht  zur  Anschauung,  sondern  es  finden  sieh  auch 
manche  Ungenauigkeiten  der  Zeichnung.  Was  den  Text  be- 
trifft, so  hat  Heydemann  zwar  eine  Aufzählung  aller  ihm  bekannten 
Darstellungen  des  Orestes  in  Delphi  gegeben,  aber  ohne  den 
Versuch  einer  Classificirung  zu  machen,  und  er  hat  sich  auf 
die  unglückliche  Bötticher'sche  Idee  der  drei  delphischen 
Theorien  des  Orestes  eingelassen,  von  denen  die  sogenannte 
erste  auf  Vasenbildern  nicht  vorkommt;  denn  die  li'riederichs'sche 
Deutung  zu  Arch.  Ztg.  1353  Tf.  59  (Praxiteles  und  die  Niobe- 
gruppe  S.  112f.)  ist  völlig  aus  der  Luft   gegriffen. 


209 


210 


MISCELLEN. 


INSCHRIFT  EINER  VASE  AUS  DER  KRIM. 

ii  des  angeblichen  Nachtrages  im  Wege  gewesen 
wäre?  Es  scheint  doch  vielmehr,  als  sei  das 
nPÜTIQNOI  die  Hauptsache,  und  bedeute  ein- 
fach den  Besitzer  des  Gefässes. 

Aber  hören  wir  Stephani  weiter:  'Hiernach 
müsste  man  in  OAKH^  den  unrichtig  gebildeten 
Genetiv  von  Wä-/ag,  Oaxtag  oder  (Päxog  suchen, 
was  insofern  wenig  auifallen  könnte,  als  sich  die 
Inschrift  überhaupt  durcli  ungewöhnliche  Namen- 
bildung auszeichnet.  Denn  nur  die  Namen  Kgiiov 
und  riQiuTiwv  sind  allbeisannt.  Hingegen  sind  die 
Namen   TQtoyalUov ,   Zioiing   und   nciarivrjg  meines 


Die  vorstehende  Abbildung  ist  deui  Compla-renda 
1877  S.  275  entnommen.  Die  Inschrift  befindet  sich 
auf  der  Aussenseite  des  Bodens  eines  kleinen  ein- 
henkeligen mit  schönem  schwarzem  Firniss  über- 
zogenen flachen  Gefässes  von  0,14  m.  Durchmesser 
und  0,04  m.  Höhe,  welches  im  Schutte  des  Mithri- 
datesberges  gefunden  wurde.  Unsere  Abbildung 
giebt  die  Inschrift,  die  mit  einem  spitzen  Instru- 
ment in  den  harten  Thon  eingeritzt  ist,  in  natür- 
licher Grösse  wieder. 

Stephani  glaubt,  die  Inschrift  nenne  die  Namen 
von  drei  Männern,  indem  sie  zu  jedem  den  Namen 
des  Vaters  im  Genetiv  hinzufüge.  'Da  jedoch  für 
den  Namen  des  Vaters  des  dritten  Mannes  am  Ende 
der  Raum  fehlte,  so  ist  dieser  etwas  oberhalb  am 
äussersten  Rand  hinzugefügt.'  Dass  der  Raum  un- 
ten für  die  Buclistaben  nPQTiaNO:^  nicht  mehr 
gereicht  habe,  soll  zugestanden  sein,  aber  wie  kam 
der  Schreiber  dazu,  seinen  Nachtrag  mit  stärkeren 
Strichen  einzuritzen  als  das  Uebrige?  Und  wie  wer- 
den wir  es  erklären,  dass  das  N  der  ersten  Zeile  un- 
ter die  Linie  heruntergezogen  ist,  als  ob  das  zweite 


Wissens  sonst  noch  nirgends  vorgekommen.' 

Diese  Erklärung  von  OAKH^  wird  Niemand 
annehmbar  finden,  der  nicht  glaubt,  Anomalie  und 
Gesetzlosigkeit  sei  dasselbe.  Jene  fremdartigen 
Namen  kenne  auch  ich  nicht;  wir  dürfen  nicht 
hoffen  sie  je  zu  finden,  wenn  nicht  etwa  ein  Ko- 
miker sich  den  Witz  erlaubt  haben  sollte,  seine 
Parasiten  oder  Köche  mit  so  schönen  Namen  wie 
'Nachtisch',  'Suppe',  'Graupen'  auszustatten.  Als 
Spitzname  kommt  Zomos  allerdings  vor,  vergl. 
Athenaeus  VI  S.  238 B.  242C.  Der  ehemalige 
Besitzer  unserer  Vase  hat  ausser  seinem  Namen 
{ngcüTicüvog)  noch  eine  kleine  Speisekarte  ein- 
geritzt: TqioyaXuov,  (faxrjg,  xqeÜv,  Cco/iiov,  ntiaä- 
vTjg.  Was  er  damit  bezweckte,  weshalb  er  die 
Speisen  im  Genetiv  nannte,  vermögen  wir  nicht  zu 
sagen,  da  eine  ähnliche  Inschrift,  die  Aufschluss 
geben  könnte,  nicht  zu  existiren  scheint.  Vielleicht 
wollte  er  nur  ausdrücken,  dass  sein  Napf  zu  allen 
Speisen  gut  und  brauchbar  sei. 

Berlin,  im  September  1884.        Paul  Wolters. 


Auf  die  Ausführungen  C.  Roberts  (Arch.  Zeit.  42 
S.  137),  der  in  den  Figuren  des  brittischen  Bronce- 
reliefs  Okeanos  mit  den  Personificationen  der  drei 
Erdtheile  erkennen  will,  möge  mir  eine  kurze  Er- 
widerung gestattet  sein.  So  gefällig  die  Deutung 
an  sich  auch  ist,  und  so  wenig  ich  die  Möglich- 
keit bestreite,    dass  damit  das  Richtige  getroffen 


NOCH   EINMAL  ZU  TAFEL  2,2. 

ist,  als  gesichert  oder  auch  nur  als  wahrscheinlich 


vermag  ich  sie  nicht  anzusehen.  Am  ersten  kann 
man  noch  die  bestimmte  Benennung  des  Seegottes 
als  Okeanos  billigen,  obgleich  hiergegen  sich  der 
Umstand  gelten  machen  Hesse,  dass  der  Typus  des 
Kopfes  oifenbar  von  dem  auf  das  Meer  ausspähen- 
den Schiffer  hergenommen  ist,  ein   Typus   der  für 


211 


E.  Engolmann,  Zu  Taf.  2,  2. 


212 


den  Okeanos  kaum  passend  erscheint,  wenn  man 
bedenkt  dass  dieser  bis  zum  zweiten  Jahrhundert 
immer  noch  als  der  allumfassende  ausserhalb  der 
Schifffahrt  liegende  Strom  betrachtet  wurde.  Dass 
die  sicheren  Darstellungen  desselben,  besonders 
Mosaiken,  ihn  mit  Krebsscheeren  und  anderen 
derartigen  Bildungen  ausgerüstet  zeigen,  kommt 
weniger  in  Betracht.  Schon  schwieriger  ist  es  für 
mich,  die  Thats^ache,  dass  der  Okeanos  die  Erde 
umrahmt,  hier  durch  die  Windungen  der  Delphine 
ausgedrückt  zu  finden.  Die  Delphine  wachsen  nicht 
„gleichsam  aus  seinen  nassen  Locken  hervor",  son- 
dern ihre  Schwänze  schlagen  munter  hinter  sei- 
nem von  der  Kappe  bedeckten  Haupte  empor; 
wollte  man  annehmen,  dass  ihre  Windungen  „den 
die  Erde  umfliesseuden  Strom "  symbolisireu, 
so  müsste  der  bärtige  Kopf  etwas  von  ihm  Ein- 
geschlossenes bedeuten,  was  doch  sicher  nicht  an- 
geht. Wie  die  Alten  das  Umströmen  der  Erde 
durch  Okeanos  darstellten,  das  zeigen  mehrere 
allerdings  späte  Mosaiken,  eines  im  Brit.  Museum 
aus  Karthago,  Mon.  d.  Iiisl.  V  38;  das  andere  aus 
St.  Eustice  bei  Toulouse,  Bull.  1834  S.  157,  jetzt 
im  Museum  von  St.  Germain,  leider  in  sehr  frag- 
würdigem Zustand  und  (1877)  nicht  aufgestellt: 
dort  ergiessen  sich  zwei  oder  drei  Wasserströme 
aus  dem  Munde  des  Gottes,  dessen  Haupt  mit  Krebs- 
scheeren und  Delphinen  im  Haar  verziert  ist.  Auch 
die  Persouificatiouen  der  drei  Erdtheile  vermag  ich 
nicht  zu  erkennen;  die  drei  Gestalten  sind  unter 
einander  in  der  Haartracht,  in  der  ganzen  Bildung, 
auch  in  dem  Mangel  an  Bekleidung  so  ähnlich, 
dass  für  alle  die  gleiche  Deutung  nothwendig  ist; 
ob  dazu  der  Begriff  „Erdtheil"  mit  Beseitigung 
jedes  individuellen  Unterschiedes  verwendbar  ist, 
kann  sehr  fraglich  erscheinen;  jedenfalls  spricht 
die  scharfe  Cliarakterisirung,  die  sonst  zur  Unter- 
scheidung der  Hellas  und  Asia,  oder  der  Europa, 
Asia  und  Afrika  angewandt  wird,  nicht  dafür,  dass 
die  Griechen  den  allen  gemeinsamen  Begriff'  „Erd- 
theil" haben  zum  Ausdruck  bringen  wollen.  Aus 
der  geographischen  Lage  der  Erdtheile  Folgerun- 
gen in  Bezug  auf  die  Anordnung  der  drei  Frauen 
ziehen  zu  wollen,  scheint  mir  mehr  als  bedenklich, 
wie  es  auch  Robert  selbst  ablehnt.  Wie  soll  man 
z.  B.  sich  erklären,  dass  die  sogenannte  Asia  über 
den  Delphin,  d.  h.  den  Okeanos  hinaus  sitzt?  Sie 
hätte  doch  gleichfalls  nach  innen  angeordnet  sein 
sollen.  Besonders  aber  scheint  mir  gegen  die 
Robertsche  Deutung  die  Handlung  der  rechts  sitzen- 
den  Gestalt  zu  sprechen;    denn  ich  glaube  daran 


festhalten  zu  müssen,  dass  sie  den  Seegott  an  einer 
seiner  Bartlocken  zupft,  um  seine  Aufmerksamkeit 
zu  erregen.  Herr  A.  S.  Murray,  an  den  ich  micb 
mit  der  Bitte  wandte,  das  Original  darauf  hin 
genau  zu  prüfen,  ist  so  freundlich  gewesen  mir 
folgende  Auskunft  zu  ertheilen:  If  Prof.  Robert  is 
right  in  saying  fliat  (he  hand  of  the  ßgtire  sitting 
011  the  right  is  merely  coucealed  hy  the  beard,  I 
should  expect  that  the  artist  woiild  not  have  alloioed 
the  hand  to  disarratige  the  beard,  biit  would  have 
reduced  the  projection  of  the  arm  so  as  to  malte  his 
iittentioii  clear  and  allow  the  beard  to  fall  in  its 
natural  manner.  Instead  of  that  the  beard  is  pushed 
forward  by  the  hand  just  as  it  would  be  pushed  if 
the  artist  meant  to  indicate  that  the  ßgure  was 
engaged  iti  playing  with  the  beard  of  Okeanos  or 
whoever  he  onay  be.  Auch  dass  die  Blicke  aller 
drei  Figuren  auf  den  Kopf  des  Gottes  gerichtet 
sind,  spricht  für  die  engen  Beziehungen,  die  zwi- 
schen dem  Gott  und  den  Frauen  obwalten.  Der- 
artige Beziehungen  zwischen  den  drei  Erdtheilen 
und  Okeanos  anzunehmen,  scheint  mir  nicht  recht 
möglich. 

Trotzdem  muss  ich  die  Einwendungen,  die 
Robert  gegen  die  Benennung  „Nereden"  macht, 
als  richtig  anerkennen;  auch  ich  glaube,  dass  die 
ruhige  und  feste  Stellung  der  sitzenden  Mädcheu 
gegen  die  Deutung  auf  Nereiden  spricht,  und  halte 
sie  deshalb  gleichfalls  für  Lokalgottheiten,  wenn- 
gleich ich  mich  vorläufig  ausser  Stande  erkläre  sie 
zu  benennen.  Nur  um  zu  zeigen  in  welcher  Rich- 
tung meiner  Meinung  nacli  die  Deutung  gesucht 
werden  muss,  weise  ich  auf  Hellas  mit  der  Pelo- 
ponnes  einerseits  und  Kreta  andererseits  hin;  natür- 
lich wäre  der  männliche  Gott  dann  nicht  Okeanos, 
sondern  der  Pontos  oder  irgend  ein  Lokalseegott,  wo- 
gegen gewiss  nichts  einwenden  wird,  wer  sich  der 
bekannten  Büste  der  Rotonda  erinnert.  Dass  im 
Alterthum  oft  genug  solche  Lokalgottheiten  darge- 
stellt worden  sind,  dafür  liefert  Philostrat  viele 
Beweise;  speciell  für  unseren  Fall  könnte  man  noch 
an  das  Bild  von  Panainos  mit  der  Hellas  und  Sa- 
lamis erinnern;  vielleicht  könnte  auch  das  oben  er- 
wähnte Mosaik  von  St.  Rustice  angeführt  werden, 
wo  neben  Wassergottheiten  sicilianische  Ortsgott- 
heiten vorzukommen  scheinen,  wenn  nicht  die 
darüber  vorliegenden  Nachrichten  zu  dürftig  wären. 
Wüssten  wir  etwas  von  dem  genauen  Fundplatz 
oder  Fabrikationsort  des  Reliefs,  dann  würde  es 
wohl  nicht  schwer  sein,  sofort  die  lokalen  Be- 
ziehungen zu  erkennen.  R.  Enüelmann. 


213 


214 


DIE  ,SCHLANGENTOPFWERFERIN' 

IM  rERGAMKNISCIIEX  ALTARFKIE8. 


d 


Zu  der  s*ogenannten  Sclilang-entopfwerferin  in  der 
Gigaiitomachie  des  perganienischen  Altars')  wurde 
vor  einigeu  Jahren  die  Verniuthung  geäussert,  dass 
der  Künstler  auf  die  eigentluiniliclie  Waffe  der  Göttin, 
das  schlangeuuniwundene  Gefäss,  duroli  die  lienii- 
nisccnz  au  eine  im  Kampfe  gegen  die  Attaliden 
einmal  angewendete  Kriegslist  geführt  worden 
wäre').  iSleuerdiugs  will  mau  das  räthselhafte 
Gefäss  als  Apothekermörser  bestimmen,  der  au 
seinem  Platze  innerhalb  des  Asklepiosheiligthums 
zufällig  von  einer  der  heiligen  Hchlangen  uni- 
ringelt  sei,  und  danach  in  der  Göttin  etwa  die 
Epioue,  die  Gemahlin  des  Asklepios,  erkenuen^). 
Solchen  Deulungsversuchen  gegenüber  müelite  ich 
nicht  länger  zögern  an  dieser  Stelle  zum  Ausdruck 

')  Vergl.  Julirl),   iler  kiinigl    pi-euss.  Kunstsaimnl.  I    S.  178. 

'-')  W.  H.  Hoscher  in  der  Beilage  zur  Aug.il)iirger  Allge- 
meinen Zeitung   1880  S.  4571. 

■')  A.  Trendelenburg  im  Texte  zu  den  Skizzen  zur  Wieder- 
herstellung des  perganienischen  Altars  von  Alexander  Tondeur 
S.  •-'!).     Vgl,  oben  S.  14öf. 

ArchSolo".  Ztt'.  Jahru'iiiii:  XLU. 


zu  bringen,  was  seit  der  öffentlichen  Ausstellung  der 
Gigantomaehiereliefs  angesichts  der  Schlangentnpf- 
werferiu  in  gegenseitigem  Austausch  der  Beob- 
achtungen und  Ideen  von  mehreren  Seiten  festge- 
stellt wurde.  Es  betrifft  das  die  Form  des  frag- 
lichen Gefässes  in  der  Hand  der  Göttin  und  die 
Auffassung  der  merkwürdigeu  Verbindung  von  Ge- 
fäss und  Schlange. 

Um  was  es  sich  bei  dem  ersten  dieser  beiden 
Punkte  handle,  wird  am  besten  durcfh  die  vor- 
stehenden Abbildungen  klar  gemacht  werden,  welche 
von  der  zuverlässigen  Hand  des  Herrn  van  Geldern 
herrühren.  Da  die  Axe  der  oben  horizontal  ab- 
geschnittenen Vase  (siehe  Figur  a)  weder  zu  der 
senkrechten  Stosskante  des  Reliefs  noch  zu  dereu 
Grunde  parallel  läuft,  sondern  sich  schräg  nach 
der  1.  oberen  Ecke  zu  neigt,  so  entsteht  eine  un- 
regelmässige und  unvollkommene  (einem  Reib- 
morser  wohl  ähnelnde)  Gefässforra,  die  nothwen- 
diger  Weise  ausgeglichen  werden  musste.  Und 
das  geschah,  wie  die  obere  Durchschuittsfiäche  des 

15 


215 


0.  Puclistein.  Sehlaugcntupfworferiii. 


216 


Gefässes  zeigt  —  dieselbe  ist  uMiulicli  nach  der 
gewöhnlichen  Art  und  Weise  als  Stossfuge  herge- 
richtet, indem  sie  rings  am  Rande  geglättet  und 
innen  mit  dem  Spitzeisen  ein  wenig  vertieft  worden 
ist  —  durch  ein  ursprünglich  aufgesetztes,  jetzt  ver- 
lorenes Stück.     Auch  die  Schlange,  deren  Leib  am 


doch  wenig  angemessene  Fuss  (s.  Figur  c)  vortretl'- 
lich  ]iasst.  Die  Zeichnung  lehrt,  dass  bei  exacter 
Ergänzung  auf  die  r.  Seite  des  erhaltenen  Abschnittes 
glciclifalls  ein  Theil  vom  Ansatz  des  zweiten  Henkels 
fällt;  dass  die  entsprechende  Ansatzspur  im  Ori- 
ginal fehlt,  kann  gewiss  nicht  allein  durch  unsorg- 


Reliefrande  glatt  durchgeschnitten  ist,  musste  nach  fältige   Arbeit  veranlasst,  sondern  vielmehr   wegen 

der   Fuge  beabsichtigt  sein,  die   sonst  den  Henkel- 
ansatz mitten   durchschnitten  hätte. 

Was  die  Stellung  der  Schlange  an  diesem 
hydrienartigen  Gefässe  betrifft,  so  liegt  sie  mit 
ihrem  Schwanzende  vorn  längs  des  Schulterrandes; 
dann  wand  sie  sich  oben  einmal  um  den  Hals  und 
ringelt  sich  endlich  über  die  Rückseite  nach  dem 
Fusse  zu,  um  von  hier  aus  mit  erhobenem  Kopfe 
gegen  den  Gegner  der  Göttin  zu  züngeln.  Sie  ist 
also  nicht  in  einseitiger  Bewegung  von  oben  nach 
unten  dargestellt,  als  wenn  sie  aus  der  Vase  kröclie, 
sondern  wie  über  Kreuz  um  dieselbe  geschlungen 
und  innig  mit  ihr  verknüpft.  Das  lässt  schwerlich 
den  Eindruck  einer  zufälligen  Verbindung  von  Ge- 
fäss  und  Schlange  aufkommen,  vielmehr  in  dem 
Schlangentopf  ein  bestimmtes  Symbol  vermuthen. 
Als  solches  ist  es,  wenn  auch  nur  in  wenigen  Gülten, 
in  der  That  nachweisbar.  So  spielt  eine  eigen- 
thüinlich  mystische  Rolle  bei  der  Procession  am 
Isisfeste  die  Urne,  deren  charakteristische  Gestalt 
aus  Münzen')  und  Reliefs  °)  sowie  vor  allem  aus 
der  genauen  Beschreibung  des  Apuleius  (Xletam. 
XI  11)  bekannt  ist:  gerehal  alius  feliri  mio  gremio 
siiiiitin  siii  numinis  venevaiidam  effigiem,  iion  pecoris, 
fion  avis,  noii  ferae  ac  ne  hominis  qiiidem  ipsitis  ronsi- 
milem,  sed  solerti  repertu,  etiam  ipsa  jiovilate  rece- 
retidam  ullioris  uicumqiie  et  magno  silenlio  tcgeiidac 
religionis  argiimeiiluin  ineffahile;  sed  el  ad  istiini 
platte  modiini  fiilgetile  auro  ßgiiralum.  Urniila  fa- 
herrime  cavala,  fuudo  quam  rolundo,  miris  exlrinse- 
cus  simiilacris  Aegypiiorum  efßyiala;  eins  orilicium 
iion  allinscule  levahnn  in  cntialem  porrectnm  longo 
rinilo  prominehat.  Ex  alia  vero  parte  tnulti/m  rece- 
dens  spatiosa  dilalione  adliaerchal  ansa,  quam  con- 
torto  iiodnio  siipersedebat  aspis  squameae  cervicis 
striatti  liunore  sublimis.  Da  diese  Art  Situla  mit 
dem  üräus  aus  ägyptischer  Ueberlieferung  bisher 
nicht  nachgewiesen  und  gedeutet  worden  ist,  so 
wäre  einstweilen  die  Vermuthung  berechtigt,  dass 
sie  auf  Grund  einer  ursprünglich  griechischen  An- 
schauung in  den  alexandrinischeu  Cult  eing(dülirt 
wäre.     Gleichfalls  für  ägyptisch  hielt  F.  Lenormant 

■*;   Zoi'ga  num.  aeg    S.  S  n.  30;  S.  165  n.  17. 
■')   Hcriin  Aegypt.  Mus.  n.  S1G4. 


oben  hin  ergänzt  sein,  damit  die  i)eiden  jetzt  ge- 
trennten Theile  derselben  für  das  Auge  des  Be- 
schauers verbunden  wurden. 

Derartige  in  das  Deckgesims  liincinragende 
Anstüekungen  an  der  Oberkante  der  Gigantomaehie- 
reliefs  sind  übrigens  sehr  häufig  und  gewiss  von 
vielen  Beschauern  schon  bemerkt  worden.  Es  mag 
daher  nur  kurz  daran  erinnert  werden,  dass  z.  ß. 
der  ganze  Schädel  der  sog.  Selene  aufgesetzt  war, 
ferner  auch  die  Spitze  an  den  Helmen  der  Athena 
und  des  jugendlichen  neben  der  Apollogruppe 
aufgestellten  Kriegers,  der  erst  durch  die  letzte 
Sendung  aus  Pergamon  seinen  Kopf  erhalten  hat 
(es  ist  nebenbei  bemerkt  derjenige  Kopf,  an  dessen 
Augen  bei  der  Auffindung  noch  Farbspuren  sicht- 
bar waren);  beim  Gegner  der  Hekate  endlich  sind 
noch  die  Eisenstifte  vorhanden,  die  den  oberen 
Theil  des  geschleuderten  Steines  festhielten. 

Glücklicherweise  gewährt  nun  der  vorhandene 
Abschnitt  des  Gefässes  auch  olme  die  Anstückung 
einer  genaueren  Betrachtung  genügenden  Anhalt, 
die  ursprüngliche  Form  desselben  annähernd,  wenn 
nicht  gar  sicher  zu  bestimmen.  .-\n  der  1.  Hälfte 
nämlich,  die  ja  in  Folge  der  sciiiefen  Lage  des 
Gefässes  die  grössere  ist,  läuft  rechtwinklig  zu  der 
Axc  und  daher  die  Fuge  quer  schneidend  eine  ab- 
gerundete Kante  hin,  wie  sie  nicht  etwa  dem 
Lippenrande  entspricht,  sondern  beim  Zusammen- 
stoss  von  Bauch  und  Schulterfläche  einer  Vase 
entsteht;  und  zwei  unmittelbar  unter  dieser  Kante 
befindliche  Ansätze,  von  denen  der  vordere  z.  Th. 
durch  die  Schlange  verdeckt  wird  (vgl.  die  Ober- 
ansicht Figur  b),  lassen  auf  einen  kleinen  jetzt  ab- 
gebrochenen Seitcnhenkel  schliessen.  Versucht  man 
hiernach  das  vom  Künstler  bcabsiciitigte  Gefäss 
zu  reconstruiren,  so  wäre  für  den  vorhandenen 
Tlieil  zu  beaciiten,  dass  durch  die  Hand  der  Göttin 
und  den  Schlangenleib  dem  flott  und  sorglos  arbei- 
tenden Bildhauer  die  Symmetrie  der  beiden  Hälften 
gestört  worden  ist:  wenn  man  diese,  wie  es  in 
unserer  Figur  d  geschehen  ist,  wiederherstellt  und 
Schultern  und  Henkel  vervollständigt,  so  ergiebt  sich 
nicht  ein  Mörser,  sondern  eine  hydrienf'örmige  Vase, 
zu  welcher  auch  der  zierliche,  hohle,  einem  Mörser 


217 


0.  Piu'Iistoin,  Scblanircntiijifwcrfcriii. 


218 


(las  Rclilangcnumriiigeltc  Gef'üss  un  (ici-  Seite  der 
Aplivodite  in  der  bekannten  es((uiliniselien  Statue'^) 
und  sah  deshalb  in  derselbeu  eine  Darstellung' 
der  in  Naidviatis  angeblich  verehrten  Rhodopis: 
allein  mag  aueh  die  Selilaiige  an  diesem  auffälligen 
Get'äss  dem  Uräus  gleiehen,  so  wird  man  ddidi  die 
wunderliche  Condiination  Lcuorniants  ahweiseu  und 
vorläufig  jenes  Detail  auch  in  Bezug  auf  seinen 
synibolisclieu  CliaraUter  unerklärt  lassen  müssen. 

Auf  griechischem  Boden,  speciell  in  Sparta, 
findet  sieh  nun  aber  der  Schlangentopf  im  Culte 
dt3r  Dioskuieu ').  Nicht  nur  auf  lacedämonischcn 
Münzen")  entspricht  dem  Herakleskopfe  oder  häu- 
figer den  beiden  Dioskurenköpfcn  der  Vorderseite 
rückseits  die  von  einem  Kranz  umrahmte  Darstel- 
lung einer  (meist  zwischen  die  Pilei  gestellten)  oder 
zweier  Amplioren,  die  mit  einem  Deckel  versehen 
und  in  den  weitaus  zahlreichsten  Fällen  von  je 
einer  Schlange  umringelt  sind,  sondern  auch  Re- 
liefs^) zeigen  häufig  genug  neben  den  Dioskurcu 
diese  beiden  Amjjhoren,  freilich  nur  in  zwei  Bei- 
spielen mit  den  Schlangen '");  einmal  (auf  dem 
Veronescr   Votivrelief   an   die  Dioskuren")    nähert 

<")  Abgeb.  ßu//.  „„wie  III  Taf.  III.  IV.  Gnz.  arch.  III 
Taf.  23  vgl.  S.  145. 

■)  Vergl.  Weicker  Tiilogie  S.  925  Anm. 

*)  Eekhel  d.  n.  II  S.  270.  Mionnet  II  S.  216, 1  ff.  2-i2ff. 
n.  a.  Voryl.  ilie  AbbilJung  bei  Cun/.c  Wiener  Vorlegeblättcr 
4.  Ser.  Taf.  IX,  9.  10. 

■')  Di-essel- Jlilchhül'er  Alittb.  il.  aib.  In,-t.  II  8  3SC  n.  204 
205.  20S. 

'»)  A.  n   O.  n.  209.  210. 

")  Uütschke  4  n.  538;  abgeb.   Conze  a.  a.  U.  8. 


sich  eine  Schlange  dem  Ampliorcii])aai',  während 
ein  andermal  die  zwei  Schlangen  ohne  die  Krüge 
dargestellt  sind  '"). 

Sonst  sind  mir  aus  griechischen  Monumenten 
noch  zwei  Beispiele  dieses  Symbols  bekannt  ge 
worden.  Auf  dem  sogen.  Wiszay'schen  Dipty- 
chon") mit'  den  Darstellungen  des  Asklepios  und 
der  Ilygieia  steht  auf  den  beiden  Pfeilern,  welche 
die  Figur  der  Hygieia  mit  dem  Eros  einrahmen, 
links  ein  Knabe,  welcher  aus  der  mystischen  Cistc 
die  Schlange  entschlüpfen  lässt,  rechts  Schale 
und  schlangenumringelter  Prochus.  Weshalb  hier 
Hygieia  vom  Eros  begleitet,  und  die  Ciste  sowie 
der  Prochus  mit  der  Schlange  hinzugefügt  sind, 
hat  man  bisher  nicht  erklärt.  Endlich  ist  auf  einem 
Relieffragraent ")  in  Athen  leider  nur  ein  Stück 
einer  schlangenumringelteu  Vase  innerhalb  eines 
Oelkranzes  erhalten;  die  Form  derselben  weicht  so- 
wohl von  der  Hydria  des  pergamenischen  Reliefs 
wie  der  Amphora  des  Dioskurencults  als  auch  von 
dem  Prochus  des  Diptychons  ab. 

Einen  Anhalt  zur  Deutung  der  Göttin  in  dei- 
pergamenischen  Gigantoniachie  vermag  ich  aus 
diesen  Beispielen  einstweilen  nicht  zu  gewinnen. 

0.  PucnsTEiN. 


'-)  Dre.ssel -Milchliöl'er  a.  a  0.  n.  220;  abgeb.  Biagi  inori. 
gr.  ei  lat.  ex  Jims.  Kanii  Rom.    17.S7    S.  73. 

'■■')  In  Liverpool.  Müller- Wieseler  II,  Gl,  792.  Berlin, 
■Verzeiclmiss  der  Gipsabgüsse    n    9711?. 

'■■)  Sybel  n.  6G25.  Berlin,'  Verzeichniss  iler  Gipsabgüsse 
1883  n.  200. 


1.5« 


219 


220 


BERICHTE. 


SITZUNGSBERICHTE. 

Archäologische  Gesellschaft  in  Berlin. 


Sitzung   vom  4.  Kovember.     Zur  Aufnahme 
haben    sich    gemeldet    die    Herren    Graf  Seyssel 
d'Aix,      Hauptmann    Steffen,      Dr.    Puchstein. 
Eingegangen    waren    u.  A.    Kekule,    die    antiken 
Terrakotten  Bd.  II  (Sicilicn);    v.  Brunn,   Kunstge- 
schichtliche   Stellung    der    pergam.    Gigantomachie 
(Jahrbuch   der  königl.   preuss.   Kunstsammlungen); 
ders.,  über  tektonischen  Stil  (Miuicliener  Akademie- 
berichte); Lepsius,  Längenmasse  der  Alten;  Vir- 
chow,    Hissarlik    als    Feuernekropole;    Bücking, 
Lagerungsverhältnisse     der     älteren    Schichten    in 
Attika;  Herzog,  Olympische  Göttervereine;  Graf, 
Antiopesage;  Pervauoglu,  orüjine  delnome  d'ItaHa\ 
Schreiber,    Dreifussbasis  von  Xabulus.    —    Herr 
Conze  legte  die  akademische  Abhandlung  des  Herrn 
Imhoof-Blumer,  Münzen  der  Dynastie  von  Per- 
gamon,  vor.  —  Herr  Eobert  theilte  die  Ergebnisse 
einer  Petersburger  Eeise  mit,    die  er  im  Interesse 
der  Sarkophagsammlung  unternommen  hatte.    Der 
Achilleussarkophag  im  Garten  des  Grafen  Stroganuff 
(bekannt   als  Sarkophag   des  Homer)    stammt    von 
den  griechischen  Inseln;  Oiiiamentik  und  Gewand- 
bchandlung  las.sen  ihn  früliesteus  in  das  Ende  des 
2.  Jahrhunderts  setzen.      Er  repräsentirt  denselben 
Typus  wie  der  Sarkophag  Barilc  (Wiener  Vorlege- 
blätter   C,  IX,1).     Achill    hält    liier    keinen    Speer, 
sondern  eine  Spindel,    die  auch   Deidamia  anfasst; 
neben  dieser  steht  die  Amme;  die  Figur  an  der  r. 
Ecke  ist  nicht  Lykomedes,  sondern  eine  als  Gebälk- 
träger  fungirende  Silcnshcrme;    die  r.  Schmalseite 
zeigt  Cueiron,  den  jungen  Achill  im  Bogenschiesseu 
unterrichtend  (so  auch  auf  den  Sarkophagen  Barile 
und  in  London);  auf  der  1.  Schmalseite  sitzt  Achill 
leierspielend    unter    den  Töchtern  des  Lykomedes; 
auf  der  Rückseite  streng  symmetrisch  der  Kampf 
zweier  Kentauren  mit  Löwe  und  Löwin.    Eine  weit 
schönere    Iicplik    dieses    Typus    der    iVchilleussar- 
kophage   ist  ein   in    Kertsch  gefundener,  sehr  ver- 
stümmelter  Sarko])liag,    der    auf   den   Ilauptseiten 
genau  mit  dem  vorigen  übereinstimmte,  rcclits  die 
kaum  noch  erkennbaren  Reste  des  Bogenschiessens 
imd  links  den  Abscliied  von  Lykomedes  in  der  Art 
der    psfudogriechischen    Sark<ipliage    vom    Louvre 
und    Capitol    zeigt.      Die    Augen    des    Lykomedes 
waren  eingesetzt,    was  auf  weitgeliendc  Bemalung 
deutet;    auf  der  Üückseite  sind  Eroten  mit  Festons 


dargestellt.  Der  Vortragende  wies  ferner  auf  ein 
Sarkophagfragment  mit  Darstellung  des  Freier- 
mordes hin,  von  welchem  eine  entschieden  moderne 
■Wiederholung  in  Mautua  existirt,  und  machte  über 
einige  andere  Sarkophage  Mittheilungen.  —  Hierauf 
trug  Herr  Puchstein  die  oben  S.  213  abgedruckte 
Widerlegung  der  von  Herrn  Treudelenburg  aufge- 
stellten Deutung  der  pergamenischen  Sehlangen- 
topfwerferin'  vor,  Herr  Engel  mann  die  S.  2U9 
veröffentlichte  Erwiderung  gegen  lleirn  Kobirt.  — 
Herr  Curtius  machte  darauf  aufmerksam,  dass  der 
Bildhauer  Herr  Grüttner  nach  dreijähriger  Arbeit 
jetzt  so  weit  sei,  dass  Anfang  December  der  ganze 
Ostgiebel  des  olympischen  Zeus,  iu  Original- 
grösse  ergänzt,  aufgestellt  werden  krmne.  Es  sei 
wünschenswerth,  dass  nun  über  die  Anordnung 
der  Giebelfiguren  eine  feste  Ansicht  der  Sachver- 
ständigen sich  bilde.  Bisher,  führte  Herr  C.  aus, 
gab  es  zwei  von  einander  abweichende  Hcrstellungs- 
versuche,  welche  beide  in  der  Olympiaausstellung 
zum  Vergleich  neben  einander  aufgestellt  sind. 
Neuerdings  ist  dazu  ein  dritter  Versuch  gekommen, 
welchen  Herr  Professor  Kekule  im  Rheinischen 
Museum  Bd.  39  S.  481  veröffentlicht  hat.  K.  er- 
kennt die  Grnppirung  der  drei  Figuren  iu  der 
rechten  Giebelecke,  wie  sie  Curtius  verlangt,  als 
unbedingt  sicher  au,  nimmt  aber  an  zweierlei  in 
der  Curtius'schen  Aufstellung  Anstoss,  erstens  daran, 
dass  die  beiden  Zügellialter,  und  zweitens,  dass  Mäd- 
chen und  hockender  Knabe  einander  nicht  so  ent- 
sprächen, wie  es  bei  Gegenstücken  verlangt  wer- 
den müsse.  Beide  Paare  blicken  nach  derselben 
Seite  hin,  das  sei  eine  zwiefache  Verletzung  der 
Symmetrie. 

Gegen  diese  Einwürfe  ist  zu  erinnern,  dass 
der  eine  nicht  zutrifft,  denn  das  Mädchen  blickt 
nach  links,  der  entsprechende  Knabe  nach  rechts; 
liier  ist  Alles  in  Ordnung.  Die  Ziigelhalter  aber  blicken 
beide  hinunter.  Ihre  eigenthümliche  Stellung  und 
Kopfhaltung  ist  durch  die  Gespanne  gegeben, 
deren  Zügel  sie  vorsichtig  halten.  Die  Kopfdrehung 
des  Myrtilos  ist  wahrsclieiulich  dadurch  motivirt, 
dass  die  Abwendung  von  Oinomaos  ausgeilriickt 
werden  soll.  Eine  Verletzung  der  i)lastischen  Sym- 
metrie ist  also  auch  hier  nicht  vorhanden. 

Was    nun    zur   Beseitigung    der   beiden    angcb- 


221 


SitzuiK'sbericlit. 


222 


liolieu  Uebelstäiule  im  dritten  ^'cl•sll(■lle  voige- 
schlag-en  wird,  führt  entwfdci-  zu  unvcikemibaren 
Uebelständen,  oder  ist  der  Kaumverliältiiisse  wegen 
uniiiöglicli.  T^iipassend  ersclieint  es,  weun  1)  das 
Viergespann  rechts  gar  keinen  Lenker  hat  (sol- 
len wir  uns  die  Zügel,  deren  Bohrlöcher  vor- 
liandcn  sind,  schlaft'  zu  Bodeu  lallend  vorstellen?), 
1*)  Mj-rtilos  als  in  Gedanken  versunkener  Greis 
hinter  seinen  Rossen  sitzt,  3)  eine  Zofe  der  Ste- 
rope  mitten  in  der  Aufstellung  der  Gespanne  un- 
mittelbar vor  der  entscheidenden  Aktion  zu  den 
Füssen  der  Königin  kauert.  Unmöglich  aber  ist 
es,  wie  nachher  Herr  Grüttncr  an  der  im  Giebel- 
rahmen aufgestellten  Jlodellfigur  nachwies,  das 
Vorderpferd  vom  Gespann  des  Pelops  zurückzu- 
schieben und  unter  demselben  einen  die  Hufe 
untcrsuclienden  Diener  anzubringen.  (Dies  Motiv 
war  in  der  von  H.  Strack  und  Curtius  1852  verüft'ent- 
lichten  Restauration  schon  versuchsweise  in  Anwen- 
dung gebracht  worden.) 

Seitdem  es  zum  ersten  Male  vergönnt  ist,  einen 
Tempelgiebel  des  fünften  Jahrhunderts  in  voller 
Figurenzalil  zur  Anschauung  zu  bringen,  ist  auch 
die  Frage  nach  den  Gesetzen  der  Symmetrie  inner- 
halb der  Giebelcomposition  in  ein  neues  Stadium 
getreten.  Die  Frage  ist  noch  coutrovers.  Es  ist 
noch   die   Ansicht   einiger  Gelehrten,    dass  es  sich 


vorzugsweise  um  eine  Symmetrie  in  den  plastischen 
Umrissen  und  Linien  handle,  während  die  Andern 
verlangen,  dass  die  ihrer  Bedeutung  nach  sich  ent- 
sprechenden Gestalten  auch  zur  Rechten  und  Linken 
die  entsprechenden  Stellen  haben  müssen.  Die 
letztere  Ansicht  wird  durch  die  Restauration  des 
Osfgiebels  sowie  durch  die  Beschreibung  des  Pau- 
sanias  als  die  richtige  bezeugt.  Die  ganze  Com- 
position  ist  ein  vollkommen  durchdachtes  Werk, 
jede  Figur  steht  an  ihrer  richtigen  Stelle.  Sieht 
man  den  einen  Rosselenker  vor  den  Rossen,  so 
sucht  das  Auge  den  andern  an  derselben  Stelle. 
Hätte  einer  von  ihnen  hinter  den  Gespannen  ge- 
sessen (wo  ihn  die  Pferde,  wenn  sie  unruhig  wur- 
den, sogleich  fortgeschleppt  hätten),  so  müsste  das 
Zügelwerk  an  dem  ganzen  Rumpfe  des  Vor- 
derpferdes entlang  gezogen  gewesen  sein,  und 
davon  müssten  Befestigungslöcher  an  demselben 
zu  erkennen  sein. 

Herr  Grüttner  sprach  sich  auf  Grund  seiner 
dreijährigen  Beschäftigung  mit  den  Bruchstellen 
des  Ostgiebels,  während  welcher  jede  Möglichkeit 
der  Ergänzung  im  Einzelnen  erwogen  sei,  zum 
Sciilusse  dahin  aus,  dass  man,  von  der  festen 
Gruppe  der  rechten  Ecke  ausgehend,  zu  keiner  an- 
deren Aufstellung  der  21  Figuren  gelangen  könne 
als  zu  der  von  Curtius  vertretenen. 


Archäolog.  Zt';.  Jahrgang  XLH. 


16 


8CULPTUREN 

(Tafel 

Der  Cult  und  Tempel  der  iliscben  Atliena, 
welche  schon  in  der  Ilias  und  den  kyklischen  Epen 
eine  bedeutende  Rolle  spielen,  treten  in  der  Ge- 
schichte des  historischen  Uion  noch  mehr  hervor. 
Fast  überall,  wo  die  Stadt  erwiilint  wird,  geschieht 
es  wegen  jenes  altehrwördigen  Ileiligthunis.  Xerxes, 
Mindaros,  Alexander,  die  Diadochen  besuchen 
dasselbe  und  bringen  in  ihm  Opfer  dar,  und  noch 
höher  steigt  sein  Ansehn  unter  der  römischen  Herr- 
schaft, als  die  Hier  die  Aeneassage  zu  ihren  Gunsten 
beim  Senat  und  später  bei  den  Kaisern  geltend  zu 
maclieu  verstanden.  Bis  in  die  Zeit  Julians  stand 
ein  Tempel  der  Athena  Ilias  umgeben  von  einem 
Temenos  und  waren  die  Kunstwerke  in  ilim 
wohl  erlialten,  während  man  allerdings  an  dem 
Gebäude  selbst  aus  Rücksicht  auf  den  religiösen  Fa- 
natismus einiges  hatte  zerstören  müssen ').      Diese 

')  Julian,  epist.  ed.  Henning  (Hermes  IX  S.  258  f.  =  S.  603  f. 
eJ.  Heitlein):  ijoioot'  (axir  ' ExioQng  onov  ^nixoüg  iairixii'  «)'- 
tfpiKf  h'  vi'idxii)  ßi>ct);iT,  Totrw  701'  /.tiyav  BVi(mr)aa%'  'Ayillia 

xctrct  TÖ  vnai'lQOv ßitäi'awfitv,   ((fiv,  fni  io  i^S  'Ikiu- 

1)05  HOriviii  r(uiros,  6  Jf  {}[i]yüoiOi)  xni  fiiii.n  nooOvfjtog 
äni'iyuy^  ue  xtä  nj'^wff  lor  vtMV  xki  ännuj  u«i>Tu(iov/.tfro; 
(n^d'ii^^  fioi  Tiäi'in  nxQißwg  nüiu  itt  üytilfittia  ....  nf<fr\vt 
yün  ovöiv  oväuuov  jmv  itijMV  riihxrjxiög  (tlrjydaio;)  nXriv 
oXlyoiv  TiKviänaoi  Xiüwv  fx  xalvfifiaio;  (so  Hertlein  statt 
xnT(t).v/jarog),  iva  avjiu  aiaCcv  ^l;j  tk  loiTtd.  Von  der  Basis 
einer  älinliclien  Statue  wie  die  Hektors  stammt  wohl  die  nach 
der  Huchstabenlorni  der  Kaiserz.eit  zuzuschreibende  Inschrift 
C.I.a.   3C06: 

lAlEiCTO'' 
nATPION0E 

ov  A I  NEIAN 

Hektors  Statue  kann  man  sich  dem  auf  Münzen  von  llion  dar- 
gestellten weitausschreitenden  Hektor  ähnlich  denken,  ebenso 
wie  das  auf  denselben  sich  findende  Bild  der  Athena  in  archaisch 
gefälteltem  Gewand,  mit  Polos,  Speer  und  Spinnrocken,  oft'enbar 
eine  Nachahmung  des  Cultbildes  im  Athenatempel  (s.  Appian 
Mithrid.  ä?>,  Apollod.  HI  12.2,2,  Servius  zur  Aeneis  H  ICtJ,  wo 
zu  lesen:  dicilui-  Finihrtae  fjnidcnii  liomanus  inveutinn  indi- 
Arcliiinl,>^..  V.x;.  .lalu-im-  XLll. 


VON  ILION. 

14.) 

Nachrichten  der  Schriftsteller  werden  durch  die 
beträchtliche  Anzahl  der  Inschriften  von  llion  be- 
stätigt, welclie  von  der  Zeit  des  Antiochos  Soter 
bis  in  die  spätere  römische  Kaiserzeit  liinabgehen 
und  zu  einem  grossen  Theile  sich  auf  das  Heilig- 
thum  der  Athena  und  ihre  zwei  Feste,  die  neuen 
und  die  kleinen  Panathenäen,  beziehen").  In 
jüngster  Zeit  ist  ilire  Zahl  durch  die  Ausgrabungen 
Scliliemanns  bedeutend  vermehrt  worden.  Derselbe 
fand  1872  die  bekannte  schöne  Heliosmetope'). 
Sie  gehört  nach  den  Maassen  zu  dem  grösseren 
Tempel,  dessen  Reste  Schliemann  gleichfalls  ge- 
funden liat  und  den  er  sicher  richtig  als  den  der 
Athena  bezeichnet').  Bei  der  Veröifentlichung  der 
Metope  bemerkte  E.  Ctn-tius*),  dass  wohl  noch  an- 
dere ähnliche  Stücke  vorhanden  sein  würden,  und 
diese  Vermutlmng  wurde  bestätigt.  Schon  in  den 
'trojanischen  AlterthUmern'  waren  Ornamentfrag- 
mente aus  Marmor  als  zum  'Minervatempel'  gehörig 
bezeichnet  und  nebst  anderen  Resten  von  Iliou 
abgebildet   worden*).     Gelegentliche  Erwähnungen 

casse)  ist,  und  wir  der  Gruppe  des  Romulus  und  Remus  unter 
der  säugenden  Wiiltin  sowohl  auf  den  Münzen  als  auf  dem 
im  Theater  gefundenen  Relief  in  Clipeusforra  (Schliemann, 
Troja  S.  236)  begegnen.  Ueber  die  Münzen  s.  Schliemann  Ilios 
S.  713,    wo    Abbildungen   gegeben  sind,  und  Troja  S.  2-45f. 

-■)  C.I.G.  3595,  3598,  3599,  3601  —  3605,  3607,  3610, 
3620,  3622.  Nachträge  zu  den  Inschriften  geben  Schliemann 
Ilios  S.  699  f.,  Troja  S.  252  f.  und  Lolling  Miltheil.  des  athen. 
Inst.  1884  S.  69f  Die  recht  zahlreichen  Notizen  der  Schrift- 
steller über  llion  sind  am  besten  von  Böckh  zu  C.  1.  G.  3595 
gesammelt  und  verarbeitet.  Vgl.  Schliemann  Ilios  S.  193  f. 
Noch  nicht  herangezogen  sind  die  Epigramme  anth.  Pal.  IX  28, 
102—104,  387  und  anth.  Xa(.  411K. 

3)  Schliemann  Trojan.  Alterth.  T.  30  und  31,  Ilios  S.  695, 
K.  Curtius  Arch.  Ztg.   1872  S.  57  f.  T.  64. 

*)  Troja  S.  227,  Ilios  S.  35. 

»)  A.  a.  Ü.  S.  59. 

")  Taf.  167,  189. 

17 


225 


0.  Rossbach,  Sculptiircn  von  Ilion. 


226 


anderer  Sculpturfragniente,  auch  einer  'unvollen- 
deten' (?)  Metope  finden  sich  in  dem  späteren  Werk 
'liios'  ')•  Jetzt  hat  Schlicmann  in  seiner  neuesten 
Schrift  'Troja'  eine  dankenswerthe  Nachlese  auch  in 
dieser  Hinsicht  gegeben.  Wir  finden  auf  S.  221f. 
Abbildungen  von  vier  nach  Maassen,  Stil  und  Material 
zu  derselben  Reihe  wie  die  Heliosdarstellung  ge- 
hörenden Metopen*).  Architektonisch  interessant 
ist  der  Umstand,  dass  ähnlich  wie  die  in  eine  Ecke 
gehörende  Heliosmetope  mit  den  zwei  an  sie  an- 
stossenden  Triglyphen  aus  einem  Block  gearbeitet 
war,  auch  die  anderen  Metopen,  welche  keine  Eck- 
stücke bilden,  je  mit  einer  Triglyphe  verbunden 
waren.  Leider  genügen  die  Holzschnitte  in  der 
jüngsten  Schliemann'schen  Publikation  nicht,  um 
ein  sicheres  Urtheil  über  den  Stil  der  Sculpturen 
zu  ermöglichen').  Ich  gebe  daher  auf  Tafel  14 
neue  Abbildungen  derselben  und  füge  eine  kurze 
Beschreibung  hinzu. 

Die  unter  Nro.  1  abgebildete  Metope  (Breite 
0,78,  Höhe  0,608,  Dicke  0,328,  Relieferhebung  bis 
0,08)  ist  oben  uud  an  der  1.  Seite  stark  beschä- 
digt; auch  hat  das  Relief  stark  gelitten.  Eine 
nach  1.  schreitende,  kopflose  weibliche  Figur  (Vor- 
deransicht) in  langem,  flatterndem,  dorischem  Chi- 
ton mit  Gürtel  und  Ueberschlag  hat  mit  dem  1. 
Arm,  an  dem  sie  einen  runden  Schild  trägt  (Innen- 
seite sichtbar),  einen  nach  r.  zurückgesunkenen  Krie- 
ger (Seitenansicht)  im  Haar  erfasst  und  holt  mit 
dem  r.  ausgestreckten  Arm  zum  Stoss  mit  der 
Lanze  gegen  ihn  aus.  Er  ist  völlig  nackt,  trägt 
am  1.  Arm  einen  runden  Schild  (Ausseuseite  sicht- 
bar) und  sucht  mit  dem  r.  seinen  Kopf,  der  fast 
völlig    zerstört    ist,    von    ihrem    Griff    zu  befreien. 

')  S.  697. 

*)  Die  bei  Schliemann  Troja  S.  221  abgebildete  Metope, 
welche  sich  nicht  in  Berlin  befindet,  gehört  wie  die  Helios- 
metope auch  dem  Fundort  nach  zu  dem  grösseren  Tempel.  Die 
übrigen  Stücke  waren  nach  verschiedenen  Orten  verschleppt, 
doch  kann  ich  nach  eigener  Anschauung  versichern,  dass  Mar- 
mor, Stil  und  Maasse  sich  nicht  von  denen  der  in  Ilion  gefun- 
denen Metopen  unterscheiden. 

'-^  Nur  die  Zeichnung  der  Athenametope  (S.  223),  wiklie 
übrigens  nicht,  wie  man  nach  Schliemanns  Worten  annehmen 
könnte,  von  R.  Schöne  herrührt,  macht  eine  Ausnahme,  doch 
hat  auch  sie  ofl'enbar  durch  die  Repioiluction  an  Deutlichkeit 
verloren. 


Trotz  des  Fehlens  der  Aegis  ist  sofort  klar,  dass 
die  weibliche  Gestalt  niemand  anders  sein  kann 
als  Athena.  Auch  über  ihren  Gegner  wird  man 
nicht  lange  iu  Zweifel  sein.  Denn  in  welchem 
Kampf  wird  die  Göttin  häufiger  und  gerade  in 
Werken  der  dekorativen  Kunst  mit  grösserer  Vor- 
liebe dargestellt  als  in  der  Gigantomachie  und  zwaj- 
mit  ihrem  speciellen  Gegner  Enkelados?  Dass 
dieser  nicht  in  der  für  die  Giganten  der  späteren 
Zeit  charakteristischen  Bildung,  mit  Schlangen- 
füssen,  dargestellt  ist,  wird  nicht  befremden,  da  er 
auf  dem  grossen  Fries  des  pergamenischen  Altars 
als  nackter,  schöner  Jüngling  gebildet  ist,  ebenso 
wie  viele  andere  Giganten.  Auch  scheint  die  Bil- 
dung gerade  des  Enkelados  mit  Sehlangenfüssen 
erst  in  der  römischen  Kunst  aufgekommen  zu  sein. 
Denn  dieser  sind  zwei  Reliefs,  das  eine  aus  Bronce 
im  Museo  Kircheriano  (abgebildet  Journal  of  hellenic 
stiulies  1883  zu  S.  90),  das  andere  aus  Terracotta  im 
Berliner  Antiquarium  Nr.  697  (in  Unteritalien  gefun- 
den) sicher  zuzuweisen.  Beide  haben  die  Misch- 
gestalt, während  sonst  der  überlieferte  Typus  der 
ganzen  Darstellung  nur  wenig  verändert  ist. 

Nur  den  Rest  einer  Kampfscene  zeigt  das  als 
Nro.  2  abgebildete  Bruchstück  eines  Metopen-  und 
Triglyphenblockes  (Metope:  Erhaltene  Breite  0,45, 
Höhe  0,615,  Dicke  0,346,  Relieferhebung  0,062;  Tri- 
glyphe: B.  0,58,  erhaltene  Höhe  0,595,  D.  0,374, 
Tiefe  der  Canäle  0,047).  Es  ist  die  obere  Ecke  der 
r.  Seite  der  Metope,  von  dem  Relief  jedoch  nur  wenig 
erhalten.  Man  sieht  den  stark  bestossenen,  behelm- 
ten Kopf,  die  Schultern  und  den  1.  Oberarm  eines 
nackten  Kriegers  (Vorderansicht).  Gegen  ihn  war 
von  1.  ein  runder  Schild  ausgestreckt,  von  dessen 
Rande  noch  ein  Rest  mit  dem  Porpax  und  an  diesem 
wieder  das  Fragment  einer  1.  Hand  erhalten  ist. 
Zwischen  welchen  Gegnern  der  Kampf  stattfindet, 
lässt  sich  nicht  entscheiden,  da  es  keineswegs  nöthig 
ist,  dass  alle  Kampfdarstellungen  der  Metopen  zu 
einer  Gigantomachie  gehörten,  vielmehr,  wie  wir 
sehen  werden,  ein  Relief  auf  einen  anderen  Kampf 
hinzuweisen  scheint. 

Wegen  der  Aehnlichkeit  der  Darstellung  er- 
wähne  ich  hier  eine  Metope,    die   nicht  in  Berlin 


227 


0.  Rossbaeli,  Sculpturen  von  Ilioii. 


228 


befindlich  ist  und  für  welche  ich  auf  die  Abbildung 
bei  Schlieraann  S.  221  verweisen  muss.  Auch  hier 
ist  die  Metope  und  die  1.  Triglyphe  aus  einem 
Stück  gemeisselt  und  nur  der  r.  Rand  der  Metope 
abgebrochen.  Das  Eelief  dagegen  ist  stark  be- 
schädigt: es  fehlt  der  r.  Arm  der  1.  Figur  und 
der  1.  uud  das  1.  Bein  der  r.;  ferner  hat,  soviel 
die  Abbildung  erkennen  lässt,  die  ganze  Oberfläche 
der  Körper  stark  gelitten,  namentlich  sind  die 
Köpfe  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt.  Dage- 
gen ist  die  Darstellung  völlig  klar.  Ein  nach  1. 
weit  ausschreitender  Krieger  mit  kurzem  Chiton 
und  Panzer  (?)  hat  einen  vor  ihm  ins  Knie  ge- 
sunkenen, mit  etwas  längerem  Chiton  bekleideten 
Gegner  mit  der  E.  im  Haar  gepackt  und  bedrohte 
ihn  wahrscheinlich  mit  einer  in  der  L.  erho- 
beueu  Waffe.  Der  1.  Arm  des  Unterliegenden 
scheint  auf  dem  1.  Knie  zu  liegen,  während  der  r. 
wohl  flehend  oder  abwehrend  nach  oben  ausge- 
streckt war.  Beide  Krieger  sind  in  Seitenansicht 
dargestellt. 

Grösseres  Interesse  bietet  das  unter  Nro.  3  abgebil- 
dete Bruchstück  der  1.  unteren  Ecke  einer  Metope 
(Erhaltene  Breite  0,617,  H,  0,465,  D.  0,255,  Relief- 
erhebung bis  0,072).  Was  von  dem  Relief  erhalten 
ist,  befindet  sich  verglichen  mit  den  bis  jetzt  be- 
schriebeneu Stücken  in  recht  gutem  Zustande  und 
zeigt  besonders  in  der  Behandlung  des  Nackten 
eine  ähnlich  sorgfältige,  künstlerisch  vollendete  Ar- 
beit wie  die  Heliosmetope.  Wir  sehen  eine  nach 
1.  zurücksinkende,  männliche,  bis  auf  ein  an  den 
Schenkeln  anliegendes  Gewand  nackte,  jugendliche 
Gestalt,  deren  Unterschenkel  und  Schultern  nebst 
Kopf  und  1.  Arm  fehlen.  Das  Abnehmen  der 
Kräfte  ist  treff'lich  durch  den  sclilaflf  herabsinken- 
den r.  Arm  und  den  in  seinem  oberen  Theile  etwas 
vorgeneigten  Oberkörper  ausgedrückt.  Diese  Ge- 
stalt wird  durch  eine  andere,  welche  gebückt  hinter 
ihr  steht  und  mit  kurzem  Chiton  und  Hosen  be- 
kleidet ist,  unter  den  Armen  unterstützt  und  vor 
völligem  Hinsinken  bewahrt.  Der  Oberkörper  der- 
selben ist  abgebrochen.  Dies  Motiv  ist  namentlich 
durch  zwei  Gruppen  des  Frieses  von  Phigalia  be- 
kannt,   wo  eine  Amazone  ihre  zu  Tode  getroffene 


Schwester  in  ganz  ähnlicher  Weise  aufrecht  hält 
(Westseite  1 '"),  Osfseite  15),  doch  findet  es  sich 
auch  auf  Savkopliagen  mit  Darstellungen  des  Todes 
der  Niobiden  und  des  Iphigeneiamythos  ").  Da  die 
beiden  letzteren  Deutungen  nicht  in  Betracht  kom- 
men können  und  die  sinkende  Gestalt  sicher  männ- 
lich ist'"),  so  bleibt  nur  noch  die  Möglichkeit  einer 
Scene  aus  einem  Kampfe  mit  Barbaren.  Dafür 
spricht  vor  allem  die  Trac])t  der  stehenden  Gestalt; 
ein  weiteres  Argument  hoffe  ich  später  beibringen 
zu  können'^).  Ob  durch  die  Beschädigung  der 
Metope  eine  dritte  Figur  verloren  gegangen  ist, 
könnte  fraglich  erscheinen,  doch  bin  ich  nicht  ge- 
neigt CS  anzunehmen,  da  die  nur  wenig  gekrümmten 
Beine  des  Verwundeten  den  übrig  bleibenden,  nicht 
gerade  bedeutenden  Raum  genügend  füllen.  Ausser- 
dem wird  aber  in  unseren  Metopen  wie  nament- 
lich die  mit  dem  knieenden  Krieger  zeigt,  das  Ge- 
setz der  RaumfUllung  nicht  so  streng  wie  in  älteren 
Kunstwerken  befolgt,  und  ein  Angreifer  oder  theil- 
nahmsvoUer  Zuschauer  passt  nicht  zu  der  Gruppe, 
findet  sich  auch  nicht  auf  den  erwähnten  ähnlichen 
Reliefs.  Dagegen  ist  es  recht  wohl  möglich,  dass 
diese  Metope  mit  einer  der  ihr  benachbarten  in 
Zusammenhang  stand,  eine  Erscheinung,  die  wir 
schon  bei  den  Parthenon-  uud  Theseionmetopen 
beobachten. 

Es   gilt   nun    den    Sculpturen  womöglich   ihren 

'")  loh  iülye  der  von  Overbeck  angenommenen  Zählung 
K.  Langes. 

1')  Overbeck,  Gallerie  heroischer  Bildwerke  T.  XXX  1, 
Stark  Niobe  und   die  Niobiden  T.  IV. 

'^)  Ich  bemerke  dies  wegen  Scbliemann ,  welcher  ebenso 
wie  sein  Zeichner  sich  durch  die  jugendlichen,  etwas  weichlichen 
Formen  imd  einen  Bruch  in  der  Brustgegend  hat  irre  leiten 
lassen.  Die  Spuren  des  wie  bei  dem  Gegner  der  Athena  abge- 
brochenen Gliedes  sind  auch  in  unserer  Phototypie,  deren 
Aufnahme  unter  ziemlich  ungünstigen  Bedingungen  erfolgen 
musste,  XU  erkennen.  Auf  die  weichlichen,  runden  Formen 
des  Kopfes  des  Helios  ist  von  E.  Curtius  a.  a.  0.  S.  GO  mit  Recht 
hingewiesen  worden.  Auch  der  ausgestreckte  r.  Arm  desselben  ist 
voll  und  zart  gebildet.  Uebrigens  waren  die  im  Eelief  nicht  an- 
gegebenen Wagenräder,  die  Geissei  oder  die  Zügel  in  der  r.  Hand 
offenbar  in  Farbe  ausgeführt.  Stilistisch  sehr  ähnlich  ist  der 
Heliosmetope  die  von  E.  Maass  (Annali  delV  inslitulo  1881  iav. 
d'agg.  E)  herausgegebene  Terracottametope  von  Pästum,  welche 
Dionysos  und  Selene  auf  einer  von  Stieren  gezogenen  Biga 
darstellt. 

'•')  S.  Anm.  32. 

17* 


229 


0.  Rossliach,  Sculptiireii  von  Ilion. 


230 


Platz  in  der  Kunstgeschicbte  anzuweisen.  Doch 
wird  an  der  Hand  von  ausschliesslich  stilistischen 
Kriterien  eine  genaue  Zeitbestimmung  kaum  zu 
geben  sein.  Denn  die  lebhaften  Bewegungen  der 
Kämpfer,  die  flatternden  Gewänder,  die  weich- 
liche Bildung  des  menschlichen  Körpers,  der 
schwermüthige,  fast  schmerzliche  Zug  des  Helios- 
kopfes '*)  und  die  eigeuthümliche  Bildung  des 
Haares  desselben,  alles  das  sind  Eigenthümlich- 
keiten,  welche  der  ganzen  hellenistischen  Kunst  ge- 
meinsam sind.  Keine  genauere  Zeitbestimmung 
giebt  ferner  der  doppelte  Strahlenkranz  des  Helios, 
für  den  E.  Curtius  auf  Münzen  von  Keos  und 
Alexanders  I.  von  Epeiros  hingewiesen  hat");  eben- 
sowenig auch  die  architektonischen  Beobachtungen 
der  Architekten  Schliemanns '").  Dagegen  darf  man 
sich  nicht  durch  Einzelheiten,  wie  namentlich  die 
Bildung  der  Pferde  des  Helios,  verleiten  lassen 
unsere  Sculpturen  in  der  erwähnten  Kuustepoche 
zu  hoch  hinaufzurückeu,  etwa  in  eine  Zeit,  als  noch 
starker  attischer  Einfluss  vorhanden  war.  Denn 
wenn  auch,  wie  E.  Curtius  treffend  bemerkt  (S.  58), 
das  Vorderpferd  einer  'Studie  nach  dem  Parthenon- 
friese' gleicht,  so  findet  sich  dieselbe  Bildung  mit 
dem  starken  Hals,  der  kurz  geschoreneu  Mähne 
und  dem  gedrungeneu,  mächtigen  Leibe  auf 
beträchtlich  späteren  Denkmälern '').  Doch  ist  es 
auch  nicht  uöthig-  trotz  der  Bemerkungen  von  Ad- 
ler") über  den  geraden  Abschluss  der  Triglyphen- 
furcben,  welchen  er  an  Denkmälern  römischer  Zeit 
wiederfindet,  bis  in  diese  Zeit  hinabzugehn"). 
Schliemann"")  setzt  nun  den  Tempel  im  Anschluss 

'^)  S.  Conze  über  den  Gesichtsausdnick  in  der  Antike  in 
den  Preuss.  Jahrb.  1S74  S.  36  f.,  39f.  Es  ist  derselbe  Zug, 
welcher  bekanntlich  in  seiner  höchsten  Potenz  sich  in  den 
schmerzvoll  verzogenen  Brauen,  der  Stirn  und  dem  Mund  des 
sogenannten  sterbenden  Alexander,  des  Laokoon,  mehrerer 
Giganten  im  grossen  Friese  von  Pergamon  u.  a.  ausspricht 
und  wie  in  der  Metope  immer  mit  einer  Wendung  des  Koples 
verbunden  ist. 

''•')  A.  a.  O.  S  59,  vgl.  Stephani  Nimbus  und  Strahlenkranz 
S.  JOl  (461),  S.  26  (386). 

'«)  Troja  S.  220. 

")  S.  z.  B.   Monum.  deW  inst.   VI,    VII   S4,  1. 

'*)  Bei  Curlius  S.  59. 

'••»)  S.  Anm.  32. 

'">)  Troja  S.  227. 


an  Strabo  (XIII  593)  noch  in  das  vierte  Jahrhun- 
dert V.  Chr.  und  lässt  ihu  von  Lysimachos  gebaut 
sein.  Aber  gerade  dasjenige,  was  nach  ihm  Strabo 
berichtet,  dass  Lysimachos  einen  Tempel  der 
Athena  in  Ilion  gebaut  habe,  besagt  jene  Stelle 
nicht.  Ich  theile  dieselbe,  da  wir  sie  noch  ander- 
weitig nüthig  haben  werden,  unten  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  mit"').  Zunächst  sieht  man  aus  ihr, 
dass  zu  Alexanders  Zeit  ein  Tempel  der  Athena 
vorhanden  war,  den  er  nicht  ausbaute  oder  durch 
einen  neuen  ersetzte,  sondern  nur  mit  Weihge- 
scheuken schmückte.  Auch  Diodor  (XVIII  4)  führt 
unter  den  von  Alexander  geplanten,  aber  von  seinen 
Nachfolgern  nicht  ausgeführten  Bauten  ausdrücklich 
diesen  Tempel  auf.  Wenn  es  weiter  bei  Strabo 
heisst,  dass  Lysimachos  iu  der  durch  Synoikismos 
der  umliegenden  Ortschaften  vergrösserteu  und 
mit  einer  Mauer  umgebenen  Stadt  einen  Tempel 
baute,  warum  soll  damit  gerade  der  Tempel  der 
Athena    gemeint    sein?     Gerade   die    unbestimmte 

■-')  XIII  p.  593  C.  §  26  (s.  Gaede  Demetrii  Scepsii  quae 
supersimt,  Greifsw.  1880,  p.  27):  irjv  äi  riüv  'li-ifiüv  nokiv  iiäv 
vöv  T^iog  fi'tv  xojurji'  Hval  ifuni  7ü  hnov  eyovaav  jq;  Ht'trircii 
fjtixQov  y.(u  tvjilh,  'AXf^uvdijov  öi  ävaßävTa  fiHÜ  t!]V  (nl 
riHtvCxo)  v(xr]v  <tvct!>riuttai  re  xoG/^itjacti  i6  ieyov  xai  Ttqoaa- 
yOQfCaai  nöi-iv  xaX  oixaiiofticti;  ära).nßih'  nrioaia^tti  roTf 
ini/jikrjrciTi  iXfvit^oav  je  xqTvui  xai  ciifOQOv  •  vmtoov  öi 
fiiic'i  ji]V  xeiTnt.vntv  KÖi'  Iltgadiv  iniajoXriv  xc<TciTi€/jipcii  ifi- 
).c(i'!>o(anoi>  vmayvoiiMVOV  noXir  li  Jioiijnni  fjfyuXriv  xid 
Ifnor  IniarjuOTaiüV  xia  nj'öii'K  c'tnoiStQfii'  i'fpo'r  ■  ,ufT«  ä'i 
Trjr  (xtivov  ifltvjrjV  Avaluuyni  fiiiXiara  jijg  nöXtia;  Inifte- 
Xt'iDtj  xiii  vtwv  x«itaxtvaot  xa'i  jsT/oi  niQiißdkijo  oaov 
TtjittcjcixoiiK  oiuöiwv,  avvioxia^  ts  fig  «inj)'  t((i;  xvxXo> 
TjöXng   ttii/«i'«g    t'iifr]  xexaxoju^rccg.  xii, 

p.  094  §  27;  xal  rö  "tXiov  (J'  o  rvv  Iml  xio/.t6noXig  iig 
riv,  oit  77OWI0I'  Pcuftatoi  T/jf  Idaing  In^ßrjaav  xal  fifßaXoi' 
'Ariioxov  töf  ii^yur  ix  lijs  hiög  Toij  Tca(iov.  (/»joi  yovv 
^i)fjriT(iing  i  ^xriiijiiig  fJdQiixiov  imd'rjfirinttg  itg  irjv  noXiv 
xcir  fxfd'ovg  Toie  xctigoiig  oi/tcu?  (öXiyioQrjjjfyrjV  iiSeiy  Tfji' 
xmoixlciv  loart  ,urjd't  xtQajJunüg  f/f/v  rtis  aj^ycig.  'llyi]an'ii'ui 
lU  7oiif  raXuiug  nfnuKoOf'i'jng  (x  lijg  Evminrig  itrtißrjVKi  fitv 
fig  iijv  nöXiv  iSto/j^vovg  fyvucaog  naoit  XQrjficc  iS' (xXinfh' 
iSiü  TO  ehii'xiniov  •  varigov  Ö'  in av6i>itiaaiv  (Oye  nok- 
XrjV.  th'  Ixcixuiaav  aviriv  nnkiv  ot  filtä  ^pi/jßyCov  P(u/iaiot 
Xttßövjig  fx  noXiOQxittg  Iv  i(ü  MilfQu^inixo)  7ioXf/jm.  avvi- 
■n(uii!>t]  äi  ö  'l'ifißntftg  intiro)  OinXfoiM  •^hXi'ixxif)  Tcifiiag  tiqo- 
ynnia,')iin  (nt  xbv  ßliUoiJcirrjV  xcniimnaidoitg  ili  xct'i  ävf- 
X(br  löv  vnujor  7tK7f<  BiDvvkiV  icviog  xcniojuOrj  xi'fitiog  J>ii 
ajocaiug  xiü  TKjoatXOtov  lig  "IXiov  ov  iSeyofi^yojy  iiviov  nur 
'IXidov  lüg  X)jairiv  ßi'av  it  {ucU'ti  die  Hss.,  von  Meineke  ver- 
bessert) nttoatfdjti  xcä  öixccjicCoug  ctlgti.     xie. 


231 


0.  Rossbacli,  Sculptureii  von  Ilion. 


232 


I 


Bezeichnung:  —  mindestens  wäre  der  Artikel  zu 
erwarten  —  spricht  für  irgend  eine  andere  Gott- 
heit, etwa  den  C.I.G.  oü'JU  erwähnten  Zeüt;  Uolievg^ 
da  sonst  der  so  gut  untcrriclitete  Strabo  die  Be- 
merkung nicht  unterlassen  haben  würde,  dass  das 
alte  Heiligthum  der  Athena  durch  ein  neues  ersetzt 
wurde.  Aber  wer  sagt  uns,  dass  ein  Neubau 
desselben  gar  so  dringend  nöthig  war?  Wir  haben 
ja  gesehen,  dass  es  sich,  als  altberühmter  Tempel, 
unter  Alexander  noch  in  dem  Zustande  befand, 
dass  es  die  sicher  priiclitigen  Weihgescbenke  des- 
selben aufnehmen  konnte.  Nach  Lysimachos  brach 
eine  traurige  Zeit  über  ganz  Kleinasien  wie  über 
Ilion  herein  (vgl.  das  Orakel  der  Phaennis  bei  Pau- 
sanias  X  15,2f.).  Um  215  v.  Chr.  wurde  es  nach 
Polybios  (V  111)  von  einem  Gallicrschwarm  belagert. 
Derselbe  Gewährsmann  weiss  allerdings,  dass  es 
durch  die  Bewohner  von  Alexandreia  Troas  entsetzt 
wurde,  aber  Hegesianax  bei  Strabo  (S.  594)  be- 
richtet, dass  die  Gallier  Ilion  in  Besitz  genommen, 
jedoch  bald  darauf  wieder  verlassen  hätten,  weil 
sie  den  unbefestigten  Platz  nicht  halten  zu  können 
glaubten").  Das  sind  Unfälle,  von  denen  wir 
durch  zufällige  Ueberlieferung  etwas  wissen;  wie 
sehr  aber  die  Stadt  durch  die  fortwährenden  Wirren 
der  Diadochenzeit  herabgekommen  war,  das  zeigt  die 
Nachriclit  des  Deuietrios  von  Skepsis,  eines  Augen- 
zeugen, welchen  Strabo  hier  namentlich  citirt,  ob- 
gleich er  seinen  Tgcoixog  öiänoofiOi;  in  dem  ganzen 
Abschnitt  über  die  Troas  hauptsächlich  benutzt"^). 
Demetrios  war  als  Knabe  zur  Zeit  des  Krieges 
zwischen  Rom  und  Antiochos  nach  Ilion  gekommen 
und  sah  die  Stadt  in  so  verkommenem  Zustande, 
dass  sie  nicht  einmal  mehr  Ziegel  auf  den  Dächern 

--)  Dioysen  Gesch.  des  Hellenismus  II  348  Anm.  2  giebt 
dieser  Ueberlieferung  mit  Recht  den  Vorzug  vor  der  des  Poly- 
bios, welche  Böckh  a.  a.  O.  veithcidigt.  Polybios  benut«te  wohl 
eine  Quelle,  welche  die  Sache  für  die  Hier  und  die  Bewohner  von 
Alexandreia  Troas  möglichst  günstig  darstellte,  vielleicht  den  aus 
der  letzteren  Stadt  selbst  gebürtigen  Hegesianax.  Gerade  die 
besondere  Hervorhebung  der  rühmlichen  That  der  Alexandriner 
(oiix  eiyurj;  7t(>i(iig)  scheint  darauf  hinzuweisen.  Auch  eine 
Combination  beider  Nachrichten  ist  möglich,  wenn  man  an- 
nimmt, die  Gallier  hiitten  die  schlecht  befestigte  Stadt  auf  die 
Nachricht  vom  Anrücken  der  Alexandriner  verlassen 

2'')  S.  Niese  im  Rhein.  Mus.  XXXII  S.  86  Anm.,  Gaede 
Deuietrii  Scejjsii  quae  snpcrs.  S.  13  f. 


hatte.  Es  liegt  nicht  der  geringste  Grund  vor, 
diese  Angabe  zu  bezweifeln,  und  eine  derartige 
Stadt  verdient,  selbst  wenn  sie  noch  Mauern  hatte, 
den  Namen  xci)/.innnkts,  welchen  ihr  Strabo  für 
diese  Zeit  giebt-').  Der  alte  Tempel  der  Athena 
wird  aber  in  einem  entsprechenden  Zustande  ge- 
wesen sein  und  selbst  wenn  man  die  kaum  glaub- 
liche Möglichkeit  festhält,  dass  das  von  Lysimachos 
erbaute  Heiligthum  der  Athena  geweiht  war,  so 
kann  auch  dies  recht  wohl  in  jenen  Unglücksjahren 
zerstört  oder  stark  beschädigt  worden  sein.  Weiter 
fährt  nun  aber  Strabo  fort:  varsgov  d' inavÖQ&coaii' 
saxE  rroAAryv").  Dies  vaT£()ov  wird  durch  den  Zu- 
sammenhang auf  die  Zeit  zwischen  dem  Gallier- 
einfall, beziehungsweise  dem  Krieg  mit  Antiochos 
und  der  Einnahme  durch  Fimbria  beschränkt,  also 
auf  die  Jahre  215,  beziehungsweise  190  bis  85.  In 
dieser  Zeit  herrschte  aber  gerade  die  reiche,  pracht- 
liebende Dynastie  von  Pergamon  (241 — 133),  welche 
durch  ihr  Verhältniss  zu  Eom,  das  schon  einmal 
einem  hellenistischen  Herrscher  die  ihm  stammver- 
wandten Hier  empfohlen  hatte*''),  darauf  angewiesen 
war  für  dieselben  zu  sorgen.  Dass  Attalos  I.  (241 — 
197)  die  Bürger  für  ihre  Treue  auszeichnete,  wissen 
wir  aus  Polybios  (VTS"'),  ""d  C.I.G.  3G1G  zeigt 

■-'*)  ßoeckh  a.  a.  O.  hält  die  Bezeichnung  xiouänolig  für 
unrichtig,  weil  bei  Livius  XXXVII  37  erzählt  wird,  das  Heer  des 
L.  Scipio  habe  unter  den  iVlauern  von  Ilion  gelagert,  aber  ein- 
mal besagt  eine  derartige  Erwähnung  derselben  nicht  genug,  um 
die  Annahme  zu  verbieten,  dass  wir  es  nur  mit  einem  gewöhn- 
lichen terininus  technicus  zu  thun  haben;  und  dann  ist  es  auch 
keineswegs  unmöglich,  dass  eine  xojuönoln  mit  Mauern  um- 
geben ist,  die  ja  stark  beschädigt  und  nicht  vertheidigungsfähig 
sein  können. 

'^)  Diese  Worte  machen  den  Eindruck ,  als  wenn  sie  an 
Stelle  einer  längeren  Aufzählung  des  Demetrios  ständen. 

-^)  Suet.  Claud.  2.5:  Iliensibus,  quasi  liomatiae  f^enlis 
auctoribus,  (Claudius)  tributa  in  perpeluum  remisit  recitata  vetere 
epistula  Graeca  senatus  populiquc  Romaui  Seleuco  regi  amicitiam  et 
socieiatem  ita  demum  pollicenti,  si  consanguineos  suos  Ilimses  ab 
omni  onere   immunes  praesiiiisset. 

■'')  Dieser  königliche  Gnadenbeweis  wird  in's  Jahr  21(5 
gesetzt,  also  noch  ein  Jahr  vor  dem  Galliereinfall.  Doch  kann 
man  hieran  nicht  Anstoss  nehmen,  wenn  man  erwägt,  dass  auch 
Strabos  Zeitbestimmung  nur  eine  ungelähie  ist,  und  dass  jene 
Gunstbezeugung  {%i)ij/.itti(aas  (fiÄui&ij'j'mios)  schon  nach  dem 
Wortlaut  keine  grössere  Wolilthat,  sondern  nur  ein  Ehrendecret 
oder  etwas  ähnliL-hL's  war.  Das  Fragment  eines  solchen  an  die 
Hier  von  einem  hellenistischen  Herrscher,  in  welchem  Francke 
(Richter'sche  Inschriften  S.  437)   einen  Attaliden  vermuthct,   und 


233 


0.  Rossbeicli,  Sculpturen  von  Ilion. 


234 


die  Existenz  einer  (fvXfj  IdixaVis  in  Ilion,  eine 
ausseroi-dentlicbe  Elirenbezeugung,  welche  gewiss 
ihren  guten  Grund  hatte.  Nun  ist  die  Vorliebe 
der  pergamenischen  Herrscher  für  den  Cult  der 
Athena  bekannt,  und  wenn  Strabo  gerade  für  diese 
Zeit  von  einer  "Wiederherstellung  der  Stadt  spricht, 
welche  Vermutliung  liegt  da  näher  als  die,  dass 
sie  den  Plan  des  grossen  Alexander  ausführten  und 
an  Stelle  des  alten,  jetzt  sicher  baufälligen  oder 
zerstörten  Tempels  einen  neuen  würdigeren  errich- 
teten oder  wenigstens  die  Hier  beim  Bau  that- 
kräftig  unterstützten? 

Zu  derselben  Annahme  nöthigen  gewisse  Beob- 
achtungen an  den  Sculpturen.  Ich  lege  weniger 
Gewicht  auf  manches  Stilistische,  was  uns  schon  oben 
zur  Heranziehung  der  pergamenischen  Reliefs  ver- 
anlasste, ebenso  wenig  auf  die  bedeutende  Aehn- 
lichkeit  der  Athenametope  mit  der  Athenagruppe 
vom  pergamenischen  Altar,  ein  Vergleich,  welcher 
sich  wohl  jedem  Beschauer  bei  dem  Anblick  jener 
aufdrängt.  Trotzdem  auch  dies  nicht  zu  unter- 
schätzende Beweismoniente  sind,  so  wiegen  sie  für 
sich  allein  betrachtet  nicht  schwer  genug,  denn  die 
Stileigeuthümlichkeiten  berechtigen  zu  keiner  ge- 
naueren Datirung,  und  die  Aehnlichkeit  der  einen 
Scene  lässt  sich  auch  durch  die  so  oft  zu  beob- 
achtende Ueberlieferung  des  gleichen  Schemas  für 
die  gleiche  Darstellung  erklären.  Wichtiger  ist 
schon,  wenn  wir  in  der  Ausführung  des  Detail  eine 
überraschende  Aehnlichkeit  finden.  So  kehrt  die 
Innenverzierung  des  Rundschildes  der  Athena  durch 
Kreise  und  an  dieselben  sich  anschliessende  Kreis- 
ausschnitte nicht  nur  auf  den  Reliefs  der  Giganto- 
raachie''"),  sondern  auch  auf  einer  Kampfscene  des 
'l'elephosfrieses  wieder").     Völlig  entschieden  wird 

worin  ein  früherer  Brief  und  Wciligeschenko  an  die  Athena  Ilius 
erwähnt  werden,    ist  nocli  erhalten  {C.l.G.  3G05). 

'i*)  Athenagruppe  (abgebildet  im  Jahrb.  der  liünigl.  preuss. 
Kunstsammlungen  1:  Conze,  Ilumann  u.  s.  w.,  vorläufiger  Be- 
richt T.  IV  =  Overbeck  Geach.  der  griech.  Plastik '11  Fig.  132  A) 
und  die  mit  11,  K,  M  bezeichneten  Reliefs.  Ueber  die  Verzie- 
rungen der  Schilde  s.  H.  Brunn  die  kunstgeschichtliclie  Stellung 
der  pergam.  Gigantomacbie  iui  .Jahrb.  der  königl.  jireuss.  Kunst- 
sammlungen V  (1884)  S.  23Gf. 

•")  Krwähnt  in  der  Beschreibung  der  pergamen.  Bildw. 
herausg.  von  der  Generalverwaltung  der  kgl.  Museen,  0.  Aufl. 
S.  24. 


die  Sache  durch  zwei  technische  Momente.  Ein- 
mal liess  sich  durch  genauen  Vergleich  an  den 
Bruchstellen  constatiren,  dass  die  Metopen  aus 
demselben  ziemlich  grobkörnigen,  weissen  und 
nur  ganz  wenig  ins  Blaue  spielenden  Marmor  an- 
gefertigt sind  wie  der  grosse  und  kleine  Fries'"). 
Dann  ist  aber  auch  die  Art  der  Vereinigung  einer 
Platte  mit  der  anderen  völlig  übereinstimmend.  Be- 
kanntlich spielt  in  der  Architektur  der  hellenistischen 
Epoche  im  Gegensatz  zu  der  klassischen  Zeit  der 
Bleiverguss  bei  der  Verbindung  von  Werkstücken 
eine  grosse  Rolle.  So  finden  wir  in  Perga- 
mon  (z.  B.  au  der  r.  unteren  Ecke  des  Zeusreliefs 
der  Gigantomacbie),  um  eine  Platte  an  der  Schmal- 
seite mit  dem  unter  ihr  befindlichen  Werkstück  zu 
vereinigen,  das  eigeuthümliche  Verfahren,  dass  unten 
an  der  Stossfläche  von  der  Rückseite  aus  ein  schrä- 
ger Canal  hineingearbeitet  ist,  welcher  etwa  in  der 
Mitte  der  Dicke  der  Platte  endigt.  Von  den  bei- 
gedruckten Skizzen  giebt  die  grössere  eine  Seiten- 
ansicht dieses  Canals  (die  glatt  erhaltenen  Theile 
der  Stossfläche  sind  weiss  gelassen,  die  beschä- 
digten schraffirt),  die  kleinere  einen  Durchschnitt 
des  Loches,  in  das  er  mündet.  Durch  den  Canal 
wurde  offenbar  das  geschmolzene  Blei  um  einen 
Eisendübel  herumgegossen.  Einen  gleichen  Canal 
finden  wir  aber  auch  an  der  Athenametope  von  Ilion 
völlig  an  derselben  Stelle  wie  an  dem  Zeusrelief. 

Hierdurch  ist,  wie  ich  glaube,  der  genügende 
Nachweis  erbracht,  dass  die  Sculpturen  des  Athena- 
tempels  und  mithin  er  selbst  ungefähr  derselben  Zeit 
angehören  wie  die  Reliefs  des  grossen  Altars  von 

'■"')  Seine  Herkunft  ist  noch  unbekannt;  er  wird  wohl 
in  Kleinasien  selbst  gebrochen  sein.  Das  Material  der  Helios- 
metope  wurde  bei  ihrer  Auffindung  für  parischen  Marmor  er- 
klärt, doch  ist  dieser  feinkörniger.  Eine  zweite  gleichfalls  in 
Ilion  (s.  zwei  Basen  im  Schliemann- Museum  Inv.  5589,  5590) 
imd  l'ergamon  vorkommende,  stärker  ins  Blaue  spielende  und 
deshalb  für  bessere  Sculpturen  nicht  verwendete  Marmorart  wurde 
ollenbar  schon  im  Alterthum  von  der  anderen  kostbareren  unter- 
schieden, da  es  C.  I.  G.  3595,55  heisst:  tl/.uva  XQvatjV  Qiv- 
Tio^ov)  ((p  i'nnov  (v  toi  iiQoi  riji 'A!tt]räs  If  Tw  (nitfavtaiuiiit 
Tonoi  ini  ßi'ifJUTOi  roO  liuxov  ).(llov  und  3598,19:  ttVetyQci- 
!/'[«(  j6(h  lü  ifi)i(fiOfiu  lii  atrilui  äüo]  luv  ).tvxov  XiSov.  Auch 
in  der  von  Schliemann  Troja  S.  235  veroftentlichten ,  auf  einer 
'weissen  Mannorplatte'  eingegrabenen  Inschrift  ist  mit  Sicher- 
heit: yjji'iltfia^ua  (Ig  nT>]/.iiv  xov  [i.tvxoü  XtOuv  th]  TO  it»öc 
liyi-  ^AShit'üq  zu  ergänzen. 


235 


0.  Rossbacli,  Sculptnrpii  von  Tlion. 


236 


l'ergamon,  und  wolil  auch  von  Küustlern  derselben 
Schule,  vielleicht  sogar  auf  Befehl  desselben  Herr- 
schers, Eunienes  II.  (197  — 159),  angefertigt  sind  ^'). 
Der  spätere  Brand  des  Tempels  bei  der  Eroberung 
Ilions  durch  Fimbria  hat  nach  Schlieniann's  Beob- 
achtungen (Troja  S.  226 f.)  mehr  das  Innere  und 
die  obersten  Bauglieder  wie  die  Sima  betroffen'^), 
so  dass  auch  der  schon  an  und  für  sich  kaum 
glaubliclien  Annahme,  der  Tempel  mit  seinen 
Sculpturen  sei  nach  der  Fimbrianischen  Zerstörung 
errichtet  worden,  jeglicher  Halt  entzogen  wird. 

Als  weitere  Reste  der  Metopen  führt  Schlie- 
mann")   einen  Athena-  und  einen  Pferdekopf  auf, 

•^')  Da  auf  diese  Weise  die  Sculpturen  nahe  an  die  rö- 
mische Zeit  herungeiüclft  sind,  so  findet  die  angeführte  Be- 
merkung Adlers  ihre  Erledigung.  Auch  ein  Barbarenkampf, 
wie  «ir  ihn  in  der  einen  Metope  sahen,  hat  gerade  bei  einem 
Tempel,  welcher  in  der  Zeit  der  Gallierkämpfe  mit  Unter- 
stützung eines  pergamenischen  Fürsten  errichtet  wurde,  seine 
besondere  Berechtigung. 

^-')  Man  sieht  hieraus,  wie  sehr  Appian  übertreibt,  wenn 
er  Mithrid.  53  sagt:  xed  oix6nf<Sov  oi'Jh'  —  ovd'  hoov  oiiJ' 
<cytc).un  ^v.  Dagegen  spricht  Strabo  nur  von  einer  Scliiidigung 
der  Stadt,  ein  neuer  Beweis  für  seine  Zuverlässigkeit. 

'ä)  Troja  S.  240 f. 


welche  sich  wahrscheinlich  in  seiner  Sammlung  in 
Athen  betinden.  Ausserdem  besitzt  das  Berliner  Schlie- 
mann-Muscum  das  abgeschlagene  Vordertheil  eines 
männlichen,  jugendlichen  Kopfes  (auf  unserer  Tafel  als 
Nro.4  in  grösserem  Massstabe  wie  die  übrigen  Stücke 
abgebildet"),  welcher  zwar  stark  beschädigt  ist,  aber 
nach  Stil,  Material  und  Grössenverhältnissen  sicher 
zu  den  Metopen  gehört.  Der  Mund  ist  so  weit  ge- 
öffnet und  die  Oberlippe  so  sehr  in  die  Höhe  gezo- 
gen, dass  man  versucht  sein  kann  an  einen  Ster- 
benden aus  einer  Kampfscene  zu  denken.  Endlich 
sind  unter  den  auf  den  Tafeln :  119,  120,  136,  137, 
155,  158,  167,  189  der  'trojanischen  Alterthümer'  ab- 
gebildeten Marinorfragmenten  einige,  die  als  Reste 
ilischer  Sculpturen  einer  genaueren  Untersuchung 
wohl  werth  wären,  wenngleich  keines  zu  den 
Metopen  zu  gehören  scheint. 

Otto  Rossbach. 


^*)   Trojanische   Alterth.   T.  34   nr.  852    wird   eine  ungenü- 
gende Abbildung  gegeben. 


237 


238 


BEITRÄGE  ZU  DEN 
GRIECHISCHEN  VASEN  MIT  MEISTERSIGNATUREN. 


(Tafel  15. 

Der  Besuch  niebveier  öfifentlicher  und  privater 
Vascnsaiumlungeu'),  sowie  die  Durchsicht  des 
Apparates  im  archäologischen  Institut  zu  Eom 
setzen  mich  in  Stand,  zu  der  ungemein  nütz- 
lichen Zusammenstellung  „griechischer  Vasen  mit 
Meistersignatuven"  von  Klein  (Separatabdruck  aus 
Band  XXXIII  der  Denkschriften  der  Wiener  Aka- 
demie) eiue  Reihe  von  mehr  oder  minder  wich- 
tigen Verbesserungen  und  Ergänzungen  zu  geben.  Ich 
benutze  zugleich  die  Gelegenheit  einige  der  hierher 
gehörigen  Vasen  zu  veröffentlichen.  Blosse  Be- 
richtigungen zu  Kleiu's  Angaben  sind  in  kleiner 
Schrift  gegeben,  die  Namen  der  hier  zuerst  nach- 
gewiesenen Künstler  mit  einem  Stern  bezeichnet. 
Amasis  (Klein  a.  a.  0.  S.  20). 

3.  Beschrieben  von  F.  v.  Duhu  im  Bull.  d. 
Jiisi.  1878  S.  206;  Fundort  Orvieto;  Höhe  c.  26  cm. 
Die  Vase  befindet  sich  jetzt  in  der  Sammlung 
Bourguignon  zu  Neapel.  Eine  eingehende  Be- 
schreibung ist  angesichts  unserer  Tafel  15  nicht 
nöthig.  Auf  A  handelt  es  sich  schwerlich,  wie  Duhn 
meint,  um  Flucht  und  Verfolgung,  sondern  es 
sind  in  wenig  prägnanter  Situation  zwei  ruhig  nach 
links  gehende  Krieger  dargestellt,  von  denen  der 
ersterc  sich  umwendet.  Zwischen  ilmen  steht 
AMA^I^MErOIE^EN 

—  Duhn  übevsali  das  ft  — ;  das  Gleiche  ist  nach 
Analogie  von  No.  1.  4.  5  auch  auf  B  zu  ergänzen. 

—  In  Feinheit  und  Fleiss  der  Zeichnung,  sowie 
in  Art  der  Darstellung  berührt  sich  die  Vase  eng 
mit  No.  1. 

Timagoras  (Klein  S.  23). 

2.     Zeichnung    im  Apimiat    des   archüol.  Instituts   zu  Koni. 

Nikosthenes  (Klein  S.  24). 
Es  kommen  neu  hinzu 
71.    Kleine  sfg.  Amphora  mit  gewöhnlichen  Henkeln 

')  Es  sind  besonders  folgende:  Museo  Gregoriano  zu  Rom, 
Musco  Tarquiniese  und  Saninilung  der  Gräfin  Bruschi  zu  Corneto, 
Museo  Ktrusco  zu  Florenz,  Vasensammlung  der  arcliäolog.  Ge- 
scllschuft  zu  Athen,  Museo  nazionale  und  Sanmilung  IJourguignon 
zu  Neapel,  Vascnsammlung  König  Ludwigs  I.  zu  München. 


16.  17.) 

in  Corneto,    Museo  Tarquiniese.     Dicht  unter  dem 
Hals 

A.  rechts  und  links  von  einem  Dreifuss  ein 
Faustkämpfer.     Die  Insclirifc 

NIKO^OENE^EPOIE^EN 
ist  neben  der  Darstellung  im  Bogen  geschrieben. 

B.  Die  gleiche  Darstellung  ohne  Inschrift.  Vgl. 
das  Bild  am  Hals  von  No.  30  und  33. 

72.    Efg.  Kautharos  in  Corneto,  Sammlung  Bruschi. 

A.  Oberer  Streifen:  Dionysos  mit  rechts  ge- 
wandtem Kopf  nach  links  gelagert,  hält  in  den 
Händen  Weinreben  und  Trinkhorn.  Unterer  Strei- 
fen: Herakles  kämpft  mit  dem  Löwen;  rechts  davon 
kleine  Figur  mit  Pileus,  wohl  lolaos. 

B  konnte  ich  leider  nicht  sehen,  doch  steht 
die  Publikation  in  den  Institutsschrifteu  bevor.  — 
Gewöhnliche  Meister-Inschrift  am  Fusse  des  Ge- 
fässes.  Klein  S.  24  und  32  (zu  Nr.  68.  69)  bezwei- 
felt, dass  Nikosthenes  bei  rothfigurigen  Vasen  mit 
seinem  Namen  der  Maler  sei.  Jedenfalls  würde  er 
sich  auf  dem  Kautharos  von  einer  ganz  neuen,  vor- 
theilhafteren  Seite  zeigen. 

Tleson  (Klein  S.  33). 

14.  Zeichnung  in  Ajjparat  des  Instituts  zu  Rom. 

Uebersehen  ist 

34.   Schale,    nur   mit  Inschrift,    im  Museo  Gre- 
goriano (No.  201). 

Hermogeues  (Klein  S.  37). 

15.  In  der  Th:it  dieselbe  Darstellung  wie  auf  P-'  und  i'S, 
was  Klein  vermulhete. 

Charinos  (Klein  S.  40). 

1.  Das  unter  dieser  No.  beschriebene  Gefass  befindet  sich 
nicht  in  Berlin,  sondern  im  Museo  Tarquiniese   zu  Corneto. 

Zu  den  beiden  Nummern  bei  Klein  kommen  hinzu 
3.  4.  Trinkgefässe  von  gleicher  Art  wie  1,  in 
Berlin  und  (wie  Furtwängler  im  Berliner  Vasen- 
katalog mittlieilt)  in  Petersburg,  fast  identisch  mit 
einander  und  zu  Vulci  in  demselben  Grabe  ge- 
funden. Die  Haube  des  Kopfes  ist  netzartig  bemalt; 
unter  der  Mündung  ein  Palmettenstreif.     Auf  dem 


239 


P.  J.  Meior,  Zu  floii  Vasen  mit  Meistersignaturen. 


240 


Henkel  ist  eingeritzt 

+  APINO^  EPOIE^EN. 
Vgl.  llelbig  Bull.  (l.  Inst.  1883  p.  IGöf. 
*  Chiron  (vgl  Klein  S.  8G). 
Kleine  Schale   im  Museo  Gregoriano  (No.  229). 
Sic  ist  nacli  Art  der  Schalen  des  Tleson  1 — 11  nur 
mit  Palnietten  au  den  Henkeln  verziert.    Auf  jeder 
Seite  +IPON  ETOIE^EN-    Das  +  ist  beide  Mal 
etwas    undeutlich    geschrieben    und    gleicht    einem 
^,    doch    steht  die  Lesung   fest.      Vermuthlich   ist 
auch    auf  dem    Fragment   zu   Athen   bei   Benndorf 
Vasenb.  XII  f)   der    erste    Buchstabe    nicht  ein   E, 
sondern  ein  +. 

*Sikelos. 
Panatiienäische  Preisamphora  im  Museo  nazionale 
zu  Neapel    (No.  112,  848)   aus  Tarent,    wohl    dem 
5.  Jahrhundert  angehörig. 

A.  Athena  zwischen  Säulen,  auf  denen  je  ein 
Halm  sitzt.  Links  twv  'Ad^rjvi^d^ev  a&)Mv^  rechts 
eingeritzt  in  den  schwarzen  Firniss 

^\KElO^  EPPAcD^EN. 
Pamphaios  (Klein  S.  41). 

5.  Im  Innern  ist  ebenso  wie  bei  3  nml  4  ein  biirtiges 
Gorgoneion  dargestellt. 

8.  Gehört  zu  KIa>se  II,  da  nur  die  Aussenbilder  rotb,  das 
Innenbild  dagegen  schwarz  ist.  Am  Fusse  steht  PAA'fflAlOS 
MEPOIESEN  —  Klein  be.icbtet  das  fj  nicht  — ;  doch  ist  der 
Zweifel  über  die  Zugehörigkeit  des  Fnsses,  der  Museo  Gregoriano 
p.  13  zu  Tafel  64,4  geäussert  ist,   wohl  begründet. 

12.    Klein  giebt  die  Inschriften  nicht  genau  wieder: 

I.     HO   PAIS  KAUOS. 

A.    Rechts  von  Herakles  AKUES. 

Heibig  erkannte  {Eatl.  d.  inst.  1877  p  114)  rechts  von  der 
Flügelfigur  auf  K_vkno^' Seite  OS,  was  er  zu  xnlug  ergänzte;  doch 
steht  deutlich  <t>OBOS  da,  der  Name  des  Wagenlenkers,  und 
hierdurch  wird  Heydenianns  auf  Grund  der  Berliner  Kanne  bei 
Gerhard  A.  V.  Tat".  V22i.  aufgestellte  Vermuthung,  die  Figur  sei 
'I'ößoi  zu  nennen,  bestätigt 

25.  Der  Zeichnung  im  Ajjparat  des  Instituts  zufolge  steht 
auch  HEUE  NE  auf  der  Amphora.  Die  Meisterinscbrift  lautet 
4>AI<t>AIOS  EPOIESEN;  der  Zeichner  hat  ein  „sie!"  dazn- 
geschrieben. 

Neu  kommt  hinzu 

28.  Sfg.  Schale  älterer  Form  aus  Orvieto,  in 
der  Sammlung  Bourguignon  zu  Neapel.  Die  Zeich- 
nung ist  mit  schwarzem,  an  den  Rändern  heller 
werdendem  Firniss  und  rothbrauner  Farbe  (in 
unserer  Publikation,  Taf.  1(3,1,  schraffirt)  etwas  flüch- 

Archiiolü!?.  Ztjr.   .hihr^fang  XLII. 


tig  auf  weissem  Pfeifenthou  ausgeführt.  Der  Contur 
ist  nirgends  gravirt.  Der  ganze  Fuss  ist  neu.  Durch- 
messer 20'/,  cm. 

1.  Ein  bärtiger  Reiter  mit  Petasos,  Chlamys  und 
zwei  Speeren  sprengt  nach  rechts;  unter  ihm  läuft  ein 
Hund.  Die  heller  gezeichneten  Theile  sind  von 
einem  Vasenrestaurator  in  S.  Maria  di  Capua  sehr 
geschickt  mit  Bleistift  auf  der  Schale  ergänzt.  Ueber 
dem  Reiter  nach  Aussen  gerichtet  die  Inschrift 
rANtDA'O^  EPOIE^N  (sie!). 

A.  B.  Jederseits  zwei  Panther,  einander  gegen- 
überstehend, die  Köpfe  dem  Bescliauer  zugewendet. 
Neben  den  Henkeln  sind  Palmetten  gezeichnet.  — 
Die  Schale  steht,  was  Technik  und  Darstellung 
betrifft,  unter  den'Gefässen  des  Meisters  einzig  da. 

Schalen  mit  dem  Schlagwort  snoieaev 
(Klein  S.  50). 

7.    Auf  A   EPO  ElpSEA/. 

Hinzu  kommen 

10.  Museo  nazionale  in  Neapel;  vgl.  Heydemauns 
Katalog  2614.  Ein  Künstlername  hat  dort  nicht 
gestanden. 

11.  Kleine  Schale  aus  Orvieto  im  ältesten  rfg. 
Stil,  olme  Aussenbilder,  Juli  1884  im  Kunsthaudel 
gesehen.  —  Ein  Mann  sitzt  nach  rechts  auf  dem  Bo- 
den, fasst  mit  der  Linken  an  die  Scham  einer  rechts 
von  ihm  stehenden  nackten  Frau,  welche  das  linke 
Beiu  hoch  aufhebt,  und  hält  eine  Lampe  in  der 
Rechten.  Links  am  Rand  steht  f^l  ^EN;  sonst 
kann  nichts  dort  gestanden  liaben. 

Epilykos  (Klein  S.51  und  87). 
1.  Zeichnung  im  Apparat  des  Instituts.    Der  bärtige  Hermes, 
in  der  Linken  (sie!)  eine  Blume  haltend,  steht  ruhig  nach  rechts. 
Das  S   des  Meisternamens   fehlt.     Im   Katalog  Canipaua  IV  GG9. 

3.  Fragmente  eines  kleinen  becherartigen  Ge- 
fässes  aus  Vulci,  jetzt  im  Berliner  Museum,  auf 
Tafel  17,1  in  natürliclier  Grösse  publicirt.  Es 
Hess  sich  ermitteln,  dass  das  Gefäss  in  der  Höhe 
der  Basislinie,  auf  welcher  die  Zeichnuug  steht, 
einen  Durchmesser  von  10,8  cm.  hatte.  Von  der 
einen  Seite  sind  auf  vier  zusammengehörigen  Frag- 
menten vier  Figuren,  von  einer  fünften  links  ein 
Fuss,  von  einer  sechsten  rechts  der  Zipfel  eines 
Gewandes  erlialten.  Links  stehen  zwei  Männer 
einander  gegenüber;  der  Eine  trägt  in  der  Linken 

18 


241 


P.  J.  Meier,  Zu  den  Vasen  mit  Meistersignaturen. 


242 


au  einem  Bande  einen  zerstörten  Gegenstand  (ein 
Salbfläsehchen"?),  in  der  Rechten  zwei  Speere,  die 
vermuthlicli  auf  der  Schulter  auflagen;  der  Andere, 
über  dessen  Schulter  ein  mit  Pünktchen  verziertes 
Gewand  geworfen  ist,  streckt  gegen  den  Gefährten 
die  lechte  Hand  aus  und  hält  in  der  liukeu  einen 
Krückstock.  —  In  lebhafter  Unterhaltung  begriffen 
ist  aucli  das  zweite  Paar.  Einem  ruhig  dastehenden, 
nackten  Jüngling  sitzt  auf  einem  Stuhl  ein  anderer 
gegenüber,  der  um  den  Unterkörper  ein  Gewand 
geschlungen  hat.  Ein  Jeder  streckt  die  eine  Hand 
aus  und  trägt  in  der  andern  eine  grosse  Blume. 
Das  Haar  der  drei  erhalteneu  Köpfe  ist  mit  einem 
Epheukranz  umwunden,  die  Wange  mit  spärlichem 
Bart  versehen.  —  Zwischen  dem  ersten  Paar  ist  der 
Rest  des  eyQaqa  ENj  über  dem  zuletzt  beschriebenen 
Jüngling  EP  t  l,\/ xog  erhalten,  dem  vermutblich 
nach  Analogie  von  No.  1  bei  Klein  ein  >ca?.6g  resp. 
xalöjg  hinzugefügt  war.  Ob  die  Sclialen  mit  'Eni- 
Xvxog  xaXog  ohne  Verbum,  also  No.  2  und  die  S.  87 
nachträglich  verzeichneten  dem  Meister  dieses 
Namens  angehören  oder  nur  eine  Lieblingsiuscbrift 
tragen,  ist  nicht  auszumachen;  angesichts  der  Vase  5 
des  Euthymides  (vgl.  unsere  Bemerkungen  unten 
S.  252)  und  No.  12  des  Kachrylion  ist  auch 
Ersteres  möglich;  jedenfalls  bat  aber  auf  No.  1 
und  der  neuen  Vase  der  Meister  sich  genannt. 
—  Sonst  sind  nur  noch  zwei  aneinander  passende 
Fragmeute  mit  den  Resteu  zweier  nach  links  ge- 
wandter Figuren  erhalten.  Die  eine  ist  in  den 
Mantel  gehüllt  und  hält  in  der  Linken  vermuthlich 
die  Hand  eines  Gefährten.  Hir  folgt  ein  Jüngling, 
der  ein  Plektron  und  eine  Schildkrötenleier  hält. 
Das  eine  Bein  ist  weit  vorgesetzt,  der  Oberkörper 
rückwärts  gelegt,  eine  Bewegung,  die  bei  ähnlich 
ausgerüsteten  Theilnehmern  eines  xajfing  häufig 
wiederkehrt.  Rechts  von  ihm  schliesst  eine  Palmette 
die  Darstellung  ab.  Da  sich  zwischen  diesen 
Personen  die  Reste  eines  zweiten  eyga  (|)^EN  be- 
finden, auch,  wie  es  scheint,  hier  ein  xcüfiog  dar- 
gestellt war,  so  werden  wir  dieses  Stück  als  Gegen- 
seite des  anderen  zu  Ijctrachten  haben.  —  Die  Zeich- 
nung ist  noch  etwas  unbehülHich,  aber  sehr  sauber; 
Details  am  Körper  sind   fast  gar  nicht  augegeben; 


die  Gesichter  mit  ihren   etwas  unförmlichen  Nasen 
machen  eiuen  burlesken  Eindruck  ■)• 

Jlemnonvasen  (Klein  S.  52). 

Neu: 

18.  Rothfigurige    Schale    zu   Florenz. 

I.  Reiter  uach  links.     MEMNON  KAUO^- 

A.  Quadriga   nach  links.     MEMNON   KAUO^- 

B.  Zwischen  zwei  Kriegern,  die  gegen  einander 
losstürmen  wollen,  befindet  sich  ein  Mann,  in  Mantel 
gehüllt  und  mit  Lanze  versehen,  in  heftiger  Auf- 
regung.    MEMNON  KAUO^  AMOiDO+O- 

Euphronios  (Klein  S.  59). 
Derselbe  charakteristische  Gesichtstypus,  wie 
ihn  die  Figuren  des  lunenbildes  auf  der  Theseus- 
schale  des  Meisters  und  mehrere  Panaitiosschalen 
(vgl.  unten)  haben,  findet  sich,  worauf  mich  der 
Direktor  Milani  aufmerksam  machte,  auf  einer  rfg. 
Am])hora  zu  Florenz,  welche  Heydemann  Mittheilnn- 
gen  aus  den  Antikensammluugen  S.  92  No.  37  be- 
schrieben hat.  Ich  stehe  nicht  an,  das  vortrefflich 
gezeichnete  Gefäss  als  Werk  des  Euphronios  zu  be- 
zeichnen, von  dem  ja  nach  Kleins  Vermuthung  S.  59 
auch  eine  bezeichnete  Amphora  existirt,  und  bemerke 
ferner,  dass  ähnliche  Gefässe  (Fig.  63  und  68  in 
Heydemanns  Neapler  Vasensammlung)  existiren,  die, 
noch  strengen  Stils,  aber  meist  flüchtiger  Ausführung, 
lebhaft  an  Darstellungen  des  Duris  oder  Hieron 
erinnern,  so  dass  sie  wenigstens  als  Schulgut  dieser 
Meister  angesehen  werden  müssen.  Dahin  rechne 
ich  a)  Museo  Gregor.  LVIII  1  («.  Diskobol  ß.  Mann 
mit  Mantel  und  Krückstock);  b)  ibid.  No.  92  (nicht 
publicirt,  Fig.  68  bei  Heydemann:  a.  Jüngling  mit 
Mantel  und  siebensaitiger  Leier  einer  auf  den  Stock 
sich  stützenden  Mantelfigur  gegenüber;  dazwischen 

^  Xur  in  äusseilicher  Verbindung  mit  dem  beschriebenen 
Gefäss  stehen  zwei  Fragmente,  die  wir  ebenfalls  (auf  Tafel  17,2) 
veröffentlichen.  Sie  gehören  einer  gleichartigen  Vase  an,  sind 
mit  den  Epilykos-Fragmenten  im  gleichen  Grabe  gefunden  und 
belinden  sich  auch  im  Berliner  Museum,  Doch  sind  die  Scher- 
ben viel  dünner,  und  die  Darstellung  zeigt  eine  Hand,  welche 
bedeutend  feiner  zeichnen  konnte.  Beide  Stücke  bildeten  den 
Abschluss  je  einer  Seite,  der  durch  Kanken  und  Palmetten  ge- 
geben ist.  Von  dem  einen  Bilde,  das  palästriscben  Inhalts  war, 
ist  ein  bekränzter  Jüngling  erhalten,  der  mit  beiden  Händen 
einen  Diskus  nach  links  vorstreckt,  von  dem  andern  ein  prächtig 
gezeichneter,  ebenfalls  bekränzter  und  nach  links  profilirter 
.Satyr,  der  vor  irgend  etwas  verwundert  zurückfährt. 


243 


P.  J   Slcicr.  Zu  den  \';iseii  mit  Meistersigiiatureii. 


244 


Scliwamni  und  IStriegel,  (i.  ganz  fliiclitige  Mantcl- 
ligur  nacli  recliti?);  c)  eine  Vase  in  Corntto  («.  links: 
Mantülfiguf  auf  Krückstock,  rechts:  sitzender  Epiiebe, 
ß.  links:  sitzender  Mann;  rechts:  stellender  auf 
Stock  gestützt  und  ein  Band  haltend). 

ünzweifeiliaft  geliört  dem  Euphronios  die  kleine 
Schale  515  in  München  an,  die  demnächst  in 
dieser  Zeitung'  veröffentlicht  werden  soll.  Die 
Gesichtszüge  namentlich  der  Figur  des  Inuenbildes 
und  die  Art,  wie  bei  dieser  mit  grösster  Liebe  und 
Sorgfalt  der  Rücken  mit  allen  seinen  Muskeln  ge- 
zeichnet ist,  lassen  über  die  Zuweisung  keinen 
Zweifel.  —  Das  Signia  der  Inschrift  innen  ist  beide 
Mal  nur  drei-,  nicht  vierstrichig,   wie  Jahn  angiebt. 

Vasen  mit  dem  Lieblingsnanien  l'anaitios 
(Klein  S.  62). 

Neu  kommt  hinzu: 

8.  Rfg.  Schale  aus  Orvieto,  in  der  Sammlung 
Bourguignou  zu  Neapel.  Durchmesser  22^1.,,  Höhe 
10  cm.  Abgebildet  auf  Tafel  16,2.  Der  Henkel 
links  war  bereits  im  Alterthum  abgebrochen  und 
mit  Metallklammeru  befestigt.  Die  Zeichnung  ist 
sehr  sorgfältig;  die  feineren  Muskeln  sind  mit  ganz 
hellem,  nicht  immer  deutlichem  Firniss,  die  Kränze 
u.  s.  w.  mit  Rothbrauu  angegeben. 

I.  Ein  völlig  nackter  Jüngling  steht  nach  rechts 
in  gebückter  Stellung,  den  linken  Arm  erhoben,  und 
ist  im  Begriff  einen  Diskus  nach  hinten  zu  führen, 
um  ihn  dann  vorwärts  zu  schleudern;  hinter  ihm, 
seine  Figur  sehneidend,  leimen  zwei  Stangen,  links 
hängt  Palästritengeräth ,  Schwamm ,  Lekythos  und 
Striegel.  Am  Rand  entlang  liest  man  PÄNAITIO^ 
KAUO^. 

Auf  den  Aussenseiten  sind  je  zwei  Palästriten 
in  Gegenwart  eines  Aufsehers  dargestellt. 

A.  Ein  Jüngling,  dessen  Kopf  zerstört  ist,  geht 
nach  rechts,  in  jeder  Hand  einen  Halter  vorstreckend. 
Rechts  von  ihm  steckt  im  Boden  eine  Spitzhacke, 
links  hängen  zwei  Ilalteren.  In  der  Mitte  des 
Bildes  sehen  wir  einen  zweiten  Jüngling  in  ähn- 
licher Stellung  wie  sein  Genosse  im  lunenbild.  Doch 
streckt  jener  den  linken  Arm  nur  vor  und  zeigt 
den     Diskus    in     der    Seitenansicht.      Jlit     diesem 


Palästriten  beschäftigt  sich  der  Aufseher,  der  von 
rechts  herbeieilt  und  mit  der  Rechten  einen  langen 
Stab  weit  vorstreckt;  er  ist  in  einen  Mantel  gehüllt, 
welcher  nur  die  rechte  Schulter  und  Drust  frei 
lässt.  —  Zusammenhängender  noch  ist  die  Dar- 
stellung von 

B.  Hier  sieht  der  mit  der  entsprechenden  Figur 
des  Gegenbildes  fast  genau  übereinstimmende  Auf- 
seher einem  Jüngling  zu,  der  in  kühnem  Sprunge 
durch  die  Luft  saust.  Die  Beine  und  die  Arme  mit  den 
Halteren  sind  vorgestreckt,  dadurch  der  Rücken  stark 
gewölbt,  die  ganze  Figur  in  ihrer  momentanen  Be- 
wegung vortrefflich  der  Natur  abgelauscht  und  durch- 
geführt. Sie  gewährt  zugleich  eine  klare  Vorstellung 
vom  Gebrauch  der  Halteren  beim  Springen.  Sie 
erhöhen  die  Bewegung,  indem  sie  vorgeschleudert 
werden,  müssen  aber,  sobald  das  Ziel  erreicht 
ist,  kräftig  nach  hinten  geworfen  werden,  damit 
der  Körper  des  Springers,  der  sonst  in  der 
begonnenen  Bewegung  beharren  würde,  fest  auf 
dem  Flecke  stehen  bleibt.  —  Der  Sprung  ist  so 
wohlgelungen,  dass  der  Palästrit  links,  der  gleich- 
falls mit  Halteren  versehen  ist,  mit  Recht  darüber 
erstaunt  ist.  Er  geht  nach  links,  vermuthlieh  um 
gleichfalls  Anlauf  zum  Sprunge  zu  nehmen,  wendet 
aber  den  Kopf  und  die  ausgestreckte  Linke  zurück.  — 
Alle  Figuren  tragen  einen  Myrthenkranz  im  Haar 
und  haben  auf  der  Backe  einen  schwach  sprossenden 
Bart.  Die  Palästriten  sind  im  Gegensatz  zu  den 
Aufsehern  völlig  nackt. 

Ich  trage  kein  Bedenken,  die  Schale  dem 
Euphronios  zuzusprechen.  Den  Lieblingsnanien 
Panaitios  theilt  er  freilich  mit  Duris,  uicht  aber 
jene  Eigenthümlichkeiten  der  Zeichnung,  die  nur 
ihm  angehören,  ich  meine  ausser  der  sorgfältigen 
Rückeuansicht  des  Diskobols  vor  Allem  die  öfter 
erwähnten  merkwürdigen  Umrisse  des  Gesichtes 
mit  der  sehr  prononcirten  Nase  und  den  lebendigen 
Ausdruck  desselben.  Die  Starrheit,  welche  die  Ge- 
sichtszüge auf  den  älteren  Schalen  tragen,  ist  völlig 
überwunden ;  andererseits  aber  der  Schematisnms 
auf  denen  der  Durisliguren  noch  nicht  erreicht, 
die  schöner,  aber  weniger  ursprünglich  und  frisch 
sind. 

18* 


245 


P.  J.  Meier,  Zu  den  Vasen  mit  Meistersisrnatiiren. 


246 


Duris  (Kleiu  S.  64). 

ö.  6.   12    un.l    19    publicirt    Arch.    Zeitg.  1883    Taf.  1  — 3; 
vgl.  ebd.  S.  1  ff. 

Ausser    der    Schale    mit    dem    Liebliuu-suamen 

Diogenes  bei  Gerhard  A.  V.  IV  271,    die  ich  Arch. 

Zeitg.  1883  S.  12  als  Werk  des  Duris  bezeichnete, 

siiid  ihm  mehrere  Schalen  zuzusprechen,    die  nicht 

allein    im    Stil    aufFalleud    mit    Vasen     besonders 

der  entwickelteren   Periode    des  Meisters    iibereiu- 

stimmeu,    sondern    auch    in    dem  Gegenstande  der 

Darstellung. 

Kepliken  von  No.  7  bei  Kleiu  sind  folgende 
Schalen : 

a)  in  Florenz,  beschrieben  bei  Heydemann  Mit- 
theil. S.  85  Xo.  9. 

b)  in  München  596;  vgl.  Jahns  Beschreibung. 

c)  in  der  Sammlung  Bourguignon  zu  Neapel, 
„vermuthlich  aus  Nola."  Durehmesser  30,  Höhe 
12  cm.  Sorgfältige  Zeichnung. 

I.  Auf  einer  Kline  mit  rechter  Seitenlehne,  vor 
der  ein  Tisch  steht,  liegt  nach  links  ein  Mann;  er 
hält  in  der  Rechten  einen  Skyphos,  in  der  Linken 
die  Schale  zum  Kottabosspiel  bereit.  Links  von  ihm 
bläst  ein  Jüngling  die  Doppelfiüte,  deren  Futteral 
gleichfalls  dargestellt  ist.  Beide  sind  bekränzt  und 
am  Unterkörper  bekleidet.  HAUAI^  und  zweimal 
KAUO^. 

A.  Rechts  liegt  auf  ähnlicher  Kline,  vor  der  ein 
Tisch  steht,  ein  bärtiger  Mann,  das  Gesicht  dem 
Beschauer  zugewendet,  im  Haar  ein  grosses  Band 
mit  zwei  Knoten ;  er  hält  in  der  Rechten  eine  Schale 
am  Henkel  zum  Kottabosspiel,  in  der  Linken  eine 
gleiche,  aber  scliwarz  gemalte.  Sein  Unterkörper  ist, 
wie  bei  allen  gelagerten  Figuren,  bekleidet.  Links 
liegen  auf  langer  Kline  (vor  ihr  wiederum  ein  Tisch), 
von  der  die  linke  Schmalseife  halb  in  Vorderansicht 
dargestellt  ist,  zwei  Jünglinge.  Der  zur  Rechten 
wendet  sich  mit  seiner  Schale  dem  oben  beschrie- 
benen Manne  zu;  der  zur  Linken  bläst  die  Doppel- 
flöte und  lässt  seine  Beine  auf  der  sclimalen  Seite 
der  Kline  herabhängen.  Beide  sind  bekränzt,  der 
zur  Rechten  auch  mit  Tänie  versehen.  Oben  hän- 
gen zwei  Körbe,  hinter  der  Kline  des  Mannes  lehnt 
eiii  Krückstock. 

HAUOI^   KAUO^. 


B.  Zwei  Figuren  liegen  gleichfalls  nach  links 
auf  zwei  Klinen  (jede  mit  Tisch,  unter  der  einen 
ein  Skyphos);  die  eine  rechts  ist  jugendlich,  und 
fasst  mit  der  Rechten  den  Fuss  einer  Sehale,  während 
die  Linke  einen  schwarzen  Skyphos  hält.  Die 
andere  wendet  das  bärtige  Gesicht  rückwärts  und 
hält  in  jeder  Hand  eine  Schale,  deren  eine  wiederum 
schwarz  ist.  Beide  sind  bekränzt  und  tragen  ein 
Band  im  Haar.  Hir  geöffneter  Mund  zeigt  an,  dass 
sie  in  lebhafter  Unterhaltung  begriffen  sind.  In  der 
Höhe  wieder  zwei  Körbe.  Zwischen  beiden  Klinen 
geht  nach  rechts  mit  zurückgewandtem  Kopf  ein 
nackter  Knabe,  im  braunen  Haare  ein  röthliches 
Band.  Der  linke  Arm  ist  ausgestreckt,  die  gesenkte 
Rechte  trägt  eine  Kanne.  Ein  zweiter  Knabe  steht 
links  am  Ende  der  Darstellung  in  Vorderansicht, 
den  Kopf  nach  links,  den  linken  Fuss  nach  rechts 
gewendet.  In  den  gesenkten  Händen  hält  er  Kanne 
und  Schöpfkelle.  HOTAl  KAUO^.  Unter  dem 
Henkel  links  von  B.  HAUOI-  — 

An  No.  17  bei  Klein  erinnert  auffallend  eine 
Schale  des  .Museo  Tarquiniese  zu  Corueto:  Durch- 
messer 27'/.,  cm. 

I.  Ein  Krieger,  nach  links  gewendet,  doch  so, 
dass  das  linke  Bein  von  vorn  dargestellt  ist,  streckt 
die  rechte  Hand  vor;  er  trägt  Helm,  Mantel,  der  den 
Rücken  bedeckt,  und  runden  Schild,  auf  welchem  als 
Zeichen  ein  schwarzer  Vogel  mit  Band  im  Schnabel 
nach  links  angebracht  ist.  Das  Gesicht  des  Kriegers 
ist  sehr  fein  ausgeführt,  der  Augapfel  nach  vorn  ge- 
rückt, die  Innenzeichnung  reichlich;  selbst  die 
Schamhaare  sind  angegeben.  Der  Stil  entspricht 
am  meisten  der  Berliner  Zweikanipfschale  Arch. 
Zeitg.  1883  Taf.  3.  Der  untere  Theil  der  Beine 
des  Kriegers  ist  fast  mit  der  ganzen  Aussenseite  B 
abgebrochen.  Liuks  vom  Krieger  ist  in  groben, 
dicken  Zügen  ^OJAM  geschrieben.  Das  Bild  ist 
mit  einem  Mäander  eingefasst. 

A.  Fünf  Figuren  sind  im  Gespräch  mit  einander 
begriffen.  Die  Beschreibung  beginnt  links:  Ein  Manu 
mit  Himation  und  langem  Stock  ist  einer  stehenden 
gleichfalls  bärtigen  Mantelfigur,  welche  die  Rechte 
ausstreckt,  zugewendet.  Zwischeu  ihnen  ist,  zur 
Hälfte  sichtbar,  ein  Schild  aufgehängt.  Ein  Jünglinge 


247 


P.  J.  Meier,  Zu  den  Vasen  mit  Meistersignaturen. 


248 


iu  das  Hiiuatiou  gehüllt  und  mit  gekriiiiinitem  Stock 
veisciieu,  sitzt  einer  stellenden,  bärtigen  Manteitigur 
gegeuüber,  welclie  ihre  Rechte  auf  den  Stock  stützt. 
Zwischen  ihnen  hängt  wiederum  ein  Schild.  Zum 
Schluss  folgt  eine  stehende  Mantelfigur  (Vorderan- 
sicht), deren  rechter  Fuss  nach  links  gerichtet  ist; 
der  Kopf  fehlt.  Zwischen  ihr  und  der  vorher- 
gehenden ist  eine  Sturmhaube  angebracht. 

15.  Erhalten  ist  nur  links  das  Ende  eines  Stockes 
und  rechts  der  Untertheil  einer  Mantelfigur. 

Unter  dem  Henkel  flanken.  Unter  dem  Fuss 
eingeritzt    Vü/ 

Abgesehen    von   einigen   Amphoren,    die    unter 
Euphronios  erwähnt  sind,  stehen  unter  dem  unmittel- 
baren Einfluss  des  Duris  folgende  beiden  Gefässe: 
a)  Schale  des  Miiseo  Gregor.  LXXIII  2  (No.  181). 
An  Duris  und  zwar  an  seine  Schale  mit  Schul- 
sceue  (Klein  9)  eriuueru   besonders   die  verschiede- 
neu Gerüthe,  die  zwischen  den  Figuren  in  der  Höhe 
angebracht   sind.      Doch    ist    die    Zeichnung    nicht 
sehr  sorgfältig.     Jenes  gilt  auch  von  der  Schale  • 
b)  im  Museo  nazionale    zu  Neapel,    bei  Heyde- 
mann  2645  beschrieben. 

Hieron  (Klein  S.  68). 
Zu    deu    von    Klein    aufgeführten    21  Gefässen 
kommen: 

22.  Fragmente  einer  Schale  aus  Orvieto,  jetzt  in 
der  Sammlung  Bourguignon  zu  Neapel ;  abgebildet 
Tafel  17,3. 

Vom  Innenbilde  sind  erhalten  die  FUsse  einer 
nach  rechts  gewendeten  Figur  im  Mantel  (a),  der 
ohne  Zweifel  eine  zweite  gegenübergestellt  war. 

Aussen  waren  Männer  und  Jünglinge  im  Ge- 
spräch mit  einander  dargestellt.  Auf  dem  grössten 
Bruchstück  (A),  welches  links  eine  Seite  abschloss, 
sind  zwei  Männer  im  Mautel  erhalten,  die  sich  auf 
ihren  Krückstock  auflegen;  auf  einem  kleineren (A'), 
an  welchem  rechts  der  Henkel  sitzt,  sehen  wir  einen 
vielleicht  sitzenden  Jüngling  mit  Mantel  und  Krück- 
stock, der  iu  der  erhobenen  Rechten  gewiss  eine 
Blume  hielt.  Sonst  sind  ein  bärtiger  Kopf  nach  links 
(A')  und  Beine  einer  Mantelfigur  nach  rechts  (A')  er- 
halten. Auf  dem  Henkel  ist  in  den  schwarzen 
Firuiss  eingeritzt  HIEPON  EPOIE^EN-    Die  Ober- 


fläche der  Fragmente  hat  durch  Wasser  stark  ge- 
litten. Die  Zeichnung  ist  völlig  frei  und  unge- 
zwungen. 

23.  Bisher  selbst  von  den  Museumsbeamten 
gänzlich  übersehene  Schale  im  Museo  Etrusco  zu 
Florenz.  Sie  stammt  aus  der  Sauunlung  Campana 
und  ist  aus  vielen  Scherben  zusammengesetzt.  Der 
eine  Henkel  ist  sicher  nicht  zugehörig,  auf  dem  an- 
deren, dessen  Bruch  leider  nicht  unmittelbar  an  eine 
Scherbe  anschliesst,  steht  mit  braunem  Firniss  auf 
deu  Thon  aufgetragen  HIEPON  EPOIE^EN-  Dass 
derselbe  zur  Schale  gehört,  schien  Milani  und  mir 
auch  der  Stil  der  sorgfältigen  Zeichnung  zu  beweiseu. 
Eine  Publikation  steht  bfvor. 

I.  Eine  geflügelte  Frau,  von  der  nur  der  obere 
Vordertheil  des  rückwärts  gewendeten  Kopfes  mit 
Haube,  der  Theil  eines  Flügels,  der  rechte  Fuss  und 
ein  kleiner  Theil  des  unteren  bauschigen  Gewandes 
erhalten  ist,  eilt  nach  rechts. 

A.  Zwei  Krieger  knieeu  zu  beiden  Seiten  eines 
niedrigen  Postamentes,  auf  welchem  links  5,  rechts 
3  Steine  liegen,  zu  denen  jene  je  einen  weiteren 
zu  legen  im  Begriff  stehen.  Von  dem  Krieger  reciits 
ist  nur  ein  Theil  der  Hand  und  des  linken  Beines, 
sowie  der  hinter  ihm  befindliche  Helm  erhalten. 
Jenseits  desPostamentes  steht  Atlieua( Vorderansicht), 
den  Kopf  nach  links  gewendet,  die  Rechte  auf  eine 
Lanze  gestützt,  in  der  Linken  einen  Schild  mit 
Gorgoneion  haltend.  Rechts  davon  kämpft  ein 
Krieger  vermuthlich  mit  dem  Schwert  —  wenigstens 
fehlt  es  in  der  Scheide  —  gegen  einen  am  Boden  be- 
findlichen Gegner,  der  bis  auf  den  Obertheil  seines 
Helmes  abgebrochen  ist.  Links  dagegen  verlässt  die 
Scene  ein  Krieger,  der  iu  die  Trompete  bläst  und 
bei  dieser  Thätigkeit,  wie  wir  es  auch  sonst  häufig 
sehen,  die  Linke  in  die  Seite  stemmt. 

B.  Sechs  Krieger,  denen  die  zuletzt  beschriebene 
Figur  von  A  zu  folgen  scheint,  eilen  nach  links; 
zuerst  ein  Paar  Lanzenschwinger  (am  Schilde  des 
vorderen  ein  Schurz,  und  als  Zeichen  ein  schwarzer 
Kentaur  mit  Baumstamm  nach  links),  dann  ein  ähn- 
licher Krieger  mit  Chlamys  und  oben  gewelltem 
Chiton  (Schiklzcichen:  scliwarzer  Mann  mit  Keule 
nach   links  eilend),    ein  vierter,   jedoch  den  Kopf, 


249 


P.  J.  Meier.  Zu  den  Vasen   mit  Meistersignaturen. 


250 


über  den  der  Helm  mit  dem  doppelten  Bügel  gezogen 
ist,  von  vorn  dargestellt,  (Schildzeicbeu:  schwarzer 
Pegasus  nach  links),  ein  fünfter,  die  Lanze  zum  Stoss 
bereit  haltend  (Schildzeiehen:  schwarzer  Kentaur  mit 
Stein  nach  links),  zuletzt  ein  Krieger  in  skythischer 
Tracht  mit  Lanze. 

Mit  Eecht  schreibt  Klein  (S.  G9)  dem  Hieron  die 
Schale  des  Museo  Gregoriano  LXXX,  3  (No.  191)  zu, 
um  so  mehr,  als  einige  Figuren  stilisirte  Blumen 
halten  von  einer  Form,  wie  sie  nur  Hieron  malt. 
Jetzt  sind  sie  fast  ganz  verblasst  und  deslialb  bei 
der  Publikation  übersehen. 

Ebenso  sicher  gehört  ihm  eine  unbezeichnete 
Schale  an'),  die  ich  im  Juli  18S4  zu  S.Maria  di 
Capua  im  Kunsthandel  (bei  dem  Advokaten  Calli- 
fano)  sah: 

L  Jüngling  im  Mantel,  auf  einen  Stock  gelehnt, 
mit  stilisirter  Blume. 

A.  Eine  Figur  nach  links  mit  rückwärts  gestelltem 
Kopf;  zu  beiden  Seiten  je  eine  Figur  auf  Stock, 
die  zur  Rechten  mit  Blume. 

B.  Jüngling  nach  rechts;  links  davon  bärtiger 
Mann  mit  Beutel,  rechts  Jüngling  mit  Blume.  Beide 
stützen  sich  auf  den  Stock.  —  Sämmtliche  Figuren 
von  A  und  B  sind  in  den  Mantel  gehüllt. 

Brygos  (Klein  S.  73). 

4.  Herr  Dr.  Purgold  hat  im  Juli  1883  die  Aussenseiten 
der  Schale  revidirt  und  mir  in  liebenswürdiger  Weise  seine 
Notizen  zu  beliebiger  Verwendung  gegeben.  Die  Inschriften 
find  nach  ihm  sehr  verblasst,  aber  sicher  echt. 


.Schwer  zu  deutende  Reste,  die  auf  einen  Namen  auf  — ar.'Jri; 
schliessen  lassen.  Vor  dem  zurückgewendeten  Kopf  der  entsetzt 
nach  links  fliehenden  Frau  vermag  ich  keine  Buchstabenspuren 
mehr  zu  erkennen,  obwohl  ich  nicht  zweifle,  dass  auch  ihr 
Name  hier  geschrieben   war." 


Purgold  ergänzt  QQaavur'id'rig.  Doch  zweifelte  Hevde- 
mann,  der  gleichfalls  die  Schale  untersucht  hatte,  ihm  gegen- 
über, dass  zwischen  O  und  S.  Platz   für  zwei  Buchstaben  sei. 


d. 


3    +  A  /v\ 


V\ 


Purgold     ergänzt     den    vertical    geschriebenen    Namen    zu 
JoQvjÄttXos  oder  EvQvfta^^Oi. 


A    /v    /l    V    T    '^     A 


^W 


A     /v\     o 


BPVAOSEPOIESEA^ 


•'')  Es  ist  möglich,  dass  der  oben  erwähnte  Vasenrestaurator 
von  S.  Maria,  der  von  meiner  Vermuthung  indirekt  geliürt  hatte, 
inzwischen  das  Versäumniss  Ilierons  nachgeholt  und  den  Namen 
auf  den  Henkel  eingeritzt  hat.  Man  beobachte  demnach  beim 
Ankauf  die  nöthige  Vorsicht! 


Zur  Seite  des  gepackten  Knaben  vermochte  Purgold  nichts 
zu  sehen;  ebensowenig  hat  er  den  Namen  nOl-VXSENE 
bemerkt.  Von  dem  Namen  des  Akamas  war  nur  noch  ein  A 
erhalten. 

Durch  diese  Untersuchungen  Purgolds  sind  die  Räthsel, 
welche  die  Namengebung  der  Figuren  bietet,  nicht  gelöst,  aber 
doch  wenigstens  für  jeden  Deutungsversuch  eine  sichere  Grund- 
l.tge  geschaflen ,  indem  nicht  mehr  die  passend  erscheinenden 
Namen  verwerthet,  die  anderen  vorhandenen  Keste  als  unsicher 
bei  Seite  geschoben  werden  können. 


251 


P.  J.  Meier.  Zu  den  Vasen  mit  Meistersignaturen. 


252 


Von  uubezeichneten  Scbalen  möchte  Brygos 
München  279  angehören;  besonders  sjjricht  das 
lunenbild  dafür,  welches  in  seinem  Gegenstand  leb- 
haft au  das  von  No.  6  bei  Klein  erinnert.  Uebrigens 
hat  jene  Schale  stark  durch  Eestaurirung  gelitten.  — 
Ferner  habe  icli  im  Bnlt.  d.  Inst.  1884  S.  45  das 
Schalenfragment  bei  Luyues,  Vases  peinis  Taf.  17 
und  S.  40tf.  eine  schöne  von  der  Ermitage  in  Peters- 
burg neu  erworbene  Schale  dem  Brygos  zugewiesen 
und  dazu  bemerkt,  dass  Kleins  Zurückf'ührung  von 
Miiseo  Gregoriano  LXXXV  (No.  1G2)  auf  diesen 
Jlaler,  sowie  die  Chronologie,  welche  derselbe  S.  73 
von  den  Schalen  des  Brygos  giebt,  unrichtig  seien; 
vgl.  Bull.  a.  a.  0.  S.  40,3  und  45. 

Philtias  und  Deiniades  (Klein  S.  78). 

1.  München  401.  Zu  bemerken  ist,  dass  die  Namen  des 
Tupfers  und  der  Figuren  sicher  von  anderer  Hand  geschrieben 
sind  als  die  Worte  <t>ll.TIAS  EPOIESEN-  Dort  sind  die 
Buchstaben  gross  und  grob,  hier  fein  und  zierlich  wie  die 
Zeichnung  selbst.  Es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  in  diesem 
Falle  der  Maler  seine  Signatur  eigenhändig  geschrieben  hat, 
das  Uebrige  jedoch  von  einem  Anderen,  vielleicht  vom  Fabri- 
kanten, hinzugefügt   wurde. 

2.  Befindet  sich  im  Museo  Tar(|uiniese    zu  Corneto. 

Neu  kommt  hinzu 

4.  Athen,  Sammlung  der  archäol.  Gesellschaft 
2786.  Kleines  Gefäss,  dessen  Körper  in  Form  einer 
Jluschel  gebildet  ist;  der  Hals  ist  mit  glänzend 
schwarzem  Firuiss  überzogen,  der  Oberrand  da- 
gegen roth  gelassen.  Um  die  Mündung  ist  mit 
schwarzer  Farbe  aufgetragen 

0INTlA^!EPOIE^E(v 
Der  Name  Phiutias  ist  besonders  in  den  Dorischen 
Dialekten  des  Westens  heimisch  und  entspricht  dem 
attischen  Philtias,  das  sich  auf  1  findet;  vergl, 
Gust.  Meyer,  Griech.  Gramm.  S.  158  f.  Der  Maler 
muss  also  in  Atlien  eingewandert  sein  und  das 
attische  Alphabet  angenommen  haben,  oline  jedoch 


seinen  Namen  consequent  diesem  Dialekt  gemäss 
zu  verändern.  Denn  ich  glaube  nicht,  dass  allein 
aus  dem  Schwanken  der  Benennung  auf  einen  ein- 
heimischen und  einen  fremden  Meister  zu  schlies- 
sen  ist. 

Euthymidcs  (Klein  S.  79). 

2.  München  378.  Es  ist  zu  lesen  auf  A:  PPIAMOS: 
auf  B:  EUEA  EMOS  (auch  die  beiden  letzten  Buchstaben 
sind  deutlich)    und    TEUES- 

3.  München  374.  Rechts  von  .Ilektors"  Figur  ist  von 
oben  nach  unten  geschrieben : 

H<OPOU>IO 

E<rPA>ffiSEN 

EV0VMIAESES  d.h.  wohin),  wenn  nicht  Dittographie 
vorliegt. 
Bei  GOc'AKION  ist  auch  der  Rest  des  ()  erhalten.  Rechts 
vom  linken  Bogenschützen  liest  man  MAE  .  .  .  A.  In  der 
Mitte  fehlen  zwei  oder  drei  Buchstaben.  Das  Signia  von  Eutliy- 
bolos'  stö.sst  an  den  Schluss  von  Hotto/IO  an  und  wurde 
deshalb   übersehen. 

ü.    München  6. 

Jahn  liest  richtig  do;  Tiji'df.  Der  Maler  hat  auf  dieser 
Vase  das  Sigma  durchgehend«,  z.  B.  auch  bei  xalöq,  wie  ein 
dickes  Iota  geschrieben;  deshalb  ist  auch  Ev!^v/n((5ri^  zu  lesen. 
Ferner  steht  das  M_v  meist  verkehrt:  W ,  so  in  dem  Worte 
Euthyinides'  des  Hauptbildes  und  zweimal  in  Tlempolemos'.  Im 
Hauptbild  bezieht  sich  nicht  der  Name  Euthymides,  sondern 
Tlempolemos  auf  den  Jüngling;  ersterer  bezeichnet  vielmehr  den 
Meister,  dem  auf  dem  Schulterbild  ein  zn/lo'?,  bez.  xn}.t!>g  bei- 
gegeben ist;  vgl.  Klein  S.  öl  und  87  unter  Epilykos.  Die  Lesung 
SOI  1  AS  ist  entschieden  falsch.  Das  Facsimile  bei  Jahn  giebt 
die  Züge  genügend  wieder. 

Hypsis  (Klein  S.  81). 

Der  Palmettenstreifen  auf  seiner  Hydria  ist  roth  auf  schwar- 
zem Grund ;  nur  bei  der  Einrahmung  des  Halsbildes  ist  das  Um- 
gekehrte der  Fall.  NE  AI  OS  beruht  auf  unsicherer  Lesung; 
ferner   ist   zu   lesen  ANTIOPEA. 

Hermonax  (Klein  S.  81.) 

1.    Zeichnung  im  Apparat  des  Instituts  zu  Rom. 

4.  Jetzt  in  der  Sammlung  Bourguignon  zu  Neapel. 


Braunschweig. 


P.  J.  Meier. 


253 


254 


NEUE  UNTERWELTSDARSTELLUNGEN 
AUF  GRIECHISCHEN  VASEN. 

(Tafel  18.  19.') 


Die  bereits  veröffentlichten  Darstelhuigeu  der 
Luterwelt  auf  griechischen  Vasen  zerfallen  in  zwei 
Gruppen.  Die  erste  wird  durch  die  drei  grossen, 
relativ  vollständigsten  Darstellungen  dieses  Gegen- 
standes auf  den  Amphoren  von  Canosa-München  849, 
Altamura-iS'eapel  3222,  und  Euvo- Karlsruhe  4  ge- 
bildet'). Die  zweite  umfasst  eine  doppelte  Anzahl 
abgekürzter  und  grösstentheils  verflachter  Darstellun- 
gen auf  fünf  Amphoren,  zwei  Xeapler:  einer  aus 
der  Jatta'schen  und  einer  aus  der  Sammlung  Sant- 
angelo  Ko.  11,  drei  Petersburger  No.  424,  426,  498 
und  einem  Oxybaphou  der  ehemaligen  Sammlung 
Blacas^).  Ich  bin  in  der  Lage,  zwei  neue  Dar- 
stellungen hinzuzufügen:  die  eine  bisher  gänzlich 
unbekannte  auf  zwei  Fragmenten  einer  Vase  im 
Museum  zu  Karlsruhe,  deren  Zeichnung  sich  unter 
dem  Vorrathe  der  archäologischen  Zeitung  befand*), 

')  Die  frühere  Literatur  und  die  rublicationeu:  Canosa-M.: 
MiUin,  descript.  des  tombeaux  de  Canose  t.  3 — 6.  Braun,  Ännali 
1837  (IX)  p.  219.  luv.  d'afjg.  I.  Welcker,  Arch.  Ztg.  1S43 
p.  177fr.  Gerhard,  a.  a.  U.  p.  193f.  t.  XII.  1.  Müller- 
Wieseier,  D.  a  K.  I  p.  54  t.  LVI.  O.  Jahn,  Vasens.  zu  München 
p.  273.  Altamura-N. :  Minervini,  Bullet.  deW  Inst.  1S48 
p.  23.  A.  a.  O.  1S51  p.  24  p.  38.  Gerhard,  Arch.  Anzg. 
ISöl  p.  S9£.  U.Köhler,  Annal.  1864  p.  283 ff.  ilon.  delV 
Inst.  VIII  t.  IX.  Heydeniann,  Vasens.  d.  Mus.  Naz.  zu  Neapel 
p.  SlOff.  Ruvo-lC:  Braun,  annali  1847  p.  209 ff.  Mon.  II 
t.  XLIX.  Gerhard,  A.  Z.  1843  p.  194ff.  t.  XI  Welcker,  A.  D. 
III  p.  105 ff.  —  Fröhner,  Vasen  und  Terraootten  der  Gross- 
herzogl.  Kunsthalle  zu  Karlsruhe  n.  4.  Alle  drei  Vasenbilder 
neben  einander  abgebildet  und  besprochen  bei  V.  Valentin, 
Orpheus  u.  Herakles  in  der  Unterwelt.    Berlin  ISGö. 

'-')  Literatur  und  Publicationen;  Amphora  Jatta,  Neapel: 
Gerhard,  A.Z.  1S44  t.  XV.  Santangelo:  Jahn,  A.  Z.  1867 
p.  33  ff.  t.  CCXXl.  Heydemann,  V.  S.  zu  Neapel  p.  C29ff. 
Petersburg  424:  Gerhard,  Arch.  Zeit.  1844  p.  2-25 ff.  t.  XIII, 
Mystcrienb.  1  -  3.  Müller- Wieseler,  D.  a.  K.  II  n.  863  p.  39. 
Stephani,  V.  S.  d.  Kais.  Erem.  I  p.  223fl'.  Petersburg  426: 
Stephani,  a.a.O.  p.  223  ff.  Petersburg  498:  Gerhard,  My- 
sterienb.  t.  4  Stephani  a.  a.  0.  p.  256 ff.  Blacas'sches  Oxy- 
baphon.  London?:  Gerhard,  A.  Z.  1844  p.  226  t.  XIV.  Die 
Citatc  Koulez,  choix  de  vases  p.  64  und  Bull.  Arch.  Nap.  1854 
t.  3  n.  57   konnte  ich  leider  nicht  vergleichen. 

[*)  Herr  Professor  Furtwäugler  hatte  diese  Fragmente  der 
liedaction  nachgewiesen ;  Herr  Geheimrath  Wagner  in  Karlsruhe 
hat  die  grosse  Freundlichkeit  gehabt,  sie  nach  Berlin  zu  senden, 
damit  sie  dort  gezeichnet  werden  könnten,  wofür  ihm  auch  an 
dieser  Stelle  der  wärmste  Dank  ausgesprochen  werden  ^oll.    Ued.] 


die  andere  auf  der  Vase  Santangelo  709,  für  deren 
Bause  ich  Herrn  Professor  Heydemann  zu  herz- 
lichem Danke  verpflichtet  bin.  Bei  der  Besprechung 
werde  ich  die  früher  bekannten  Darstellungen  nur 
da  heranziehen,  wo  es  die  Vergleiehuug  von  Figuren 
erheischt  oder  wo  ich  neue  Benennungen  vorschlagen 
zu  können  glaube  und  zwar  wird  die  zweite  Gruppe 
bei  Einzelheiten,  die  erste  auch  bei  der  Frage  nach 
der  Anordnung  des  Ganzen  sich  förderlich  erweisen. 
Vorausgeschickt  sei  noch,  dass  die  Betrachtung 
der  schon  früher  bekannten  Unterweltsdavstellungen 
auf  Vasen  gelehrt  hat  oder  gelehrt  haben  sollte, 
dass  wir  dieselben  nicht  als  selbstständige  Kunst- 
werke, sondern  nur  als  mehr  oder  minder  geschickte 
Compilatiouen  betrachten  dürfen.  Was  die  neu 
edirteu  Darstellungen  zur  Klärung  dieser  Frage  bei 
tragen,  wird  den  Schluss  dieses  Aufsatzes  bilden. 


Das  auf  Tafel  18  in  7^ 


der  Originalgrösse  ver- 


öffentlichte Vasenbild  von  einer  Amphora  mit  Voluten- 
henkeln in  der  Sammlung  Santangelo  zu  Neapel 
(No.  709)  ist  kurz  erwähnt  und  besprochen  von 
E.  Gerhard,  A.  Z.  1843  p.  191  (s.  Hyperb.  Eöm. 
Stud.  I  i)ag.  18G),  von  Panofta,  A.  Z.  1848  p.  220, 
13,  von  Vinet,  Revue  archeol.  II.  p.  476,  von  K.  0. 
Müller,  D.  a.  K.  I  p.  55  und  von  Heydemann,  V.  S. 
d.  ßlus.  Naz.  p.  816ff.  Die  Höhe  des  Gefässes  be- 
trägt 0,91,  der  Umfang  1,64.  Zu  deu  rothen  Figuren 
finden  sich  Zusätze  von  weisser  Farbe.  Die  Zeich- 
nung ist  sehr  flüchtig  und  nachlässig  (Heydemann). 
Der  Fundort  ist  Armentum. 

Die  Hauptdarstellung  am  Bauche  der  Amphora 
zeigt  uns  Orpheus  und  Herakles  in  der  Unterwelt, 
im  Grossen  und  Ganzen  in  derselben  Weise  dis- 
ponirt  und  behandelt,  wie  auf  den  Vasen  Canosa, 
Altainura  und  Kuvo,  nur  dass  die  Darstellung  in 
zwei  Keiheu  zusammengezogen  und,  was  damit  zu- 
sammenhängt, der  Palast  der  Unterweltsgötter  weg- 
gelassen i.st. 

Von  links  oiicn  beginnend  begegnen  wir  zunächst 
der  Gruppe  eines  Leier  spielenden,  lang  und  reich 


255 


P.  Ilnrtwiir.  Nene  UntenveltsdarstoIInngen  auf  Vasen. 


256 


I 


Ijekleideteu  Wauucs  mit  phrygist'lier  Miii/.c,  auf 
welchen  von  links  ein  geflügelter  Knabe,  ihn  um- 
armend, zuscliwebt:  Orpheus,  und  einer  wciljliciien, 
langgewaudoteu  Gestalt,  welche  von  links  auf  iliu 
zugeseh ritten  ist.  Ihr  mit  einem  Diadem  geschmücktes 
Ilauiit  ist  iiintiMwärts  verschleiert.  Mit  dem  linken 
(stark  verzeichneten)  Arme  lüftet  sie  den  Schleier. 
An  der  Handwurzel  des  vorgestreckten  rechten 
Armes  hält  Orpheus  sie  gefasst.  Zu  beiden  Seiten 
von  ihr  befindet  sieh  ein  Lorbeerzweig.  Orpheus 
selbst  ist  in  der  Vorderansicht  dargestellt  mit 
einer  leicliten  Wendung  nach  links  im  Begriffe 
dahin  wegzuschreiten;  sein  Antlitz  dagegen  ist  nach 
rechts  einer  zweiten  Gru]ipe  von  drei  Figuren  zu- 
gewendet. Ihm  zunäclist  und  ihm  zugewendet  steht 
eine  weibliche  Gestalt  mit  einem  Pantlier  an  der 
Seite,  in  kurzem  Chiton,  Kreuzbänder  über  der  Brust, 
und  in  jeder  Hand  eine  Fackel,  lieber  ihr  hängt 
eine  von  der  IJiickseite  gesehene  Trinkschale  (vgl. 
Altamura  und  Petersburg  498),  welche  ebenso  wie 
die  weiter  nach  reclits  hängenden  Reifen  (vgl.  Ca- 
nosa)  offenbar  ein  Ueberbleibsel  von  dem  Palaste 
des  Hades  ist,  der  sich  im  Vorbilde  an  dieser 
Stelle  befand.  Dann  folgt  eine  nach  rechtshin  thro- 
nende, aber  nach  links  blickende,  reich  bekleidete, 
geschmückte  und  am  Hinterhaupt  verschleierte  Frau, 
welche  in  der  Linken  ein  Scepter  hält,  wälirend 
sie  die  Rechte  mit  dem  Gestus  der  Gewährung  nach 
rechts  ausstreckt.  Neben  ihr  steht  mit  vorwärts 
geneigtem  Kopfe  ein  bärtiger,  unterwärts  bekleideter 
Mann,  mit  der  Rechten  auf  ein  Scepter  (ohne  Vogel- 
bekrönung)  sich  stützend,  die  mit  dem  Gewand  ver- 
hüllte Linke  in  die  Seite  stemmend.  Die  Analogie 
der  bekannten  Unterweltsvasen  gestattet  uns  diese 
ganze  Gruppe  ohne  Weiteres  als  die  Losbittung  der 
Eurydike  durch  Orpheus  vor  Persephone  und  Hades 
zu  bezeichnen.  Abweichend  ist  jedoch  auf  unserem 
Bilde  zunächst,  dass  Hades  völlig  passiv  anfgefasst 
ist,  während  er  auf  den  Bildern  aus  Canosa  und 
Kuvo  die  Entscheidung  fällt,  um  die  sich  Persephone 
bittend  an  ihn  wendet.  Spielt  auch  diese  in  der 
Tradition  der  römischen  Dichter  (Ovid.  met.  X  41  fl". 
Vergil  Georg.  IV485ff.)  —  frühere  Quellen  verstatten 
in  diesem  Punkte  kein  Urtheil  —  bei  der  Losbittung 

Archii.iloi;.  Ztg.  Jnhrgnng  XLU. 


der  Eurydike  die  Ilaujitrolle,  so  ist  es  doch  für  die 
Composition  ohne  Zweifel  günstiger,  wenn  Hades 
mit  in  die  Handlung  hineingezogen  ist. 

In  der  vor  l'erseplione  stehenden  weiblichen 
Figur  kann  icli  mit  Gerhard  und  Heydemanu  nur 
eine  dienende  Erinys  erkennen,  die,  wie  sonst  durch 
ein  umgehängtes  Pantherfell,  liier  durch  einen  Pan- 
ther an  ihrer  Seite  als  eine  der  &r]QtvTtti'  be- 
zeichnet ist. 

Die  Figur  links  von  Orpheus  ist  bereits  von 
Gerhard,  Panofka  und  Heydemann  für  Eurydike 
erklärt  worden.  Dass  diese,  um  derenwillen  Orpheus 
zum  Hades  hinabstieg,  schon  früher  auf  den  be- 
kannten Vasenbildern  vermisst  und  gesucht  wurde, 
ist  erklärlich').  Dagegen  erachtet  ^'.  Valentin  in 
seiner  oben  citirten  ,  ästhetischen  Studie  ihre  .An- 
wesenheit auf  unseren  Unterweltsdarstellungen  für 
unnüthig,  ja  sogar  unkünstlerisch.  Es  kommt  doch 
aber  sehr  auf  das  Wie  ihrer  Darstellung  an.  In 
unserem  Bilde  ist  sie  allerdings  nur  zu  erklären, 
wenn  wir  eine  Zusammenziehung  zweier  poetischer 
Momente  in  einen  bildlichen  annehmen.  Offenbar 
greitt  Orpheus  nocli  mit  der  Linken  in  die  Sai- 
ten, Hades  lauscht  gesenkten  Hauptes,  Persephone 
winkt  Gewährung,  und  schon  überredet  Himeros  mit 
eindringlicher  Geberde  den  ungeduldigen  Gatten 
sich  nach  der  Geliebten  umzuwenden^),  ja  der 
Sänger  hat  sie  sogar  schon  angefasst  ydQ  snl  xagno), 
wie  auf  dem  Albanischen  Relief.  Dass  aber  Orpheus 
Eurydike  gefasst  hätte,  ohne  sich  zuvor  nach  ihr 
umzuwenden,  wäre  sonderbar  und  nicht  wohl  mög- 
lich. Auch  hier,  wie  in  vielen  anderen  Punkten, 
werden  uns  die  ungleich  werthvolleren  Karlsruher 
Fragmente  einen  Wink  geben,  wie  wir  uns  Eurydike 
im  Rahmen  des  Vorbildes  zu  denken  haben  werden. 
Rechts  von  Hades  schliesst  die  obere  Reihe  eine 

^)  Gerhard  glaubte  sie  in  der  neben  der  Danaide  mit  dem 
Kruge  stehenden  Frau  der  Kuveser  Vase  (A.  Z.  1843  p.  201) 
und  in  der  auf  der  Vase  Blacas  neben  Orpheus  sitzenden  ein- 
geluillten  Frauengestalt  zu  erkennen  (A  Z.  1S4-1  p.  226).  wo- 
gegen Welclier  (A.  Z.  1843  p.  189)  Widerspruch  erhob  und 
seinerseits  die  auf  der  Vase  Petersburg  49S  hinter  Orpheus 
sitzende  Figur,  jedoch  auch  ohne  zureichende  Gründe.  Eurydike 
benannte. 

*)  Odit  verus  amor  nee  palilur  moras,  miiiius  dum  j,roj>trat 
cernere  perdtdit  Seneca  Herc.  f.   5S8. 

19 


257 


P.  Hartwii;-.  Nene  Uuterweltsdarstellungen  tinf  Vasen. 


258 


dritte  Gruppe  eiuer  weiblichen  und  einer  männlichen 
Gestalt,  zwischen  denen  oben  im  Felde  ein  Schild 
und  ein  Schwert  aufg-ehängt  ist.  Sie  sind  wie  im 
Gespräche  mit  einander  begrifien  und  nehmen  au 
der  Handlung-  der  Jlitte  keinen  Antheil.  Die  weib- 
liche, langgewandete  Figur  sitzt  nach  links  im 
Halbprofil,  während  ihr  Antlitz  nach  rechts  dem 
sitzenden  Jünglinge  zugewendet  ist.  Ihre  Eeehte 
ist  bis  an  die  Brust  erhoben,  in  der  gesenkten 
Linken  hält  sie  ein  Schwert  in  der  Scheide.  Eine 
Analogie  finden  wir  auf  der  Vase  von  Canosa.  Audi 
dort  befindet  sich,  neben  der  Gruppe  eines  sitzenden 
und  eines  stehenden  Jünglings,  die  man  der  Keulen 
wegen,  die  sie  führen,  auf  Theseus  und  Peirithoos 
gedeutet  hat,  an  ent.sprechender  Stelle  eine  sitzende 
weibliche  Figur  mit  einem  Schwert  in  der  gesenkten 
Rechten.  Man  hat  dieselbe  dort  Medea  benannt 
(Valentin:  Elektra)  und  als  Medea  fasst  auch  unsere 
hier  in  Frage  stehende  Figur  Heydemann  auf  (a.  a.  0. 
p.  817).  Dagegen  glaubte  Gerhard  (A.  Z.  1843  p.  191) 
in  ihr  eine  Furie,  welche  den  neben  ihr  sitzenden 
Jüngling  mit  dem  Schwert  bewacht,  zu  erkennen^). 
Aber  hier  muss  uns  der  Mangel  aller  Attribute  eiuer 
Erinys  zu  grösster  Vorsicht  mahnen,  dort  bleibt  die 
Zusammenstellung  der  Medea  mit  Peirithoos  und 
Theseus  schwer  zu  erklären.  In  der  weiter  nacli 
rechts  mit  im  Rücken  geschlossenen  Händen  auf 
einem  Gewandstück  sitzenden,  unbekleideten  Jüug- 
lingsgestalt  mit  Petasos  im  Nacken  erkennen 
wir  zum  ersten  Male  mit  voller  Sicherheit  Pei- 
rithoos. Er  ist  eine  der  Hauptpersonen  des  Tar- 
taros und  kann  nicht  wohl  fehlen,  denn  auch  er 
ist  gleich  Orpheus  und  Herakles  als  ein  Lebender 
in  das  Reich  der  Todten  eingedrungen:  freilich 
steht  er  sonst  im  grellen  Contrast  zu  ihnen,  denn 
den  einen  führten  die  Götter,  den  anderen  die  Liebe, 
diesen  ein  frevler  Uebermuth. 

Pausanias  (X  29,  8)  theilt  uns  bei  der  Be- 
schreibung der  Polygnotischen  Nekyia  zwei  Ver- 
sionen der  Strafe  des  Peirithoos  für  den  versuchten 
Raub  der  Kora  mit,  erstens  die  Fesselung  (cf.  Iloraz 

^)  Eine  geflügelte  Erinjs  mit  einem  Schwert  in  der  Recliten 
findet  sich  nn  ziemlich  entsprechender  Stelle  iiiil'  dem  Vasen- 
bildc  Peterbburg  426,  3.  dazu  Steph-ini  a.  a.  0. 


Od.  III,  79.  IV,  27:  cafeiiae,  rincula')  und  zweitens 
das  Festwachsen  auf  einem  Felsen,  wofür  er 
den  Panyasis  als  Gewährsmann  anführt  (cf.  Diod. 
4, 26.  Plut.  Thes.  35).  Auf  Canosa  und  Ruvo  hat 
die  Peirithoos  zu  benennende  sitzende  Figur  die 
Arme  frei,  es  kann  demnach  dort  nur  an  die 
Strafe  des  Festwachsens  gedacht  worden  sein. 
Unser  Vasenbild  vereinigt  anscheinend  beide  Mo- 
mente und  übertrifft  somit  in  der  Charakterisirung- 
dieser  Figur  alle  bisher  bekannten  Darstellun- 
gen^). Und  endlich:  Schwerter  spielen  bereits  in  der 
Gruppe  des  Peirithoos  und  Theseus  im  Lesche- 
gemälde  des  Polygnot  eine  Rolle.  .  Theseus  hält  sie 
in  Händen:  6  ds  {uyßnf.tevog)  ig  tu  ^icprj  ßXsncüv 
aaziv  6  nsiQid^ovg  (Paus.  X,  29,  9).  Wenn  wir 
nun  unseren  Peirithoos  betrachten,  wie  er  gesenkten 
Hauptes  auf  das  Schwert  blickt,  welches  die  Frau 
neben  ihm  in  der  Linken  hält,  erinnert  man  sich 
da  nicht  unwillkürlich  der  Worte  des  Pausanias  und 
ist  man  nicht  geneigt  zu  glauben,  dass  hier  ein 
Zug  des  Polygnotischen  Bildes  in  unsere  Darstellung- 
übergegangen ist? 

Wir  wenden  uns  nun  dem  unteren  Streifen  zu, 
wo  links  am  Anfang  zunäclist  ein  nackter  Jüngling, 
mit  einem  Petasos  im  Rücken,  Schuhen  au  den 
Füssen  und  einem  Schwert  an  der  linken  Seite,  nach 
links,  jedoch  mit  nach  rechts  zurückgewendetem 
Haupte,  vorwärts  schreitet.  Die  Rechte  ist  vorwärts- 
weisend ausgestreckt,  die  Linke  hängt  herab.  Die 
vorn  von  einer  Spange  zusammengehaltene  Chlamys 
flattert  hinterwärts  im  Winde.  Ihm  folgt  ein  zweiter 
Jüngling  in  gleichem  Kostüm  und  gleicher  Situation, 
nur  ist  der  linke  Arm  höher  gehoben  und  trug  offen- 
bar einen  Gegenstand:  ein  weiss  aufgemaltes,  aber 
verwischtes  Kerykeion ;  denn  wir  können  nach  der 
Analogie  der  anderen  Unterweltsdarstellungen  nicht 
zweifeln,  dass  diese  Figur  den  Hermes  vorstellt.  Als 
Dritter  endlich  schüesst  sich  Herakles  mit  dem  Ker- 
beros an,  bei  geringen  Abweichungen  im  Einzelnen 
im  Ganzen  den  bekannten  Darstellungen  gleich. 

S)  Daran,  dass  jenes  unter  Teirithoos  anscheinend  auf  dem 
Felsen  ausgebreitete  Gewandstiick  hier,  wie  auch  auf  den  Vaseu- 
bildern  von  Canosa  und  Ruvo,  gleiclisam  als  mitlesigewachseu 
zu  denken  ist,  wird  Niemand  ernsten  Anstoss  nehmen  wollen. 


259 


P.  Hartwig,  Neue  UiiterweltsdarstelluiiiTeii  auf  Vason. 


260 


I 


Der  erstere  der  beiden  vor  Herakles  eiulier- 
sclireitenden  Jtiiigliuge  wurde  von  Gerhard  und 
Heydeinaun  ohne  nähere  Begründung'  für  Theseus 
erklärt.  Selbstverständlieli  erwartet  man  diesen 
zunächst  an  der  Seite  des  Peirithoos  (vgl.  Canosa 
und  Ruvo),  aber  offenbar  reichte  dem  Vasenmaler, 
der  von  der  Mitte  aus  disponirte  Raum  für  drei 
Personen  rechts  vom  Hades  nicht  mehr  zu.  Sinn- 
voller strich  der  Maler  von  Ruvo,  der  sich  in  gleicher  • 
Lage  befand,  die  weibliche  Figur.  Am  .\nfang  der 
unteren  Reihe  vor  der  Gruppe  Hermes  -  Herakles 
hatte  unser  Maler  einen  freien  Raum,  ansclieinend 
nicht  gross  genug,  um,  wie  die  Maler  von  Canosa, 
Altamura  und  Ruvo,  Sisyphos  mit  seinem  Felsen 
unterzuljringen:  dort  stellte  er  seinen  Theseus  hin, 
ziemlich  getreu  das  Kostüm  des  Canosischen  und 
das  Motiv  des  im  Gespräch  mit  Peirithoos  vor- 
gestreckten rechten  Armes  bewahrend.  Freilich  ist 
diese  Figur  neben  Hermes  ilires  gleichen  Schemas 
wegen  weder  künstlerisch  erfreulich,  noch  auch 
an  dieser  Stelle  sinnreich,  denn  wessen  bedarf  es 
noch,  wenn  Hermes  geleitet?  Es  müsste  denn  sein, 
dass  der  Gedanke  an  die  Befreiung  des  Theseus 
durch  Herakles,  die  mit  dem  Kerberosabenteuer  in 
Verbindung  gesetzt  wurde,  uusern  Vasenmaler  ver- 
anlasste den  Theseus  in  die  Nähe  des  Herakles  zu 
rücken. 

Reclits  von  diesem  schliesst  sich,  ähnlich  wie 
auf  den  Vasen  von  Canosa  ')  und  Ruvo,  eine  Eriuys 
in  kurzem  gegürteten  Chiton  mit  Kreuzbändern  an. 
lieber  dem  linken  Arm,  in  dem  zwei  Speere  ruhen, 
hängt  ein  Pautherfell,  in  der  ausgestreckten  Rech- 
ten hält  sie  eine  Fackel*).  Ihr  Antlitz  ist  nach 
links  einer  zweiten  Frauengestalt  zugewendet^). 
Diese,  lang  gewandet,  lehnt  mit  gekreuzten  Beinen 
und  aufgestütztem  linkem   Arme   an   einem  Felsen, 

')  Dort  ist  die  Figur  durch  einen  Schlüssel  bestiniTiiter  sils 
Ilekate  x).ni!iov/Oi   charakterisiit. 

')  Vgl.  Plato  Axioch.  p.  372  fi.'/«  Ictunaniv  fjiniorwg 
jjvQOvufvot   llonuty  Tiiv/ovTcti  sc.   Ol'  iv  'Aitiov  y(iy.ovijyoi. 

'-^  Auf  dein  Vasenbilde  Altamura  ist  an  diese  Stelle  eine 
auf  ciueni  Ilippokaunien  reitende  Frauengestalt  getreten.  Es  ist 
eine  ansprechende  Verinuthiing  eines  meiner  Freunde,  in  ihr 
Hyperninestra ,  neben  den  bUssenden  Schwestern  die  einzig 
straflose  Dauaide,  zu  erkennen,  welche  den  Weg  zu  den  Inseln 
der  Seligen   nimmt. 


Während  sie  mit  der  erhobenen  Rechten  einen  (ganz 
uumotivirteu)  Zipfel  ihres  Gewandes  gefasst  hält. 
Rechts  über  ihr  befindet  sich  ein  nach  unten  spitz 
zulaufendes  Gefäss  ohne  Henkel,  links  von  diesem 
eine  lediglich  der  Raumfüllung  dienende,  im  Profil 
gesehene  Schale  und  unter  ihr  zwei  Blumen:  ebenso 
wie  die  Steine  zu  Füssen  des  Herakles  eine  An- 
deutung der  Landschaft,  des  Acheronufers  und  der 
Asphodeloswiese. 

Zur  Bcurtheilung  der  Gruppe  dieser  beiden 
Frauen  müssen  wir  noch  einmal  auf  die  vorher- 
gehende zurückkommen.  Dort  beweist  uns  die  hilf- 
reiche Gegenwart  des  Hermes,  dass  unser  Vasen- 
gemälde, beziehungsweise  sein  Vorbild,  der  älteren, 
durch  das  Epos  vertretenen  Version  von  Herakles' 
Höllenfahrt  gefolgt  ist,  nach  welcher  er  mit  Hilfe 
der  Oberweltsgütter,  wider  den  Willen  der  Unter- 
irdischen ,  dieses  schwerste  der  ä&la  vollführt 
(s.  II.  VIII,  3ÜT  ff.  Od.  XI,  G23  ff'.  Gerhard,  A.  V. 
T.  129 — 1.31).  Dann  erscheint  ein  Widerstand  von 
Seiten  der  Letzteren  geradezu  geboten,  und  wir 
werden  mit  V.  Valentin  hier  der  Vase  Canosa  den 
unbestrittenen  Vorrang  lassen ,  dass  der  hilfreiche 
Hermes,  der  gewaltig  arbeitende  Herakles  und  die 
mit  ihren  Fackeln  ihn  schreckende  Hekate  eine 
kraftvolle  und  wohl  abgewogene  Gruppe  geben'"). 

Der  Maler  unserer  Vase  zeigt  sich  auch  hier  als 
ein  wenig  denkender  Künstler.  Ist  schon  auf  den 
Vasen  Ruvo-K.  und  Santangelo  11  der  Gehalt  dieser 
Gruppe  durch  gleiehgiltiges,  beziehungsweise  bereit- 
williges Leuchten  der  Erinys  geschwächt,  so  ge- 
schielit  dies  auf  unserem  Bilde  noch  empfindlieber 
dadurch,  dass  sich  dieselbe  von  Herakles  abwendet 
und  anscheinend  im  Gespräch  mit  der  rechts  von 
ihr   stehenden   Frau    l)egriffen   ist.     Diese    endlich, 

'")  Der  auf  der  Vase  Canosa  zwischen  Herakles  und  Hekate 
befindliche  runde  Gegenstand,  den  man  für  das  durchlöcherte 
Fass  der  Danaiden  erklärt  hat,  ist  wohl  vielmehr  ein  am  Ein- 
gang des  ilüiiin  Id'iduivfjü;  aufgestellter  Altar,  wie  man  ihn 
auf  der  Oberwelt  an  den  Thüren  dem  Apollon  Itvnaio;, 
Tiooaiair'inios,  oder  aber  der  Hekate  TiQOnvliita,  zu  errichten 
und  mit  einfachen  Upfern  (hier  Kürnern)  zu  versehen  pflegte. 
Auf  den  Vasen  Santangelo  1 1  und  Blacas  deuten  Hermen  den 
Eingang  zur  Unterwelt  an.  Endlich  gleicht  der  fragliche 
Gegenstand  allenfalls  einem  modernen  Fass,  aber  nicht  einem 
antiken   niiliii. 

19* 


261 


P.  ll.nnwi!.'.   Nene  Uiiterweltsdarstt'lhinofeu  auf  Vasen. 


262 


vou  Pauofka  für  eine  Quelliiymplic  des  Styx,  von 
Welcher  für  eine  Seele,  von  Gerbard  für  Alkestis 
erklärt,  werden  wir  mitHeydemanu  aufs  Bestimmteste 
Dauaide  benennen  dürfen.  Einmal  spriebt  dafür 
das  Gefäss  über  ibr,  sei  es  nun  eine  verzeicbnete 
Hvdria  oder  ein  Pitbos,  und  andrerseits  gleicbt  sie 
in  ilirer  Erscbeinuug-  und  besonders  im  Motiv  des 
erliobenen  recbteu  Armes  überrasebend  der  Dauaide 
in  der  unteren  reciiten  Ecke  des  Ruveser  Bildes. 
Dies  könnte,  da  diese  Figur  in  der  Abbildung- 
(s.  A.  Z.  1843.  T.  XI)  durch  nichts  als  Danaide  cha- 
rakterisirt  ist,  als  eine  petitio  principii  erscheinen. 
Doch  liegt  (nach  einer  Mittbeilung  J.  Overbecks) 
hier  ein  Fehler  der  Zeichnung-  vor,  indem  die  Figur 
ebenso  wie  die  über  ihr  stehende  Danaide  in  der 
gesenkten  Linken  auf  dem  Originale  eine  Hvdria 
trägt,  deren  oberem  Theil  der  Kontur  des  Gewand- 
stückes, welches  sie  in  der  Abbildung-  mit  der 
Linken  hält,  in  der  That  auflfällig  genug  ähnelt. 

Auch  diese  Figur  ist  keineswegs  glücklich  in 
unserem  Bilde  aufgefasst.  Das  der  Danaide  zu- 
kommende Wassertragen  ist  verdrängt  duich  das  un- 
motivirte  Lehnen  an  einem  Felsen,  der  wohl  dem 
Wunsche  nach  einem  Abscbluss  der  Coniposition 
seine  Existenz  verdankt  und  nebenher  vielleicht 
eine  Reminiscenz  an  den  über  Tantalos  hangenden 
Felsen  ist,  der  sich  auf  Canosa  in  der  rechten  unteren 
Ecke  befindet  und  merkwürdiger  Weise  auch  im 
pojygnotischen  Gemälde  diese  Stelle  einnahm,  da 
mit  ihm  die  von  links  nach  rechts  fortschreitende 
Schilderung  des  Pausanias  schliesst"). 

Beurtheilen  wir  nun  kurz  das  Vasenbild  Sant- 
angelo  in  seiner  Gesammtheit,  so  werden  wir  ihm 
keinen  höheren  Wertb  als  den  einer  unteritalischen 
Fabrikarbeit  zuerkennen  dürfen.  Seine  Vorzüge  be- 
ruhen auf  einem  bei  einzelnen  Figuren  engeren  An- 

")  Eemerkenswerth  ist,  dass  die  Danaiden  auf  Ruvo  über 
der  rechten  Ecke  stellen,  wo  Tantalos,  den  der  Maler  offenbar 
des  Kaumes  wegen  aufgeben  niusste,  hingehört,  also  auf  dem- 
selben Platze  wie  beim  Polvgnot  die  Gruppe  der  Wasserträger 
mit  dem  n/.'/of  (Paus.  X  31,  1-2.  vnö  toviio  öi  tw  Tidlo)  Tuv- 
luXos).  Das  Motiv  des  Wassergiessens  aus  einer  Hydria  in 
einen  halb  in  die  Erde  eingesenkten  Pithos  giebt  eine  der  Da- 
nnidcn  auf  dem  überhaupt  in  mehreren  Stücken  sehr  inter- 
essanten Vasenbilde  Petersburg  426  wieder  (s.  Stephani  a.  a.  O. 
p.  23:i). 


Schlüsse  an  gute  Vorbilder,  so  in  erster  Linie  beim 
Peirithoos,  dann  auch  bei  der  Figur  des  frisch  vor- 
anschreitenden Hermes  (vgl.  Canosa  und  im  Gegen- 
satz dazu  Altamura  und  Ruvo)  und  des  den  Kerberos 
an  kurz  gefasster  Leine  kräftig  herunireissenden 
Herakles,  wobei  allerdings  auch  das  von  Valentin 
auf  der  Vase  Canosa  gut  bemerkte  Motiv,  dass  der 
Höllenhund  furchtsam  den  Schwanz  zwischen  die 
Beine  klemmt,  aufgegeben  worden  ist.  Wesentliche 
Figuren  werden  nicht  vermisst''),  doch  zeigt  sich 
überall  da,  wo  der  Maler  einigermassen  selbständig- 
die  Figuren  mit  einander  verknüpft,  Maugel  an 
Verstäuduiss  und  Empfindung. 

Was  das  Technische  betrifft,  so  sind  starke  Ver- 
zeichnungen nicht  vermieden  und  ist  eine  flaue 
Auffassung  der  Formen  und  der  Gewandbehandlung 
fast  durchgängig  zu  rügen.  Letztere  weist  die  be- 
kannten Merkmale  des  Bühnenkostüms  auf. 

Endlich  sei  noch  auf  die  merkwürdige  Ueber- 
einstimmuug  unseres  ^'asenbildes  mit  dem  vuve- 
sischen  hingewiesen.  Diese  erstreckt  sich  nicht  nur 
auf  die  Anordnung-  von  Figuren  (Hekate,  Persephone, 
Hades-Hermes,  Herakles,  Eriuys,  Danaide),  sondern 
auch  auf  einzelne  Motive,  wie  den  erhobenen  rechten 
Arm  der  Danaide  und  das  über  Herakles'  linker 
Schulter  emporragende  Ende  des  Bogens. 

Das  füiirt  uns  auf  die  Frage  nach  den  Quellen 
unseres  Vasenbildes.  Freilich  kann  es  sich  bei 
einer  so  späten  Darstellung  zunächst  nur  um 
secundäre  bandeln.  Der  Gedanke  an  Vorlagen- 
büchlein  mit  einzelneu  Typen  und  Gruppen,  die 
unter  den  Vasenmalern  von  Hand  zu  Hand  gingen, 
ist  meines  Wissens  zuerst  von  Brunn  ausgesprochen 
worden.  Freilich  können  hier  einzelne  Fälle  nicht 
eine  Entscheidung  herbeiführen,  sondern  sie  nur  au 
ihrem  Theile  fördern.  Aber  mir  erscheint  im  Hin- 
blick auf  die  Verwandtschaft  der  Unterweltsvase 
Santangclo  mit  der  aus  Ruvo  noch  ein  Zweites, 
nämlich  dass  uuteritalische  Vasenmaler  von  impor- 
tirten  Vasen,  vielleicht  von  mehreren  desselben 
Gegenstandes  zugleich,  copirt  haben,  nicht  aus- 
geschlossen. 

'-)  Von  dem  gewöhnlichen  Personale  fehlen;  Megara  und 
Ilerakliden,   Todtenrichter,  Sisjphos  und  Tantalos. 


263 


P.  Ilartwii',   Neue  L"iitorwcItsdarstellini''en  auf  Vasen. 


264 


Die  zweite  auf  Tafel  19  uach  einer  äusserst  sorg- 
fältigen Zeiciniung  des  Herrn  G.  van  Geldern  in 
■'/^  der  Originalgrüsse  edirte,  offenbar  niclirreiliige, 
aijer  stark  fragmentirte  Darstellung  der  Unterwelt 
stammt  aus  der  nur  wenige  Vasen  entlialtenden 
Sammlung  des  in  Freiburg  verstorbenen  Engländers 
Ciarke,  der  in  den  oOer  Jahren  (zum  Theil  in  Ge- 
meinscliaft  mit  dem  Major  Maler)  in  Italien  ge- 
sammelt hat,  und  wurde  1881  von  der  grossherzogl. 
Regierung  zu  Karlsiuhe  angekauft.  Ihre  Provenienz 
und  Vorgesehiclite  ist  leider  unbeknnnt. 

Ij.  Farben  für  einzelne  Tlieile  sind  nieht  zu  unter- 

(■  scheiden,  allerdings  sind  die  ötlicke  etwas  abge- 
rieben. Der  Palmettenrand  bildet  die  obere  Ein- 
biegung uach  dem  Halse  zu.  Allen  erhaltenen 
Figuren  sind  Namen  beigefügt. 

Wir  betrachten  zunächst  das  grössere  Bruchstück  a. 
Dasselbe  briclit  oben  mit  einer  eierstabälinlichen 
Kante  ab,  derselben,  welche  unterhalb  der  l'almetten 
des  zweiten  Stückes  b  hinläuft:  mithin  haben  wir 
auch  hier  den  oberen  Abschluss  der  ganzen  Bildfläche. 
Oben  am  linken  Rande  des  Fragmentes  befindet  sich 
ein  kleines  Dreieck,  ofl'enbar  der  Rest  einer  Archi- 
tektur. Schneidet  man  von  den  etwas  seitlich  von 
rechts  gesehenen  Gebäuden  auf  den  Vaseu  Canosa 
und  Ruvo  die  rechte  Ecke  weg,  so  erhält  man  ein 
Dreieck ,  welches  dem  unseren  nahezu  congrueut 
ist.  Es  ist  eine  besondere  Gunst  des  Zufalls,  dass 
diese  kleine  Ecke  erhalten  geblieben  ist,  denn  der 
Palast  der  Unterweltsgötter  ist  dadurch  auch  auf 
diesem  Vasenhilde  gesichert  und  zugleich  gewinnen 
wir  einen  festen  Anhalt  für  die  Bestimnning  von 
rechts  und  links  "l. 

In  der  oberen  Reihe  rechts  vom  Palaste  ist  die 
Gruppe  einer  männlichen  und  einer  weiblichen 
Figur,  welche  durch  die  Inschriften  als  neiQidoog 
und  ^ixt]  gesichert  sind,  fast  vollständig  erhalten. 
Ersterer,    mit    vollem,    lockigen  Haar,  sitzt   völlig 

")  Die  Vorsteilung  vom  Hause  des  Hades  (vgl.  die  homeri- 
schen Ausdrücke  ttr'Altiuo  douoiaiy,  Jwfi  l-Häno  u.  s.  w.)  wurzelt 
so  tief  iu  der  hellenischen  Phantasie,  dass  es  bei  einer  bildlichen 
Darstellung  der  Unterwelt  auch  für  eine  frühere  Zeit  vorauszu- 
setzen ist  als  die  des  späten  unteritalischen  Vasenstiles,  der  ja 
ein  Gebäude  als  Mittelpunkt  des  Bildes  beinahe  zur  Regel  er- 
hoben hat. 


nackt,  die  Hände  im  Rücken  geschlossen,  nach  links 
gewendet,  jedoch  nach  rechts  blickend  auf  einem 
durch  zwei  Höhlungen  deutlich  charakterisirten 
Felsblock.  An  seiner  Linken  hängt,  seitlich  nach 
rechts,  ein  Schwert  in  der  Scheide  und  ein  Gewand- 
stück fällt  unterhalb  desselben  über  den  Felseu 
herab,  während  das  andere  Ende  iu  schönen  Linien 
unter  dem  rechten  Arme  emporflattert.  Die  relativ 
beste  Darstellung  des  Peirithoos  auf  der  Vase  Sant- 
angelo  TÜU  übertrifi't  diese  einmal  durch  den  auf 
die  Strafe  des  Festwachsens  deutenden  Felsen,  dann 
durch  das  kräftigere  Motiv,  dass  sein  Schwiert,  ihm 
so  nahe,  an  der  Hüfte  hängt,  ohne  dass  er  es  zu 
zücken  vermöciite,  endlich  aber  besonders  durcii 
die  in  der  Haltung  des  Körpers  vortrefflich  aus- 
gedrückte Spannung  niedergehaltener  Kraft.  In 
den  Mienen  und  der  leisen  Neigung  des  Hauptes 
scheint  sich  auch  hier  Ingrimm  und  Trauer  auszu- 
drücken. 

Ihm  nahe  steht  Dike,  verschleiert,  in  langem, 
mit  Aermeln  versehenen  Chiton  und  Mantel;  an  den 
Füssen  trägt  sie  ansclieinend  Schuhe.  Sie  hat  den 
rechten  Fuss  auf  eine  Erhöliuug  gesetzt  (ganz  ähn- 
lich wie  Theseus  in  der  Vase  Ruvo-K.),  auf  das 
Knie  stützt  sie  den  rechten  Ellenbogen;  die  Hand, 
in  welcher  sie  ein  entblösstes  Schwert  seitlich  nach 
links  hält,  ruht  am  Kinn'^).  Der  rechteckige  Gegen- 
stand ,  welchen  sie  in  der  gesenkten  Linken  hält, 
ist  zweifellos  der  obere  Theil  der  Schwertscheide, 
die  sie  seitlich  nach  rechts  abwärts  hielt''). 

Dike  ist  sowohl  in  der  Poesie  die  strenge  Tochter 
des  Zeus"'),  wie  in  der  bildenden  Kunst  eine  durch 
die  ehrwürdige  Autorität  der  Kypseloslade  (Paus.  V 
18,  2,  cf.  N.  Mein.  delV  Inst.  II  t.  4.  4)  gesicherte 
künstlerische  Personification.  Hier  steht  sie  unge- 
fähr auf  gleicher  Stufe  mit  den  Uoival  und  der 
von  Christ  (s.  Körte,  Personif.  psych.  Afl'ecte  p.  7U) 

'^)  Vergl.  die  Peliade  mit  dem  Schwerte  auf  dem  lateran. 
Medearelief. 

'^)  Die  in  der  Mitte  oben  an  der  Langseite  des  Rechtecks 
befindlichen  Erhebungen  sind  keineswegs  die  Fingerspilzen  der 
Hand,  sondern  kleine  Haken,  wie  sie  ähnlich  an  derselben  Stelle 
beim  Schwerte  des  Peirithoos  sich  finden. 

"^)  Jio;  (xyeyttviit,  Hesiod  W.  n.  T.  356 fi\  Theog.  902. 
Aeschyl.  Sept.  645  u.  s.  w. 


265 


P.  Ilartwis.  Neue  Unterweltsdarstellungen  auf  Vasen. 


266 


hergestellten  Äväyxri  der  Vase  Altamura.  deun  auch 
sie  ist  eine  ans  der  Situation  der  Person,  der  sie 
beigegeben  ist,  zum  Zwecke  grösserer  Anseliaulieli- 
keit,  heraus  entwickelte  Figur,  aber  eigentlich,  da 
die  doppelte  Strafe  des  Peirithoos  zu  klarer  künst- 
lerischer Anschauung  gebracht  ist,  in  unserem  Bilde 
ein  Pleonasmus. 

Die  entsprechenden  weiblichen  Figuren  mit  dem 
Schwert  auf  den  Vasen  Canosa  und  Sautaugclo  709 
werden  wir,  von  dieser  sicher  bezeugten  Dike  aus- 
gehend, nunmehr  als  abgeschwächte  Darstellungen 
derselben  Personification  anzusehen  haben. 

Von  einer  zweiten,  unteren  Reihe  von  Figuren 
ist  Kopf  nnd  rechte  Schulter  eines  anscheinend  uu- 
bärtigen,  aber  alten,  hinterwärts  verschleierten  und 
auf  einem  dqövog  mit  gescliweifter  Lehnen  in  Vorder- 
ansicht mit  leichter  Ti^enduug  nach  rechts  sitzenden 
ilanues,  und  rechts  von  ihm  ein  zweiter  auf  einem 
öiqonQ  im  Profil  nach  links  sitzender,  bärtiger 
Mann  fast  vollständig  erhalten.  Seine  rechte  Hand 
mit  ausgespreizten  Fingern  ist  erhoben;  die  linke, 
am  Knöchel  mit  einer  Spange  geziert,  ist,  an  der 
Bewegung  der  Rechten  theilnelimend,  ebenfalls  vor- 
gestreckt und  ein  wenig  erhoben.  Ein  Himation, 
dessen  einer  Zipfel  über  die  linke  Schulter  herab- 
fällt, legt  sich  um  die  unteren  Partien  des  Körpers, 
ganz  ähnlieh  wie  bei  dem  sogenannten  Apollo  des 
Parthenoufrieses  (s.  Overb.  Plastik  1,  Nr.  37). 

Die  Reste  der  Namen  KOS  u"d  TRIP  würden 
sich  ohne  Weiteres  zu  A^crioq  und  ToinzöXEi.iog 
ergänzen,  selbst  wenn  nicht  auf  der  Vase  Altamura 
verwandte  Figuren  durch  TQiomölEf.ioQ  und  (Padä)- 
l.iavi/vg  inschriftlich  bezeugt  waren.  Doch  nicht 
genug;  auch  an  derselben  Stelle  wie  auf  den  Vasen 
Altamura  und  Canosa  befinden  sich  liier  die  Todten- 
richter,  und  gemeinsam  sind  unserer  Gruppe  mit  der 
Canosischcn  die  Composition  nnd  einzelne  Motive, 
wie  der  erhobene  reclite  Arm,  die  Anordnung  des 
Gewandes  und  die  Form  des  Sessels  bei  dem  rechts 
sitzenden,  die  Verschleierung  des  Hauptes  bei  dem 
mittleren  Todtenrichter. 

Das  zweite,   kleinere,   aber  längere'"),   der  lin- 

")  14,7:18,8.  Uie  Sehne  des  inneren  liogens  der  Eier- 
smbkante  ist  gemessen. 


ken  Seite  des  Vasenbildes  angehörige  Fragment  b 
giebt  in  seinem  oberen  Theile  ein  Palmetten- 
ornament mit  je  einer  Palmette  in  drei  durch 
Blüthenstengel  abgetheilten  Feldern,  welches  uuter- 
\\ärts  durch  die  gleiche  Kante  wie  bei  dem 
Fragmente  a  gegen  die  Bildfläche  hin  abgegrenzt 
ist.  Von  dieser  ist  nur  ein  schmaler  Streifen  mit 
drei  Beischriften  und  zwei  nur  theilweise  erhal- 
tenen Köpfen  übrig  geblieben.  Der  links  be- 
findliche, nur  in  den  oberen  vollen  Haarpartien 
erhaltene  gehörte  augenscheinlich  einer  männlichen 
Figur  an,  die  mit  der  erhaltenen  rechten  Hand  in 
das  Haar  an  die  Gegend  des  Scheitels  fasste,  und 
war  anscheinend  in  einer  Vierteldrehung  nach  links 
hin  gewendet.  Rechts  von  ihm,  in  einem  Abstände 
von  ca.  11  Millimeter  stehen  in  ziemlich  weiten 
Intervallen  die  Buchstaben  AlßN-  Da  vor  diesen 
keine  Spur  von  Resten  anderer  Buchstaben  erhalten 
ist,  auch  der  geringe  Abstand  von  dem  Kopfe  kaum 
für  mehr  als  einen  Buchstaben  Raum  gewähren 
würde,  so  müssen  wir  uns  mit  der  Tiiatsache  ab- 
finden, dass  hier  Alcuv  als  Personification  der  ewigen 
Zeit  dargestellt  war. 

Der  Poesie  ist  Aliov  als  Person  nicht  ganz  fremd. 

Euripides  nennt  ihn  in  den  Herakliden  (v.  900)  mit 

BloiQa  zusammen  als  Kgövov  nalg,  und  die  orphische 

Kosmogonie  Hess  ihn  als  zweites  Lebensprincip  aus 

dem  Okeanos  entstehen  (vgl.  Nonnos  Dionys.  7.  10. 

40.  431.    YiQiüv    TiQiüTotpavyjc,    avvTQO'fog).     Doch 

scheint   er   auch   hier  eine  Nebenrolle    gespielt    zu 

haben,  da  ihn    Aristopbanes  in  seiner  Parodie  der 

orphischen    Lehren    vom   Weltaufange   (av.  G93  ff.) 

nicht  mit  erwähnt.    In  der  Kunst  ist  der  Alwv  ein 

ana^    £lQrjl.Uvnv,   jedoch    auf    unserem    Vasenbilde 

neben  Jixi^  nicht  anstössig.    Seine  Anwesenheit  im 

Tartaros,    als    dem    Sitze    ewiger   Qual    lässt    sich 

rechtfertigen,    wenn   auch   der  Begriff  Ewigkeit  in 

dem  transcendenten  Sinne  unserer  Zeit  dem  Hellenen 

wohl  fremd  war.    Was  uns  von  der  Figur  des  Aliöv 

erhalten  ist,  verstattet  keinen  sicheren  Schluss  auf 

seine  Charakteristik.     Doch  scheint  er,  dem  vollen 

Haare  nach,  nicht,  wie  wir  erwarten  könnten,  als 

Greis,    sondern  als  Jungling  oder  Mann  aufgefasst 

gewesen  zu  sein,  und  die  Bewegung  der  Hand  gleicht 


267 


P.  Ilartwiti:.    Neue  üntenveltsdarstellunfren  auf  Vasen. 


268 


weniger  einer  Geberde  tiefen  Naclisinnens,  als  (lei- 
des Entsetzens  oder  des  Schmerzes ").  Flir  den 
Namen  links  vom  Haupte  des  Aeon,  von  welchem 
die  Buchstaben  A  A  '  erhalten  sind,  lässt  sich 
manche  Ergänzung  denken;  bei  dem  Mangel  jedes 
bestimmten  Anhaltes  ist  es  aber  besser  die  ver- 
sdiiedcncn  Möglichkeiten  nicht  erst  auzuf'iiiireu "). 
Endlich  ist  nach  rechtsiiin,  vermuthlicli  ganz 
nahe  an  der  linken  Ecke  des  Palastes  der  Unter- 
weltsgntter,  ein  im  Profil  nacli  links  gewendetes, 
zartes,  lockiges,  hinterwärts  verschleiertes  und  ein 
wenig  geneigtes  Köpfchen  mit  der  Unterschrift 

abwärts  bis  zum  Kinn  erhalten.  Kicht  unerwähnt 
darf  bleiben,  dass  uns  auf  den  Vasen  Canosa,  Alta- 
mura  und  Ruvo  an  derselben  Stelle  ein  ähnlicher 
weiblicher  Kopf  im  Profil  nach  links,  der  der  so- 
genannten Megara,  entgegentritt,  so  auffallend  ähn- 
lich, dass  der  Gedanke  an  eine  ursprüngliche  Iden- 
tität der  beiden  Figuren  nahe  liegt. 

Die  Vase  Santangelo  und  die  Karlsruher  Frag- 
mente liefern  den  bisher  noch  vermissten  Beweis,  dass 
Orpheus  auf  den  Unterweltsdarstellungen  nicht  als 
ein  Todter  vor  den  Todten  im  Hades  sein  Leierspiel 
fortsetzt,  sondern  dass  er  zum  Hades  als  ein  Le- 
bender um  der  Eurydike  willen  hinabstieg:  causa 
viae  coniunx  (Ov.  met.  X,  23). 

Einen  in  jeder  Beziehung  erfreulichen  Contrast 
zu  dem  Vasenbilde  Santangelo  ergiebt  die  stilistische 
und  inhaltliche  Gesammtbetrachtung  unserer  Bruch- 
stücke. Die  Behandlung  des  Nackten  ist  vor- 
trefflich.  Au  Peirithoos  sind  die  Muskelpartien  eines 

'")  Vgl.  die  Piiiiagogen  beim  Raube  des  Chrjsippos  und  auf 
der  Ai-chemorosvase  (Overb.  II.  Gall.  Taf.I  2.  IV  3),  den  Oineus 
und  die  Olenios  zu  benennende  Figur  auf  dem  Avers  der  Vase 
Santangelo  11;  dagegen  aber  den  trauernden  Peleus  ebenda. 
(A.  ■/..  1867  T.  CCXX.) 

")  Zu  warnen  ist  vur  der  sehr  nahe  liegenden  Vervollstän- 
digung des  AlHN  zu  AKTAII2N  und  des  Nanienfrag- 
mentes  links  zu  MAI  PA,  unter  Anknüpfung  an  eine  Gruppe 
der  Polygnotischen  Nekvia  (li/ lirj;  ifi  7»]?  Altanäg  'A/tciüov 
(oj'tv  6  llniaiulov ,  Paus.  X  30,5).  Doch  mangelt  für  die 
erstere  Ergänzung  der  Raum,  und  die  Bedingung  der  zweiten, 
die  viJlüge  Erhaltung  der  einen,  die  völlige  Zerstörung  der  an- 
deren Hälfte  des  My,  ist  von  der  äussersten  Unwahrscheinlich- 
keit;  auch  reichte  der  Raum  zwischen  den  beiden  Alpha  nicht 
aus. 


heroischen  Körpers  sicher  und  bewusst  vorgetragen, 
die  Hautfalten  des  eingezogenen  Unterleibes  sorg- 
fältig wiedergegeben  und  die  Verkürzung  des  von 
vorn  gesehenen  linken  Fusses  ist  völlig  gelungen, 
während  die  vollere  Brust,  die  fast  weiblich  runden 
Arme  und  die  schönen  Hände  des  Triptolenios  aus 
dem  Cliarakter  des  von  Demeter  mit  Ambrosia  ge- 
nährten eleusinisclien  Priesters  herausentwickelt 
sind.  Die  Behandlung  des  durchgängig  lockigen 
Haares  ist  frei  und  malerisch,  jedoch  oline  die  ins 
Perrückenhafte  ausartende  Uebertreibung  unterita- 
lischer Tecliuik. 

In  den  Köpfen  ist  ein  psychologisciier  Ausdruck, 
jedoch  fern  von  Uebertreibung,  erstrebt:  in  den 
Mienen  des  Peirithoos  Trauer,  düsteres  Vorsichhin- 
brüten  bei  Dike,  gespannte  passive  Aufmerksam- 
keit bei  dem  zuliörenden  und  active  bei  dem 
sprechenden  Todtenriehter,  ohne  dass  jedoch  der 
Mund  desselben  geöffnet  ist. 

Die  jedes  Zierratlis  iiaaren  Gewänder  folgen  bei 
Dike  und  Triptolemos  in  klarer  Entwicklung  der 
Falten  den  Formen  und  Stellungen  des  Körpers. 
Studirt  ist  jedoch  der  an  der  linken  Seite  des 
Peirithoos  auf  den  Felsen  herabfallende  eine  und 
der  unter  dem  recliten  Arme  eniporfiatternde,  au 
die  Gewandbehandlung  im  Phigaliafriese  erinnernde 
andere  Zipfel  seines  Gewandes.  Das  letztere  Motiv 
muss  bei  einer  nicht  nur  ruhenden,  sondern  zu 
ewiger  Ruhe  verdammten  Figur  lediglich  als  der 
Eaumfiillung  dienend  angesehen  werden. 

Besonders  erwähnt  sei  noch  der  schöne,  gerad- 
linige, tiefe  Sessel  des  Triptolemos,  der  eine  im 
Parthenonfriese  mehrfach  auftretende  Form  des 
öi(fQog  aufs  genaueste  wiedergiebt  (vgl.  Overbeck 
Plastik  I,  nr.  22.  25.  36.  37),  und  endlich  aucli  das, 
wie  die  Unregelmässigkeiten  zeigen,  aus  freier 
Hand  geführte  wundervolle  Palmettenornament. 

Die  Buchstabenformen  verweisen  unsere  Vasen- 
fragmente mit  Sicherheit  in  das  vierte  Jahrhundert, 
und  ich  stehe  nicht  an,  sie  als  eines  der  schönsten 
Beispiele  des  vollendeten  malerischen  Stiles  seiner 
letzten  Hälfte  anzusehen :  einer  Zeit,  wo  die  Vasen- 
illustration, an  die  Fortschritte  der  Malerei  an- 
knüpfend, zwar  den  ihr  zustehenden  linearen  Cha- 


269 


P.  HartwJCT.  Neue  Untenveltsdarstelluncen  auf  Vasen. 


270 


rakter  preiszugeben  beginnt,  aber  noch  einen  mass- 
vollen Gebrauch  von  den  reicheren  Ausdrucks- 
niitteln  macht,  welche  eine  nachfolgende  Entwicke- 
lung  bald  missbrauchen  sollte.  Unsere  Fragmente 
scheinen  mir,  der  ich  allerdings  nicht  in  der  Lage 
bin  an  Originalen  zu  vergleichen,  in  der  Auffassung 
der  Formen  und  dem  Ausdruck  der  Köpfe  an 
keine  Vasenzeichnung  näher  heranzukommen,  als 
an  das  kleine  bei  Overbeck,  H.  Gall.  T.  XXXIII, 
21  (nach  Welcker,  A.  D.  III.  T.  30,  2)  publicirte 
Bruchstück  aus  5Ir.  Stouarts  Besitze  mit  den  In- 
schriften Telegonos  und  Kirke. 

Dass  die  Fragmente  aus  italischem  Boden  stam- 
men, ist  nach  dem  oben  Gesagten  wahrscheinlich; 
nach  dem  Stil  zu  urtlieilen,  möchte  man  sie  dem 
attischen  Kunsthandwerke  zuschreiben. 

Es  fragt  sich  nun,  was  sich  über  die  Recon- 
struktion  des  ganzen  Vasen bildes  ermitteln  lässt. 
Es  wird  mir  mitgetheilt,  dass  die  Wölbung  der 
Bruchstücke  auf  ein  Gefäss  etwa  von  der  Grösse 
und  Form  der  Ruvo- Karlsruher  Amphora^"),  die 
eine  Bildfläche  von  ca.  45  cm.  Höhe  und  70  cm. 
Breite  aufweist,  sehliessen  lasse.  Die  grösste  Höhe 
unserer  Fragmente  in  a  beträgt  ca.  27  cm.,  also 
nur  70  fJps  vorauszusetzenden  llaumes.  Demnach 
dürfen  wir  mit  Sicherheit  auch  für  unser  Vasen- 
bild eine  dreireihige  Darstellung  annehmen.  Ferner 
lässt  sich  daraus,  dass  auf  dem  der  oberen  linken 
Seite  der  Bildfliiche  angehörigen  Fragmeute  b  drei 
Namen  erhalten  sind,  mithin  auch  drei  Figuren  da 
waren,  sehliessen,  dass  auch  reclits  an  entsprechen- 
der Stelle  eine  dritte  Figur  hinter  Dike  stand, 
wahrscheinlich  Theseus.  Dadurch  ergiebt  sich  aucli 
in  der  zweiten,  unteren  Reihe,  rechts  von  Tripto- 
lemos,  Raum  für  eine  weitere  Figur,  vielleicht  einen 
dritten  Todtenrichter.  Hier  betreten  wir  jedocli  schon 
den  Boden  der  Hypothese. 

Uebertreffen  aucli  die  Karlsruher  Fragmente 
weitaus  alle  bekannten  Darstellungen  der  Unter- 
welt auf  griechischen  Vasen,  so  seheu  wir  doch 
auch  hier  nur  durch  einen  Spiegel,  auch  sie  sind, 
wie  die  anderen,  eine  Compilation.  Dass  aber 
diese   in    ihrer    Gesammtheit   aus    Vorlagebüchern 

-'")  Höhe  1,19,  Dicke  Ö3,  Umfang  1,85  (Fröhner). 


geschöpft  seien,  welche  einzelne  Typen  und  Grup- 
pen enthielten ,  ist  deshalb  nicht  wahrscheinlich, 
weil  in  der  immerhin  grossen  Zahl  von  erhaltenen 
Darstellungen  zu  viel  Einheitlichkeit  der  Form  und 
des  Inhalts  herrscht.  Andererseits  stellt  sich  der 
Annahme  von  einem  einzigen  figurenreicheren 
Originale,  welches  die  Vasenbilder,  so  wie  sie  vor- 
liegen, excerpirt  wiedergeben,  folgendes  Bedenken 
entgegen:  Die  Hadesfahrt  des  Orpheus  und  auch 
die  des  Herakles  konnte  ein  Maler,  wie  einst 
Polygnot  und  wohl  auch  Nikias  die  des  Odysseus, 
benutzen,  um  die  Unterwelt  zu  schildern,  diese  mehr 
im  epischen  Geiste,  jene  in  dem  der  Lyrik  und 
des  Dramas,  aber  beide  Abenteuer  zugleich  auf 
einem  Bilde  beeinträchtigen  gegenseitig  ihre  Wir- 
kung. Demnach  müssen  wir  entweder  annehmen, 
das  Original,  von  welchem  sämmtliche  Vaseubilder 
abhängig  sind,  sei  in  der  That  mit  dem  erwähn- 
ten Mangel  behaftet  gewesen,  oder  es  liege  als 
gemeinsame  Vorlage  eine  für  die  Zwecke  der 
Vasenmalerei  eigens  angefertigte  Compilation  aus 
mehreren  bekannten  und  berühmten  Originalen 
zu  Grunde.  Dass  die  Darstellung  des  Tartaros 
ein  beliebter  Vorwurf  der  griechischen  Malerei 
war,  verbürgt  uns  eine  interessante  Stelle  aus  der 
ersten  Rede  gegen  Aristogeiton  ^').  Nach  den  Na- 
men jedoch  der  betreffenden  Meister  zu  forschen, 
ist  bei  der  lückenhaften  Ueberlieferung  ein  müssi- 
ges Beginnen.  Auf  des  Nikias  Nekyia  als  Vorbild 
unserer  Vasenillustrationen  zurückzugeheu  verbietet 
einerseits  die  homerische  Auffassung  seines  Gemäl- 
des (I'lin.  35,  131.  Autip.  Anth.  Pal.  IX  792),  an- 
drerseits erscheint  ein  so  vorwiegender  Colorist 
(vgl.  Overbeck  S.  Q.  1822 — 24)  besonders  ungeeignet 
Vorbilder  für  die  Vasenmalerei  zu  liefern.  Einen 
Zusammenhang  unserer  Unterweltsdarstellungen  mit 
Polygnot  suchte  einst  Braun  (Annali  1837  p.  239f.) 
festzustellen;  Welcker  (Arch.  Ztg.  1843  p.  179)  giebt 
ihn  schon  auf,  denn  es  könne  uns  nichts  dienen 
auf  die  Unterwelt  Polygnots  zurückzugehen  als  des 
grossen    Unterschieds    in    der    Hauptidee,    in    der 

-')  1'».  Demostli.  25,  52  (p.  7SG,  13):  i^ttlf  (if  ä'oi  iiDyinU/ oi 
i')Vi  iint,iffg  iv  "Aiiiov  yijiai  ovaiv.  f^tin  tovkov  .  .  .  Tidndjyt- 
711/ ;  cf.  Plaut,  capt.  5. -1.  1  vidi  ego  multa  saejji:  picia,  ijuae 
Aislieriinti  fierent  cruciamenta. 


271 


M.  Mayer,  Tlieseus-Sarkojiliag. 


272 


ganzen  Composition  und  in  allen  Personen  inne  zu 
werden.  Allerdings  könne  es  nicht  überr.asclien, 
wenn  die  Ueberlieferung-  Personen  und  Gruppen 
aus  der  Lesclie  zu  Delphi  bis  nach  Apulieu  nud  der 
Basilicata  getragen  hätte.  Und  in  der  Tliat  erscheint 
dies  nicht  ausgescldossen.  Wir  werden  uns  den  Her- 
gang so  deuten  können:  der  oder  die  Künstler, 
von  denen  unsere  Vaseninaler  ihre  Motive  ent- 
lehnten, haben  gewiss  nach  altgriechischeni  Kiinstler- 
brauche  Motive  aus  Polygnots  Unterweltsbilde,  der 
berühmtesten  Darstellung  dieses  Gegenstandes  in 
Hellas,  übernommen  und  weiter  gebildet,  und  so 
mag  es  sich  erklären,  dass  wir  noch  Spuren  po- 
lygnotischcr  Auffassung,  vielleicht  aus  dritter  oder 
vierter  Hand  in  unseren  Vasenbildern  wiederfinden.") 
Bautzen.  F.  Hartwig. 

--)  Die  mit  unserem  Thema  in  keinem  inneren  Zusiunnien- 
hange  stelie'nle  Vignette  ist  in  73  der  Grösse  des  Originals  nach 
einer  Zeiclinung  aus  dem  Besitze  des  deut>chen  Instituts  in 
Rom  angefertigt  und  stellt  die  sehwarzfigurige  Vasenxeichnung 
eines  Kitharüden  dar,  der  im  Begriffe  steht  ein  ßrjun  /.u  be- 
steigen. Der  Vasennialer  hat  ihn  durch  ein  beigeschriebenes  X"^i.'^ 
'0(>(ftv    als   den  thrakischen  Sänger  bezeichnet. 


EIN  THESEUS- SARKOPHAG. 


Der  umstehend  nach  einer  Photograjihie  in  verklei- 
nertem Maassstab  abgebildete  Sarkophag  zeigt  zum 
ersten  Male  unter  der  grossen  Masse  gleichartiger  Mo- 
numente an  seiner  Hauptseite  den  Theseusmytbus. 
Die  Hi])polytos-Sarkophage,  woTheseus  nur  in  neben- 
sächlicher Rolle,  als  bärtiger  König  auftritt,  kommen 
hierbei  nicht  in  Pjctracht,  ebensowenig  der  Alope- 
Sarkopliag,  der  —  falls  die  Deutung  zutrifft  — ,  wenn- 
gleich aut'Kerkyon  bezüglich,  doch  nicht  in  die  Reihe 
der  gewöhnlichen  Thescusabeuteuer  eingreift,  sondern 
die  Euripideische  Tragödie  wiedergiebt,  wo  der  Con- 
flikt  sich  vielmehr  um  die  Tochter  des  Königs  Ker- 
kyon  drehte.  Eher  wäre  von  zwei  Reliefdarstellungen 
des  Minotauros-Kampfes  zu  reden;  doch  wie  dieser 
Gegenstand  nun  einmal  als  selbständige  Darstellung 
beliebt  ist'),  bildet  das  eine  Relief  nur  die  Keben- 

')  Die    Reliefs    sind    zusammengestellt    bei    Conze   'Theseus 
und  der  Minotaur'  38.  Berliner  Winckelm.-I'rogr.  Anm.  8,  bis  auf 
den  hierhergehörigen  Herakles-Sarkophag  aus  Köln,    Jahrb.  der 
Arclijinlun.  Ztj5.    Jiihrf^anf;  XLII. 


Seite  eines  sonst  den  Herakles  angehenden  Sarko- 
phags, wäiirend  das  andere^)  links,  wo  es  ge- 
brochen ist,  eine  Fortsetzung  in  der  Art  des  vor- 
liegenden zulässt  und  allerdings  als  Eckstück  eines 
Sarkophags  bezeichnet  wird.  Die  andere  Scene, 
welche  uns  hier  interessirt,  Theseus  die  Ariadne 
verlassend,  findet  sich  auf  dem  Constantiuoiieler 
Hippolytos-Sarkophag  (Arch.  Ztg.  1857  Taf.  1U0,2), 
aber    auch    sie    in    untergeordneter    Stellung,     als 


AlterthumstV.  im  Rheinl.  VII  Taf.  3,  S.  94;  die  Vordeifldche 
desselben  enthält  zwei  Heraklesthaten;  die  Nebenseiten  zeigen 
ein  Mal  (r.)  Theseus,  das  andere  Mal  (1.  zwei  S_yni|iben.  Uebri- 
gens  sind,  wie  ich  von  Herrn  Direktor  Conze  liöre,  mittlerweile 
bereits  neue  Keliefdarstellungen  des  Gegenstandes  zum  Vorschein 
gekommen. 

■-')  Frngm.  Castellani :  Matz  v.  Duhn  Ant.  Bildw.  II.  2909; 
abgeb.Ber.  d.  S.  G.  1878  Taf.V,  3  vgl.  S  146.  Der  Minotaur 
liegt  hier  bereits  am  Boden,  und  Thebens,  von  dem  nur  die 
Füsse  erhalten  sind,  stand  siegreich  üIjim-  ihm, 

20 


273 


M.  Meyer,  Theseus-Sarkopliag. 


274 


Füllung:  einer  Schmalseite,  der  auf  der  andern  ein 
Greif  entspricht. 

Zufolge  der  Noiizie  cleyli  Scavi  1883  p.  372  ist 
unser  Sarkophag  im  Oktober  des  Jahres  1883  in 
Castel  Giiibileo,  dem  Orte  des  alten  Fidena,  gefunden, 
und  zwar  auf  dem  Grund  und  Boden  des  Herrn 
ßianchi,  in  dessen  Besitz  er  sich  noch  befindet^), 
und  durch  de>sen  Freundlichkeit  ich  in  den  Stand 
gesetzt  bin,  seine  nähere  Kenntniss  den  Lesern 
dieser  Zeitschrift  zu  vermitteln. 

Die  Hauptfläche  dieses  aus  dem  3.  Jahrhundert 
n.  Chr.  stammenden  Sarkophags  ist  in  der  Mitte 
durch  einen  Piiaster  getheilt,  der  oben  jederseits 
einen  Tiior-Ansatz  zeigt,  wozwischen  die  vordere 
Fläche  mit  einer  kleinen  stark  bewegten  Gewandtigur 
geziert  ist*),  vor  der  sich  noch  ein  etwas  niedrigerer 
Gegenstand,  eine  Herme  scheint  es,  befindet.  Die 
Seite  links  vom  Pfeiler,  obwohl  sehr  figurenreich, 
enthält  nur  eine  Scene,  wälireud  man  rechts,  wohin 
wir  uns  zunächst  wenden,  sogleich  zwei  bekannte 
Episoden    unterscheidet.       Man    erblickt    hier    der 

^  In  Korn  Piazza  della  Minerva  bei  Fratelli  Bianohi.  Dort  sah 
ihn  Robert  in  diesem  Frübjahr  (s.  Sitznngsber.  der  Arch.  Ges.  z.  Ber- 
lin V.  G.  Mai,  oben  S.  77);  ihm  verdanke  ich  die  Angaben  über 
manche  uul"  der  Photographie  nicht  deutliche  Einzelheiten,  über 
die  ausgebrothenen  Stücke,  sowie  über  die  Nebenseiten,  welche 
übrigens  mit  der  Hauptdarstelliing  nichts  zu  thun  haben:  rechts 
•zwei  Jünglinge  mit  Sjjeeren  nach  1.  gewendet,  der  hintere  sich 
umsehend;  ganz  rechts  eine  verschleierte  Frau  den  Finger  an 
den  Mund  legend;  links  zwei  Jünglinge  mit  Schwertern  und 
Speeren  nach  r.  schreitend 

■*)  Marucchi  bezeichnet  sie  in  der  kurzen  Beschreibung, 
die  der  Photographie  beigegeben  ist,  als  eine  gi'flügelte  Nike 
mit  Kranz  und  Palme,  während  sie  auf  der  Photograjibiu  mehr 
wie  eine  tjmpanonschlageude  Münade  erscheint. 


rechten  Ecke  nahe  Theseus,  wie  auf  dem  Castel- 
lani'schen  Fragment^),  über  dem  erlegten  Minotaur 
stehend,  das  Schwert  an  der  Seite  und  die  grössten- 
theils  weggebrochene  Lanze  in  der  Linken,  mit  mehr- 
fach umgeschlungener  Chlamys  und  Schuhen  beklei- 
det. Sein  Gesicht,  mit  unverkennbaren  Porträt- 
zUgen,  ist  gegen  die  Eckfigur  gewendet,  einen  bär- 
tigen, düster  blickenden  Mann  mit  kahler,  stark  ge- 
furcliter  Stirn,  der  barfuss  und  nur  mit  einer  Exoniis 
angethan  in  lebliafter  Bewegung  nach  r.  wie  zum 
Weggehen  begritfen  ist,  indem  sein  rechter  Arm 
hinter  Theseus  ausgestreckt  ist,  als  ob  er  ihn  au 
dessen  Schulter  legte  und  diesen  zum  Mitgehen 
bewegen  wollte ").  Zwischen  beiden  kommt  im 
Hintergrunde  der  Kopf  des  Hermes  mit  Flügelkappe 
zum  Vorschein.  Das  erschlagene  Ungeheuer,  auf 
dessen  rechter  Schulter  Theseus  mit  dem  einen 
I*"'usse  ziemlich  unglücklich  postirt,  ebenso  wie  der 
darüber  hinwegschreitende  Kahlkopf,  steht,  liegt 
mit  dem  Haupt  dem  Beschauer  zu  auf  dem  Kücken 
durchaus  in  der  Weise,  wie  auf  den  Wandgemäl- 
den, unter  denen  (neben  Heibig  1213 — 1215  und  Bull. 
1875  p.  235)  besonders  das  von  Heydemann  Arch. 
Zeitg.  1872  Taf.  G7  pubücirte  zu  vergleichen  ist, 
nur  dass  in  unserm  Falle  statt  des  einen  Armes 
beide  in  ziemlich  coniplicirter  Weise  über  die  Brust 
gescldagen  sind.    In  der  durchaus  übereinstimmen- 

'■>)  Nur  steht  er  dort  auf  dem  Boden  derart,  dass  seine 
Füsse  vor  und  hinter  dem  Leibe  des  nach  links  gestürzten 
Gegners  zum  Vorschein    kumuien. 

")  Auch  wenn  ihm  (dessen  Nase  übrigens  abgebrochen  ist) 
die  unter  den  Fragmenten  befimlliche  'rechte  Hand  einer  Figur 
im  Ilintergrunile'  geliören  sollte,  würde  an  diesem  Eindruck 
nichts  geändert 


275 


M.  Mayer,  Theseus-Sarkopha;,'. 


276 


I 


den  Verkürzung  tritt  bier  der  malerische  Ursprung 
der  Sarliophag-Vorbilder  mit  seltener  Deutlichkeit 
zu  Tage.  —  Hart  an  diese  Scene  selilicsst  sieh 
links  die  verlassene  Ariadne,  von  der  hinweg 
man  links  —  auch  dies  der  Anlage  der  meisten 
Gemälde  entsjjrechend  —  den  Tlieseus  segeln  sieht. 
Auch  sie,  deren  Augen  hier  geöffnet  sind,  ist, 
wie  auf  den  Ariadne-Sarkophagen  öfter,  mit  stark 
porträtmässigen  Zügen  ausgestattet  und  niciit  ohne 
Absicht  so  nahe  an  den  Thcseus  der  vorigen 
Scene  gerückt,  dass  sie  sich  auf  den  ersten  An- 
blick fast  anzuschmiegen  scheint,  während  ihr  in 
Wirklichkeit  ein  kurzer  Pfeiler  als  Lehne  dient. 
Die  Gestalt,  die  durchaus  den  landläufigen  Typus 
der  Ariadne  -  Sarkophage  wiedergiebt  (vcrgl.  z.  15. 
Clarac  II  132,  150  und  Gerhard  Ant.  Bildw.  112,3), 
ist  am  01)erkürppr  nackt  und  legt  die  rechte  Hand 
in  der  bekannten  Weise  über  den  Kopf,  eine  Hal- 
tung die,  obwohl  von  der  schlafenden  hergenom- 
men, hier  wo  zum  ersten  Male  statt  des  ankom- 
menden Dionysos  Tlieseus  selbst,  das  Sinnbild  des 
ebenfalls  in  dem  Sarkophag  ruhenden  Gatten"), 
dargestellt  ist,  in  anderem  Sinne,  als  Zeichen  des 
Schmerzes,  verwendet  sein  könnte,  wenn  nicht  die 
sehr  mechanisclie  und  sinnwidrige  Art,  wie  der 
linke  .Arm  copirt  ist,  uns  eines  Anderen  belehrte. 
Diesem,  der  zwar  gebeugt  und  als  aufruhend  ge- 
dacht ist,  fehlt  es,  wie  schon  auf  den  genannten 
Bakchischen  Sarkophagen  mehrfach,  an  jeglicher 
Unterlage,  ein  Mangel  der  durch  den  jninlello,  der 
den  Ellenbogen  mit  dem  Kiefer  des  Minotaur  ver- 
bindet, in  keiner  Weise  ersetzt  wird. 

Man  bemerke  noch  die  mehr  zierliche  als  schöne 
Haltung  der  linken  Hand  mit  den  zwei  gestreckten 
Fingern,  eine  Eigenthümlichkeit,  die  so  sehr  im 
Porträtgeschmack  gewisser  Zeiten  ist,  dass  man 
unwillkürlich  ein  ])aar  Kinge  an  den  Fingern 
sucht.  —  Auf  diesen  beiden  Figuren,  der  Ariadne 
und  ihrem  Kachbar,  ruhte  ersichtlich  das  Haupt- 
interesse des  Bildhauers.  Die  Figur  des  zur 
Ariadne-Scene  gehörigen  Theseus,  der  im  Schiffe 
steht,  ist  weit  untergeordneter  in  Stellung  und  Ge- 
wandung, auch  in  der  Porträtiruug  minder  genau. 
Er  blickt  wie  auf  den  Gemälden  von  der  \nr- 
lassenen  hinweg  ins  Meer  hinaus  (dessen  Wellen 
sich  —  wie  auch  das  Schiff  und  des  Theseus  Ge- 
wand —  über  den  trennenden  Pfeiler  hinaus  fort- 
setzen), mit  einer  merklichen,  wohl  Trauer  bedeu- 
tenden Kopfneiguug,  ohne  dass  seine  sonstige  Be- 

')    Vgl.    die  dazu  gehöiige  Inschrift   Aod'zi'c   d.  üc.  a.  :i.  0. 


wegung  recht  deutlich  würde:  beide  Hände  sind 
abgebrochen,  und  man  kann  nur  von  der  Linken 
etwa  annelunen,  dass  sie  auch  hier  die  Lanze  hielt, 
von  der  man  noch  den  Bruch  am  Fusse  des 
Mastes  zu  erkennen  glaubt.  Die  Ruderer,  deren 
man  zwei  erblickt,  sind,  um  die  Hauptperson  nicht 
zu  verdecken,  in  ungewöhnlicher,  fast  affenartiger 
Kleinheit,  dargestellt.  —  Noch  will  eine  in  ihrer 
oberen  Hälfte  zugleich  mit  dem  Mast  und  Segel 
weggebrochene  Mannsgestalt  erwähnt  sein,  die  zwi- 
schen dem  Schiff  und  Ariadne  steht,  also  da,  wo 
auf  den  meisten  Darstellungen  dieses  Mythus  Diony- 
sos seinen  Platz  zu  haben  pflegt.  Man  wird  in 
dieser  ruhig  dastehenden  mit  Cliiton  und  Mantel 
bekleideten  Person,  die  nach  rechts  hin  gewendet 
die  1.  Hand  auf  den  kurzen  Pfeiler  legt,  kaum 
etwas  Anderes  als  einen  Gefährten  des  Theseus, 
etwa  —  wenn  eine  Benennung  räthlich  ist  —  den 
Phorbas,  erkennen').  So  unglücklich  pflegt  nun 
einmal  diese  Reliefgattung  die  Scenen  ineinander 
zu  schieben. 

Schwierigkeiten  bereitet,  wie  gesagt,  die  Eck- 
figur,s()wie  die  Anwesenheit  des  Hermes.  Auch  hier 
liegt  es  nahe,  einen  Gefährten  und  zwar  der  unter- 
geordneten Tracht  lialber  einen  Schiffer  zu  ver- 
muthen,  wenngleich  das  Ungestüm  des  Mannes  so- 
wie die  Miene,  mit  der  er  den  Gebieter  anblickt, 
befremden  muss.  Es  ist,  rein  äusserlich  betrachtet, 
eine  ganz  treffende  Charakteristik  der  Gestalt, 
wenn  Trendelenburg')  dieselbe  Charon  benannte, 
nur  dass  der  Fährmann,  soweit  ich  mich  entsinne, 
auf  Sarkophagen  niclit  ohne  seinen  Kahn  zu  er- 
seheinen pflegt.  Aber  was  könnte  Charon  wollen 
von  dem  Bezwinger  des  Minotaur?  An  den  Weg 
zur  Unterwelt,  ein  Unternehmen,  welches  sich 
durchaus  nicht  an  das  kretische  anzuschliessen 
pflegt,  ist  in  solcher  Darstellung  nicht  zu  denken. 
Soll  man  also  dem  allgemeineren  Gesichtspunkte, 
der  über  das  Mythologische  hinaus  die  Persönlich- 
keit des  in  dem  Sarkophage  Ruhenden  berück- 
sichtigt, soweit  Raum  geben,  um  mit  Trendelenburg 
das  Erscheinen  des  Cliaron  und  des  Hermes 
Psychopompos  auf  den  Verstorbenen  zu  beziehen, 
der  hier  zum  letzten  Gange  abgeholt  werde? 
Schwerlich.  Wenigstens  fehlen  für  eine  solche 
Unterbrechung  des  mythologischen  Zusammenhangs 
so  sehr  alle  Analogien  in  dieser  Monumentenklasse, 

")  Der  zu  dieser  Figur  gehörige  Kopf  ist  erhalten.  —  Vom 
Hintertheil  des  Schiffes  geht  über  Ariadnes  Knie  hin  ein  läng- 
licher Gegenstand,  dessen  Bedeutung  ich  nicht  verstehe. 

'■*)  In  der  Anm.  3  genannten  Sii/.ung  der  Arch.  Ges. 

20* 


27' 


31.  Mayer.  Theseiis-Sarkopbag. 


278 


dass  diese  Auffassung'  scliweren  Redenken  unter- 
liegt. Die  natürlichste  Eikläruiio;  ergiebt  sich  bei 
einer  Durchmusterung  des  ßilderkreises,  zu  welchem 
unser  Relief  untrennbar  gehört.  Auf  einem  Pompe- 
janischen  Gemälde  (llelbig  1218.  Gell,  Pompeiana  II 
4'J.  Zahn  Neuentd.  Wandg.  21)  erblickt  man  rechts 
von  Theseus  einen  bärtigen  Mann  in  Schiffertracht, 
der  jenen  anpackt  und  zur  Abfalirt  drängt,  eine 
Figur,  die  sich  auf  dem  Coiistantinopeler  Sarkophag 
mit  geringen  Variationen  —  z.  B.  liegt  die  rechte 
Hand  nicht  wie  dort  und  auf  unserm  Kelief  au 
Theseus'  Rücken  —  wiederholt'").  Allerdings  han- 
delt es  sich  dort  um  die  Abfalirt  von  Naxos,  wo 
denn  die  Trennung  dem  Helden  schwer  wird. 
Allein  das  kretische  Abenteuer  gehört  mit  jenem 
so  nah  zusammen,  und  beide  mögen,  zumal  in  den 
Musterbüchern  der  Steinmetzen,  so  oft  neben  einan- 
der dargestellt  gewesen  sein,  dass,  wo  nicht  gar 
eine  äusserliche  Verwechselung  vorliegt,  die  Ueber- 
traguug  jenes  Zuges  sich  wohl  begreifen  lässt.  Und 
hier,  wo  wir  uns  innerhalb  des  gegebenen  Kreises 
von  Personen  und  Motiven  bewegen,  wiire  es  eher 
denkbar,  dass  eine  Beziehung  auf  die  porträtirten 
Persönlichkeiten  obwalte;  der  betrübte  Abschied 
von  der  Gattin,  die  nicht  ohne  Absichtlichkeit  neben 
den  Helden  der  Nachbarscene  gruppirt  ist,  könnte 
wie  links  in  dem  trauernden  Gesichtsausdruck  des 
Theseus,  hier  wo  in  der  Bildung  der  Hauptfigur 
allerdings  die  Rucksicht  auf  porträtgemässe  Attitüde 
überwiegt,  nocii  einmal  angedeutet  sein  sollen. 
Aber  auch  der  anwesende  Hermes  steht  dieser  Er- 
klärung nicht  im  Wege,  er  begünstigt  sie  vielmehr. 
Die  kostbare  Schale  aus  Corneto  {Mon.  d.  I.  XI  20) 
mit  der  Darstellung  der  verlassenen  Ariadne  hebt  die 
Gegenwart  des  den  Theseus  antreibenden  Götterboten 
bedeutsam  genug  hervor;  und  für  diesen  Act  ist  be- 
kanntlich die  Rolle  des  Hermes  ausdrücklieh  be- 
zeugt: vel  consulto  vel  iiecessiküe  vel  iiiuniln  Mer- 
curii  Ariadnen  ibi  a  Theseo  derelictam  (Serv.  Georg. 
I,  222)").      Ein  Vergleich   mit  dem   fragmentirten 

'")  Der  Mann,  dessen  Hurt  bei  Ziiliii  nicht  wiedergegeben 
ist,  sicli  aber  auch  dort  in  dem  unförmlich  stiirlien  Kinn  ver- 
räth,  steht  auf  dem  Gemälde  sowohl  wie  auf  dem  Relief  be- 
reits iui  Schiffe,  zu  dessen  Andeutung  es  auf  unscrni  Saikojjhag 
an  l'lalz  fehlte. 

")  Mit  diesen  beiden  Zeugnissen,  deren  erstes  hoch  in  das 
5.  Jahrhundert  hinaufgehürt,  ist  so  gut  wie  ausgesprochen,  dass 
in  der  Kinlührung  des  Hermes  die  Dichtung  voranging,  und 
zwar  eine  Dichtung,  die  in  Theseus  noch  nicht  den  ausschliess- 
lich attischen  HcMen  sah,  wie  das  6,  Jahrhundert  und  die  folgende 
zeit.  .Sonst  hätte  es  nirht  fehlen  können,  dass  vielmehr  der 
Athena   die    bezügliche    Holle   /.uertheilt    worden  wäre,    wie  dies 


Relief  Castellani,  welches  in  der  Anlage  verwandt 
ebenfalls  an  der  r.  Ecke  mit  der  Minotaurosscene 
begann,  sowie  mit  den  Wandgemälden  lehrt  ohne- 
hin, wie  unberechtigt  es  sein  würde,  die  beiden 
fraglichen  Figuren  für  einen  wesentlichen  Bestand- 
theil  geiade  dieser  Scene  zu  halten. 

Zur  linken  Hälfte  des  Sarkophags  sich  vfendend 
erblickt  man  in  der  Mitte  den  Helden,  wie  er  nach 
linkshin  einem  bärtigen  Manne  von  königlichem 
Ansehen  die  Hand  zum  Abschied  reicht.  Zum  Ab- 
schied, inuss  man  wohl  sagen,  nicht  etwa  bei  der 
Ankunft;  darauf  weist  ausser  der  ruhigen  Stellung 
des  Theseus  das  nach  der  entgegengesetzten  Seite 
schreitende  Ross,  der  davouspringende  Hund  und 
besonders  die  nach  derselben  Richtung  voraneilende 
Virtus.  In  höherem  Maasse  als  ein  hinter  dem  Kö- 
nig stehender  Trabant  fesselt  unsere  Aufmerksam- 
keit ein  kleiner  fackelschwingender  Eros''')  im 
Vordergrunde  zwischen  den  beiden  Hauptfiguren, 
zwischen  denen  noch  Raum  genug  bleibt,    um    die 

auf  der  bekannten  Amphora  (Gerhard  Etr.-Canip.  V.  (i)  der  Fall 
ist,  einer  Darstellung,  die  in  ihren  vier  aufrecht  nebeneinander- 
gestellten Figuren  hinsichtlich  der  Erfindung  und  Composition 
nichts  Interessantes  bietet,  während  die  Cornetaner  Sehale  darin 
so  sehr  überrascht  und  erfreut,  dass  man  sich  schwer  enthält  an 
monumentale  Vorbilder  zu  denken.  Das  Gegenbild  der  Schale 
zeigt  als  wohlgewähltes  Pendant  (s.  Keknie'  Ann.  d.  1.  ISSO 
S.  154)  die  Wiedergewinnung  der  ungetreuen  Helena,  wobei 
man  sich  erinnert,  dass  in  dem  troischen  Cyclus  selbst,  und 
zwar  in  den  Kyprien  Nimojo  .  .  ?i'  nnQtxßanfi  i)iiiytnai  .  .  . 
it't   TTfpi    Srjafu   xin  'Aüiaävriv. 

'-)  Die  obere  Hälfte  der  Fackel  ist  abgebrochen.  Am  Bo- 
den liegen,  viel  zu  gross  für  Eros,  Bogen  und  Köcher.  Links 
ein  Helm  ohne  Bedeutung,  wie  er  öfter  auf  Sarkophagen  vor- 
kommt. An  dem  Kopf  des  Eros  lässt  es  die  Photographie 
zweifelhaft  erscheinen,  ob  derselbe  nach  oben  gerichtet  war,  oder 
ob,  was  jetzt  wie  Hals  und  Kinn  aussiebt,  nicht  vielmehr  das 
nach  unten  gerichtete  Gesicht  darstellt.  Indessen  steht  der 
letzteren  Autiassung  vielerlei  entgegen.  Erstens  lässt  sich  un- 
geachtet des  auf  dieser  Partie  liegenden  Schattens  nicht 
einsehen,  wie  bei  der  im  Allgemeinen  guten  Erhaltung  der 
Oberflächen  das  stark  gesenkte  Gesicht,  also  ein  geschützter 
Theil,  eine  so  weitgehende  Zerstörung  hätte  erleiden  sollen, 
während  dies  bei  erhobenem  Antlitz  wohl  denkbar  ist.  Ferucr 
würde  die.^e  starke  Kopfneigung  etwas  überaus  Gezwungenes 
haben  gegenüber  der  sonstigen  Richtung  der  nach  obenhin 
leuchtenden  und  in  diesem  Sinne  zurückgebeugten  Figur.  End- 
lich würden  dabei  Gesicht  und  Kopf  viel  kleiner  als  es  die 
Proportionen  sowohl  dieses  Körpers  wie  die  der  sonstigen  Eroten 
an  Sarkophagen  fordern,  deren  Köpfe  oftmals  sogar  grösser, 
in  der  Kegel  aber  von  derjenigen  Grösse  sind,  welche  sich  bei 
unserer  Auft'assung  herausstellt.  Von  dem  Wulst  auf  der  r. 
Schulter,  in  dem  ich  nichts  als  Haarlocken  zu  sehen  vermag, 
und  der  bei  der  Kopfsenkung  eine  ganz  unnatürliche  Lage  be- 
kommen würde,  darf  ich  nicht  einmal  sprechen,  da  manche  Be- 
schauer denselben  nicht  als  Haar  anerkennen. 


279 


M.  Mayer,  Theseus-Sarkophag. 


280 


im  Hintergrund  stellende  weibliche  Person,  auf  die 
der  Eros  Bezug  haben  nuiss,  fast  in  jranzer  Gestalt 
sichtbar  werden  zu  lassen.  Diese  Figur,  reich  ge- 
wandet und  mit  einem  Diadem  angethan,  hält  den 
Blick  fest  auf  Thcseus  gerichtet,  indem  sie  die  r. 
Hand  au  das  Kinn  erhebt  und  den  jetzt  (zugleich 
mit  der  Nasenspitze)  abgebrochenen  Zeigefinger  an 
den  Mund  legte:  eine  Arnibaltung,  die  notliwen 
dig  den  quer  vorgelialteuen  andern  Arm  als  Stütze 
voraussetzt,  ohne  dass  sich  indess  der  Arbeiter  an 
diese  Bedingung  gei^ehrt  hätte.  Vielmehr  hält  die 
Figur  links  ein  Scepter,  dessen  Vorhandensein  Ro- 
bert constatirt  hat,  und  dessen  Windungen  man 
auch  auf  der  Photographie  zu  erkennen  glaubt; 
auf  die  vorgestreckte  linke  Hand  weist  auch  die 
Lage  des  schleierartig  vom  Hinterhaupt  herab- 
fallenden Gewandes,  welches  linkerseits  (auf  dem 
Reliefgrunde)  sehr  schräg  herunterfällt  und  von 
der  r.  Seite  her  nach  demselben  Punkte  hinaufgeht. 
Diese  Frau,  deren  Züge  eine  strenge  Schönheit  zei- 
gen und  in  der  etwas  schweren  Unterlippe  einer 
bestimmten  Charakteristik  nicht  entbehren,  kann 
keine  andere  sein  als  Aphrodite,  diejenige  Göttin, 
deren  Cult  bald  Aigeus  (Paus.  1 14,  G),  bald  Theseus 
selbst  (I  22,  o)  in  Atlien  eingeführt  haben  soll,  die 
Beschützerin  des  Theseus  auf  dem  Zuge  nach  Kreta, 
der  er  vor  der  Abfalirt  ein  Opfer  braciite  (Plut. 
Thes.  18),  dieselbe,  deren  Macht  ihm  in  Aiiadne 
rettend  ersciiien,  deren  uraltes  Bild  auf  der 
Rückfahrt  seine  Rolle  spielt,  und  die  endlich  auch 
der  verlassenen  Ariadne  beigestanden  haben  soll  '^). 
Die  Erscheinung  der  Aphrodite  ist  uns  in  diesem 
Gestaltenkreise  allzu  neu,  um  nicht  im  ersten  ÄIo- 
ment  etwas  zu  befremden  '^).  Aber  die  Deutung  selbst 
zu  bezweifeln,  ist  kein  Grund  vorhanden.  Den  Eros 
nicht  mit  dieser  Frau  zu  verbinden  und  statt  dessen 


'^)  Schol.  Ilom.  A  321  xi<ioXo(i  t'nouürii  öl  irji  yluid(Si'tjg 
r\  'A<n>oiUir]  fnii/nifTaic  .iKinith'  avjfj  Tiaynii'fJ.  Jiuvvaov 
yiio  latallui  yvvitixn  xik.  Ariadne  selbst  ist  nur  eine  ver- 
dunkelte Aphrodite  (Plut.  Thes.  20). 

'■*)  Beim  ersten  Anbliclt  glaubt  man  in  dem  Gestus  der 
Gestalt  (der  sich  übrigens  bedeutungslos  bei  der  Frau  der  r. 
Schmalseite  wiederholt),  wie  in  ihrem  unverwandt  auf  Theseus 
gerichteten  Blick  eine  lebhaftere  Theilnnhrae  als  die  einer 
blossen  Schutzgüttin  zu  lesen.  Man  wird  an  die  CatuUische 
Ariadne  erinnert  (04,91) 

Non  prius  ex  ilto  ßiujrnntia    declinavU 
lumina  quam  cuiicfo  coiH-epit  pect07-e  ßammam 
JundituR  atfjue.   imis  erarsit  tota  iiieduliis. 
Heu  mt'sere  exagitans  immiti  forde  furores 
sancte  puer,  curis  hoviinum  fjui  gciudiu  wisces, 
guuegue   regis   Golgos  etc. 


eine  bräutliche  Scene  zu  vermuthen,  würde  seine 
Schwierigkeiten  haben;  denn  weder  Ariadne  kann 
mit  dieser  ganz  verschieden  charakterisirten,  scepter- 
führcnden  Idealgestalt  gemeint  sein  noch  etwa  die 
andre  Minostochter  Phädra.  Treiidelenburg,  auch 
hier  von  dem  Mythologischen  absehend,  glaubt 
dargestellt  zu  sehen,  wie  der  Verstorbene,  vor  die 
Wahl  zwischen  Tugend  und  Genuss,  zwischen  Vir- 
tus  und  Venus  gestellt,  sich  für  die  erstere  ent- 
scheidet; eine  Allegorie  die  dem  Gedankenkreise 
dieser  Kunstgattung  —  wenn  hier  von  Gedanken 
die  Rede  sein  kann  ■ —  so  gänzlich  fernliegt,  dass 
wir  sie  kaum  auf  einem  Herakiessarkophag  jemals 
erwarten  dürfen.  Wir  haben  es  einfach  mit  einer 
jener  Abscliiedsscenen  zu  thun,  die  wie  an  den 
Hippolytos-  und  sonstigen  Jagd -Sarkophagen  auf 
die  rechter  Hand  dargestellten  Begebenlieiten  vor- 
bereiten. Der  König  ist  hiernach  selbstverständ- 
lich Aigeus.  —  Es  erübrigen  noch  zwei  Figuren 
von  einer  für  den  Sinn  der  Scene  untergeord- 
neten Bedeutung,  deren  Köpfe  im  Hintergrunde 
zwischen  Theseus  und  der  Virtus  zum  Vorschein 
kommen.  Der  linke,  im  Profil  stehend  und  nach 
der  Aphrodite  hinblickend,  ist  behelmt  und  weib- 
licli;  er  lässt  Athene  erkennen,  die  Scliützerin 
Athens  und  seines  Helden,  die  auch  auf  dem  ver- 
glichenen Gemälde  gegenwärtig  ist.  Den  andern, 
der  die  Virtus  anblickend  einen  Kranz  im  Haar 
trägt  und  die  energisclien  Züge  eines  bartlosen 
Mannes  zeigt,  nannte  Trendelenburg  den  Ruhm  und 
kam  damit  dem  Richtigen  ganz  nahe.  Es  ist  wie 
Robert  gesehen  hat,  Honos,  der  Cult-  oder  viel- 
mehr Tempelgenosse  der  Virtus,  den  Purgold  mehr- 
fach auf  römischen  Monumenten  an  der  Seite  der 
Virtus  nachgewiesen  hat'^). 

Die  so  gut  wie  vereinzelte  Stellung,  die  der 
vorgestellte  Mythus  in  einer  so  umfangreichen  Mo- 
nunientengattung  einnimmt,  würde  mit  Unrecht  dahin 
verstanden  werden,  als  ob  der  ungetreue  Theseus 
kein  recht  geeignetes  Beispiel  gewesen  sei,  an 
Sarkophagen  die  Liebe  der  durch  den  Tod  getrenn- 
ten Gatten  zu  illustriren,  und  als  sei  es  nicht  ganz 
zufällig,  wenn  die  zahlreichen  Ariadne-Sarkophage 
eben  nicht  diese  Schattenseite  des  Mythus,  sondern 
die  Vereinigung  der  Entschlafenen  mit  den  Himm- 
lischen zeigen.  Vielmehr  können  die  Sarkophage 
mit  Darstellungen  der  Stheneboia-  oder  der  Pliae- 

'*)  Am  Innern  des  Titusbogen,  an  der  Pantili'schen  Basis 
Ihn.  d.  I.  VI  7(i),  auch  auf  Münzen,  Purgold  Archäol.  Bemerk,  z. 
Claudian  u  Sidon.  S.  32  und  in  der  Instituts -Festschrift  der 
Juvenes  Capitolini   1879  p.  22. 


281 


F.  Studniczka,  Ostgiebel  des  Zeusterapcls  in  Olympia. 


282 


di-afabel,  wo  es  an  PorträtkGpfeu  nicht  fehlt,  zur 
Genüge  lehren,  wie  gedankenlos  man  in  dieser 
Hinsicht  verfuhr;  und  in  einer  Klasse  von  Bildwerken 
wie  diese,  die  wie  kaum  eine  zweite  als  Dutzend- 
arbeit gekennzeichnet  ist,  tauclit  schwerlich  ein  Sujet 
auf,  wovon  nicht  Wiederholungen  zu  erwarten 
wären;  das  Fragment  Castellani  in  Verbindung  mit 
dem  Constautiuopeler  Relief  bestätigt  dies.  Uebri- 
gens  scheinen  in  römischer  Zeit  aus  dem  Leben  des 
Theseus  wesentlich  die  in  popuhärcn  Dichtungen 
fortlebenden  Fabeln  von  Ariadne  und  Piiädra  illu- 
strirt  worden  zu  sein'^),  während  seine  Reise- 
Abenteuer  aus  der  Kunst  verschwinden. 

Auch  sonst  zeigt  unser  Relief  mancherlei  Be- 
sonderheiten. Vor  Allem  fällt  —  ein  wesentlich 
die  linke  Seite  angehender  Umstand  —  die  grosse 
Zahl    der    anwesenden    Götter    auf.     Unter    diesen 

'*)  Vgl.  den  Constantinopeler  Sarkophag  und  des  Choricius 
fictive  Bildbeschreibung  (Arch.  Ztg.  1883   S.  145  Anm.  131). 


überragt  die  Gestalt  der  Aphrodite,  für  die  ersicht- 
lich ein  statuarisches  etwa  in  der  Art  der  soge- 
nannten Pudicitia  gehaltenes  Vorbild  maassgebend 
war,  in  ihrer  ganzen  Erscheinung,  vor  Allem  in 
den  strengen  Gesichtsformen,  erheblicli  den  sonsti- 
gen Stil  des  Reliefs.  Die  Nachahmung  wird  be- 
sonders fühlbar  in  der  plumpen  Art,  wie  der  Gestus 
der  rechten,  viel  zu  gross  gerathenen  Hand  wiederge- 
geben ist,  während  die  Function  der  linken  Hand, 
die  hier  ein  Scepter  halten  muss,  dem  Grundtypus 
der  Figur  geradezu  widerspricht.  Eine  gewisse  Un- 
gleichheit des  Stils  wie  der  Proportionen  beherrscht 
das  ganze  Relief.  Die  Köpfe  des  Honos  und  des 
Hermes  zeichneu  sich  durch  ungewöhnlich  grobe 
und  vulgäre  Züge,  die  unteren  Extremitäten  des 
Theseus  und  der  rechten  Eckfigur  durch  seltsame 
Kleinheit  aus.  Besonders  mangelhaft  erscheint  die 
Arbeit  an  den  nackten  Körpertheilen  der  Ariadne. 
Berlin.  Maximilian  Mayer. 


MISCELLEN. 


ZUM  OSTGIEBEL  DES  ZEUSTEMPELS  IN  OLYMPIA. 


Deutung  und  Anordnung  der  Mittelgruppe  des 
olympischen  Ostgiebels  gilt  seit  dem  Abschluss  der 
Funde  allgemein  als  gesichert.  Indessen  haben 
sich  mir  gegen  die  übliche  Benennung  der  zwei 
weiblichen  Figuren  im  Zusammenhange  von  Unter- 
suchungen über  die  altgriechische  Tracht,  die  ich 
demnächst  zu  verüfi'cutlichen  hotte,  schon  vor  Jah- 
ren Bedenken  ergeben,  die  icli  hier  in  kurzer  Be- 
gründung den  Sachkundigen  vorlegen  möchte. 

Die  bisher  Hippodauieia  genannte  Figur  macht 
in  ihrer  ganzen  Erscheinung  gewiss  nicht  den  Ein- 
druck der  Jugendliclikeit.  Auch  die  schlichte 
Haartracht  lässt  sich  nicht  mehr,  wie  früher  ge- 
schehen, als  'mädchenhaft'  auifassen,  seit  ganz  über- 
einstimmend gebildete  Haarpartien  vom  Kopfe  der 
'öterope'  gefunden  sind.  Ebensowenig  ist  die  Tracht 
ausgesprochen  jungfräulich.  Dasselbe  weite,  rings 
geschlossene  dorische  Gewand,  mit  scheinbaren 
Ilängeärineln  und  über  den  Gürtel  herabgezogenem 
Kolpos,  tragen  wohl  ähnlich  die  attischen  Kane- 
phoren,  aber  auch  die  mütterliche  Eirene  und  die 
örtlich  sowolil  als  zeitlich  den  01yni])iasculpturen 
besonders  naiie  stehende,  von  Conze  und  Miciiaelis 


Dagegen   fehlt  der 
Zug    der    bräutlichen 


bekannt  gemachte  Herastatuette  aus  Argos.  Be- 
stimmend für  die  Benennung  war  das  kleine  Ge- 
wandstück, welches  Hals  und  Schultern  unserer 
Statue  umgiebt  und  nach  Treu  'in  bräutlichein 
Gestus'  von  der  Linken  gefasst  wurde.  Aber  dieser 
Gestus  ist  in  der  ganzen  archaischen  Sitte  seit 
Homer  auch  Ehefrauen  eigen, 
eigentlich  charakteristische 
Tracht,  die  reichliche  Verhüllung,  besonders  des 
Hauptes,  welches  hier  vollkommen  frei  bleibt.  Auch 
scheint  mir  die  Frage  in  hohem  Grade  berechtigt, 
ob  eine  Darstellung  der  Hippodauieia  als  Braut 
überhaupt  der  Situation  entspräche.  Oinomaos  denkt 
nicht  daran,  dem  Fremdling,  den  er  zu  besiegen 
und  zu  erlegen  hofft  wie  die  anderen  Freier,  sein 
Kind  zum  Weibe  zu  geben.  F'ür  die  herkömmliche 
Benennung  ist  also,  so  viel  ich  sehe,  kein  Grund, 
und  die  Deutung  auf  Sterope  zunächst  wenigstens 
gleichberechtigt. 

Gesichert  wird  sie  für  mich  durch  die  noch 
stärkeren  Bedenken,  welchen  die  Anwendung  dieses 
Namens  auf  die  andere  Figur  unterliegt.  Hierfür 
sind   zunächst  'die    volleren    weicheren  inatronalen 


283 


F.  Stiuliiiczka,  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia. 


284 


Formen'  (Treu)  geltend  geniaclit  worden,  ich  flirclite 
gegen  den  Angenschein  der  auf  allen  Abbildungen 
liervortrctendeu  Maassverliältnisse.  Niclit  nur  sind 
I5rust  und  Seliultern  der  sogenannten  Hippodameia 
niclit  unbeträcbtlicli  breiter,  aucb  die  ausgiebigere 
Entfaltung  des  Gewandes  im  ganzen  Obertheile 
bewirken  eine  massivere,  anspruchsvollere  Erschei- 
nung, während  die  'Sterope'  auch  in  Folge  ihrer 
Arudialtung  schmächtiger  und  seiilanker  aussieht. 
Entsciieidend  aber  ist  hier  die  Tracht.  Der  reiche- 
ren Bekleidung  der  angeblichen  Braut  steht  das 
cinfacliste  grieciiisciie  Frauengewand  gegenüber, 
das  wir  liiierliaupt  kennen:  ein  'Hiuiation'  mit 
Ueberschlag,  das  nur  auf  den  beiden  Schultern  zu- 
sammengcnostelt  ist,  sonst  durchaus  offen,  sogar 
ungegiirtet  bleibt,  so  dass  bei  jeder  lebhafteren 
Bewegung  die  an  der  rechten  Seite  in  parallelem 
Zickzack  herabliangenden  offenen  Säume  ausein- 
auderschlagend  Hüfte  und  Schenkel  entblössen 
müssten.  Wir  wissen  aus  zahlreichen  allbekannten 
Schriftstellen,  dass  dieses  die  Tracht  der  pelo- 
ponnesisclien,  insbesondere  der  lakonischen  Mäd- 
chen war.  Wer  die  sorgfältige  Behandlung  dieser 
Ueberlicferung  in  Böhlaus  Quaeslioiies  de  re  vesliaria 
Graecorum  p.  79 — S4  lie>t,  wird  es  kaum  begreifen, 
wie  im  Folgenden  die  Identität  der  monumental 
und  der  litterarisch  bekannten  Tracht  geleugnet 
werden  kann.  Eines  von  Böhlaus  Hauptarguraeuten 
in  diesem  Sinne  ist  eben  die  hier  in  Frage  ge- 
stellte Deutung  der  beiden  Giel)elstatuen.  Ich  ver- 
spare eine  ausriihrliche  Bekämpfung  dieses  weit- 
tragenden Irrthums  für  die  erwähnte  Schritt  und 
begnüge  mich  darauf  hinzuweisen,  wie  undenkbar 
eine  Tracht,  wie  die  eben  beschriebene,  für  eine 
königliche  Jlatrone  ist,  wenigstens  in  originaler 
aus  dem  Leben  schöpfender  Monumenlalkunst  des 
fünften  Jahrhunderts,  in  der  wir  sie  sonst  aus- 
schliesslich an  ausgesprochen  mädchenhaften  Ge- 
stalten finden.  Es  genügt  hierfür  an  die  'Iris' 
des  Parthenongiebels,  die  eine  Charis  der  athe- 
nischen Reliefs,  an  das  Taubenmädclien  von  Faros 
und  die  diesem  nahe  verwandte  Grabstele  in 
Venedig  zu  erinnern.  Für  mich  bleibt  also  die 
angebliche  midier  senex  eine  echte  fiovöriETtlns 
JioQtg  xnqa,  die  bei  jedem  Schritt  zur  rpaivofii^Qts 
werden  nüisste.  Und  wie  trefflich  passt  zu  Hippo- 
dameia 'die  gleichsam  resignirend  sinnende  Ge- 
berde, mit  der  sie  seitwärts  geneigten  Hauptes  ihre 
Hechte  dem  Kinn  nähert'.  Ihr  Schicksal  soll  der 
Wettkampf  entscheiden;  sie  liebt  den  Jüngling,  der 
dem    sichern    Tode  entgegenzugehen  scheint;    viel- 


leicht sieht  sie  auch,  falls  die  Lokalsage  sie  in  die 
List,  durch  welche  Pelops  den  Sieg  gewann,  einge- 
weiht sein  Hess,  den  Untergang  des  Vaters  kom- 
men. Es  ist  dasselbe  leise  aufdämmernde  Pathos, 
welches  auch  aus  dem  Haupte  des  sinnenden  Greises 
spricht.  Der  Haltung  Hippodameias  entspricht  die 
des  Pelops,  welcher  'bescheiden  niederbückt'.  Ganz 
anders  das  zweite  Paar.  Selbstbewusst,  die  Rechte 
in  die  Hüfte  gestemmt,  steht  Oinomaos  da,  stramm 
aufrecht  auch  seine  xovgiölrj  alnyng,  stärker  im 
Körperbau  und  reicher  bekleidet  als  ihre  Tochter, 
in  dem  alten  Gestus  der  Matrone  ihr  Schleiertueh 
lüftend,  ähnlich  wie  Hera  im  Parthenonfriese  neben 
Zeus. 

Als  letztes  aber  nicht  geringstes  Argument  dürfen 
die  Fundumstände  angeführt  werden,  trotzdem  alle 
in  Betracht  kommenden  Stücke  weit  vom  Tempel 
verschleppt  waren.  Es  wäre  ein  sonderbarer  Zu- 
fall, dass  beide  Theile  der  von  mir  Sterope  ge- 
nannten Figur  ganz  in  der  Nähe  des  Oinomaos, 
vor  der  südöstliclien,  drei  von  den  vier  Bruch- 
stücken der  Hippodameia  bei  dem  Rumpfe  des  Pe- 
lops vor  der  Nordostecke  gefunden  wairden,  wenn 
diese  Gestalten  nicht  auch  an  ihrem  ursprünglichen 
Stand-  und   Kallort  ebenso  gruppirt  gewesen  wären. 

Die  Umnennung  bedingt  nothwendig  auch  eine 
Umstellung.  Aber  wer  soll  den  Platz  tauschen,  die 
Männer  oder  die  Frauen?  Für  Letzteies  spricht, 
wie  Michaelis  endgiltig  bewiesen  zu  haben  scheint, 
die  Beschreibung  des  Pausanias,  dagegen  die  aus- 
gesprochene Linkswendung  des  Kopfes  unserer 
Sterope,  welche  die  gegenwärtig  allgemein  ange- 
nommene Ansetzung  dieser  Figur  in  der  Südhälfte 
des  Giebels  veranlasst  hat.  Gelingt  es  Kekule, 
seine  Neuordnung  der  Composition  gegen  die  vor- 
gebrachten technischen  Bedenken  zu  vertheidigen, 
dann  freilich  wäre  es  möglich,  diese  Wendung  auf 
die  vor  dem  nördlichen  Viergespann  knieende  Die- 
nerin zu  beziehen.  Noch  passender  aber  Hesse 
sich  mit  dieser  Figur  Hippodameia  gruppiren.  Das 
Mädchen  könnte  der  Königstochter,  welche  nach 
einer  Version  der  Sage  den  Freier  auf  der  Fahrt 
begleitete,  zu  diesem  Zweck  die  Schuhe  festgebunden 
haben:  ebenso  wurde  —  woran  mich  Benndorf  fieund- 
lich  erinnert  —  in  Polygnots  Iliupersis  Helena 
von  der  vor  ihr  kuieenden  Elektra  reisefertig  ge- 
macht. Das  setzt  natürlich  die  Pausauias  wider- 
sprechende Aufstellung  des  jüngeren  Paares  in  der 
Nordhällte  voraus,  wofür  doch  einigermassen  auch 
die  erwähnte  Richtung  der  Verschleppung  zu  spre- 
chen scheint.     Die  .Männer  wären   dann,    wie   mau 


285 


H.  Blümner,  Nachtrag. 


286 


zuerst  angenommen  hatte,   nicht  den  Frauen,   son- 
dern einander  zugekehrt  gewesen. 

So  ist  denn  die  Folge  dieses  Beitrags  zur  Einzel- 
deutung zunächst  nur  erneute  Unsicherheit  in  der 
Erkenntniss  des  Zusammenhanges.  Aber  der  schein- 
bare Eückschritt  darf  uns  nicht  verdriessen.  Denn 
nur   auf  Grund   genauester   Erkenntniss    der    ein- 


zelnen Bruchstücke  ist  die  gesicherte  Reconstruction 
eines  zertrümmerten  Ganzen  erreichbar.  Möge  die 
Lösung  dieses  Problems  denjenigen  gelingen,  welche 
besser  als  ich  alle  in  Betracht  kommenden  Mo- 
mente überschauen. 


Wien,  Januar  1885. 


Franz  Studniczka. 


NACHTRAG  ZU  S.  179ft\ 


Seitdem  ich  für  meinen  Aufsatz  über  die  Speise- 
tische der  Griechen  die  oben  m'itgetheilte  Zusam- 
menstellung gemacht,  habe  ich  noch  auf  zahlreichen 
anderen  Vasengemälden  meine  Ansicht,  dass  diese 
Tische  drei  Füsse,  und  zwar  in  der  bezeichneten 
Weise,  gehabt  haben,  durchweg  bestätigt  gefunden. 
Einen  besonders  deutlichen  Beleg  dafür  liefert  die 
in  den  Wiener  Archaeol.  Vorlegebl.  Ser.  VI.  Taf.  10 
abgebildete  Schale  des  Duris.  Hier  ist  auf  jeder 
Hälfte  der  x\usscnseite,  deren  Darstellungen  sich 
genau  entsprechen,  neben  zwei  in  der  Vorderansicht 
gegebenen  Klinen  mit  Speisenden,  vor  denen  Tische 
stehen,  ein  Speisesopba  von  der  Kopfseite  aus,  der 
Gelagerte  also  vom  Kücken  dargestellt,  und  dem 
entsprechend  auch  der  vor  ihm  stehende  Speisetisch 
nicht  von  der  vorderen  Langseite,  sondern  von  der 
rechten  Schmalseite  gesehen  abgebildet.  Hier  er- 
scheint denn  der  dritte  Fuss  (von  der  linken 
Schmalseite)  genau  in  der  Mitte  der  beiden  an- 
deren; und  während  an  den  von  vorn  gesehenen 
Tischen  nur  links  am  Fuss  eine  nach  inwendig  ge- 
richtete, die  Tischp  atte  und  das  Brett  darunter 
verbindende  Verzierung  sichtbar  ist  (vergl.  oben 
S.  190),  und  zwar  im  Profil,  diese  aber  beim  rechten 
Fuss  nicht  vorhanden  ist,  weil  durch  den  Fuss 
selbst  verdeckt,  sieht  man  bei  der  von  der  Schmal- 
seite   genommenen   Ansicht    des  Tisches    alle  drei 


konsolartigen  Stützen,  und  zwar  die  der  beiden 
vorderen  Füsse  im  Profil,  dagegen  die  des  hinteren 
Fusses  genau  folgerichtig  en  face.  Weiterhin  kann 
man  auch  hier  an  den  Tischen  beobachten,  dass 
die  Tischplatte  an  der  Seite,  an  der  die  zwei  Füsse 
angebracht  sind,  etwas  vorsteht,  während  dies  an 
der  anderen  Seite  nicht  der  Fall  ist.  Dagegen 
giebt  auch  dies  Vasenbild  keinen  sicheren  Auf- 
schluss  über  die  Gestalt  der  Tischplatte.  In  meiner 
Annahme,  dass  das  Tischblatt  dreieckig  oder  trapez- 
förmig gewesen  sei,  bin  ich  wieder  etwas  schwan- 
kend geworden  durch  den  Man.  d.  Inst.  III  T.  49  auf 
einer  Darstellung  der  Phiueussage  abgebildeten 
Speisetisch,  der  zwar  deutlich  drei  Füsse,  aber  kein 
trapezförmiges,  sondern  sicher  ein  oblonges  Tisch- 
blatt zeigt.  Ich  muss  danach  es  doch  als  möglich 
bestehen  lassen,  dass  die  Speisetische  die  S.  187 
(unten)  angegebene  Form  hatten;  nur  bin  ich  ausser 
Stande  anzugeben,  was  es  für  einen  Zweck  gehabt 
habe,  dass  man  an  der  einen  Schmalseite  des 
oblongen  Tischblattes  bloss  einen  Fuss  anbrachte, 
und  ferner  wie  es  kommt,  dass  diese  Seite  des 
Tisches  mit  dem  einen  Fuss  immer  zu  Füssen  des 
Speisenden  sich  befindet.  Vielleicht  geben  weitere 
Funde  auch  hierüber  einmal  Aufschluss. 

H.  Blümner. 


287 


288 


BEKICHTE. 


CHRONIK  DER  WINCKELMANNSFESTE. 


Athen.  Das  arcliäologisclie  Institut  in  Atlicn 
hat  am  10.  December  seine  diesjälirigen  Sitzungen 
eröffnet.  Es  tiugen  vor  die  Herren  Köhler  über 
.\egyptisclie  Urkunden  und  griechische  Tradition, 
üörpfeld  über  das  griechische  Tlieater,  Lolliug 
über  die  Topographie  der  Landschaft  Doris. 

Rom,  12.  December.  Herr  Ricliter  sprach  über 
die  Befestigungen  des  antiken  Ardea.  Er  erörterte 
zunäclist  die  Nothvvendigkeit,  die  noch  existirenden 
altitalischen  Befestigungen  auch  für  die  römische 
Topographie  zu  verwerthen  und  durch  ihr  Studium 
namentlich  Licht  über  die  älteste  Periode  Roms  von 
der  Gründung  der  Stadt  auf  dem  Palatin   bis   zur 


Errichtung 


gefundenen 


der  sogenannten  servianischen  Mauer 
zu  verbreiten.  Die  wichtigsten  Fragen  für  diese 
Zeit,  wie  wir  uns  die  stufenweise  Entwickelung  der 
Stadt  zu  denken  haben,  und  in  welchem  Verhält- 
nisse die  innerhalb  des  servianisciien  Mauerkreises 
Mauern  zu  diesem  stehen,  sind  bei 
der  fast  gänzlichen  Unbrauchbarkeit  der  Ueber- 
lieferung  nur  auf  diesem  Wege  zu  lösen.  In  Ardea 
sind  drei  Befestigungslinien  vorhanden,  die  in  zeit- 
lich weit  auseinanderliegendeu  Perioden  errichtet 
wurden.  Die  Befestigung  der  ursprünglichen,  sehr 
unbedeutenden  Anlage  l)esteiit,  wo  der  natürliche 
Fels  nicht  Sciiutz  gewährt,  aus  Mauern,  die  liin- 
sichtlich  der  Fügung  den  in  Rom  vorhandenen 
gleichartig  sind.  Die  beiden  anderen  Befestigungs- 
linien sind  Erd wälle,  von  denen  namentlich  der 
zuerst  errichtete  in  manchen  Beziehungen  Analogien 
mit  dem  Serviuswall  aufzuweisen  hat.  Die  Thore 
der  Stadt  (im  ganzen  zehn)  sind  sämnitlich  nach- 
zuweisen. Aus  den  auf  dem  Boden  der  Stadt  ge- 
fundenen Resten  ergiebt  sich,  dass  die  äusserste 
Wallraauer  schon  aufgegeben  und  die  Stadt  auf  den 
Raum  bis  zum  ersten  Wall  beschränkt  gewesen 
sein  muss,  als  Ardea  unter  römischer  Herrschaft 
stand,  dass  also  seine  Blütheperiode  in  sehr  frühe 
Zeit  fällt.  Es  ergiebt  sich  ferner,  dass  auch  in  der 
Zeit  der  weitesten  Ausdehnung  die  früher  errichte- 
ten Befestigungen  erhalten  wurden  und  die  Bewoh- 
ner der  verschiedenen  Theile  durch  Thore  mit  ein- 
ander verkehrten. 

Herr  Heibig  behandelte  auf  Grund  der  neue- 
sten Ausgrabungen  in  Corneto  und  Vulci  die  Frage 
nach  der  Herkunft  der  Etrusker.  Er  gab  zu- 
nächst eine  Uebersicht  über  die  beiden  ältesten  in 

Archiiolog.  Zt^.  .Irthrgan{,'  XLII. 


Jenen  Nckropolen  vorkommenden  Gräbertypen.  Das 
älteste  Grab  nicht  nur  dort,  sondern  in  ganz  Etru- 
rien  ist  die  sogenannte  'lomba  a  pozzo'  d.  i.  ein 
vertical  in  die  Erde  oder  den  Felsen  eingearbeite- 
tes Loch,  welclies  ein  Ascliengefäss  enthält.  Hierauf 
folgt  die  'lomba  a  fossa'  d.  i.  ein  viereckiger  Gra- 
ben mit  einem  nnverbrannten  Leichnam.  Da  die 
jüngsten  lombe  a  fossa  bereits  korinthische  Vasen 
enthalten  und  demnach  dem  6.  Jahrhundert  v.  Chr. 
angehören,  so  ist  es  unzweifelhaft,  dass  diese  Grä- 
ber von  Etruskern  herrühren.  Der  Vortragende  er- 
wog, ob  das  Gleiche  auch  für  die  ältesten  tombe  a 
fossa  und  für  die  vorhergehenden  lombe  a  pozzo 
anzunehmen  sei.  Wenn  diese,  wie  mehrere  Gelehr- 
ten meinen,  von  einer  vor  der  etruskischen  Ein- 
wanderung in  jener  Gegend  ansässigen  italischen 
Bevölkerung  herrührten,  so  würde  der  Inhalt  der 
tombe  a  fossa  einen  Abbruch  der  Entwickelung  be- 
weisen. Dies  ist  aber  nicht  der  Fall;  vielmehr 
stellen  die  Gräber  beider  Arten  eine  ununterbrochen 
vorschreitende  Entwickelung  dar.  Die  lokale  Kera- 
mik wie  die  Metalltechnik  erscheint  in  den  lombe 
a  fossa  als  die  organische  Weiterentwickelung  des 
aus  den  lombe  a  pozzo  bekannten  Stadiums.  Eine 
ganze  Reihe  von  Typen  ist  beiden  Arten  von  Grä- 
bern gemeinsam,  und  vielfach  lassen  sich  Funde, 
die  aus  der  jüngeren  Schicht  stammen,  von  denen 
der  älteren  nicht  unterscheiden.  Wenn  demnach 
die  jüngsten  lombe  a  fossa  sicher  etruskischen  Ur- 
sprungs sind,  so  gilt  das  Gleiclie  auch  für  die  älte- 
ren Gräber  dieser  Art  und  für  die  vorhergehenden 
tombe  a  pozzo.  Nun  kennen  wir  in  der  Poebene 
eine  Reihe  von  Nekropolen,  welche  eine  ganz  gleiclie 
Cultur  zeigen,  wie  die  im  eigentlichen  Etrurien  ent- 
deckten lombe  a  pozzo.  Der  Vortragende  hatte 
schon  früher  vermuthet,  dass  jene  in  der  Pogegend 
vorliegende  Schicht  niclit  nur  Reste  der  Italikcr, 
sondern  auch  der  Etrusker  enthalte,  dass  beide 
Völker,  als  sie  auf  der  Ostseite  des  Apennin  wolin- 
ten,  durch  das  gleiche  Stadium  durchgegangen  seien 
und  in  diesem  Stadium  den  Apennin  überschritten 
und  ihre  historischen  Sitze  eingenommen  hätten. 
Diese  Vermuthuug  wird  durch  den  Kachweis,  dass 
die  in  dem  eigentlichen  Etrurien  entdeckten  lombe 
a  pozzo  von  Etruskern  herrühren,  zu  einer  histori- 
schen Thatsache.  Zugleich  ist  hiermit  auch  die 
Frage  nach  der  Herkunft  der  Etrusker  entschieden. 

21 


289 


Clironik  der  Winckelmaniis-Feste. 


290 


Der  Inhalt  der  etruskischen  tombe  a  pozzo  erscheint 
nah  verwandt  dem  der  ältesten  latiniselien  Gräber, 
die  wir  kennen,  und  im  besonderen  dem  des  älte- 
sten Theiles  der  Kekropole  von  Albalouga.  Ein 
Unterschied  zeigt  sich  iiöchstens  darin,  dass  die 
latiuisehe  Gruppe  einen  ärmlicheren  Eindruck  macht 
und  eine  geringere  Varietät  von  Culturobjecten  auf- 
weist als  die  etruskische.  Also  sind  Italiker  wie 
Etrusker  mit  einer  ähnlichen  Cultur  au  dem  Ge- 
stade des  Mittelnieeres  eingetrofi'en,  eine  That- 
sache,  durch  welche  sich  zugleich  erklärt,  dass  die 
beiden  Völker  in  der  älteren  griechischen  Literatur 
nicht  scharf  von  einander  unterschieden  werden. 
Jene  Aehnlichkeit  der  Cultur  wäre  aber  unerklär- 
lich, wenn  die  Etrusker  aus  Kleinasien  nach  Italien 
eingewandert  wären.  Vielmehr  nüthigt  sie  zu  der 
Annahme,  dass  Italiker  und  Etrusker,  bevor  sie  die 
westlichen  Theiie  der  Halbinsel  besetzten,  in  der- 
selben Gegend  wohnten  und  daselbst  den  gleichen 
Culturbedingungen  unterlagen.  Kun  ist  es  aber 
gewiss,  dass  die  Italiker  aus  dem  Norden  einwan- 
derten und  zunächst  in  der  Poebene  einen  langen 
Halt  machten.  Das  Gleiche  gilt  demnach  auch  für 
die  Etrusker.  Ferner  berechtigt  die  Aehnlichkeit, 
welche  zwischen  der  Cultur  der  beiden  Völker  ob- 
waltete, als  sie  den  westlichen  Theil  Italiens  be- 
setzten, zu  dem  Schluss,  dass  der  Uebergaiig  der 
Etrusker  und  der  der  Italiker  über  den  Apennin 
ungefähr  gleichzeitig  erfolgten.  Der  Vortragende 
machte  hierauf  den  Versuch,  die  Zeit  dieser  Wan- 
derung annähernd  zu  bestimmen.  Offenbar  wurde 
der  Uebergang  der  Sikuler  nach  der  Insel,  der  sie 
den  Namen  gegeben,  dadurch  veranlasst,  dass  sich 
die  Etrusker  und  die  Italer  auf  der  Westseite  des 
Apennins  ausbreiteten.  Für  den  Uebergang  der 
Sikuler  aber  ergiebt  sich  ein  Terminus  posl  quem 
daraus,  dass  die  Dichter  der  Odyssee  als  Bew;oli- 
ner  der  südöstlichen  Küste  Italiens  noch  nicht  die 
später  daselbst  ansässigen  lapygier  oder  Messapier, 
sondern  noch  die  Sikeloi  namhaft  machen.  Be- 
kanntlich schildert  das  homerische  Epos  die  Völker- 
verhältnisse, wie  sie  vor  der  dorischen  Wanderung 
vorlagen.  Also  dürfen  wir  annehmen,  dass  vor 
dieser  Wanderung  die  Sikuler  noch  auf  dem  Cou- 
tinente  ansässig  waren  und  gleichzeitig  mit  der- 
selben oder  kurz  nachher  nach  der  benachbarten 
Insel  übersiedelten.  Ein  Terminus  ante  quem  ist  da- 
durch gegeben,  dass  die  Hellenen,  als  sie  nach  der 
Mitte  des  achten  Jahrhunderts  die  Ostküste  der 
Insel  zu  colouisiren  anfingen,  daselbst  bereits  Si- 
kuler   vorfanden.     Wenn    nun    die    Auswanderung 


der  Sikuler  eine  Folge  des  Vorrückens  der  Etrusker 
und  Italer  war,  so  haben  die  letzteren  beiden  Völ- 
ker ebenfalls  entweder  gleichzeitig  mit  der  dorischen 
Wanderung  oder  bald  darauf  den  Apennin  über- 
schritten. Endlich  weist  der  Vortragende  daraufhin, 
dass  zwischen  den  Völkerbewegungen,  welche  gleich- 
zeitig auf  der  Balkan-  wie  auf  der  Apenninhalb- 
insel stattfanden,  offenbar  ein  Zusammenhang  be- 
steht. Es  müssen  sich  damals  im  mittleren  Europa 
Umwälzungen  vollzogen  haben,  welche  ein  Vor- 
rücken der  Völker  nach  Süden  zur  Folge  hatten 
und  ihre  Wirkungen  auf  beide  classischen  Länder 
erstreckten.  Vielleicht  hat  man  dabei  an  den  Ein- 
bruch der  Germanen  zu  denken. 

Berlin,  2.  Decernber  1884.  Das  diesjährige 
(44.)  Winckelmannsprogramni  der  archäologischen 
Gesellschaft  ist  von  Herrn  Weil  verfasst;  es  be- 
handelt: „Die  Künstlerinschriften  der  sicilischen 
Münzen."  Die  Festsitzung  leitete  der  Vorsitzende 
Herr  Curtius  mit  einem  Nachruf  an  die  im  Laufe 
des  Jahres  verstorbenen  Mitglieder  der  Gesellschaft, 
die  Herren  K.  MüUenhoff,  R.  Lepsius,  J.  G. 
Droysen,  Lord  Ampthill,  F.  G.  Kiessling,  K. 
F.  Meyer  ein  und  gab  dann  einen  Ueberblick  über 
die  Fortsehritte,  die  das  verflossene  Jahr  in  Er- 
forschung der  klassischen  Welt  gebracht  hat.  Das 
Hochland  von  Lykien  hat  eine  österreichische  Ex- 
pedition unter  Benndorfs  Leitung  erschlossen;  iu 
Pergamon  ist  die  Forschung  über  die  Altarter- 
rasse weit  hinausgegangen;  in  Athen  hat  die  Auf- 
deckung des  antiken  Bodens  der  Akropolis  begon- 
nen und  Denkmäler  und  Staatsurkunden  aus  der 
Pisistratidenzeit  ans  Lieht  gefördert;  über  die  Kunst- 
schulen auf  den  Cykladen  gewährt  das  durch 
französische  Forscher  gebildete  Museum  delischer 
Alterthümer  auf  Mykonos  neue  Aufschlüsse;  in 
Klazomenä  sind  die  ersten  Denkmäler  altioniseher 
Thonnialerei  zum  Vorschein  gekommen;  die  Trüm- 
merstätten  von  Assos  sind  durch  Amerikas  Be- 
mühungen neu  durchforscht  w'orden;  eine  von  grie- 
chischen Gelehrten  in  Olympia  gehaltene  Nach- 
lese hat  das  letzte  Viertel  der  Palästra  freigelegt 
und  kleinere  Fragmente  der  Giebelgruppen  und 
Metopen,  Statuenbasen,  altcrthümliche  Werke  iu  Er/, 
und  Stein  u.  A.  zu  Tage  gefördert.  Das  merkwür- 
digste Ergebniss  des  verflossenen  Jahres  ist  jedoch 
die  Aufdeckung  der  Burg  von  Tiryns  durch 
H.  Scliliemaun,  durch  welche  von  neuem  der  histo- 
rische Gehalt  griechischer  Heldensage  glänzend  be- 
stätigt worden  ist.  Die  Durchforschung  des  Askle- 
pieion  bei  Epidauros   ist  ausserordentlich  frucht- 


291 


Clironik  der  Winckelinaiiiis- Feste. 


292 


bar  an  den  interessantesten  Inschriften,  Bauresten 
und  Bildwerlien  gewesen.  Unsere  Kenutniss  der 
wichtigsten  Gattung-  monumentaler  Plastik ,  der 
ftiebelsculptur,  ist  durcli  die  Auffindung  der  be- 
malten Porossteinreliefs  von  der  Aliropolis  mit  He- 
raklesdarstellungen, sowie  durch  Funde  in  Epidau- 
ros  und  Luni  bereichert  worden.  Mit  dem  Finden 
hält  die  Verarbeitung  des  Gefundenen  gleichen 
Schrilt:  ein  Hauptstiick  der  pergamenischen  Giganto- 
machie  ist  seit  kurzem  in  richtiger  Höhe  mit  seiner 
ganzen  arciiitektonisciien  Umrahmung  aufgestellt 
worden  und  die  21  Figuren  des  Ostgicbels  von 
Olympia  sind  in  voller  Grösse  mit  Sicherheit  ergänzt 
worden,  so  dass  jetzt  das  Giebelfeld  in  seinen  ur- 
sprünglichen Maassen  uns  vollständig  vor  Augen 
steht. 

Her  Furtwängler  besprach  ein  Hauptstiick  der 
jüngst  vom  König].  Jlusoum  erworbeneu  Sabu- 
roff schon  Sammlung,  die  lebensgrosse  Bronze- 
statue eines  nackten  Jünglings,  welche,  bis 
auf  den  Kopf  völlig  erhalten,  auf  dem  Meeresgrunde 
bei  Salamis  gefunden  wurde,  die  einzige  grosse 
Bronze  aus  der  Bliithezeit  des  Erzgusses,  welche 
auf  griechischem  Boden  zum  Vorschein  gekommen 
ist.  Nach  einer  ausführlichen  Erörterung  über  die 
verschiedenen  Typen  der  ruhig  stehenden  unbeklei- 
deten Jünglingsfigur  in  der  antiken  Plastik  kam 
der  Vortragende  zu  dem  Resultat,  dass  die  Sabu- 
roff'sche  Bronze  etwa  dem  Anfange  des  4.  Jahrh. 
V.  Clir.  angehöre  und  aus  der  argivischeu  Erz- 
giesserschule  stamme.  Sie  stelle,  worauf  Reste  lan- 
ger Locken  auf  den  Schultern  führten,  wahrschein- 
lich Apollo  dar.  —  Herr  Mommsen  las  über  den 
Begrifl"  des  römischen  Limes  und  über  den  jetzi- 
gen Stand  der  Forschungen  über  den  germanisch- 
raetischcn  Grcnzwall.  Bei  dem  Kreuzsclniitt,  auf 
dem  die  römische  Messkunst  beruht,  bedeutet  cardo 
die  Sehlinie  des  Messenden,  limes  (später  limes  deci- 
manus  oder  decimanus  schlechtweg)  die  diese  schnei- 
dende Querlinie.  Da  diese  Linien  die  Ackerstücke 
begrenzten,  so  bildeten  sie  auch  die  Wege.  Wäh- 
rend nun  für  cardo  in  dieser  Beziehung  via  (Haupt- 
•weg)  eintrat,  bezeichnete  limes  den  Querweg  oder 
auch  den  Nebenweg.  Dies  ist  der  Gebrauch  des 
Wortes  in  der  Sprache  der  republikanischen  Zeit. 
Auf  die  Grenzen  bezogen  findet  sich  das  Wort  zu- 
erst bei  Velleius.  Auch  in  diesem  Sinne  bedeutet 
es  zunächst  die  Querstrasse,  welche  die  Verbindung 
von  einem  Grenzposten  zum  andern  herstellt.  Eine 
solche  befestigte  Querstrasse  ist  z.  B.  der  Hadrians- 
wall    in    Britannien.     Der    obergermanische   Limes 


ist  ein  Erdwall  mit  vorgelegtem  Graben,  in  dem 
Waclitthürme  und  ca.  50  Kastelle  eingefügt  sind. 
Der  sich  aiiscldicssende  rätische  Limes  ist  eine  ein- 
fache SteinschUttung  ohne  Kastelle.  In  ihrer  ersten 
Gestalt  gehört  diese  Anlage  der  flavischen  Zeit  an; 
sie  ist  ca.  70  —  80  deutsche  Meilen  lang,  wovon 
zwei  Drittel  auf  den  obergermanischen  Theil  ent- 
fallen. Zweck  derselben  kann  nicht  eine  fortifika- 
torische  Umwalluug  gewesen  sein,  denn  die  ganze 
Besatzung  der  Provinz  (30,000,  im  2.  Jahrb.  sogar 
nur  20,000  Mann)  hätte  nicht  einmal  für  eine  Be- 
setzung der  Kastelle,  geschweige  denn  des  dazwi- 
schen liegenden  Walles  ausgereicht.  Sie  kann  für 
gewöhnliche  Zeiten  nur  zur  Sicherung  der  Grenze 
gegen  Räuber  und  Schmuggler  gedient  liaben.  — 
Zum  Schluss  legte  Herr  Gurt  ins  einen  von  Herrn 
Kaupert  entworfenen  Grundriss  des  attischen 
Kerameikos  im  Maassstal)e  von  1  :  1(X)0  vor  und 
zeigte,  wie  der  Kerameikos  sich  auch  von  Natur  in 
zwei  Abtheilungen  gliedert,  eine  südliche,  welche 
bis  zur  Hermenstoa  noch  dem  Terrain  des  Areopags 
angehört,  und  eine  nördliche,  die  eigentliche  Nie- 
derung, von  der  Attalosstoa  im  Osten  begrenzt. 
Für  die  Richtung  des  Dromos  nach  dem  Dipylou 
konnte  die  Fundstätte  des  Eubulides-Denkmals  als 
fester  Punkt  angesetzt  werden.  Bei  Erörterung  der 
Amtslokale  und  Verkehrsplätze  konnte  der  Vortra- 
gende auf  den  neu  aufgedeckten  Stadtmarkt  von 
Assos  Rücksicht  nehmen,  von  welchem  eine  Skizze 
des  Herrn  Koldewey  vorlag.  Die  Anlagen  von  Athen 
sind  lur  alle  ähnlichen  Anlagen  von  vorbildliclier 
Bedeutung  gewesen. 

Bonn,  9.  December.  Der  Vorsitzende  des  Alter- 
thurasvereins,  Professor  Schaaff hausen,  begann 
die  Reihe  der  Vorträge  mit  einem  Hinweis  auf  die 
Alterthumsforschung  der  Gegenwart,  die  nicht  nur 
ihr  Gebiet  erweitert,  sondern  auch  ihre  Methode 
vervollkommnet  habe.  Was  unsere  Zeit  kennzeichne, 
sei  das  Zusammenwirken  der  verschiedensten  mensch- 
lichen Kenntnisse  zur  Lösung  einer  wissenschaft- 
lichen Frage.  Bei  vielen  archäologischen  Unter- 
suchungen werde  jetzt  die  Naturwissenschaft,  zumal 
die  Anthropologie,  die  Chemie,  das  Mikroskop  zu 
Rathe  gezogen.  Jedes  Jahr  bringt  uns  neue  Schätze 
der  alten  Kunst,  aber  auch  neue  Ansichten  der  For- 
scher, die  uns  oft  überraschen  und  das  wieder  in 
Frage  stellen,  was  wir  für  ausgemacht  gehalten 
haben.  Wir  stimmen  gewiss  noch  Lessing  bei, 
wenn  er  sagt,  dass  die  Schönheit  das  höchste  Ge- 
setz der  bildenden  Kunst  bei  den  Griechen  gewesen 
sei,  aber  wir  fragen:  war  diese  Schönheit  eine  Er- 
at* 


•293 


Chronik  der  Winckelmanns-Feste. 


294 


liudung  des  Künstlers,  oder  war  sie  der  Natur  ab- 
gesehen? Die  Forschungen  von  Quetelet  und  Kico- 
lecci  beweisen  das  letztere.  Auch  das  griechische 
Profil  ist  ein  nationaler  Typus.  Nur  darin  wird  die 
Natur  von  der  Kunst  übertrotlen,  dass  diese  das 
Schöne  vereinigt,  das  im  Leben  nur  vereinzelt  ge- 
trofl'en  wird.  Das  Ideal  der  bildenden  Kunst  aber 
bleibt  eine  Abstractiou  von  der  Wirklichkeit.  Die 
.Sculptur  befriedigt  uusern  Sciiönlieitssinn  nur  durch 
die  Form.  Mau  hat  neuerdings  auf  Grund  von 
Farbresten,  die  man  an  griechischen  Bildwerken 
gefunden,  die  Behauptung  aufgestellt,  die  Griechen 
hätten  ihre  Marmorstatuen  bemalt  und  wir  sollten 
es  wieder  thun.  Die  Kunst  kann  aber  der  Farbe 
entbehren,  wie  es  die  Werke  in  Erz  und  in  Elfen- 
bein sowie  die  geschnittenen  Steine  zeigen.  Selbst 
die  Zeichnung  und  der  Kupferstich  wirken  ohne 
Farbe.  Für  diese  giebt  es  eine  besondere  Kunst, 
die  Malerei.  —  Hierauf  hielt  Professor  R.  Kekule 
einen  Vortrag  über  die  Kunst  des  Praxiteles.  Er 
begann  mit  dem,  was  sich  aus  den  Nachrichten  der 
alten  Schriftsteller  und  aus  Inscliriften  über  die 
Persönlichkeit,  die  Familie  und  über  die  Werke  des 
Künstlers  feststellen  lässt.  Winckelmann  Hess  mit 
Praxiteles  den  zweiten  und  anmuthigeu  Stil  der 
griechischen  Kunst  beginnen;  er  suchte  sich  den 
Unterschied  zwischen  Phidias  und  Praxiteles  durch 
den  Unterschied  von  Kaphael,  Andrea  del  Sarto 
und  Leonardo  auf  der  einen,  von  Correggio,  Guido 
und  Albano,  den  „Vätern  der  Grazie",  auf  der  an- 
dern Seite  klar  zu  machen.  Der  Redner  wies  darauf 
hin,  dass,  während  gegen  50  Werke  des  Praxiteles 
erwähnt  werden,  wir  nur  von  7  eine  mehr  oder 
weniger  deutliche  Vorstellung  haben.  Die  wich- 
tigste Grundlage  unserer  Kenntniss  des  Künstlers 
ist  das  einzige  noch  vorhandene  Original,  der  in 
Olympia  gefundene  Hermes;    im    übrigen  sind  wir 


auf  Copien,  Nachbildungen,  Umbildungen  und  Re- 
miuisceuzen  angewiesen.  Dabei  kamen  zur  Bespre- 
chung: der  Apollo  Sauroktonos,  die  knidische  Ve- 
nus, der  ausruhende  und  der  eingiessende  Satyr, 
die  gewandknüpfende  Artemis  und  der  Eros  von  Pa- 
rion.  ^  Prof  Klein  lenkte  zuletzt  die  Aufmerk- 
samkeit der  Versammlung  auf  zwei  im  Laufe  des 
vorigen  Jahres  in  der  Nähe  von  Köln  aufgefundene 
Thonwaarenfabriken,  von  deren  Inhalt  er  die 
einzelnen  Fundstücke,  soweit  sie  in  das  Provinzial- 
Museum  zu  Bonn  gelangt  sind,  vorlegte.  Nachdem 
er  kurz  über  die  den  Fund  begleitenden  Umstände 
berichtet  hatte,  ging  er  näher  auf  Form,  Material, 
Farbe,  Gliederung  und  Verzierung  der  zu  Tage  ge- 
förderten Thongegenstände  ein,  unter  denen  Masken 
und  Figuren  einen  besonderen  Platz  einnehmen. 
Redner  suchte  daun  die  Bedeutung  und  Bestimmung 
dieser  beiden  letzteren  Gegenstände  aufzuklären,  in- 
dem er  den  ersteren  nicht  eine  theatralische  oder 
sepulcrale,  sondern  eine  deeorative  Bestimmung  bei- 
legte, die  Thonfiguren  dagegen  wegen  ihrer  ausser- 
ordentlichen Kleinheit  für  Nippsachen,  beziehungs- 
weise Kinderspielzeug  erklärte.  Ein  gesteigertes 
Interesse  verleiht  diesen  Funden  der  Umstand,  dass 
auf  ihnen  zum  Theil  die  Namen  der  beiden  Fabri- 
kanten nebst  Angabe,  wo  das  Geschäftslokal  der- 
selben im  alten  römischen  Köln  lag,  eingebrannt 
sind,  wodurch  ein  nicht  unwichtiger  Beitrag  zur 
Kenntniss  der  dunkeln  Topographie  Kölns  gewon- 
nen wird.  Der  Zeit  nach  gehört  der  Betrieb  der 
beiden  Fabriken  höchst  wahrscheinlich  dem  Ende 
des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr.  an. 

Kiel.  Zur  Feier  des  Winckelmannsfestes  hielt 
Professor  Dr.  Richard  Förster  im  Philologen- 
Verein  einen  Vortrag  über  „die  Verläumdung 
des  Apelles  in  der  Renaissance."  Der  Vor- 
trag soll  im  Druck  erscheinen. 


Berichtigung  zu  S.  213. 
In    dei'    Abbildung    der   ^Schlangentopfwerferin'  sondern    der    Natur    entsprechend    abwärts,     vom 

st  leider  ein  kleines  Versehen  des  Zeichners  unbe-  Kopfe  herunter.     Wird  dieser  Umstand  nach  Mass- 


merkt  geblieben:  an  dem  im  Original  freilich  sehr 
verwitterten  Halse  der  Schlange  nämlich  laufen  die 
Schuppen    nicht    in    verkehrter   Riciitung    aufwärts, 


gäbe  des  Originals  in  der  Abbildung  verbessert,  so 
findet  keine  Unterbrechung  der  natürlichen  Win- 
dungen der  einen  Schlange  statt.     0.  Puchstein. 


295 


296 


Naclitrcij 
Zu  der  von  uns  angeführten  Stelle  der  Hera- 
kliden  des  Euripides  giebt  Musgrave  weitere  Belege 
flir  die  Personification  von  ^liov.  Suidas  u.  Jiayvd- 
fuüv,  'Eniifttving  und  'HQataxog.  Orpheus  ad  Mu- 
saeum  28.  Nonuus  Dionvs.  VI,  371.  VII,  23ft'.  XLI, 
179.     Quintus  Sinyrn.  XII,  194. 

Auf  die  Beziehung  des  abstrakten  Begriffes  zur 
Unterwelt,  durcli  bezeichnende  Attribute  kenntlich 
gemacht,  liat  Clemens  Otto  in  seinen  Quaesliones 
Sophocleae  p.  19  im  Programm  des  kathol.  Gymn. 
an  der  Apostelkirche  zu  Köln  vom  J.  1876  auf- 
merksam   gemacht.       Er    citirt    Eur.   Phoen.  1487 : 

ntdJfiaTa  vexgwv  zgiaatuv     | xotKJJ  i^avarw    \ 

axmtav   alwra    laxnvtiov.    Eur.  Iph.  Aul.   1508:  lio 


zu  S.  2G6. 

la/.i7Jadnv'/ng  afiega  Jiög.  xe  (fiyyog  |  fxsgnr 
t'ceqov  alcüva  xai  (xolQav  olxrjao/i(£v ,  und  emendirt 
bei  Sopli.  El.  1085:  xal  av  näyxlavzov  alüi  (so 
Nauck  für  alcSva)  xelaivov  (für  xlsivov)  e'i'lnv. 

Von  der  mehrfach  vorkommenden  löwcn-,  auf 
Mithrasreliefs  auch  mensclienköpfigen  Gestalt  (Zoega 
Bassr.  T.  59.  Müller-Wieseler  Denkm.  II  Taf.  75,967. 
Visconti  Miiseo  Pio-Cl.  II  T.  19.  Montfaucon  Ant. 
expl.  1,2  Taf.  215,4.  Caylus  Recueil  N\  T.  74,1), 
welche  Zoega  Aeon  benannt  hat,  konnte  abgesehen 
werden,  da  diese  spätrömische  Allegorie  mit  der 
Personitication  des  Aeon  aus  guter  Zeit,  wie  sie  uns 
jetzt  zum  ersten  Male  vorliegt,  jedenfalls  nichts  zu 
thun  hat.  Hartwig. 


Br.  =  Bronze.    G.  ■■ 


Gemme.     Mos.  = 
5(0..  =  Statue. 


Aberdeen   Kopf  aus  Olyniiiia  in  —  71 
Abschied sscene  auf  Skphijn.   1 7 
Abu  Habba    (Babylonien)   Ausgrabun- 
gen in  —  75 
Abydos,  Golddiadem  aus  —  92 ft'. 
Achilleus-Si'/jÄje.  219 
Achna    b.    Salamis    (Cypern),    Tn.   und 

Inschr.  aus  —  (Brit.  Mus.)   143  f. 
Ackerbau     V.    d.    Nikosthenes  (Berlin) 

60,9 
Adler    den    Ganyniedes    entführend    T. 

aus  Myrina  (Berlin)  76 
Aeakos    auf  Unterwelts- T'.   (Karlsruhe) 

265 
Aeetes'  Schattenbild   10 
Aegeus  auf  'Vhesem-Shphy.   (Koni)  77. 

280;  stiftet  den  Cult  der  Aphrodite  in 

Athen  279 
Aeneas  Tinryioj  iltöi    in   llion  auf  In- 
schriften 223,1;  sein  Auszug  von  Atfen 

piirüdirt    Wgm.   10,15 
Aeon    personilicirt     I'.  (Karlsruhe)    266. 

295. 
Aeschylos   Sept.  645:26-1,16;    Fragm. 

280:9 
Affe    T.  (Berlin)    66;    Aeneas'    Auszug 

von  —  n  parodirt    11'^»«.    10,15 
Ageladas  Pheidias  Schüler  des  —  134 
Aglauros    Wagenlenkerin    der    Athena 

(Parthenonmetope)   54 
Alaesiagae  german.  Gottheiten  74 


REGISTER 

VON 

KONRAD  WERNICKE. 
I. 

Mosaik.    Mze.  =  Münze.     Rel.  =  Relief. 
T.  =  Terracotta.     V.  =  Vase.      Wgm.  = 

Alba  longa   Nekropole  von  —  289 
UkrfUtta    personificirt    im    Pinax     des 

Kebes  122 
Alexander  d.   Gr.    Herme  Azära   161 
Alexander  I.  von   Epeiros  Mzn.  des  — 

229 
Alkyoneus  31  ff. 
Alphabetische  Reihenfolge  der  Namen 

auf  lateinischen  Inschriften  73 
A 1 1  a  m  u  r  a ,  Unterwelts- 1'.  aus  —  (Neapel) 

253  ft: 

Altar  Form  des  — s  der  Athena  Nike 
96, S;  Modell  eines  — s  aus  Cypern 
(Brit.  Mus.)  143;  Lapithenfrauen  zu 
einem  —  flüchtend  Vn.  58,3;  Knabe 
neben  —    T.  (Berlin)  66 

Amasis  T'  des  —  ans  Orvieto  (Neapel) 
237 

Amazonen-Kampf  1".  aus  Athen  (Ber- 
lin) 66  f. 

Ampliitrite    (Paiihenonmetope)  Ö3 

Anakreon  l'ortratdarstellungen  des  — 
149  ft'. 

'Aväyxi]  personificirt  Rel.  129;  Unter- 
welts-f.  (Neapel)  265. 

Andreas,  Erzgiesser,  Inschr.  des  — 
(Olympia)   146 

A  n  taios  37,1  I 

Anthologia  Palatina  V  56.  96.  100. 
155:4,5;  179:19  VII  23— 33  :  150  ; 
424:141;  42S:14_'      1X28.102—104. 


Shphy.  =  Sarkophag. 
Wandgemälde. 


Sp.  =  Spiegel. 


387:224,2;  599:152;  792:270  XII 
92.  93:4,5;  132:4  XVI  306  — 
308: 150 

Anthologia  Latina  411:224,2 

Antiocheia  des  Eutychides  140.  162 

Antiochos  Athena  des  —  (V.  Ludovisi) 
131 

Antiochos  I.  So ter  Porträtdarstellun- 
gen des  —   157  ft'. 

Antiochos  d.  Gr.  230,21.  232 

Antiochos  I.  v.  Commagene,  Grabmal 
des  —  63 

Antipater  Dichter  d.  Anthologie  141. 
270 

Antonin  US  Plus  Br.-Mze.  des  —  (Ken- 
taurenkampf) 58,3 

Apelles  Monoknemos  des  —  133ft'.; 
die   koische   Aphrodite    des    —    135  f. 

Apfel  Attribut  der  Athena  Nike  96,8 

«(/  /«dro»'  in  der  Hand  der  Parthenos 
G.  aus  Cypern    167 

Aphrodisias  Eros  u.  Psyche  Marmor- 
gruppe aus  —  (Berlin)  20  ff. 

Aphrodite  Eros  fesselnd  19;  sandalen- 
lösend 138  ;  sich  spiegelnd  V.  aus  Caere 
(Berlin)  83.  86 ;  koische  —  des  Apelles 
135;  —  auf  Theseus  -  Skphg.  (Rom) 
78.   279  f. 

Apollodor  m   12,2,  2  223,1 

A  p  o  1 1  o  n  Br.  Saburoff  aus  Salamis 
^Berlin)  291 ;  im  Gigantenkampf  (Par- 


297 


Register. 


298 


thenonmetopen)  49.  52;  —  uiul  Mar- 
syas  Vn.  87 f.,  von  Eroten  ijarodiit 
10,15;  Orestes  schützend    T'n.  "201  tt'. 

Apotropaea,  Glocken  als  —   145 

Appian  Mithr.  53;223,1-  235,32 

Apuleius  Psychefabel  bei  —  3;  Metani. 
XI   11:216 

Aquari  Skphge.  im  Besitz  von  — (Rom) 
77 

Ardea,  Befestigungen  des  antiken  — 
287 

Ares  im  Gigantenkampf  (Partlienon- 
metopen)  48  f. 

Hyijaf,  peisonificirt  im  l'inax  des 
Kebes  124 

Arg  OS,  Eros  u.  Psyche  3larmorgrui>i>e 
aus  —   15 

Ariadne  und  Dionysos,  Golddiadem  aus 
Abydos  92;  —  und  Theseus,  arch. 
Goldschmuck  aus  Korinth  Berlin)  und 
V.  (Corneto)  107;  —  von  Theseus 
verlassen  Skphg.  (Rom)  272,  Wgm. 
274  f.,    Vn.  277  f. 

Aristomachos,  Erzgiesser,  Inschr.  des 
—  (Olympia)  146 

Aristophanes  und  Erginos  V.  von  — 
(Berlin)  47 

Aristophanes  Fragm.530: 185;  Lysistr. 
760:163,5;  Ritt.  1092 ff.:  163.  1169: 
164;  Vögel  514:  164.525:166,13.  670: 
164.  693ff.:266.    1115:166,13 

Aristophontes'  Dysarestia  3 

Armband  goldenes  —  aus  Griechenland 
(Berlin)  67 

Armentum    Vn.  aus  —  207.  25411'. 

Artemidor  Onirocr.  II  37:119,2; 
III  36:  173;  p.  147,5:142 

Artemis  Br .- Statuette  (Berlin)  65;  — 
Polymastos  Statuette  aus  Ephesos 
(Brit.  Mus)  144;  auf  Hirsch  reitend 
SiUierteller  (Berlin)  67;  im  Giganten- 
kampf (Parthenonmetopen  54;  auf 
Neoptolemos  -  r.  (Corneto)  72;  auf 
Orestes- Fn.  203.  205;  Votive  aus 
einem  kypr.  Tempel  der  —  (Brit. 
Mus.)   143 

Asia,  personiticirt  ßr.  (Brit.  Mus.)  1311, 
vgl.   25  ff.  209  ff'. 

Asklepios  Sta.  zu  Epidauro.s  130; 
Dipti/chon  (Liverpool)    218 

Aspasios  G.  des  —  mit  licplik  der 
Parthenos   129 

Assos,  Tempelreliefs  aus  —  64 

Assteas,  Herakles- T'.  des  —  202,9 

Assur- nasir-ahal ,    assyr.    König    75. 

Assyrischer  Relicfstil75;  Sonnengott 75 

Asteria    im    pergamen.    Altarfrics    148. 

Athen,  Grundriss  des  Kerameikos  292; 
Mzn.:  att.  Tetradrachmen  gel.  in 
Karystos     76,      mit     Parthenos      129; 


Eros -Äa/ueHe  und  Helm  Br.  aus  — 
144.  146;  Repliken  der  Parthenos 
in  —  131;  Büste  des  Hermarch  in  — 
153  ff. ;  Rel.  mit  Schlangentopf  in  — 
218;  T.-Stotuetten  66;  Vn.  43.  66f. 
251;  arch.  Goldschmuck  lOlf.  104f.; 
Giebelreliefs  aus  Porosstein  von  der 
Akropolis  291 
Athena  Ilias  in  llion  223ff.;  Nike 
96,8;  Parthenos  des  Pheidias,  Copien 
61  f.  129  ff.,  Selene  auf  der  Basis  96.8, 
Eule  Attribut  161  ff.;  im  Giganten- 
kampf 48.  51.  225f.;   auf   Vn.  38.45. 

239.  248;  auf  Goldschmuck  aus  Elaea 
91;  auf  Theseus-.i>7^/j/i(/.  (Rom)  78.280 

Athenaeus     II  49 A:  179;     VI  23SB. 

2420:210 
Attalos  I.  von  Pergamon  232.  lAniüi; 

ifvXri  in  Ilion  233 
Augen    von    Hörn   aus   Chiusi   (Berlin) 

65;    eingesetzt  Sta.    149;     Skphg.  219 
Augsburg     Bleiplatte    aus    dem    Lech 

bei  —   (Berlin)  68 
Aufseher  der  Palaestra,   F.  des  Euphro- 

nios  (Neapel)   243  f. 
Aulis   Opfer  in  —   72 
Ausonius  Mosella  308  ft'.:  166,12 

Bacchantin  s.  Maenade 

Basilicata  Orestes-  T'n.  aus  der  — 
199 

Bassae     Fries   vom  Tempel  zu  —   57 

Beda,  german.  Gottheit,  Inschr.  74 

Befestigungen,  altitalische  (Rom, 
Ardea)  287;  —  von  Constantinopel 
tmd  Carthago   76 

Bemalung  an  Achilleus  -  5/:^jÄ(/.  aus 
Kertsch  219;  an  Metope  von  Ilion 
228,12;  an  T.  aus  Griechenland  (Ber- 
lin) 66 ;  an  Skphgn.  77;  am  pergamen. 
Altarfries  147  f.  215 

Benihassan  Bild  eines  ägyptischen 
Webstuhls  in  einem  Grabe  zu    —   176 

Berlin  Erwerbungen  des  kgl.  Museums 
lS8:!:63ff. ;  Bronzen:  Jünglings -5(a. 
(Saburoff)  aus  Salamis  291,  Eros  und 
Psyche  Bei.  1  ff ;  Handzeicbnungen 
nach  Antiken  115  ff'.  145;  Marmor: 
Hermarchos  Kopf  155,  Eros  u.  Psyche 
Gruppen  14.  20 ff'.  Mzn.:  Doubletten 
der  Olympia  -  J/zn.  148;  Tn.:  Zeus 
als  Adler  den  Ganymedes  entführend 
aus  Myrina  76,  Athena  und  Enkelados 
226;  Vn.  (Marsyas)  aus  Caere  81  ff., 
(Orestes  in  Delphi)  203  ff'.,  des  Aristo- 
phanes und  Erginos  (Gigantomachie) 
47,    des   Charinos   238,    des  Epilykos 

240,  des  Nikosthencä  (Ackerbau)  60,9; 
Goldsclimuck  9911'.  ir2ff.;  Blei|ilatten 
68.   71  f. 


Blacas,  Unterwelts-  V.  der  Sammlung 
—  253 

Blei -Barren  mit  röm.  Inschr.  (Berlin) 
71  f.;  — gewicht  (kyziken.  Mine)  im 
Brit.  Mus.  146;  — marken  mit  Bild 
der  Parthenos  166 f.;  — platte  aus  dem 
Lech  bei  Augsburg  (Berlin)  68;  — ver- 
guss  in  der  heilenist.  Architektur  23,4 

Blitz  bei  Zeus  F.  84.  89;  etr.  Sp.  89,15 

Bock,  Eros  auf  —  T.  aus  Griechenland 
(Berlin)  66 

Böotien  /".-Statuetten  und  ]'n.  aus  — 
(Berlin)  66  f. 

Bonn,  röm.  Thonwaaren  aus  Kölner 
Fabriken  in  —  294 

Brettspiel  von  Kriegern  T'.  des  Ilieron 
(Florenz)  248 

Bronzen  Erwerbungen  des  Berl.  Mus. 
65,  des  Brit.  Mus.  144 ff.;  Büsten: 
Mercur  145,  Hermarchos  155;  prae- 
nestin.  Cista  (Eros  und  Psyche)  6; 
Funde  aus  einem  Grabe  bei  Chiusi 
(Berlin)  65;  Massstab  aus  Manga- 
necchia  (Dresden)  191fi'. ;  Militardiplom 
Domitians  (Pe-th)  64;  Mze.  des  Anto- 
ninus  Pins  (Kentauromachie)  58,3; 
Reliefs:  Ero.<  und  Psyche  (Berlin)  Iff., 
Seegott  und  Nereiden  (Brit.  Mus.)  25  ff". 
I37ff.  209ff'.,  Gorgoneion  (Edinburgh, 
Brit.  Mus.,  Verona)  27 ff.,  Philoktet  an 
der  Backenklappe  eines  Helms  (Berlin) 
65 ,  Athena  und  Enkelados  (Museo 
Kircheriano)  226;  etr.  Sp.:  Giganto- 
machie 33,5,  Zeus  bei  bacch.  Gelage 
ans  Palestrina  ;Rouen)  89,15,  Zeus 
entführt  als  Adler  den  Ganymed, 
Spiegelkapsel  76;  Statuetten:  Jüngling 
aus  Tarent  (Brit.  Mus.)  21  ff.,  Artemis 
aus  Rom  (Berlin)  6o,  Jüngling  mit 
Diskus  aus  Etrurien  (Berlin)  65,  Hera- 
kles aus  Constantinopel  (Berlin)  65 ; 
Stempel  aus  Constantinopel  (Berlin) 
65;  Urne  aus  Capua  (Berlin)  65; 
Löwenmasken   aus  Syrien  (Berlin)  65. 

Bryaxis  Porträt  des  Seleukos  von  — 
162 

Brygos    Vn.  des  —   249  ff'. 

Bucchero-  In.  Stil  der  —    101 

Bundesstädto,  italische  u.  ctruskische 
74 

Caere  Inschr  aus  —  73;  Marsyas- F. 
aus  —   8 1  ff'. 

Canosa  Unterwelts- F.  aus  —  (Mün- 
chen) 253  fr. 

Capua  Br.  -  Urne  aus  —  65;  T'  des 
Ilieron  in  —  249 

Carthago  Befestigung  von  —  im  Alter- 
thum  76;  Okeanos  Mos.  aus  —  (Brit. 
Mus.)  211 


299 


Register. 


300 


Caithayü    Nova     Bleitiarren    aus     — 

(Berlin)   71 
Castel  Giubileo,   Tbeseus-Skp/iff.  aus 

—  (Rom)  7  7  f.  273  ff. 
Castellani'si;he  Sammlung  in   Hom  77 
Cato  de  r.  r.  X  5.  XIV  2:  175 
Catull  64,91  ff.: 279, 14 

Charinos    I'/i.  lUs  —  66.  238  f. 
Charon    r.-Ilet.  aus  Kleiuasien  (Berlin) 

66;    auf    Theseus-SXyjAj.    (Koni)     78. 

276  ff. 
Cheiron,    den   Achilleu.s   unterrichtend, 

Skjjhye.    119 
Chiron    1'.  des,—  2:;9 
Chiusi  tomba  a  ziro  bei   —   65 
Cicadenlarve     von    Gold    aus    einem 

sardinischen  Grabe   7   Anm.  12 
Cicero,  Leg.  II  26,66:93 
Cilicien,    M:e.  mit  (/'ojiie  der  l'arthe- 

nos  61  f. 
Ciris  V.   179:172,12 
Cista    mystiea    auf    Dijiti/chon    (Liver- 
pool) 218 
Claudian     de    raptu     Troserpinae    III 

184f:32,4.     Gig.  lat.   10Sft'.:33,5 
Coghil'sche  Vasensammlung  200 
columellae  Grabmäler  93 
Commagene      Grabmal     Antiochos    I. 

von  —   63 
Constantin  I.   M:n.  des  —  (Brit.  Mus.) 

144 
Constantinopel  Befestigung  von  —  im 

Altertlium  76;    llenMes-Sliituette  und 

iStempel    aus    —  65;  Delphin   Br.  aus 

—  (Brit.  Mus.)   144 

Cornelius    Rufus,     Landschaftsbilder 

aus  dem  Hause  des  —   140 
Corneto,    Funde:      Brustschmnck     aus 

tomba  dei  guerriere  (Berlin)   112;     Vh. 

31.1.  141  f.  277,  des  Duris  (?)  246 f., 
des  Nikosthenes  und  Charinos  238, 
des  Pamphaios  43,22.  53,  des  Philtias 
und  Deiniades  251 

Cyperu,  Alterthiiiner  aus  —  (Brit.  Mus.) 
143 f.;  Siegelring  aus  —  mit  Bild  der 
l'aithenos    165  ff'. 

Daimon    personificirt   Äc/. -Fragm.    117 
Danaide    auf   Unterwelts- 1'.    aus   Ruvo 

(Karlsruhe)  256,3.  261 
Deiuneira    von    Nessos     entführt      T'. 

aus  Korinth  (Brit.  Mus.)   144 
Deidamia   auf  Acbilleus-Sip/i^n.  219; 

bei  Neoptolemos'  Auszug    V.  72 
Dei  mos  am  pergamen.   Altar  56 
Deiniades    und    Pliiltias     Vn.    von   — 

32.2.  251 

De  los,    Goldscbniuck    aus    —    (Berlin) 

1 1 1  f. 
Delphin,    Br.   aus  Constantiiiopel  (Brit. 


Mus.)  144;  Br.-Rel  im  Brit.  Mus.  und 
Edinburgh  26  f.   137  ff.  209  ff'. 

Demeter  im  Gigantenkampf  (Parthenon- 
metopen)  48  f. 

Denietrios  von  Phaleron,  Säulenhalle 
des  —  am  Tempel  zu  Eleusis  75; 
Vorschriften  des  —  über  Grabmäler  93 

Demetrios  von  Skepsis,  Beschrciliung 
von  Ilion  231  f. 

Ps.   Demosthenes  25.52:270,21 

D  en  ar  s.  Münzen 

Di  all  ein  w.   (»old 

Dikü  auf  dem  Kvpseloskasten  264;  auf 
Unterwelts- r.   (Karlsruhe)  263  ff. 

Di  mini,  prähistorische  Scherben  aus  — 
(Berlin)  67 

Dio  Chrysostomos  Or  IV  114:  118,1; 
Xn  6:161,1;  LXIII  7.  LXV  12: 
119,2 

Diodor,  Gräberperiegese  des  —  95; 
IV  26:258;  XVIII  4:230 

Dionysios    von    Halikarnass   V   61  :  73 

Dionysos  bärtig  auf  Vn.  38,13,  85; 
gelagert  K  des  Nikosthenes  (Cor- 
neto) 238 ;  in  der  Gigantomachie 
32,  (Parthenonuietope)  48  f. ;  —  und 
Ariadne,  Goldschmuck  aus  Abydos 
92;  —  und  Semele  auf  Stierwagen 
r.-Metope  aus  Paestum  228,12;  Hades 
als  —  86;  Zeus  als  —  85;  Fufluns 
genannt  auf  elr.  Spiet/ein  85  f. 

Dioskuren  mit  Schlangentopf  .Uzn. 
von  Sparta  217 

Diptychon,  Asklepios  und  Ilygieia  mit 
Schlangentopf  (Liverpool)  218 

Dipylon  Stil  der  —  Vn.  101;  Gold- 
schmuck vom  —   101 

Diskus  Jüngling  mit  —  Br..  Statuette 
aus  Etrurien  (Berlin!  65;  Diskuswerfer 
auf   Vn.   242,2.   243 

Domitian,  Militärdiplom  des  -  (Pesth) 
64 

Dorotheos  Copie  der  Anadyomene 
des  Apelles  vou  —    135 

iio'itii  personificirt  im  Pinax  des  Kebes 
121 

Dresden  Eros  und  Psyche  Marmor- 
ijruppe  in  —  14;  Kojif  vom  kleinen 
pergamen.  Fries  in  —  64 ;  antiker 
Br  -Maassstab  aus  Manganecchia  in  — 
191  ff. 

Duris,  Vn.  des  —  245  ff.  285;  l  h.  aus 
der  Schule  des  —   .'42.  247 

Dysarestia  des  Aristophontes  3 


Edinburgh.    Gorgoneion    Br-Ret.    in 

—  27  ff. 
'Eyx^iaitia  personificirt  auf  dem  Pinax 

des  Kebes  121 


Eidolon   Verstorbener   42,21    Vn.,    des 

Aeetes   10;   Sinnbild  der  Seele  10 
Elaea   Goldschmuck   aus  dem  Golf  von 

—  89  ff". 

Elektra  in  der  Iliiipersis  des  Polygnot 
284 

Eleusis,    Ausgrabungen  in  —   75 

Enkelados  Gigant  32;  —  und  Athena, 
Metope  von  Ilion,  ßr.-Äe/.  (Mus.  Kirch  ) 
und  T.-Rel.  (Berlin)  225  f. 

Ente  auf  Brustplatte  von  Gold  (Berlin) 
113 

Ephesos  Statuette  der  Artemis  Poly- 
UKistos  aus  —  (Brit.  Mus.)   144 

Epidauros  Sta.  des  Asklepios  zu  — 
130 

Epikur   Porträtdarstellungen    des    154 f. 

Epilykos    Vn.  des  —  240 f. 

Epione  auf  dem  pergamen  Altarfries 
146.  213  ff. 

'BniaTrjur]  personificirt  auf  dem  Pi- 
nax des  Kebes   124 

'Eti i,'>vuiiii  personificirt  auf  dem  Pi- 
nax des  Kebes  121 

Erdtheile  die  drei  — ,  ijcrsonificirt 
ßr.  (Brit.  Mus.)  139  f.,  vgl.  25  ff  209  ff. 

Erginos  und  Aristopbanes,  ('.  von  — 
(Berlin)  47 

Erinyeu  den  Orestes  verfolgend  Vn. 
199ft'.;  auf  Unterwelts- In.  256  ff. 

Eros  Abdruck  einer  G.  in  T.  (Brit. 
Mus.)  144;  Br. -Statuette  aus  Athen 
(Brit.  Mus.)  144;  Diptychon  (Liverpool) 
268;  Goldschmuck  aus  Elaea  91 ;  Auf- 
kommen   in    der  Vasenmalerei  43,22; 

—  auf  Bock  reitend  Rel.  aus  Griechen- 
land (Berlin)  66 ;  bogenspannend  T. 
(Berlin)  66  ;  gebunden  Skphy.  des  Co- 
dex Pighianus  18.  22,  Marmorgruppe 
aus  Aphrodisias  (Berlin)  20 ft";  Gn 
(Berlin)  19;  mit  Reh  I'.  83;  mit 
Schmetterlingsflügeln,  pränestin.  Cista 
6;  spielend  etr.  V.  83;  Eroten  paro- 
diren  Apollo  und  Marsyas  10,15;  —  und 
Psyche  Ift'.:  auf  Theseus-Ä/)/»«/.  (Rom) 
78.  278;  bei  Zeus  und  Ganymed 
V.  45 

Erzguss    Wiederaufleben  des   — es   146 
Etrurien    Jüngling     mit     Diskus    5c.- 
Statuette   aus    —    (Berlin)    65;     Brust- 
schmuck   von    Gold    aus    —    (Berlin) 
112 ff.;    Ringer   T.  aus  —   (Berlin)  66 
einheimische    Vn.  (Brit.  Mus.)   144. 
Etrusker  Herkunft  der  —   287ff. 
Euboea   Münzfund  von  —   76 
EiitUtiuorict     personificirt      auf     dem 

Pinax  des  Kebes   124 
Eugenes,    Dichter  der  Anthologie    I.jO 
Eule  auf  der  Backeuklappe  der  Parthe 
nos   134.   161  ft'. 


301 


Kcr'ister. 


302 


Eumenes  II.  von  Pergamon  235 
Eunuchen    auf  Rel.    aus  Kappadokien 

74 
Euphionios    Vn.  des  —  38.  242ff. 
Euripides  Heraklid.  900:266 
Europa     personificirt   Br.    (Biit.  Mus.) 

139,  vgl.  25  ff.  209  tf. 
Eurydike    auf    Unteiwelts- Tn.    255ff. 

267 
Enthymidcs    Vn.  des  —  252 
Eutychides    Tyche  des   —    140.    162 

Fackel  mit  Manchette  90 

Farbenspuren  s.  Bemalung. 

Fanstkämp  fer  auf  I'.  des  Nikosthenes 
(Corneto)  238 

Fayoum    Münzfund  in  —   144 

Fels  2.  38,  13.  205;  —  des  Sisyphos 
auf  Unterwelts-  Vn.  259 ;  Felsmonument 
in  Kleinasien  71 

Festus  p.  277.  286— 289: 173f. 

Feuer,  dargestellt  auf  etrusk.  Monumen- 
ten 84 

Fibeln  von  Gold  und  Bronze  aus  Vulci 
(Berlin)  65;  aus  Athen,  Olympia,  The- 
-  ben  105 

Fidena  Theseus -  .Si/)/(<^.  aus  —  (Rom) 
77f.   273ff. 

Fimbria  erobert  Ilion  230,21.  232 

Fimmilena,  german.  Göttin  74 

Flöte  auf  In.  82.  245 

Florenz  Eros  und  Psyche  Marmor- 
gruppe in  —  14;  Selene  reitend  V.  in  — 
97;  Duris-F.  in  —  245;  Hieron- F. 
in  —  248;  Memnon-F.  in  —  242 

Flügelfigur,  auf  F.  aus  Kameiros 
(Berlin)  66;  auf  F.  des  Hieron  (Flo- 
renz) 248;  Wgm.  vom  Grab  der 
Nasonen  (Brit.  Mus.)  143;  —  en  mit 
Fackel,  Goldschmuck  aus  Kleinasien  90 

Flügelpferd  auf  dem  Helm  der  Parthe- 
nos  133 

Franfois-  F.  54 

Füllhorn  Kentaur  mit  —  F.  aus  Caere 
(Berlin)  83;  Silen  mit  —  T.  aus  Klein- 
asien (Berlin)  66 

Fufluns    auf   etruskischen  üpiei/e/n    85. 

F  u  1  g  e  n  t  i  u  8  3 

Fuss  römischer  — auf  antikem  Maassstab 
aus  Munganecchia  (Dresden)   191  ff. 

Galen  Protept.  11 11. :   119,2 

Gallier  verwüsten  Ilion  231f ;  sterben- 
der —  IGO 

Gans,  Knabe  mit  —  T.  aus  Kleinasien 
(Berlin)  66 

Ganytuedes  7'.  aus  Myrina  (Berlin)  76; 
F.  45 

Gazellen-Kopf  an  goldenem  Aririb.ind 
aus  Griechenland  (Berlin)  CT 


Ge  aus  dem  Boden  aufsteigend  47 

Gebet   Rel.  aus  Pergamon  71 

Gefangene  vor  dem  König  Rel.  aus 
Kappadokien  74 

Gelage  Vn.  des  Duris  245f.  285;  bac- 
chisches  —  mit  Zeus  etr.  Sp.  (Ronen) 
89,15 

Gemmen  Erwerbungen  des  Berliner  Mu- 
seums 67  f.;  Abdruck  einer  G.  in  T. 
(Brit  Mus.)  144;  Inselsteine  in  Breslau 
und  Kopenhagen  68;  mit  Eros  19;  mit 
Eros  und  Psyche  17 f.;  mit  Parthenos 
(Cypern)   165  ff. 

Genetyllis  am  pergamen. Altarfries  148. 

Gens,  Denare  der  —  Vibia  mit  Eros  imd 
Psyche  12 

Geryoncus  37;  auf  den  Metopen  des 
Theseion  55 

Gespräch  F.  des  Epilykos  (Berlin) 
240  f.;   F.  des  Hieron  (Neapel)  247  f. 

G  est  US  des  ,Bindens'  42,  19;  —  der 
Bräute  und  Frauen  282 

G  leb  ei -Reliefs  aus  Porös  von  der  Akro- 
polis   zu  Athen    (Ileraklesthaten)  291 

Giganten  Alkyoneus  31ff. ;  Enkelados 
32.  225  f.;  Mimas33;  Porphyrion  32  f. 
51;  Gigantomachie:  32,  Parthenonme- 
topen  47 ff,  Metope  von  Ilion  225  f., 
pergamen.  Altar  72,  Br.-Ret.  im  Mus. 
Kirch,  und  T.-Rel.  in  Berlin  226,  Vn. 
47.  56 

Gjölbaschi   Reliefs  von  —  63.   192 

Glas  Siegel  und  Köpfe  aus  —  (Berlin) 
68;  Fibeln  von  Glasfluss  aus  Chiusi 
(Berlin)  65 

Götterbild  Lapithenfrauen  zu  einem 
—   flüchtend  Fries  von  Bassae  57 

Gold.  Armband  und  Bommeln  von  — 
aus  Griechenland  (Berlin)  67 ;  Cicaden- 
larve  aus  Sardinien  7, 12;  Diadem  aus 
Abydos  92ff. ;  Fibeln  und  Spiralen  aus 
Vulci  (Berlin)  65;  Medaillon  ujit  Par- 
thenos aus  dem  Koul-Oba  (Petersburg) 
129.  133;  Ohrgellänge  mit  Schmetter- 
ling 9, 14;  Schmuck  ans  Kleinasien  89  ff'., 
archaischer  in  Athen,  Berlin,  Kopen- 
hagen 99  ff'. 

Gorgias  mit  Uinimelskugel  auf  dem 
Grabmal   des  Isokrates  95 

Gorgoneion,  Br.-Relie/s  in  Edinburgh, 
London,   Verona  27  ff'. 

Grab,  Arten  der  Gräber  bei  den  Itali- 
kern  288;  Grabfunde  in  Etrurien  65. 
288 f.;  Vorschriften  iles  Demetrios  Pha- 
lereus  über  Grabmäler  93f  ;  Grabstele 
mit  Hahn  und  Morgenstern  139 ff'.;  Frau 
am  Grabe  sitzend  T.  aus  Kleinasien 
(Berlin)  66 

Granatapfel  auf  archaischem  Gold- 
schmuck aus  Mclos  und  Delos  (Berlin) 


111;  Granatblüte  auf  T.  aus  Cypern 
(Brit.  Mus.)  143  ;  Granatapfelmuster  aus 
der  Antike  abgeleitet  70 f. 

Greif  auf  Felsmonument  in  Kleinasien 
71;  auf  archaischem  Goldschmuck  aus 
Athen  (Berlin)  104;  aus  Melos  und  De- 
los (Berlin)  llOff. ;  auf  Backenklappe 
und  Stirnschild  der  Parthenos  133  f. 

Griechenland  Tn.  und  Goldschmuck 
aus  —  (Berlin)  66  f. 

Hades  auf  Unterwelts  -  Vn.  255ff.;  mit 
Attributen  des  Dionysos  86;  s.  Pluto 

Hadrianswall  in  Britannien  72 

Hahn  T.  aus  Kleinasien  (Berlin)  66; 
Symbolik  des  Hahns  auf  Grabmälern 
139  ff. 

Hakenkreuz  auf  arch.  Goldschmuck  aus 
Korinth  (Berlin)  100;  auf  etrusk.  Brust- 
platte von  Gold  (Berlin)  113 

Halter  (Sprunggewicht)  auf  F.  243 

Hamilton'sche  Vasensammlung  201 

Handzeichnungen  nach  Antiken  (Ber- 
lin) 145 

Hannover  Eros  und  Psyche  ilarnior- 
gruppe  in  —  15;  zwei  Brustbilder  mit 
Attributen  von  Land  und  Wasser,  Onyx- 
Carneo  aus   —   (Berlin)  68 

Harpyien    Br.-Situla  (Brit.  Jlus.)   145. 

'Häorici  personificirt  im  Pinax  des 
Kebes  121 

Jld'  vnfi  !>  1 1  (i  personificirt  im  Pina.x  des 
Kebes  121 

Hegesianax  Quelle  des  Polybios  231, 
22 

Hekate    auf  Unterwelts- Fh.   260 

Hektor    Heroon  des  —  in  Ilion  223,1. 

Helena  in  der  Iliupersis  des  Polygnot 
284 

Heliopolis,  das  babylonische  —  75. 

Helios  Goldschmuck  aus  Elaea91;  Me- 
tope von  Ilion  223  ff. ;  Rinder  des  —  37 

Hellas  personificirt  Gemälde  des  Panai- 
nos  2 1 2 

Helle  auf  Widder  T.-Rcl.  (Brit.  Mus.) 
144 

Hera  im  Gigantenkampf  (Parthenonuie- 
topen)  48  f.   52 

Herakles  Slatuelte  aus  Constantinope! 
(Berlin)  65;  Koj)/  als  Gefäss  T.  aus 
Kleinasien  (Berlin)  66;  Karikatur 
T.  aus  Kleinasien  (Berlin)  66;  — 
mit  Schlangentopf  Mzn.  von  Sparta  217 ; 
bemalte  Giebelreliefs  aus  Porosstein  von 
der  Akropolis  zu  Athen  291;  F.  des 
Assteas  202,9;  —  und  Alkyoneus  Vn. 
31,1.  34ff.;  —  in  der  Gigantomachie 
(Parthenonmetopen)  49 f.  52,  (perga- 
men. Altar)  56;  —  und  Kyknos  F.  des 
Pamphaiüs  239;  —  und  der  Löwe  F.  des 


303 


Register. 


304 


Nikosthenes    (Corneto)  238,    /ir.-6V/ii/r( 
(Biit.  Mus.)  145;  —  und  Nessos  T'.  aus 
Korinth   (ßrit.   Mus.)    144;    —    in    der 
Unterwelt    Vn.  254  ff. 
Ilerniarchos   Porträts  des  —   153  fl'. 
Hermes  im  Gigantenkampf  (Parthenon- 
metopc)  49;   bei   Herakles  und  Alkyo- 
neus  38.  46;  Psychopompos  auf  T.-Rel. 
aus  Kleinasien  (Berlin)  6G,  auf  Theseus- 
Sk/ihg.   (Rom)   78.    27Gf.,    auf  Unter- 
weltj- r«.  258;    auf  Tlieseus- T.  (Cor- 
neto) 277 
Hermogenes,    V.  des  —  238 
Hermonax,    Vn.  des  —  252 
Herodot  II   35:    175;  III  60:   75 
Hesiod,Op.  etD.256ff.:  264,16;  Scut. 
Herc.  172:9,13;    Theog.    902:264,16; 
Fragni.   165:    183 
Hieron,    Vn.  des  —  247  ti.;    Vn.  aus  der 

Schule  des  —  242 
Ilimeros,    auf    Unterwelts  -  T '«.    255f. 
Himmelskugel,    Gorgias    mit    —    auf 

dem  Grabmal  des  Isokrates  95 
Hippodameia   im   Ustgiebel   des  Zeus- 

terapels  zu  Olympia  281  fF. 
Hippokanip  auf  1'.  259,  9 
Hirsch     ilurmorkopf   aus    Malta    (ürit. 
Mus.)   144;    auf  T.   aus   Cypern  (Brit. 
Mus.)   143;    arch.   Goldschuiuck   103,4. 
(mit  Löwen  abwechselnd)  104;  Artemis 
auf  —   reitend,   Silberteller   aus   Rom 
(Berlin)  67 
Hochzeit    des   l'eleus    und    der    Thetis, 

Fran(;ois-T'.  54. 

Homer,    Skphg.    des   —    219;     Ilias   II 

305:72;      VUI    3671f.  :260;     XXIII 

760:170;    Odyssee  II  941. :  178;     XI 

623  ff. :  260 

Honos    auf  Theseus -  .SA:/)%.  (Korn)   280 

Hope'sche  Antikensammlung;   Eros  und 

Psyche   Mai-niorgruppe   14 
Horaz,   Od.  III  79;  IV  27:258 
Hörn,  Augen  von  —  aus  Chiusi  (Berlin) 

65 
Hund,    der    Genetyllis   bailig   148;    Br. 
aus    Rom    (Berlin)    65;    auf    Theseus- 
Slcjjhff.    (Rom)  278;    auf   T'.  des    Pam- 
phaios  240,   des   Duris  245 f. 
Hygieia  Diptychon  (Liverpool)  218 
Hygin  p.  10  Schmidt:  32,3 
Hypermnestra  auf  Hippokamp  l'.259,9 
Hypnos    Darstellungen    42ff.:    geflügelt 
auf  Alkyoneus-  Vn.  31.  34.  38.  41  —  45 
Ilypsis    Vn.  des   —   252 

Jagd  auf  Löwen  Ret.  aus  Saktschegözü 
63 
■  Jason  fiOi'6xor]77is  138 
lason,  Arzt,  auf  Grah-Jiel.  64 
Jatta'sche  Vasensammlung  in  Uuvo  203 f. 
.■Vrchiiulog.  Ztg.   Jahrgang  XLII. 


Ibriz,   Rel.  aus  —  71 

Idol,   weibl  ,   T.  aus  Kleinasien  (Berlin) 

60 
Iktinos,  Erbauer  des  Tempels  in  Eleusis 

75 
Ilion,    Sculpturen    von    —    223(1'.;    Ge- 
schichte von   —   23 IH'. 
Iliupersis    Wym.  des  Polygnot  284 
Insel  steine  in  Bresbiu  und  Kopenluigen 

68 
.Johannes    Malala>     \i.    276,5    Bonn.: 

162 
lolaos    auf    Partliencjiimetoi}C    54;     auf 
Alkyoneus  -  1'.  46:    auf   T.  des   Niko- 
sthenes (Corneto)  238 
Iphigeneia  Shphi/c.  228;  —  Mutter  des 

Neoptolemos  71 
Iris  im  Gigantenkanipf  (Parthenonmeto- 

jien)  49.  54 
Isidor.   Pelusin.  I  3    epist.j  153  :  1 19,2 
Isokrates,  Grabmal   des   —   95 
luba  II.   von  Mauretanien   Mzn.  des  — 

161 
lulian  epist.  p.  258 f.  :  223,1 

Kaiser,   römische  bilderl61f.;   by- 

zantin.  —  paar  Bleiplutte  aus  dem  Lech 
bei   Augsburg  (Berlin)  68 
Kcixoö Kl  uov  1«  ])ersonificirt  im  Pinax 

des  Kebes  125  f. 
Kameiros  T'.  aus  —  (Berlin)  66;  Gold- 
schmuck aus  —  (Berlin)   104  f. 
Kappadokien    Rel.     mit    Keilinschrift 

aus  —   74 
Karikaturen,   Tn.  in   Berlin  66. 
Karlsruhe,   Unterwelts- T'n.   in  —  254. 

263  ff. 
KaQt (Qitt     personificirt   im   Pinax    des 

Kebes  122 
Karystos,  Miiiizfund   in   —    76 
Kebes,   Pinax  des  —    illustrirt  auf  Rel. 

llSff. 
Kentauren    V.  aus  Caere   (Berlin)    83; 
arch.  Goldschmuck  aus  Korinth  (Berlin) 
99ff. ;  —  als  Schildzeichen   I'.  des  Hie- 
ron (Florenz)  248  ;  kämpfend ;  mit  Löwen 
Skphy.  (Petersburg)  219,  mit  Lapithen 
(Parthenonmetopen)    57 ff.    (Fries   von 
Bassae)  57.    Mze.  des  Antonius  Pius 
57,3      Vn.  57,3;    Pantherfell    Attribut 
der  —   58,3 
Keos    Mzn.  von   —   229 
Kephisodot    Plutosknabe    des    —   64; 

der  jüngere  —   12 
Ker   Darstellungen  der  —  42,21 
Kerameikos   Grundriss  des  attischen  — 

292 
Kerberos    auf  Unterwelts- 1*.  258 
Kertsch    Achilleus-.S7.y)/ij.  aus  —  219 
Keule    de^   Alkvoneus   40,15;    des   He- 


rakles 40, 16;   Mann  mit  —  alsSchild- 
zeicben    V.   des   Hieron   (Florenz)  248 
Kirke  und  Telegonos  )'.  269;   Webstuhl 

der   —   im  vatican.  Vergilcodex  173 
Kleinasien  Denkmüler  aus  —  71;  Gold- 
schmuck aus  —  89  ff. ;  Tn.  aus  —  (Ber- 
lin) 65  f. 
Klytaemnestra  auf  Orestes- Un.  202  ff.; 

Gesicht  der  —   im  Spiegel  199 
Knabe    neben    Altar    T.    aus   Kleinasien 
(Berlin)  66;  —  mit  Gans   T.  aus  Klein- 
asien   (Berlin)  66;   hockender    —   vom 
Ostgiebel   des  Zeustempels  zu  Olympia 
220  f. 
Köln    Thonwaarenfabriken  bei  —  294 
Kopenhagen    arch.    Goldschuiuck    aus 
Athen  in   —   101  ff.;    Inselsteine  in   — 
68;   Orestes  in  Delphi  T'.  in  —   201 
Korinth    ß/-.-Gewicht  aus  —  (Brit.  Mus.) 
146;  arch.  Goldschmuck  aus  —  (Berlin) 
99ff  ;    V,i.  aus     -    67.    144 
Kottabos    auf    1'.    des    Duris    (Neapel) 

245  f. 
Koul-Oba  Goldniedaillon  mit  Partbenos 

aus  dem   —   (Petersburg)   129.   133 
Kranz    coronae   sutiles   auf  etrusk.  Mo- 
numenten 84 
Kreta  personificirt  212 
Krieger    T'.  des  Duris  246:  beim  Brett- 
spiel, im  Zweikampf,  Zug  von   — n    V. 
des  Hieron  (Florenz)  248 
Krim    T'.  aus  der  —   209 f. 
Krotalen     Frau    mit    —    T.    aus   Grie- 
chenland (Berlin)  66 
Krypta  des  Tempels  zu  Eleusis  75;   des 

h.  Paulinus  in  Trier  73 
Kurdistan  Reliefs  aus  —  63 
Kureten   am  pergamen.  Altar  56 
Kurion    Silberfund  bei   —    165ff. 
Kybele  Rel.  (Petersburg)  64;  Felsbild  in 

Kleinasien  71 
Kyknos    T'h.  43,22.   53.  205,20.   239 
Kypselo  skasten    Dike    dargestellt  am 
—    264 

labella  Grabniäler  93 

Lamia   Philoktet  Mze.  von  —  65 

Lampe  auf   V.  aus  Orvieto  240 

Lansdownehouse  Eros  und  Psyche 
Marmorgruppe  in  —   14.  16 

Lanzenspitzen   aus  Chiusi  (Berlin)  65 

Laokoon  Verhaltniss  zum  pergameni- 
schen  Friese  72  f. 

Lapithen  kämpfend  mit  Kentauren  57  ft'. 

Lasa  von  Zeus  umarmt  etr.  Sp.  85 

Lateran  s.  Rom 

Lech  Bleiplatte  aus  dem  —  bei  Augs- 
burg 68 

Lederpanzer  auf   T".  205 

Leier     Figur  mit  —  T.  aus  Cypern  (Brit. 

90 


305 


Rcsiister. 


306 


Mus)  1-13;  Jüugling  mit  —  1'.  des 
Epilykos  (Berlin)  241 ;  Mädchen  mit  — 
Goldschmuck  aus  Abydos  93 ;  Marsyas 
mit  —  V.  aus  Caere  (Berlin)  82:  Or- 
pheus mit  —   254.  256.  271,22 

Lekythos  auf  V.  243 

Leochares  Ganymedes  vom  Adler  ent- 
führt   Gruppe  lies  —    76 

Leonidas  von  Tarent,  Dichter  der  An- 
thologie 150 

Lesche  in  Delphi,  Nekyia  des  Polygnot 
in  der   —   257  f. 

Leto  im  Gigantenkampf  (Purthenonme- 
tope)  49 

Libye  personificirt  Br.  des  Brit.  Mus. 
139 

Li  ein  ins  I.  Mzii.  des  —  (Brii-  Mus.) 
144 

Liebesscene    I"   aus  Urvieto  240 

Limes   römischer   —    70.  291  f. 

Liverpool  Asklepios  und  Hygieia  mit 
Schlangentopf  Diptychon  in  —  218 

Livius  XXXVU.  37:232,24 

Löwe  G.  (Berlin)  68;  Felsmonument 
(Kleinasien)  71;  Br.-Maske  aus  Syrien 
(Berlin)  65;  —  mit  Hirsch  abwechselnd 
auf  arch.  Goldschmuck  aus  Athen  (Ber- 
lin) 104;  kämpfend  mit  Stier  und  Men- 
schen auf  arch.  Goldschmuck  103;  ne- 
meischer  —  V.  des  Nikosthenes  (Cor- 
neto)  238,  Br.-Silula  (Brit.  Mus.)  145; 
zwei  Löwen  von  einem  Mann  gebän- 
digt, Goldschmuck  aus  Korinth  (Berlin) 
108 f.;  Löwe  und  Lüwin  mit  Kentauren 
kämpfend  Shphg.  (Petersburg)  219; 
Löwenfell  Attribut  des  Herakles  40.  52. 
58,3;  Löwenjagd  s.  Jagd. 

London  British  Museum,  Erwerbungen 
1SS3:  143  ff.  Bronzen:  Jünglings-Ste- 
tuette  aus  Tarent  21  ft'.;  Gorgoneion 
Ret.  27,  Seegott  und  Nereiden  Platte 
25fr.  137  fr.  209fr.;  Marmor:  röiuischer 
Porträt -A'o;)/,  Grab-Äe/.  des  Arztes 
lason  und  Todtenmahl-/ie/.  64;  Mos. 
Okeanos  211;    Vn.  31,1.  207 

Lukian  calumn.  non  tem.  cred.  5:  126,6 

Lukios  von   Patrai  3 f. 

Lykomedes  auf  Achilleus-<bi/)/ijn.  219; 
Töchter  des  —    V.  aus  Corneto  72 

Lykurg,  Grabmal  des  —  95 

^-toTirj  personificirt  im  Pinax  des  Kebes 
125 

Lysimachos  baut  den  Athenatempel  in 
Ilion  230 

Lysippos,  Apoxyomenos  des  —  25 


Maassstab,  antiker,  aus  Manganecchia 

(Dresden)   191  ff. 
Madrid,  Replik  der  Parihenos  in  —  131 


Mädchen,  kiiieendes,  im  Ostgiebel  des 
Zeustempels   zu  Olympia  220  f.  284 

Maenade    V.  aus  Caere  (Berlin)  84 

Makedonien,  Br -Platte  aus  —  (Brit. 
Mus.)  25  ft".    137  ir.  209  fr. 

Malta,    Marmorkopf  eines  Hirsches  aus 

—  (Brit.  Mus.)   144 
Manganecchia,  antiker  Maassstab  aus 

—  (Dresden)   191fr. 
Marius,  Bildnisse  des  —   157 
Marmor  Köpfe:  römisches  Porträt  (Brit. 

Mus.)  64;  Niobe  (Yarborough)  64;  vom 
pergamen.  Altarfries  (Dresden)  64;  Her- 
marchos  (Athen)  1 53  fr. ;  Antiochos  Soter 
(München)  157ft'.  Reliefs:  Löwenjagd 
(Saktschegözü)  63;  aus  dem  Piräus  64; 
Todtenmahl  (Brit.  Mus.)  64;  Kybele 
(Petersburg)  64 ;  mit  Schlaugentopf 
217 f.;  Fries  von  Phigalia  57.  227  f.: 
Giebel  des  Megarerschatzhauses  in 
Olympia  51.  56;  Grabreliefs  vom 
Grabmal  Antiochos  L  (Nemruddagh) 
63,  von  Gjölbaschi  63,  aus  Thes- 
salien und  Athen  64,  des  Arztes  Jason 
(Brit.  Mus.)  64  ;  Metopen  von  Ilion  225  f., 
des  Parthenon  47  ff.  57  fr. ;  Skphge.:  älte- 
ster römischer  69,  Achilleus  219,  Dio- 
nysos und  Ariadne  (Kopenhagen)  92  f., 
Eros  gebunden  (Zeichnung  des  Pighius) 

18,  Iijhigeneia  228,  Niobe  228,  Prome- 
theus (Capitol)  5,8,  Theseus  77.  271  f}'.; 
Stuck-Reliefs  aus  Rom  64;  Tempelreliefs 
von  Assos  64 ;  Farbspuren  auf  Hkpliffn. 
78.  Statuen:  Anakreon  149fr.;  Askle- 
pios  (Epidauros)  130:  Parthenos  (Re- 
pliken) 129fr.;  Plutosknabe  des  Kephi- 
sodot  64;  {.ht-Giebel  des  Zeustempels 
zu  Olympia  2i0tr. ;  Gruppe  von  Eros 
und  Psyche  12fr.,  Repliken  14fr'.  Stele: 
bemalte  attiche  Grab.-tele  (Berlin)  63. 
Erwerbungen  des  Brit.  Mus.   1883:    144 

Mars  Thingsus  german.  Gottheit  74 
Marsyas    und    ApoUon     I'h.  8711'.;    von 

Eroten  parodirt  10,15 
Maske  auf  etiusk.  Bru,>tplatte  von  Gold 
113;  an  den  Enden  einer  goldenen 
Spirale  aus  Vulci  (Berlin)  65;  Karika- 
tur —  T.  aus  Griechenland  (Berlin) 
66;  Sklave  .mit  komischer  —  T.  aus 
Kleinasien  (Berlin)  66 ;  komische  und 
tragische  auf  Goldplättchen  aus  Eläa 
91 ;  Löwen  —  Br.  aus  Syrien  (Berlin)  65 
Mauretanien   .l/.-ii.  des  Ptolemaeus  und 

luba  II.  von   —    161 
Maussoleum    Arm    vom   Fries    des   — 

(Brit.  Mus.)    114 
Medea  auf  Unteruelts- 1'.  257 
Medusa  im  Schlaf  geti'xltet  37,12 
Mcleagros,   Dichter    der  Anthologie  4. 

19.  142 


Melos  Ohrgehänge  ans  —  (Berlin)  110  f. 

Memnon  von  Hypuos  uud  Thanatos  ge- 
tragen 43 

mensae,  Grabmäler  93 

Mercur  Br.-Büste  145 

Messer,  eiserne  —  aus  Chiusi  (Berlin) 
65 

IXIfTinoici  personificirt  im  Pinax  des  Kebes 
125  f. 

Metrodor    Bildnisse  des  —  155 

Militärdiplom   Domitians  (Pesth)  64 

Mimas,  Gigant  33 

Minus   auf  Thesens-Skphg.  (Rom)  77 

Minotauros  Theseus  und  —  arch. 
Goldschmuck  aus  Korinth  (Berlin)  106; 
Skphge.  77.  271  ft'.;    I'.  (Corneto)  107 

Monokneraos  Gemälde  des  Apelles 
133  fr. 

Monte  Calvo  Anakreon  Marmor  -  S<a. 
vom  —   (V.   Borghese)   149  fr. 

Morgenstern  Symbolik  des  —  auf 
griech.  Grabmälern   139  ff. 

Mosaiken  (Okeanos)  aus  Karthago  (Brit. 
Mus)  und  Toulouse  211 

München  Antiochos  Soter  Marmorkop/ 
in  —  157  ff,;  Vn.  in  —  31,1.  245. 
251  f. 

Münzen  Alexanders  I.  von  Epeiros  292; 
des  Antiochos  Soter  159;  des  Antoni- 
nus  Pins  (_Br.  Kentauromachie)  56,3; 
Tetradrachmen  von  Athen  (aus  Kary- 
stos)  76,  (mit  Parthenos)  129;  Mzn. 
des  Caesar  161;  von  Cilicien  (mit  Par- 
thenos) 6 1 :  Münzfund  von  Fayoum  144 ; 
Mzn.  von  Ilion  223, 1 ;  des  luba  II. 
von  Mauretanien  161;  von  Keos  229; 
von  Lamia  (Philoktet)  65;  von  Niko- 
media  (Psyche)  7,  10;  aus  Olympia 
(Berlin)  148 ;  des  Ptolemaeus  von  Mau- 
retanien 161;  von  Serdike  (Eros  und 
Psyche)  12  15,25;  von  Sparta  (Schlan- 
gentopf) 217;  von  Teos  (Anakreon) 
152;  Denare  der  gens  Vibia  (Eros  und 
Psyche)  12 

Mykenae,  Stil  der  myken.    Vn.  147 

Myrina    Tn.  aus  —  (Berlin)  651".   76 

Myrtilos  im  Ostgiebel  des  Zeustempels 
zu  Olympia  220  f. 

Nah  u-pal-iddin,  babylon.  König  75. 
Narkissos   Sta.  2 
Nasonen   Grabmal  der  —   143 
Neapel     Vn.  in   —    199.   202,11.    237. 

239  f.  243.  245  f.  247  f.  252.  253  ff. 
Nekyia    Gemälde  des   Nikias   270;    des 

Polygnot  257  f. 
Nemesis  den  Eros  fesselnil   19 
Nemrud-dagh,    Grabmal    Antiochos  I. 

von  Commagene  auf  dem  —  63 
Neoptolemos'  Auszug    I'.  72 


307 


Register. 


308 


Nereiden     Br.- Platte   aus   Makedonien 

(Brit.  Mus.)  25  ff.   137  ff.  209  ff. 
Nero   Büste  (Brit.  Mus.)   144 
Nessos    Deianeira    entführend     V.    aus 

Korinth  (Brit.  Mus.)  144 
Nike   iui   Gigantenkampf  (Paithenonnie- 

topen)  40.   54;  Athena  Nike  9G,.S 
Nikias   Nekyia   Gemälde  des  —  270 
Nikomedia    Psyche   auf    Mze.    von  — 

7,10 
Nikosthenes     Vn.  des   —    00,9.  237f. 
Nil    Sla.  (Vatican)   140 
N  i  0  b  e    Kopf  (Yarborough)  64 ;    S/cp/ir/e. 

228 
Nola   Alkyoneus-T'.  aus  —  31,1 
Nonnos    Dionys.  7.   10.  40.  431.   2G6 
Nymphe    J".  aus  Myrina  (Berlin)  6(j 
Nyx    im    Gigantenkampf  (Parthenoume- 

tope)  49 

'OtSvvi  personiticirt  im  Pinax  des  Ke- 
bes  125  f. 

'OävQuog  personiticirt  im  Pinax  des 
Kebes  125  f. 

Odysseus'  Hadesfahrt  Gemälde  des  Ni- 
kias 270f.,  des  Polygnot  257 f.;  — 
Freiermord  am  Heroon  von  Gjölbaschi 
63.   192,  Skjihy.  220 

0  e  n  0  m  a  0  s  im  Ostgiebel  des  Zeustempels 
zu  Olympia  220  f.  284 

(.)ffida  Br.-Sitiila  aus  —  (Brit.  Mus.) 
144  f. 

t)hrgehänge  von  Gold  aus  Elaea91; 
aus  Melos  (Berlin)  110  f.;  mit  Schmet- 
terling (Petersburg)  9,14 

Okeanos  mit  den  drei  Erdtheilen  Br.- 
Jiel.  (Brit.  Mus)  137ff.,  vgl.  26ff. 
209  ff. ;  die  Erde  umströmend  Mosaiken 
211 

Olympia  Ostgiebel  des  Zeustempels 
220ff.  281  ff;  Giebel  des  Megarer- 
schatzhauses  51.  56;  A'oju/aus  —  (Aber- 
deen)  71;  Inschrift  des  Andreas  und 
Aristomachos  aus  —  146;  Münzdou- 
bletten  aus  —  (Berlin)  148 

Olympos,  Schüler  des  Marsyas    Vn.  87 

Omphalos  auf  Orestes- Fn.  200  ff. 

Opfer  der  Griechen  in  Aulis  V.  72; 
— dienerin  V.  203;  — zug,  arch.  Gold- 
schmuck aus  Korinth  (Berlin)  99  f. 

Orakel  der  Phaennis  231 

Orestes  in  Delphi    Vn.  199ft'. 

Orpheus  auf  Vn.  265ff.  271,22 

Orvieto,    Vn.  aus  —  237.  239 f.  247 

Ovid  Fast.  III  819:  174f.  180;  Met. 
IV  275:  174.  178;  VI  23:  173;  53ff.: 
172.  175.  177;  X  23:  267;  41ff.  :255; 
ex  Ponto  IV  3,31:119,2;  Trist.  V 
8,7:119,2 


Paeuvius    bei   Rhot.  ad  Her.  II   22,36: 

119,2 
Paestum,  Dionysos  und  Semele  y.-Me- 

topen  aus  —  228,12 
Ilntö  fi  ii     personificirt     im      Pinax     des 

Kebes  122 
Palaestra   auf   Vn.  242,2.   243f. 
Palast    des    Hades    auf  Unterwelts -  Pn. 

255.  263 

Palestrina   Zeus  in    bacch.    Gelage  etr. 

Sp.  aus  —  (Ronen)  89,15;  Silberscheibe 

aus  einem  Grabe  in  —   105 
Pamphaios    I'h.  des—    43.  43,22.   53. 

239  f. 
Pan     Kopf  (V.   Borghese)   64;    —    und 

Nymphe   T.  aus  Myrina   (Berlin)  66 
Panainos   Hellas  und   Salamis  Gemälde 

des  —  212 
Panaitios    Lieblingsname  auf  Vn.  243 f. 
Pandora    Geburt  der  —  an    der    Basis 

der  Parthenos  96,8 
Panther    auf    T'.    des    Pamphaios    aus 

Orvieto    (Neapel)    240;    bei    Dionysos, 

Golddiadem    aus   Abydos92:    bei    Eri- 

nys.   Unterwelt— T'.  255  f. ;    Pantherfell 

Attribut   der   Erinyen,  Unterwelts  -  Vn. 

256.  259,  der  Kentauren   Vn.  58,3,  der 
Satyrn    V.  82 

Papposilen  T.  aus  Kleinasien  (Berlin) 
66 

Paris  auf   V.  aus  Corneto  141  f. 

Paris  Minerve  au  Collier  in  —  129; 
Pasiyhae-SIcply.  in  —  145;  Vn.  in  ^ 
31,1.  39.  56.  206 

Parodie  des  Streits  zwischen  Apollo  und 
Marsyas  durch  Eroten  10,15 

Parthenon   Metopen  des  —  47ff.  57  ff. 

Parthenos   s.  Athena. 

Pasiphae   Skphg.  (Paris)   145 

Paulinus   Krypta  des  h.  —  (Trier)  73 

Pausanias  I  2,5  :  33,5;  14,6.  22,3: 
279;  1127,2:130;  V  18,2:  264;  X15, 
2f.  :231;  29,8f.  :257;  30,5:267,9; 
31,12:  261,11 

Pegasos  als  Schildzeichen  V  des  Hieron 
(Florenz)  249 

Peirithoos  auf  Unterwelts- T'h  257ff. 
263  f. 

lIii!Hii  personiticirt  im  Pinax  des  Ke- 
bes  122 

Peleus,  Hochzeit  des  —  auf  der  Fran- 
9ois-F.  54 

Peloponnes  personiticirt  212 

Pelops  im  Ostgiebel  des  Zeustempels  zu 
Olympia  284 

Pergamon  Attalos  I.  von  —  232;  Eu- 
menes  II.  von  —  235;  Ausgrabungen 
in  —  69;  pergamen.  Kunst:  Verwandt- 
schaft mit  den  Sculpturen  von  Ilion 
235f.,  attal  Weihgeschenk  160;  Altar- 


fries 56.  64.   145  —  147.  213 ff.  293  f.; 

Rel.  aus  —  (Smyrna)  71 
Pergamos,  Heros,  auf  Inschrift  71 
Persephune   von  Pluto   entführt    Wgm. 

(Brit.  Mus.)   143;    auf  Unterwelts-  Vn. 

255 
Perseus   tudtet    die    schlafende   Medusa 

37;    V.  aus  Kameiros  (Berlin)  66 
Personificat ionen  im  Pinax  des  Ke- 
bes 115ff. ;    —   der  drei  Erdtheile   Br. 

(Brit.  Mus.)   139t".   209ff. 
Pesth  Militärdiplom  Domitians  in        64 
Petersburg    Goldmedaillon  mit  Parthe- 
nos aus  dem  Koul-Oba  in  —  129;    Vn. 

in  —  31,1.  201.  206f.  238.  253;  Rd. 

(Kybele)  in  —  64 
Petron.  c.  83  :  134 
Pferd    T.-Slatuette  (Brit.  Mus.)   144;    im 

Parthenonfries  229;  auf  Theseus-SiyViy. 

278;   auf  V.  aus  Korinth  (Berlin)  67 
Phaennis   Orakel  der  —  231 
Pheidiaa    Schüler   des    Ageladas     134; 

Parthenos  des  —   129  ff. 
Phigalia    E"ries   von  —   227  f. 
Philoktet    Br.-Rel.  (Berhn)    und   Mze. 

von  Lamia  65 
Philostratos  Her.  p.  669:  33,5;  p.GTl: 

32,4 
Philtias  und  Deiniades,  Vn.  von  —  32,2. 

40.  251  f. 
Phineus    V.  2SG 
P  h  1  e  g  r  a  e  i  s  c  h  e  Felder  32 
Pliobos  auf  dem  pergam.  Altarflies  56 
Phorbas  auf  T^hessas-Skphg.  (Rom)  276 
Pindar  Pyth.  IV  75:138;    1X18:173; 

Nem.    IV    25ff.  :34;    Isthm.   VI    (V) 

32ff.  :33;  Fr.  84:33,6 
Piraeus   Rel.  im   —  64 
Platane  von  Aulis    V.  72 
Plato     Axioch.     p.  372  :  259,  8.      Gast- 
mahl: 6.     Kratylos  p.  399D:  9,13 
Plautus  capt.  V.  4,1  :  270,21 
Plinius    N.  H.    VIII  196  :  170;     XVII 

153:    9,13;    XXXI  3:   9,13;    XXXIV 

8:146;    73:162;     XXXV  91  f.  :  135  ; 

131  :270 
Plutarch  de  fort.  Rom.  4: 119,2.  Kleoui. 

19:   180.     Theseus  18:  279;   20:  279, 

13;  35:  25S 
Pluto   Proserpina  entführend   Wym.  vom 

Grabmal  der  Nasonen  (Brit.  Mus.)  143; 

s.  Hades 
Plutos  des  Kephisodot  (Athen)  64 
PolluxVI   83:  180;    X69und80:  179 
Polybios  V  78:   232;   111:   231 
Polygnot    Wgm.  des  —   2571.  284 
Polykrates,  Erbauer  der  Wasserleitung 

in  Samos  75 
Pompeji    Wgm.  in   —    5,7.   140;     Eros 

und  Psyche  T.  aus     -    13,20 


309 


Retfister. 


310 


Porphyrion,  Gigant  3"3f. 

Poseidon    im    Gigantenkanipf  (Paithe- 

nonmetopen)  4S  f.  52  f. 
Praeneste  s.  Palestrina. 
Praxiteles  2:  Kunstrichtung  iles  —  293; 

Hermes  des  —   2ö 
Priester  auf  Rel.  aus  Ibriz  71 
Prometheus-SiyA^.  (Capitol)  5,8 
Properz  I  1,4:42,19 
'!■  (vöonuiöfCct    personificirt    im  Pinax 

des  Kebes  125 
Psyche    P'.  7, 10:   Mze.   von   Nikomedia 

7,10:    mit   Vogelflügeln   Tn.  Saburoft' 

(Berlin)  11,18.  13,  aus  Pompeji  13,20; 

zwei  Psychen  19.   s.  Eros. 
Ptolemaeus  von  Mauretanien  Mzn.  des 

—   161 
Pylades  auf  Orestes-Fn.  202ft". 
Pythia  auf  Orestes- Fn.  201  ff. 

Quintilian  XTll  6,71:33,G 

Regulini-Galassi  Brustphitte  aus  dem 
Grabe  —  114 

Reh  am  Stirnschild  des  Helms  der  Par- 
thenos  134:  auf  T'.  aus  Caere  (Berlin) 
83 

Reisesack  Sklave  mit —  T.  (Berlin)  66 

Reiter  arch.  Goldschmuck  (Berlin,  Ko- 
penhagen) 99ff. :  F.  des  Pamphaios  aus 
Orvieto  (Neapel)  240 

Remus  imd  Romulus  mit  der  Wölfin 
Mzn.  von  Ilion  224, 1 

Khadamanthys  auf  Untei\velts-F.  (Nea- 
pel) 265 

Rinder  des  Helios  37 

Ring  von  Gold  mit  Athenakopf  91,  mit 
Parthenos  165  ff. 

Ringkampf   F.  (Berlin)  66 

Rom  in  Bildern  des  14.  Jahrhunderts  68; 
Serviusmauer  287;  Bron:i:n:  antiker 
Maassstab  (Vatican)  196ff.,  Athena  und 
Knkeladüs  Rel.  (Mus.  Kirch.)  226,  Hünd- 
chen und  Artemis-5/a(uette  (Berlin)  67 ; 
Gold:  Plättchen (JIus. Greg.)  113,  Kreiri 
(C'astellani)  114;  Marmor:  Büste  des 
Anakreon  (Capitol)  151  H'.,  Gruppe  von 
Eros  und  Psyche  (Capitol.  Torlonia) 
12 — 14,  Sta.  des  Anakreon  (V.  Bor- 
ghese)  149  ff.,  des  Nil  (Vatican)  140, 
S/cphge.  5,8.  77.  145;  Vn.  31,1.  205. 
205,20.  238  f.  247.  249.  251;  Silber- 
tetler  (Berlin)  67;  Wgm.  (Brit.  Mus.) 
143 

Romulus  und  Remus  mit  der  Wölfin, 
Mzn.  von  Ilion  224,1 

Reuen  Zeus  bei  bacch.  Gelage  etr.  Sp. 
aus  Palestrina  in   —   89,15 

Ruvo     \'n.   aus  —   202  ff.   253  ff. 


S  ab  ur  off 'sehe      Sammlung:      Jüngling 

Br.-Sta.    aus  Salamis  291;    Eros  und 

Psyche    T.  11,18.   13;    Zeus    als  Adler 

den  Ganymed   entführend  Spiegelkapsel 

76 
Saktschegözü  Löwenjagd   Rel.  aus  — 

63 
Salamis    Jüngling,     Rr.  -  Sta.    aus    — 

(Berlin)  291;  —   ])ersonificirt   Gemälde 

des  Panainos  212 
Samos   Wasserleitung  in  —  75 
Sardes    iJr. -Waage  aus  —  (Brit.  Mus.) 

145 
Sardinien,  Cieadcnlarve  von  Gold  aus 

einem  Grabe  in  —   7,12 
Sarpedon    von    Hypnus    und   Than.itos 

getragen  43 
Sarteano   Alkyoneus-  Vn.  in  —  31,1 
Saty  r-Äop/' auf  ß/-.  -  Helm    aus   Athen 

(Brit.  Mus.)   146;    Satyrn  auf  Fn.  82ff. 

242,2 
Scepter   Zeus    und   Hades   mit  Narthex 

—  82—86 
Schauspieler    T.   aus  Klein.asien  (Ber- 
lin) 66 
Scheere    F.  207 

Schildzeichen  auf   ]'ii.  246.   248  f. 
Schlange    in    Aulis  versteinert    F.    72; 

Attribut   der   Erinyen   199fl'. ;    Schlan- 
gentopf im  pergamen.  Altarfries   145  f. 

213ft",;      als     Schildzeichen      T'.    66  f.; 

Schlangensäule  auf  byzantin.  Bleiplatte 

(Berlin)  68 
Schmetterling     Sinnbild      der     Seele 

4ft". ;     an     einer    Säule    kriechend     19; 

als   Ohrgehänge  9,14;    Sardonyx  9,14. 
Sc  hol.  ApoUon.  Rhod.   I    1289:336 

Aristoph.  Av.  514ft'.:  163,6  ;  Nub.  712: 
9,13 

Eurip.  Or.   268:199,1 

Homer  Od.  XI   321:279,13 

Oppian  II   164:9,13 

Pind.  Pyth.  VIII   17:37,9;    Nem.    IV 
25ff.:35f.;    Isthm.  VI  (V)  32ff.:36f. 
L.  Scipio  lagert  bei  Ilion  232,24 
Seegottheit     Br.  -  Rel.    (Brit.   Mus.) 

25  ff.   137 ff.  209  ff'. 
Seekälber    Br.-Rel.  (Edinburgh)  27. 
S  eelen  Wanderun  g         Handzeichnung 

eines     Jlel.     mit    Darstellung    der    — 

(Berlin)   115  ff. 
Selene    reitend    auf   der  Basis  der  l'ar- 

tlienon  und    Vn.  96,8 
Seleukos  mit  Antiochos  die  Tyche  be- 
kränzend   Marmorgruppe    in    Antiochia 
162 
Semele    und    Dionysos    auf    Stierwagen 

/"■-Metope  au»   Paestum  228,12 
Seneca     epist.     52,3:  155f.;     58:9,3; 
90,20:177.180.    Herc.  für.  588:256,4 


Serdike,    Eros   und    Psyche    .1/::«.   von 

—    12.    15,25 
Servius  zu  Vergil  Aen.  II    166:223,1; 

Georg.  I    122:277 
Serviusmauer  in  Rom  287 
Sidonius  ApoUinaris  IX   92;    XIII 

11;  XV  141:33,6 
Sesklo,     prähistor.     Scherben    aus     — 

(Berlin)  67 
Siegel,     gläserne    (Berlin)    68;    — ring 

(Cypern)  165  ft'.;  — stein  vom  Nemrud- 

dagh  (Berlin)   GS 
Sikelos    F.  des  —  239 
Sikuler,  Zeit  der  Einwanderung  der  — 

289 
Silber-Fund  bei  Kuriun  165 ff'.;  —schale 

aus  Praeneste   105;   —  teller  mit  Arte- 
mis aus  Rom  (Berlin)  67 
Silen    Goldplättchen    aus  Elaea    91:    — 

mit  Füllhorn    T.    (Berlin)    66;     Herme 

ornamental  auf  Skphg.  219 
Silius  Italiens  Pun.  XIV  658:173. 
Sipar-Sepharvai  m,    die  babylonische 

Sonnenstadt   7."i 
Sirene  auf  Grabmal  des  Isokrates  95 
Sisyphos  auf  Unterwelts- Fn.  259 
Situla  von  Br.  aus  Offida    (Brit.  Mus.) 

144  f. 
Sklave  mit  Reisesack   T.  (Berlin)  66 
Smyrna    Rel.  aus   Pergamon  in  — 71; 

T.  aus  —  (Brit.  Mus.)  144;  ßr.-Waage 

aus  —  (Brit.  Mus.)   14  5 
Sonne  auf  Orestes- F.  202 
Sparta    Mzn.    von    —    mit     Schlangen- 
topf 217 
Sphinx    Felsmonument   (Kleinasien)  71  > 

Br.-Rel.  eines  Thronsessels  aus  Chiusi 

(Berlin)   65;    auf   arch.    Goldschmuck 

aus  Athen  (Berlin)  104:  auf  dem  Helm 

der  Parthenos  133 
Spiegel    in    der    Hand    von    Aphrodite 

F.  83 
Spindel     in    der    Hand    des    Achilleus 

Skphg.  219 
Stempel    in    Form    einer  Fusssohle    aus 

Constantinopel  (Berlin)  65 
Stephanus  Byz.  v. '.^ö(uf:33,5 
Sterope   im   Ostgiebel   des  Zeustempels 

zu  Olympia  221.  281  ff. 
Stesichoros  Fragm.  40:  199,1 
Stier    Br.-Rel.  eines  Thronsessels   aus 

Chiusi     (Berlin)    65 ;     —     mit    Löwen 

kämpfend,  arch.  Goldschmuck  103;  — 

gespann    des  Dionysos  T. -Metope  aus 

Paestum  228,12 
Stirnziegel  T.  aus  Tarent  (Berlin)  66 
Strabo  VII  fr.  32  p.  330:33,5;    fr.  58: 

33,6.  XIII  p.  593:230 
Sueton  Claud.  25:232,26 
Syrien,  Funde   vom  Nemrud-dagh  (Ber- 


311 


Register. 


312 


lin)  63.  G8 ;  Löwenmaske  Br.   aus   — 
Berlin)  65 

Taren t  Jüngling  Br.-Stutuetle  aus  — 
(Brit.  Mus.)  2 1  ff. ;  Tn.  aus  —  (Berlin) 
\iG;    V.  aus   —  239 

Tartaros    Vn.  265 

Telamon,  Gefährte  des  Herakles  35.  40 

Telegonos  und  Kirke    T'.  269 

Telephos,  Stadtgründer  von  Pergamon 
Ö6 

Teos  Anakreon    auf  Mzn.    von   —     152 

Terracotten:  Erwerbungen  des  Brit. 
Mus.  1883:  U3f.;  des  Berl.  Mus.  65f ; 
Athena  und  Enkelados  Rel.  226; 
Dionysos  und  Semele,  Metope  aus 
Paestum  228,12;  Eros  und  Psyche 
11,13.  13,20;  Zeus  und  Ganymedes  76 

Th anatos    DErstellungen   des  —  42 ff. 

Therais  Wagenlenkerin  der  Athena  auf 
der  Fran^ois-T".  54 

Theodektes  Grabmal  des  —  95,7 

Theokrit    Anth.  Pal.  IX  599:152 

Theseion   Metopen  des  —  55 

Theseus  stiftet  den  Aphroilitecult  in 
Athen  279;  auf  dem  Friese  von  Bassae 
58,3;  mi  Shphgn.  77  f  271  ff';  —  und 
Ariadne  Vn.  277  f;  —  und  Minotauros 
arch.  Goldschm.  aus  Korinth  (Berlin) 
106  f,  r.  (Corneto)  107,  ir«/»/.  274f; 
in  der  Unterwelt    Vii.  257  ff. 

Thessalien  Grabstelen  aus  —  (Athen) 
64;  praehistor.  Scherben  aus  —  (Ber- 
lin) 67 

Thetis  und  Peleus'  Hochzeit  auf  der 
Fran9ois-T'.  54 

Thonwaaren- Fabriken   bei  Köln   294. 

Thronsessel  Br.  aus  Chiusi  (Berlin) 
65;   T.  (Berlin)  66 

Timagoras    1'.  des   —   237 

Timasarchos  Siegeslied  des  Pindar 
für  —  36 

Tifiio^Cn  personificirt  im  Pinax  des 
Kebes  125 

Tisch  Br.  aus  Chiusi  (Berlin)  65; 
Form  des  Tisches  auf  Vn.  96;  Speise- 
tische der  Griechen  179  ff.  285  f. 

Tlempolemos  auf  V.  des  Euthymidea 
252 


TIeson    Vn.  des  —  238 
Todtenmahl  Rel.  (Brit.  Mus.)  64 
Todtenrichter  auf  Unterwelts- Fh.  265 
Toulouse,    Okeanos   Mos.  aus  —   211 
iQan (i^ai    Grabmäler   93 
Traube   Knabe  mit  —  T.  (Berlin)  66 
Trier   Krypta  des  h.  Paulinus  in  —  73 
Trigonon    Frau  mit  —   T.  (Berlin)  66 ; 

Mädchen  mit  — ,  Golddiadem  aus  Aby- 

dos  93 
Trinkhorn  des  Dionysos    V.  238 
Triptolemos   Darstellungen  des  — 59. 

265 
Trompete  auf   V.  des  Hieron  (Florenz) 

248 
Tyche   des  Eutychides    162;    Zeichnung 

eines  Rel.  (Berlin)  66 
Tympanon   84 

Unterwelt  Darstellungen  der  —  auf 
Vn.  253  ff. 

Vasen  Erwerbungen  des  Brit.  Mus. 
1883:144,  des  Berl.  Mus.  66f.;  von 
Bronze  65;  Bucchero- Fn.  101;  Di- 
pylon-T'n.  101;  V,  aus  der  Krim 
209 f.;  mit  Meistersignaturen  237 ff.; 
Mykenische  —  147.  Darstellungen 
auf  — :  Ackerbau  60,9;  Flügelfiguren 
42,21 ;  Gigantomachie  47.  56;  Herakles 
und  Alkyoneus  31  ff.,  und  Kyknos  43. 
53;  Hypnos  und  Thanatos  43  f;  Ken- 
tauromachie  57.  57,3;  Marsyas  81  fl'. 
87 ff.;  Orestes  in  Delphi  199 ff.;  Paris 
141  f;  Peleus'  Hochzeit  (Fran9ois- F.) 
54;  Psyche  7,10;  Theseus  und  Ariadne 
277  f,  und  Minotauros  107;  Unter- 
welt  253  ff. 

Venedig,  Eros  und  Psyche  Marmor- 
gruppe in  —   15 

Vergil  Georg.  IV  485ff  :255 

Verona  Gorgoneion  Br.-Rel.  in  —  27; 
Votiv-iie/.  mit  Schlangentopf  in  — 
217f. 

Vesta    Tempel  (Rom)  67 f 

Via  Flamin ia  Grab  der  Nasonen  an 
der  —   143 

Vibia  Eros  und  Psyche  auf  Denaren 
der  gens  —   12 


Victoria    Skphg.  (Rom)   78 
Viergespann     V.  38,13;    Wgm.   143 
Virtus    Skphg.  (Rom)    78.  278.  280 
Vogel   auf  arch.  Goldschrauck   (Berlin) 

100.  105;  Frau  mit  —  (Brit.  Mus.)  143; 

—   als  Schildzeichen    T''.  246;     —  mit 

Menschenkopf  als   Sinnbild   der  Seele 

10,16 
Vulci     Grabfund    in    —    65;      Vn.    des 

Charinos  aus   —   238  f 

Waagen    aus   Br.  (Brit.  Mus.)   145 

Wagen  anf  arch.  Goldschmuck  (Ber- 
lin) 108;  in  den  Parthenonmetopen 
53  f;  auf    V.   53 

Wandgemälde  vom  Colosseum  (Brit. 
Mus.)  143;  vom  Grab  der  Nasontn 
(Brit.  Mus.)  143;  Aeneas'  Auszug  pa- 
rodirt  10,15;  die  drei  Erdtheile  140; 
Eros  und  Psyche  5,7;  Landschafts- 
bilder  140;  Theseus  274 f   277 

Wasserleitung  in  Samos   75 

Webstühle  der  Alten  169ff. 

Widder  Helle  auf  dem  —  T.-Ret. 
(Brit.  Mus.)    144 

Wight  Marmorko]if  und  Skphg.  aus  — 
(Brit.  Mus.)    144 

Wölfin.  Romulus  und  Remus  säugend 
Mzn.  von  Ilion  224,1 

Xenophon  Anab.  VII  3,21:183;  Cy- 
neget.    13,14:9,13 

Yarborough'schc  Sammlung:  Niobe- 
Koji/  64 

Zeus  Ostgiebel  vom  Tempel  des  —  in 
Olympia  220ff.  281  ff.;  —  und  Aigaion 
32;  und  Dionysos  85  f;  im  bacch.  Ge- 
lage T'.  88f.,  etr.  Sp.  89,15;  und  Ga- 
nymed  V.  45,  T.  76;  im  Giganten- 
kampf (Parthenonmetopen)  48  ft".  (Me- 
garergiebel)   51;  und  Typhoeus  32 

Z  iegelstempel  67 

Zweigespann  von  Pferden  108,  von 
Stieren  228,12 

Zweikampf  101.  248 

Zwerg    Tn.  66.   144 


ArchÜDlo^.  Ztg.  J;ilu'^aii^  XLII. 


23 


313 


Resister. 


314 


II.    EPIGRAPHISCHES  REGISTER. 


Indosassanidische  Inschrift  C  (Berl. 

Mus.)  68 
Keilinschrift  aus  Kappadokien  74 


Griechische   Inschriften 

im  British  Museum  143 f.;  in  Cypern  168; 

von  Ilion    224;    byzantin.    Inschr.    auf 

einer  Bleiplatte  (Berlin)  68 
AQE  att.  Tetradrachme  76 
{Aitt)x6g   V.  265 
Aimv   V.  266 
A[x('tftai]    V.  250 
'Alxvovio    r.  32,2 
ZiuttOii  fi    ino(t]afV    V.  237 
'Aväyxrj    V.  265 
Andreas  und  Aristomachos,    argivi- 

sche  Künstler  auf  Inschrift  auf  Olympia 

146 
At'dQouä/ti    T'.  250 
—th»tis   V.  249  f. 
AviiÖTittt    V.  252 
'An[a]tti  Bei.  117  f. 
o   ätivtt  H7ioXk~]u>v(ov  vtmxogog  'Athi[v(ig 

\ixr]q6Q]ov  iigioi   //fyj'K^ww  Ret.  71 
AoTvuvayg    V.  250 
Bioi  Rel.  115.   119.   123 
Buvyoi  (nuCriOtv   V.  249 
ü  Afjixog  att.  Tetradrachmon  7fi 
Jixri   V.  263 
ito?  rrjvät    V.  252 
(ygai^atv    Vn.  239.  241.  252 
'EUäriixoi    V.  252 
'Enl\Xv\xos  fyQctjifatv   V.  241 


IrtoCtiatv    Vn.  23811'. 

^'   inoCrjOtv  237.  239 

Inoisav  240 

(notifotv  240 
Ev!)vfiiätg    Vn.  252 
EviJvdtxT}    V.  267 
Zfi)f   llohfvg  231 
Zr/vuivog  Itgiiag  Stempel   aus  Constanti- 

nopel  65 
iuifioi   V.  209  f. 
'llij^axktjg    V.  239 

'Eyctxleo    r.  32,2 
0o()itxCov   V.  252 
fi)[on]ai'|U^[<yijc]    I'.  250 
'Uqiov  Inoirintv    F;i.  247  f. 
'D.itig  Inschr.  von  Ilion   223, 1 
KO*VS    V.  96 
XQtöiv    V.  209  f. 
Kvl^i  (xr)vijüv)  /HPK  Bleigewicht  (Brit.  Mus.) 

146 
Att  .  .  .    V.  267 
]\lttnSo}(luv  £?-.-VVaage   145 
Aliuviov  xciXig   Vn.  242 
AVdiof   F.  252 
Nf07i[-i6]i.[lfiOg']    V.  250 
Nixoalfevrjg  Inotrjnn'    V.  238 
'OQfftv    V.  271,22 
Ilavaitiog  xaXög    Vn.  243 
Ilävifctiog  fj.'inoirjOtv    V.  239 

Ifdv(f<aiog  (nonnv    V.  240 

'hadfiiiog  fno^rjaiv    V.  239 
lItt(>i!toog    V.  263 
rioXv/aivr)    V.  250 
Ilnlaiiog    Vn.  250.   252 
If()(OTi(f>vog    V.  209  f. 


niiaKVfg   V.  209  f. 
l'PnJftJ^UKySüf    T".  265 
.S'ixeilöf  fygcKfatv   V.  239 
r^;ii)C   F.  252 
TQtnroXi/xog   Vn.  265 
T()(u3'fa/(ui'    F.  209  f. 
lon'  'AHi]V>]!ttv  {iltXiov    V.  239 
yoz^f    T".  209 
'PiXiiug   V.  251 

•t>iviCug  Inoirjair   V.  251 
Xtd-pf  'Oc>(/'fO   F.  271,22 
Xnprvoi  Inoirjatv   V.  239 
Xi'niur  fnoii]atv    V.  239 

Lateinische  Inschriften. 

Alaesiagae,  german.  Gottheiten,  Inschr. 
vom   Hadrianswall  74 

Alphabetische  Anordnung  von  Na- 
men 73 

Beda  )   germ.    Gottheiten, 

Fimmilena  )      Inschr.   vom  Ha- 

Mars  Thingsus      )      drianswall   74 

Mili  tärdiplora    Domitians  (Pesth)  64. 

M.  Rai.  Ruf  Fer.,  Bleibarren  aus  Car- 
tagena  (Berlin)  7 1  f. 

Sempronius  Servandus,  Weihinschr. 
des  —  auf  Skphg.  aus  Wight  (Brit. 
Mus.)   144 

Tarquinii,  etrusk.  Bundesstadt  auf 
Inschr.  (Rom,  Lateran)  73 

Tuihanti  cives  Germani  ex  cuneo 
Frisiorum  Severiani  Alexan- 
driani,  Inschr.  vom  Hadrianswall  74 

Vetulonia     1   etrusk.    Bundesstädte  auf 

Volci  I      Inschr.  73 


ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  I8S4. 


TAFEL  1. 


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EROS  UND  PSYCHE 

BRONZERELIEF    IM    BERLINER    MUSEUM. 


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HERAKLES    UND   ALKYONEYS 

SCHALE     IN    CORN  ETO 


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TAFEL   10. 


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TAFEL    15. 


AMPHORA  DES  AMASIS. 


ARCHÄOLOGISCHE    ZEITUNG    1884 


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SCHALEN  DES  Pfi 


TAFEL  16. 


^DEUPHRONIOS. 


ARCHÄOLOGISCHE    ZEITUNG    1884. 


TAFEL  17. 


t    V    °  \    t    ^   e 


1  VASE  DES  EPILYKOS  2.FRAGMENTE  AUS  VULCI 
3. SCHALE  DES  HIERON. 


ARCHÄOLOCPSCHE     ZEITUNG    188* 


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UNTERWELTS-VASE     SANTANGELO 


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5LOGISCHE     ZEITUNG    1884 


TAFEL    19 


FRAGMENTE    EINER    UNTERWELTS  -  VASE 


IN      KARLSRU  H  E 


LiüibalvWAOr- 


3  3125  00098  5362